Unter Juden vertieft sich
die Kluft an der Frage über den Zionismus
Yakob
M. Rabkin, (www.baltimoresun.com - 8.3.07)
Zwischen
zionistischen Anhängern Israels und Juden, seien sie religiös oder
säkular, entwickelt sich eine immer größere Spaltung. Letztere lehnen
den Zionismus ab oder hinterfragen die Politik des Staates Israel .
Die öffentliche
Debatte über Israels Platz im jüdischen Fortbestand ist offen und
objektiv geworden.
Viele Juden
haben sich mit den Widersprüchen zwischen dem Judentum, zu dem sie
stehen, und der zionistischen Ideologie, die sich bei ihnen festgesetzt
hat, abgefunden. Dies trifft mit großen Bedenken zusammen, die sich mit
Israels politischer und religiöser Perspektive von Israels Zukunft
befassen.
Ziemlich wenige
Juden fragen nun öffentlich, ob der chronisch belagerte ethnische
Nationalstaat in Nahen Osten „gut für die Juden“ sei. Viele machen sich
weiter darüber Sorgen, ob der militante Zionismus die jüdischen
moralischen Werte zerstört und die Juden in Israel und anderswo
gefährdet.
Diese Debatte
ging sogar in die Popkultur ein: der Film „München“ von Steven Spielberg
konzentriert sich auf den moralischen Schaden, den Israels chronische
Verbindung zur Gewalt verursacht.
Die israelische
Lobby in den US, die mit der nationalistischen Rechten in Israel
verbunden ist, greift den jüdischen Direktor und seinen Film in gemeiner
Weise an, bevor der Film überhaupt uraufgeführt wurde. Sie verriss auch
etliche Bücher, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden wie z.B.
„Prophets outcasts“, Wrestling with Zion“, „The Question of Zion“, „Die
Mythen von Zion“ - alles Bücher von jüdischen Autoren, die über
denselben wichtigen Konflikt zwischen Zionismus und den jüdischen
Werten beunruhigt sind.
Vor ein paar
Wochen brachte die israelische Lobby ( durch ihren Vertreter das
amerikanische jüdische Komitee) einen Bericht, der behauptet, dass
Juden, die Israel kritisieren, sein „Existenzrecht“ gefährden und
Antisemitismus schüren. Dies brachte eine Reihe prominenter Juden in
Groß-Britannien, Kanada und den USA dazu, frei heraus zu sprechen: es
gab eine bewegende, ehrliche Debatte über Israel in Mainstream-, ja
sogar in konservativen Publikationen. Im Januar veröffentlichte der
pro-establishment Economist eine Umfrage über den „Staat der Juden“, und
ein Herausgeber rief die Diasporajuden der Basis dazu auf, sich von der
Haltung „my country - right or wrong“ zu distanzieren, die von vielen
jüdischen Organisationen übernommen wurde.
Das Engagement
für jüdische Emanzipation vom Staat Israel und seiner Politik hat alte
Spaltungen überbrückt und neue geschaffen. Ein Ultra-orthodoxer Kritiker
Israels, gewöhnlich ein Gegner des Reformjudentums, kommentierte einen
Reformrabbiner : „Wenn Israels jüdische Unterstützer im Ausland nichts
gegen die verheerende Politik (Israels) sagen, die weder die Sicherheit
ihrer Bürger garantiert noch das richtig Klima schafft, in dem man einen
gerechten Frieden mit den Palästinensern erreichen kann …. Dann betrügen
sie die jahrtausend alten jüdischen Werte und handeln auf Dauer gegen
Israels eigene Interessen.“
Die Beziehungen
zum Staat Israel und zum Zionismus hat die Juden polarisiert. Die Linie,
entlang der die Polarisierung Gestalt annimmt, stimmt mit keiner der
üblichen Trennungslinien überein: Ashkenazim/ Sephardim; das Judentum
praktizierend/ nicht praktizierend, Orthodox/ nicht orthodox.
In all diesen
Gruppen sind Juden, für die nationaler Stolz, ja sogar Arroganz
(Chutzpa) ein positiver Wert ist, und die ihre begeisterte Unterstützung
dem Staat geben, der das verkörpert, das sie mit Lebenskraft erfüllt,
und der für sie die Garantie für jüdisches Überleben darstellt.
Aber in jeder
dieser Gruppen sind auch Juden, die davon überzeugt sind, dass allein
die Idee eines ( rein) jüdischen Staates, und der von ihm geforderte
humanistische und moralische Preis, genau all das unterminiert, was das
Judentum lehrt, besonders seine Kernwerte : Bescheidenheit, Mitleid und
Freundlichkeit. Sie weisen mit andern zuverlässigen Unterstützern
Israels auf das Paradox hin, das Israel oft als letzten Zufluchtsort für
Juden darstellt, aber einer der gefährlichsten Orte für Juden ist. Die
israelischen Medien berichten in noch nicht da gewesener Weise über
Sorgen, die nicht nur die Zukunft des Staates betreffen, sondern auch
das physische Überleben seiner Bewohner. Einige versuchen „Israels
nationalen Zweck“ als ein Mittel neu zu definieren, nämlich Israels
weitgehend demoralisierende Gesellschaft neu zu beleben.
Die Spaltungen
über Israel und Zionismus sind so akut, dass sie die Juden unabänderlich
teilen mögen, wie durch das Christentum vor 2000 Jahren. Das
Christentum, das eine die Tora auf griechisch lesende Gruppe war, brach
schließlich vom Judentum ab. So wie das Christentum, ist es nun der
Zionismus, der die Tora und die jüdische Geschichte nationalistisch und
phantastisch versteht und viele Juden fasziniert.
Es bleibt
abzuwarten, ob der Bruch zwischen jenen, die an der jüdischen Moral und
Tradition festhalten und jenen, die zum jüdischen Nationalismus
konvertieren, eine Tages geflickt werden kann. Auch wenn diese Teilung
für Juden und das Judentum schicksalhaft sein mag, so betrifft es nicht
unbedingt Israel selbst, zu dessen bedingungslosen Unterstützern heute
viel mehr evangelikale Christen als Juden gehören.
Yakov
Rabkin, Autor von „A Thread from Within: a Century of Jewish
Opposition to Zionism“ ,(„Eine Bedrohung von innen: ein Jahrhundert
jüdischer Opposition gegenüber dem Zionismus“) ist Professor für
Geschichte und Lehrbeauftragter am Zentrum für Internationale Studien an
der Universität von Montreal.
Yakov.rabkin@umontreal.ca
(dt.
Ellen Rohlfs)
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