Israel will keinen Frieden, Israel will Land.
von
Waltraud - "Woman in Black" aus Wien - - 28.
Jänner 2005
Die Einreise war dieses Mal
ganz problemlos - ich wurde nicht gefragt warum und wieso , nur ob ich
schon einmal in Israel war. Ein kurzes ja - und damit war ich durch, ganz
verdattert, weil innerlich auf ein längeres Verhör vorbereitet. Die
Ausreise war nicht so leicht, es ist beschämend, ständig lügen zu müssen,
wenn man die besetzten Gebiete besucht hat oder besuchen will. Israel
versucht alles, um unliebsame Augenzeugen fernzuhalten, sodass die
völkerrechtswidrigen Handlungen, die Auswirkungen der Menschen
verachtenden Politik in den von Israel besetzten Gebieten möglichst nicht
publik werden. Unter dem Deckmantel "Sicherheit" werden ungeheuerliche
Maßnahmen gesetzt und fast jeder Besucher wie ein Krimineller behandelt.
Ich schloss mich wieder
einer Gruppe an, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt. Der
erste Einsatz, einen Palästinenser zu unterstützen der angeklagt war,
Steine geworfen zu haben, was aber nicht den Tatsachen entsprach, weil er
einer Gruppe angehört, die zwar gegen die Mauer protestiert, aber auf Ihre
Fahnen absolute Gewaltfreiheit, auch verbale, geschrieben hat. Einige von
uns versuchten in den Gerichtssaal zu kommen, andere von uns standen vor
dem Eingang mit Plakaten wie - Freiheit für MM etc. Daneben gab es eine
Ansammlung von ungefähr 100 Menschen, die offensichtlich ebenfalls für
einen Angeklagten demonstrierten. Als sie herausfanden, dass wir nicht zu
ihnen gehörten, sondern für einen Palästinenser eintraten, gab es Tumult.
Sie versuchten, kleine Kinder miteingeschlossen, uns zu vertreiben,
schrieen zuerst lautstark auf Hebräisch mit dementsprechenden Gesten, dann
auf Englisch - Mahmud soll sterben , er soll sterben, wir wollen, dass
alle Palästinenser sterben, und das ununterbrochen, wie eine Gebetsmühle.
Es gab Angriffe gegen unsere Schienbeine und Ohren (sie versuchten ihre
Trillerpfeifen in unsere Ohren zu stecken und gleichzeitig auf unsere
Zehen und gegen unsere Schienbeine zu treten).Die Polizei sah zu bis das
Fernsehen kam, erst dann versuchten sie einzugreifen, ein ziemlich
nutzloses Unterfangen. Diese erschreckend rabiaten Siedler reagierten ganz
einfach nicht. Sie ignorierten alle Aufforderungen zur Mäßigung, zumal die
Polizei nur mit Knüppeln bewaffnet war. Ein Vorgeschmack dessen, was zu
erwarten ist, sollte Israel tatsächlich versuchen Siedlungen aufzugeben.
Einige hundert von ihnen belagern seit Wochen die Knesset.
Die Soldaten hatten für
kurze Zeit Kreide gegessen, sie hatten offensichtlich den Befehl höflich
und zuvorkommend zu sein, jedenfalls so lange sich internationale
Wahlbeobachter im Lande befanden. Sofort nach den Wahlen gab es "business
as usual". Die "spin-doctors" der israelischen Militärmaschinerie leisten
großartige Arbeit, um die völkerrechtswidrigen und menschenverachtenden
Handlungen in den von Israel besetzten Gebieten so erscheinen zu lassen,
dass sie Israel im günstigen Licht erscheint und die Schuld an der Misere
ausschließlich an den Palästinensern hängen bleibt. Der Kallandia -
Checkpoint grauslich wie eh und je. Allerdings, bei meinem letzten Besuch
war die Mauer noch nicht in Sichtweite, jetzt steht sie, bedrohlich,
grässlich links und rechts vom Checkpoint Nur eine Frage der Zeit bis die
Metalltore installiert sind und das Westjordanland ein Kerker wie der
Gaza-Streifen ist.
Es ist schwer vorzustellen,
wenn man die Tatsachen vor Ort gesehen hat, dass Israel wirklich ernsthaft
Frieden will. Ich habe das Gefühl - Israel will gar keinen Frieden, Israel
will Land, soviel palästinensisches Land wie nur möglich und Wasser. Wie
sonst ist zu erklären, dass der Siedlungsbau unvermindert weitergeht, der
Ausbau der Mauer ebenso und damit verbunden der tägliche Landraub. Zum
Beispiel in Jayyus die Mauer und der Zaun winden sich über Berg und Tal
und trennen Bauern von ihren seit Generationen bewirtschafteten Land, das
dann von Israel ohne Entschädigung konfisziert wird - weil nicht
bearbeitet. Dabei sind Genehmigungen um zu den Feldern zu kommen, schwer
oder überhaupt nicht bekommen. Da steckt System dahinter. Oft sind diese
unglaublichen Monster- die mit Stacheldraht und Strom gesicherten Tore -
nur zweimal pro Tag für jeweils eine viertel Stunde geöffnet. Für
diejenigen die die heiß begehrte Genehmigung erhalten haben , bedeutet es
trotzdem keine Sicherheit, dass sie auf ihre Felder können, denn die
Öffnungszeiten sind zwar angeschlagen aber sehr oft kommen die Soldaten zu
spät oder zu früh, dann wird die Zeit abgezogen und das Tor wird gar nicht
oder nur 5 Minuten geöffnet. Diese Genehmigungen sind sehr schwer zu
bekommen, und werden oft nur für einen Tag oder eine Woche in günstigen
Fällen für länger ausgestellt und ist ganz von der Willkür der
israelischen Verantwortlichen abhängig. Das ist kostspielig und
zermürbend. Die Mauer wird mitten durch Gärten , knapp an Häusern vorbei
gebaut, die dann gesprengt werden, weil sie zu nahe an der Mauer stehen.
In Jayyus wird die bereits bestehende israelische Siedlung Zufim
erweitert, und innerhalb von nur zwei Wochen, beginnend Anfang Dezember
2004 wurden vierhundert Olivenbäume ausgerissen, sofort auf Lastwagen
verfrachtet und nach Tel-Aviv gebracht. Nicht einmal die ausgerissenen
Bäume bleiben den ehemaligen Besitzern. Ich habe den alten Bauern, dem der
Olivenhain gehörte und den er sein ganzes Leben betreute, persönlich
kennen gelernt. Es blutete mir das Herz, als er mir von seinem ehemaligen
Stolz und seiner Lebensgrundlage berichtete. Er hat nichts mehr auf seine
alten Tage und kann seinen Kindern nichts weitergeben und ist jetzt auf
Lebensmittelhilfe angewiesen. Die Menschen im Dorf bedankten sich für
unser Kommen, jedes Zeichen von Solidarität, schon das Zuhören alleine
bedeutet ihnen sehr viel. Die Soldaten kommen fast jede Nacht, treten
Türen ein, verwüsten die Wohnungen, schneiden Matzratzen auf, leeren
Lebensmittel aus, verhaften willkürlich Menschen, erschießen sie, erklären
sie ohne Beweise zu Terroristen, verbreiten ständig Angst und Schrecken.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, sie wollen sie ganz einfach
vertreiben, aber sie gehen nicht. Es ist zu befürchten, dass die momentane
"Friedenseuphorie" bald verblassen wird. Israel wird wieder endlos
verhandeln, sogenannte großzügige Angebote machen, die in Wahrheit
unannehmbar sind und damit rechnen, dass die Palästinenser die Geduld
verlieren, um ihnen wieder die Schuld am Scheitern zuschieben zu können.
Ich hoffe, ich irre mich.
Waltraut Schauer |