o

Das Palästina Portal

Täglich neu - Nachrichten aus dem, über das besetzte Palästina - Information statt Propaganda

 Kurznachrichten  -  Archiv  -  Themen  -  Linksammlung -   Facebook  -  Veranstaltungen  - Sponsern Sie  - Suchen

 

Praktische Überlegungen zur Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge
Von Norma Musih und Eitan Bronstein, Zochrot e.V., Tel Aviv

Einleitung

Für uns hier lebende Israelis war das „Recht auf Rückkehr“ immer ein Tabu. Es stand für die demographischen Gefahr – „wir oder sie“, die ernsthafte Angst vor Palästinensern im Besonderen und Arabern allgemein: „sie werden uns ins Meer werfen“ und mehr.

       Jede 1948 vertriebene Person, und seine oder ihre Nachkommen, hat das Recht auf Rückkehr. Es ist ein persönliches und kollektives Recht. Das bedeutet, dass jeder Flüchtling, seine oder ihre Nachkommen ein Recht haben, unter Alternativen zu wählen: eine Rückkehr in ihr früheres Haus (oder in die Nähe, falls es nicht mehr existiert), Entschädigung oder Ansiedlung am gegenwärtigen Ort oder sonst wo. Durchführung des Rückkehrrechts bedeutet nicht unbedingt, wie Menschen missverständlich annehmen, dass die Flüchtlinge wirklich heimkehren werden. Sehr oft fragen Leute: „Wie lang werden Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge von ihnen selbst als Flüchtlinge betrachtet werden? Wie viel weitere Nachkommen von Flüchtlingen werden noch geboren werden?“ Wir glauben, dass die Antwort lautet – bis den Flüchtlingen und ihren Nachkommen die Gelegenheit gegeben wird, zu wählen, ob sie zurückkehren wollen oder nicht; in anderen Worten, bis ihr Rückkehrrecht umgesetzt ist. Ihre Freiheit zu wählen, wo und mit wem zu leben – und volles und gleiches Bürgerrecht – kann den Weg zur Befreiung bieten weg von dem schwierigen Titel des „Flüchtlings“.

       Das Rückkehrrecht ist auf internationalem Recht gegründet und unterstützt durch die UN-Resolution 194, die jedes Jahr von der UN-Vollversammlung ratifiziert wird. Darum, und wir haben keinen Zweifel, dass dies Recht existiert, ziehen wir vor, uns auf die Rückkehr zu konzentrieren. Denn dieses Recht, wie alle anderen Rechte, wird umgesetzt durch Verhandlungen: wir alle haben z.B. ein Recht auf Freiheit, aber eines jeden Freiheit wird begrenzt durch die Freiheit anderer oder durch verschiedene Interessen. Darum scheint uns wichtig, über die aktuelle Rückkehr der Flüchtlinge nachzudenken. Wir verstehen auch, zum Teil aus unserer eigenen persönlichen Erfahrung, dass die Erfahrung, über die Rückkehr konkret nachzudenken – wobei die Flüchtlinge Gesichter und Namen haben, und wir die Namen ihrer Städte und Dörfer, ihre Örtlichkeiten und Geschichte kennen – verringert die Angst vor ihrer Rückkehr. Indem wir den Prozess sichtbar machen und zu gleicher Zeit uns erlauben, die aktuellen Fragen anzusprechen, werden wir zu beantworten haben, wann die Zeit kommt, die Rückkehr durchzuführen.

       Diskussionen über das „Rückkehrrecht“, wie wir sie kennen, bedenken die Phase als einen festen Terminus. Wir, andererseits, möchten ihn auf brechen, und schlagen vor, nicht über das Recht zu sprechen, sondern über die Rückkehr. Wir wählen, über die Rückkehr zu sprechen nicht über das „Recht“, da, abgesehen von anderem, die Diskussion über das „Recht“ sich gewöhnlich zu einem Streit über Gerechtigkeit verkehren. Unterstützer des „Rückkehrrechts“ gründen ihr Argument auf Gerechtigkeit für die Flüchtlinge und das Unrecht des Zionismus, während die Opponenten des „Rückkehrrechts“ behaupten, dass Gerechtigkeit beim Zionismus liegt, und nicht bei den Palästinensern. Dies ist mehr oder weniger, wo die (mangelnde) Diskussion heute stagniert – Gerechtigkeit gegen Gerechtigkeit. Wir wünschen, einen anderen Zugang zu wählen, einen, der entweder als Prolog oder als Epilog zu einer Diskussion über das Recht gesehen werden kann, und Gedanken zu entwickeln darüber, was genau diese Rückkehr ist, die in der Tat so wenig Aufmerksamkeit erhält. Wir glauben, dass, wenn wir ein gutes Verständnis darüber entwickeln, worüber wir sprechen, wir das lautstarke Argument über Gerechtigkeit vermeiden oder mindestens deutlicher die Differenzpunkte definieren können. Wenn wir z.B. verstehen, dass es nicht länger eine Sache von „uns oder ihnen“ ist, können wir vielleicht die Möglichkeit erwägen, dass palästinensische Flüchtlinge zurückkehren können, ohne dadurch die Juden dieses Landes zu bedrohen.

Einige Jahre zuvor setzte Zochrot eine Gruppe ein, die praktischen Aspekte der Rückkehr zu studieren mit der Absicht, ein Dokument vorzubereiten, das in allgemeinen Worten, ein oder einige mögliche Szenarien darstellt, die die Rückkehr einschließen würden. Die Gruppe schloss Menschen verschiedenen Alters und Hintergrundes ein: Aktivisten, Journalisten, Universitäts- und andere Lehrer. Wir widmeten das erste Jahr, uns selbst zu bilden: wir kamen mit Experten zusammen, die uns unterrichteten über internationales Recht, Land-, Wasser- und Eigentums-Fragen, und Fälle beschrieben, in denen Flüchtlinge anderswo in der Welt zurückkehrten. Die Zochrot-Gruppe arbeitete parallel zu einer Gruppe von B’dil, einer palästinensischen Organisation mit Zentrum in Bethlehem, die sich für die Rechte palästinensischer Flüchtlinge einsetzt. Die beiden Gruppen kamen von Zeit zu Zeit zusammen.

       In der Anfangsphase der Zochrot-Gruppenarbeit, der Lernphase, war die Mitarbeit relativ lebendig. Als die zweite Phase begann, wir über uns selbst nachdenken und schreiben mussten, lichtete sich die Reihen. Es ist natürlich möglich, dies auf allerlei Weisen zu erklären, die mit Gruppendynamik oder Interessenunterschieden verbunden sind, dies möglicherweise aber auch zu sehen als ein Symptom für unsere Unfähigkeit, eine andere Realität vorzustellen – ein Realität, in der Rückkehr möglich ist. Oder vielleicht die Kluft zwischen Realität, die wir uns vorzustellen versuchten, und die, welche rund um uns so groß war, dass es lächerlich schien, darüber nachzudenken. Es mag auch ein Sprache gefehlt haben, in und von der man über eine so unterschiedliche Realität nachdenken konnte. In gewisser Hinsicht vertritt dies Dokument eine Fortsetzung der Gruppenarbeit und einen ersten Versuch, der Herausforderung eines schriftlichen Entwurfs nachzukommen, der manchmal die Punkte unserer Übereinstimung zeigt, manchmal Kriterien und manchmal Fragen, auf die wir keine Antworten haben, was die Möglichkeiten einer Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge betrifft. Wir sind dankbar all denen, die in jener Gruppe teilnahmen wie auch allen Zochrot-Mitgliedern, die uns halfen, es zu wagen, laut mit dem Nachdenken zu beginnen.

       Um das Schreiben dieses Dokuments zu erleichtern, teilten wir den Text in chronologische Abschnitte: vor der Rückkehr; die Rückkehr selbst; nach der Rückkehr.

Was jeden Abschnitt betrifft, versuchten wir die Situation zu beschreiben, wie wir sie uns vorstellen und die nötigen Bedingungen für ihre Verwirklichung. Wichtig ist zu bemerken, dass ein Thema, das wir einem einzelnen Abschnitt zugeteilt haben, nicht notwendigerweise in dieser Phase beginnt oder endet, jedoch wesentlich in diesem Abschnitt verwirklicht wird. Während wir schrieben, gab es Zeiten, in denen wir vom Hier und Jetzt zu beginnen versuchten, den nächsten Schritt uns vorstellten; dann gab es andere Zeiten, in denen wir uns vorstellten, welche Lage wohl nach der Rückkehr sein würde, und nützten dies als Basis zum Nachdenken hinterher. Dieser Text kann darum so, wie er hier erscheint, gelesen werden vom Anfang bis zum Ende – aber auch rückwärts, vom Ende zum Anfang.

 

Abschnitt I – Vor der Rückkehr

Beendigung der Gewalt

In Diskussionen über die Rückkehr erhebt sich oft eine Frage, besonders unter Juden, zur Gewalt: wie werden wir mit der Gewalt umgehen, die (gegen uns) ausbrechen wird im Augenblick der Rückkehr der Palästinenser. Diese Frage bedarf ernsthafter Beachtung. Sie gründet in einer Anzahl von Annahmen, die einer ausführlichen Darstellung wert sind:

1. Es gibt keine Gewalt jetzt.

2. Wenn die Palästinenser zurückkehren, werden sie uns tun, was wir ihnen angetan haben.

3. Gewalt zu nützen, ist der einige Weg, uns selbst zu schützen.

Hannah Arendt schreibt, dass Gewalt Instrumente braucht – und wenn Instrumente existieren, dann werden sie genützt. Die Ebene von heutiger Gewalt ist sehr hoch, und ist vor allem gegen Palästinenser gerichtet. Gewalt ist die offizielle Sprache hier geworden; eine andere Sprache muss geschaffen werden, wenn eine sichtbare Chance sich ergeben soll. Offensichtlich kann eine Diskussion, deren Ziel die Aussöhnung zwischen zwei Völkern ist, nicht die schreckliche Gewalt übersehen, die durch den Israeli-Palästinenser-Konflikt erzeugt wurde. Ein erster Schritt muss darum ein Waffenstillstand sein, ein Ende der Attacken, ein Ende der Verhaftungen etc. Israel, die mächtigere Seite und der Besatzer muss seine Gewalt gegen Palästinenser beenden und die Straßensperren innerhalb der Westbank und zwischen Westbank und Gaza beseitigen. An ihrem Teil müssen die Palästinenser alle Attacken gegen Israelis beenden – gegen Soldaten, Siedler und andere Zivilisten.

Lernen

Eins der ersten Dinge, die wir brauchen ist, mit Lernen zu beginnen: Lernen über die palästinensische Nakba, über zerstörte Dörfer, die Städte, die durch Massenvertreibung entvölkert wurden, die palästinensische Kultur, die vor der Nakba existierte, und selbstverständlich die palästinensische Kultur, die sich danach entwickelte. Nicht viel ist nötig, diese Dinge zu lernen, keine revolutionären Veränderungen, keine großen Geldinvestitionen. Um zu lernen, kann man Bücher lesen, eine Tour machen, um auf Zeugnisse zu hören. Hauptsächlich ist jedoch nötig, teilnehmen zu wollen am Lernen und, was es bringen wird. Es scheint kein Zufall zu sein, dass die meisten israelischen Juden, die hier aufwuchsen, sehr wenig über palästinensische Kultur und über die Nakba wissen. Davon zu lernen, ist sehr herausfordernd; es legt die Fundamente offen, auf denen wir uns erhoben, und enthält ein großes Maß an Überraschungen: Wer weiß, was wir entdecken werden, wenn wir zu graben anfangen?

       Die asymetrische Realität, in der wir leben, erlegt uns eine Asymetrie des Wissens auf: Wer sollte lernen und, wer sollte nicht lernen, und worüber. Palästinenser unter israelischer Herrschaft wissen z.B. viel mehr über Zionismus und über die hegemoniale israelische Kultur als Juden in Israel über palästinensische Geschichte und Kultur wissen. Es scheint jedoch wichtig, um hier eine andere Art von Gesellschaft zu schaffen, dass auch Palästinenser lernen über nicht-hegemoniale Aspekte jüdischer Geschichte und Religion wie auch über israelische Kultur, die sich in jüngsten Jahren entwickelte. Lernen über den Holocaust in einem jüdischen Kontext (und nicht in einem zionistischen Kontext, wie es hier oft geschieht), über die Vertreibung von Juden aus arabischen Ländern, über des Leiden, das äthiopische Juden auf ihrem Weg nach Israel erlitten – wird Juden ermöglichen, eine andere Sicht ihr eigenen Geschichte, und Palästinenser den sozialen und historischen Kontext zu verstehen, in dem Juden leben.

       Es scheint für jede Seite notwendig, über die Geschichte und Kultur des anderen zu lernen, um Beziehungen aufzubauen, die auf gegenseitigem Respekt gegründet sind, und dieses Lernen kann jetzt schon beginnen. Es wird nicht enden, wenn die Rückkehrzeit beginnt, wird aber vertieft und konkreter werden. Solches Lernen wird uns ermöglichen, die Verbindungen und Verwandtschaften zwischen den Kulturen zu erkennen und vielleicht sie umzugestalten beginnen.

Landkarten

Ein oft erwähntes Argument gegen die Möglichkeit der Rückkehr, sogar wenn die palästinensische Forderung dazu gerechtfertigt ist, ist, dass da einfach kein Raum ist. ‚Dies ist ein kleines, dicht besiedeltes Land, und da ist kein Platz für mehr Menschen. Das ist einfach eine Tatsache – sieh auf die Landkarte, sieh dir die Pläne an’. Doch Karten, wie wir wissen, beschreiben nicht nur die Wirklichkeit, sondern schaffen sie auch. Und wenn wir eine andere Wirklichkeit wollen, brauchen wir andere Karten, die andere Kategorien entdecken, sich auf andere Dimensionen beziehen und andere Antworten geben. Wir werden Karten brauchen, die z.B. prüfen, wo Dörfer, die ausgelöscht wurden, wieder erbaut werden könnten – mit anderen Worten, wo können Reste von Dörfern erneuert werden (Lifta? Bir’im?) und, wo ist es nötig, Dörfer neu zu erbauen (Mas’ha Miske? Saffurya?). Welche Orte könnten wieder gebildet werden in der Nähe ihres ursprünglichen Gebiets oder auf einigem davon (Beit Jubrin? Zakkariya?), und, wo wäre dies völlig unmöglich (Sumeil? Al-Sheikh Muwanis?). Nötig wäre auch, Gebäude zu lokalisieren, die 1948 Palästinensern gehörten, heute aber von Juden (oder von anderen Palästinensern) bewohnt werden - solche wie in Jaffa oder in Ein Karem; wie viele Gebäude, in denen palästinensische Institutionen untergebracht waren, existieren noch, und wie viele davon behausen noch öffentliche Institutionen (in der Annahme, dass es einfacher ist den Gebrauch einer öffentlichen Institution von einer an die andere Gemeinschaft zu übergeben, als die Mieter in einem Gebäude zu wechseln).

       Karten sind wichtig, nicht nur um die geographische Lage zu verstehen, sondern auch die sozialen Bedingungen an jedem Ort, und dabei die Einzelnen oder Gruppen zu erkennen, die über seinen künftigen Charakter verhandeln werden. Die Karte muss auch Pläne für den künftigen Landgebrauch beschreiben, wie sie in verschiedenen offiziellen Planunterlagen definiert sind. Von Flüchtlingen enteignete Länder haben über die Jahre den Besitzer gewechselt, und viele Stadt- und regionale Pläne beziehen sich darauf. Das heißt natürlich nicht, dass bestehende Zonen- oder Baupläne nicht verändert werden können, doch Pläne, neue Lokalitäten künftig zu errichten, müssen dies in die Überlegungen einbeziehen.

       Die Resultate des Salman Abu-Sitte’s Untersuchungen widersprechen der Annahme „dort ist kein Raum“. Sie zeigen, dass die meisten der erbauten Dorfzentren, die bis zur Nakba existierten, leer standen. Auf von Zochrot gemachten Touren sahen wir immer wieder, dass die meisten Dörfer noch leer blieben, im Gegensatz zu landwirtschaftlichem und öffentlichem Land, das meist jüdischen Orten zugewiesen wurde und genützt wird. Dies weist das Argument ab, dass all das Dorfland von Juden besetzt ist.

Karten werden uns in verantwortlicher Art die Lage vor Ort verstehen helfen und, gleich wichtig, werden uns helfen, das Land mit einem anderen Blick zu sehen – nicht aufgeteilt und eingezäunt, sondern als eine einzige Einheit zwischen dem Jordan und dem Meer, in dem Menschen, die gemeinsame Interessen haben und ein gutes und wertvolles Leben zu schaffen wünschen.

 

Umfragen

Der Ausdruck „Umfrage“ (Survey) mag manchen wie ein dreckiges Wort klingen im Kontext des Redens und Nachdenkens über die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge, da etliche Umfragen Interessen jener dienten, die bewiesen wollten, dass Flüchtlinge nicht zurückkehren wollten, falls und wann sie die Chance dazu hätten, und Entschädigung bevorzugen würden, die ihnen erlaubt zu bleiben, wo sie sind. Etliche Umfragen wurden unter Palästinensern und unter Juden unternommen. Sie schreckten manche Leute und ermutigten andere. Als z.B. Flüchtlinge gefragt wurden, ob sie nach Israel zurückkehren wollen, nahmen sie Israel als einen jüdischen Staat an, und viele antworteten „Nein“. Wir andererseits schlagen eine Unfrage vor für beide, Israelis und Palästinenser, unter der Voraussetzung, dass die Rückkehr durchgeführt wird, und dass Glieder beider Gruppen in voller bürgerlicher Gleichberechtigung zusammenleben werden. Die Frage lautet dann, wie kann eine solche Umfrage ausgeführt werden.

       Es wäre z.B. wichtig, die Juden zu fragen, wie viele jüdische Hausbesitzer wären bereit, ihren Besitz den einstigen Besitzern zurückzugeben, oder wie viele der Diaspora-Juden sehen sich selbst hierher kommen. Wir würden zu fragen haben, wie viele Palästinenser möchten zurückkehren, an welchen Ort, in welchen sozialen Rahmen, für welche Art Arbeit. Würden sie ihren Beruf wechseln? Welchen Besitz hatten sie vor der Nakba? Und vieles mehr. Dann müssten wir uns selbst fragen: wie würde jemand, der keinen Besitz hat, zurückkehren oder Entschädigung vorziehen? Was über Farmer, die Land bearbeiteten, die einem reichen Landbesitzer gehörte? Was wird mit diesen Leuten geschehen? Wie sollten sie entschädigt werden? Weitere Fragen, die zu bedenken sind, sind z.B.: wie kann die Schaffung einer Gesellschaft mit riesigen wirtschaftlichen Unterschieden verhindert werden? Welche zerstörten palästinensischen Orte haben gegenwärtig genug große Gemeinschaften von Flüchtlingen, die imstande wären, sie aufzunehmen? Würden die Flüchtlinge und Angehörigen eines bestimmten Dorfes einen Ort für sich bilden oder einen mit Flüchtlingen eines anderen Ortes aufbauen wollen? Würden ganze Vertriebenen-Gemeinschaften (wie in einem Flüchtlingslager im Libanon, in dem Vertriebene von mehreren Dörfern leben und schon eine Gemeinschaft bilden) beieinander zu bleiben wünschen?

 

Eine Verfassung

Verständlicherweise wird es in der ersten Phase nicht möglich sein, einer vollen Verfassung zuzustimmen, denn solch eine Verfassung müsste zusammen mit den palästinensischen Flüchtlingen, die gegenwärtig nicht hier sind, entworfen werden. Dies wirft ähnliche technische und ideologische Fragen auf, die die Diskussion über eine Verfassung für den Staat von Israel charakterisiert: eine Rechtfertigung, vom Entwurf einer Verfassung abzusehen, ist, darauf zu waren, bis Juden aller Welt hierher kamen. Wir schlagen vor, diese Lektion zu lernen und rasch mit der Formulierung einer Verfassung voranzugehen, oder mindestens einer „Minimal-Verfassung“, welche die grundsätzlichen Übereinstimmungen ausdrückt und als Basis dient für die Erstellung eines vollkommeneren Dokuments. Wir sind überzeugt, dass eine solche Minimalverfassung die Befürchtungen (hauptsächlich unter Juden) beruhigt, die durch die Rückkehr von Flüchtlingen erzeugt werden. Hier versuchen wir, einen vorläufigen Rahmen dieser Übereinstimmungen darzustellen und auf einige Kriterien hinzuweisen, die in Betracht zu ziehen sind:

- Die Verfassung wird gegründet auf die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen;

- Alle Bewohner eines Landes haben gleiche Bürgerrechte;

- Einwanderungsgesetze: Streichung des Rückkehr-Gesetzes wie es gegenwärtig formuliert ist. Das wird einer der ersten Schritte sein zusätzlich zur Bekräftigung des Rückkehrrechts palästinensischer Flüchtlinge. Nachdem eine festgesetzte Periode vergangen ist, wird die Regierung neue Einwanderungsgesetze erlassen, die Juden und Palästinenser bevorzugen, aber diese Einwanderungen auch begrenzen nach spezifizierten Kriterien;

- Trennung von Staat und Religion;

- Gesetzliche Reformen, um Vorteile zu streichen, die Juden bevorzugen;

- Verhandlungen über die Verfassung werden die Einrichtung einer Agrarreform einschließen, worin Land, das vom Staat an Juden (kibbutzim und moshavim) gegeben wurde, umverteilt wird;

- Jeder Bürger darf irgendwo im Land leben;

- Keine Person darf gewaltsam aus dem Haus vertrieben werden, in dem er lebt.

 

Baupläne

Neue Baupläne müssen während dieser Phase erstellt werden. Welch neue Orte werden gebaut? Welche bestehenden Orte werden erweitert, um die Flüchtlinge aufzunehmen? Neue nationale Masterpläne müssen vorbereitet werden, die verschiedene, auf Karten und Umfragen gegründete Überlegungen in Betracht ziehen. Mit anderen Worten, Baupläne müssen die Diskussionen und Verhandlungen zwischen den zurückkehrenden Flüchtlingen und den Bewohnern des Landes reflektieren.

 

Abschnitt II – Die Rückkehr

 

Doch bevor die Flüchtlinge tatsächlich zurückkehren, muss der Boden bereitet sein. Wir denken an vier Elemente einer solchen Vorbereitung, die den Weg ebnen helfen: Durchführung von „Geburtsrecht“-Touren; Einrichtung von Aufnahmezentren; Vorbereitung der aufnehmenden Gesellschaft; Orientierung für die Einwandernden.

*  Die Form der „Geburtsrecht“-Touren, welche die Jüdische Agentur für Jugendliche aus der Diaspora organisiert, um sie in das Land einzuführen, könnte auch nützlich sein, die palästinensischen Flüchtlinge auf ihre Rückkehr vorzubereiten. Während der sechs Dekaden, die seit der Nakba vergangen sind, hat sich das Land verändert - in kaum wieder erkennbarer Weise. Die Flüchtlinge, von denen die meisten nicht mehr hier waren, seit sie das Land verließen, müssen dessen bewusst sein, was auf sie wartet. Das Dorf, an das sie denken, existiert nicht mehr, und manchmal gibt es keine Spur davon in der Landschaft. Für Gemeinschaften, die zurückkehren wollen (oder ihre Vertreter) ist es wichtig, das Gebiet zu besuchen, um zu sehen, wie Dinge aktuell aussehen, wer ihre Nachbarn sein werden, und mag sein, wer jetzt in dem Haus lebt, wo ihre Mütter und Väter lebten.

*  Bestehende Aufnahmezentren können genützt werden, die rückkehrenden palästinensischen Flüchtlinge aufzunehmen. Da es wohl nicht anzunehmen ist, dass Flüchtlinge imstande sind, umgehend an ihre dauernden Wohnorte zurückzukehren, mag es wichtig sein, solch bestehende Aufnahmelager zu nützen. In diesen Zentren wird ihnen ermöglicht, Informationen zu bekommen, sich selbst auf ein Leben im Land vorzubereiten und ihre Stimme zu erheben.

*  Die aufnehmende Gesellschaft muss sich auch auf die Rückkehr der Flüchtlinge vorbereiten. Erfolgreiche Aufnahme einer stattlichen Zahl von Zuwanderern bedarf einer großen Anstrengung. Palästinenser, die in Israel leben, können hier eine beachtliche Rolle spielen. Sie können „natürlicherweise“ diejenigen sein, ihren Brüdern beizustehen, die auf das israelische Territorium zurückkehren, welches das Hauptgebiet für den Fall der Rückkehr ist. Darunter mögen solche sein, die vorziehen, in der Westbank oder in Gaza zu leben, was wohl weniger Vorbereitung und Vorausplanung erfordern würde. Palästinensische Bürger Israels sind vertraut mit beiden, israelischen und palästinensischen Gesellschaften; darum wird es für sie nicht schwierig sein, anderen zu zeigen, was Leben mit Juden bedeutet. Juden werden auch vorbereitet werden müssen, Flüchtlinge aufzunehmen. Viele Veränderungen wird es geben – kulturelle, demographische, ökonomische und andere – und israelische Juden müssen darauf vorbereitet sein.

* Die zuwandernde Gesellschaft, das sind die rückkehrenden Flüchtlinge, werden auch vorherige Vorbereitung benötigen. Die Bürgergesellschaft sollte hier ein prominente Rolle spielen. Die Vorbereitung muss beginnen mit Erziehungs- und Informations-Aktivitäten in der palästinensischen Diaspora und in den Aufnahmelagern in Israel fortgesetzt werden, vielleicht in derselben Weise, wie Kibbutz-Leute trainiert wurden, bevor sie auf ein Land kamen, das ihnen zugewiesen wurde.

Die wirkliche Rückkehr der Flüchtlinge muss in Phasen geschehen, schrittweise, und die Aufnahmekapazität des Landes berücksichtigen. Zurückzukehren, selbst wenn es geschieht und für einen palästinensischen Flüchtling eine lebenslange Sehnsucht war, ist immer noch Migration - und jede Migration ist eine Entwurzelung von irgendwo. Im Fall der Palästinenser, alle Flüchtlinge, die die Heimkehr wählen, lebten die meiste Zeit an einem anderen Ort, in einer Art von Exil. Die meiste Zeit ihres Lebens lebten sie an Orten, die nicht ihre Bestimmungsorte waren, die sie aber noch empfinden als die, wo sie hingehören: sie gewöhnten sich daran und waren damit vertraut, und über die Jahre wurde es für sie so etwas wie ihre Heimat. Ihre tatsächliche Rückkehr wird eine (willige) Entwurzelung von Orten sein, wo sie lebten. Ihre erfolgreiche Verwirklichung braucht die Vorbereitung der Flüchtlinge selbst, der empfangenden Gemeinschaft und des Aufnahmesystems. Die Rückkehr kann darum nicht einfach ein spontaner Prozess sein, der nur von den Wünschen der heimkehrenden Flüchtlinge abhängt.

       Der Rückkehrprozess hängt auch von vielen systematischen Faktoren ab, die wohl die Zahl der Rückkehrer begrenzt entsprechend der Kapazität, sie aufzunehmen. Kriterien sind darum nötig, um zu entscheiden, wer kommt zuerst. Wir möchten einige mögliche Kriterien vorschlagen:

1.) Alter zählt: Flüchtlinge, die selbst zum Verlassen gezwungen wurden und heimkehren wollen, haben den Vorzug vor anderen. Es scheint keine Rechtfertigung nötig zu sein, eine ältere Person vorzuziehen, die heimkehren möchte gegenüber Mitgliedern der zweiten oder dritten Nakba-Generation. Diese Älteren werden verständlicherweise zurückkehren wollen mit jenen Angehörigen, die sie begleiten möchten. Die Frage, wie umfangreich eine „Familie“ für diesen Zweck definiert wird, erhebt sich hier, können wir aber wohl in diesem Abschnitt nicht beantworten.

2.) Flüchtlinge in Libanon: Flüchtlinge, die im Libanon leben, werden die nächsten auf der Liste sein, da die sozialen und physischen Bedingungen ihrer Existenz allgemein schlimmer sind als jene von Flüchtlingen in anderen Ländern. Die Lage jener in Flüchtlinslagern Lebenden ist die allerschlimmste, doch selbst Menschen, die aus den Lagern fehlender Bürgerrechte kommen, durften nicht in Duzenden von Berufen arbeiten. Sie stehen unter großem Druck seitens der libanesischen Regierung und der Bevölkerung.

3.) Erhalt der Gemeinschaft: Migration kann erfolgreicher sein je mehr Migranten – die rückkehrenden Flüchtlinge – während des Prozesses imstande sind, ihre Gemeinschaftsstrukturen zu bewahren, die vor ihrer Auswanderung existierten. Zwei Typen von Gemeinschaften sind relevant: jene, die an ihren Ursprungsorten bestanden, wo die Flüchtlinge ursprünglich entwurzelt wurden, und jene, in denen sie jetzt leben z.B. in einem Lager mit Flüchtlingen aus vielerlei Orten. Die Angehörigen beider Typen möchten ihr Zusammenleben bewahren und mit den anderen heimkehren. Israel wandte ein ähnliches Vorgehen an bei der Ansiedlung von Bewohnern, die aus Orten in Gush Katif vertrieben wurden vor Israel’s Rückzug aus dem Gebiet, und ein Versuch wurde unternommen, um ihre Gemeinschaft an ihrem neuen Ort zu bewahren. Flüchtlinge im Ein al-Hilweh-Lager in Libanon z.B. haben viel länger in dem Lager zusammengelebt als in den einzelnen Dörfern in Palästina, wovon sie entwurzelt wurden. Möglicherweise möchten sie auch nach der Rückkehr zusammen leben wollen, vielleicht auch die kollektive Erinnerung an jedes ihrer einstigen Dörfer bewahren, wie es tatsächlich an vielen Orten seit der Nakba geschah. Doch mag es auch Menschen vom selben Dorf geben, die in ihrem eigenen getrennten Ort zusammenleben wollen; auch diese Möglichkeit muss bedacht werden.

Die schrittweise Rückkehr der Flüchtlinge sollte auch für die Gesamtzahl derer gelten, die jedes Jahr zurückkehren wollen. Es sollte ein jährliches Kontingent festgelegt werden aus zwei Gründen: der erste, ein klarer Grund, ist mit der Aufnahmekapazität verbunden. Der zweite ist die jüdische Furcht, dass jüdische Einwohner verdrängt werden durch die zurückkehrenden Flüchtlinge nach so viel Jahren von Konflikt und Besatzung. Juden brauchen eine Garantie, dass sie nicht gewaltsam vertrieben werden aus Häusern, in denen sie leben; diese Garantie sollte ebenso für die intern verdrängten Palästinenser gelten, die in Häusern von Flüchtlingen leben. Ihnen wird die Möglichkeit angeboten, wegzugehen und eine angemessene Entschädigung zu erhalten. Unter keinen Umständen wird es gewaltsame Vertreibung geben.

       Eine Reihe von Fragen ergibt sich in dieser Phase und muss bedacht werden: Was geschieht im Fall eines Gebäudes, das ursprünglich Palästinensern gehörte, dessen frühere Besitzer ihre Rückkehr fordern, und es ist im Besitz von Juden oder anderen, die es weigern zu verlassen? Was, falls die Besitzer es in gutem Glauben vom Staat oder von seinen früheren Besitzern gekauft haben? Und was, falls der ursprüngliche Besitzer nicht mehr lebt, und seine Nachkommen Anspruch erheben?

       Die Antworten, die im internationalen Recht vorgesehen sind, sind ungenügend. Z.B. falls nach internationalem Recht ein Haus mehr oder weniger im Zustand vor 1948 blieb, hat der palästinensische Besitzer deutlicheren Anspruch; falls das Gebäude aber größere Renovierungen und Verbesserungen erfahren hat, hat der gegenwärtige Besitzer mehr Anspruch. In unserer Meinung – als Laien, nicht als Juristen – wächst der Anspruch des gegenwärtigen Besitzers mit der Zeit. Wann nach einer Reihe von Jahren Erben der zweiten, dritten oder vierten Generation Anspruch auf ihren Besitz von den gegenwärtigen Besitzern erheben, die es in gutem Glauben erworben haben, so wird ihr Anspruch schwächer als der von jemand, der erst vor Kurzem Besitz ergriff. Andererseits im Verlauf einer Rückkehr und beim Bemühen um Aussöhnung, ist es wert, beiden Seiten Anreize zu geben für „schmerzliche Zugeständnisse“. Z.B. Juden, die ihren Besitz an heimkehrende Flüchtlinge übergeben, würden angemessene Entschädigung und öffentliche Anerkennung erhalten, wie Palästinenser, die ihren Anspruch zugunsten gegenwärtiger Besitzer aufgeben.

 

Interne Flüchtlinge zuerst

Israelisch Bürger, die interne Flüchtlinge sind, können vor den Diaspora-Flüchtlingen zurückkehren – da einige Herausforderungen, welche die Letzteren zu bewältigen haben, nicht für die intern Vertriebenen gelten. Die geringe Entfernung, physische und familiäre Nähe mit lokalen Umständen sind einige Vorteile, die bei der Heimkehrplanung helfen. Z.B. die vertriebenen Bewohner von Saffurya, meistens in der Nachbarschaft von Nazareths Sfafara, können relativ leicht entscheiden, ob jemand von ihnen an der Rückkehr zum früheren Ort interessiert ist, nur wenige Kilometer entfernt von wo sie jetzt leben. Nach der Entscheidung können sie ihren Ort so zusammen mit offiziellen und inoffiziellen Planungsagenturen planen, dass ihre momentanen Fragen geklärt sind. Ihre jüdischen Nachbarn, Bewohner des Moshav Zipori und andere müssen Teil solcher Planung sein. Die Rückkehr der intern Vertriebenen wird es ihnen leichter machen, jene vorzubereiten, die vor ihrer Rückkehr weit weg lebten und ihnen bei deren Aufnahme beistehen. Ihre eigene Rückkehrerfahrung wird ihnen die Anforderungen lehren, welche die anderen vor sich haben, und welche Strategien sie nützlich fanden, um mit dem Aufnahmeprozess zurechtzukommen. Wir sind überzeugt, dass israelische Juden eher bereit sind, die Rückkehr und Umsiedlung ihrer intern vertriebenen Nachbarn anzunehmen, und eventuell die Idee der Rückkehr und ihrer Umsetzung akzeptieren.

 

Beerdigungen und Besuche

Die Rückkehr der Flüchtlinge hat zwei weitere Elemente, die sich ergänzen: Beerdigungen und Besuche. Palästinensische Flüchtlinge (wie auch außerhalb lebende Juden) werden immer das Recht haben, hier beerdigt zu werden. Viele Flüchtlinge mögen nicht zurückkehren wollen, doch sie möchten nach ihrem Tod hier beerdigt werden. Diese Heimkehr erfordert keinen sehr großen Aufwand, doch seine symbolische und praktische Bedeutung ist groß. Ähnlich wird es für immer ein unbegrenztes Recht für Besuche geben.

 

Wohin werden sie zurückkehren?

Eine schwierige Frage ist allerdings der Ort, an den die Flüchtlinge zurückkehren werden. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: zu den Orten, aus denen sie vertrieben wurden; zu Stellen nahe jener Orte; oder zu Orten, die mit jüdischen Gruppen geteilt werden.

1. An Orte zurückkehren, von denen Flüchtlinge vertrieben wurden, scheint die „natürlichste“ Lösung zu sein, und könnte in manchen Fällen wirklich geschehen. Eine Zahl von Voraussetzungen sind gefragt. Erstens muss eine genügend große Gemeinschaft bereit sein, den Ort wieder zu bilden. Zweitens das erbaute Zentrum des Dorfes, das zerstört wurde, muss meist noch unbewohnt sein, und es muss umliegendes Land geben, das ihm zugewiesen werden kann. Drittens verschiedene Faktoren wie ökologische, Infrastruktur etc. müssen bedacht werden.

2. Falls der Ort nicht mehr besteht, oder andere darin leben, oder es in ein industrielles Gebiet verwandelt wurde, könnte er in der Nähe gebildet werden. Eine solche Lösung erhält die Nähe des ursprünglichen geographischen Gebiets einerseits, ist aber andererseits den veränderten Umständen angepasst. Ein Beispiel wären die Dörfer, einst auf Land gelegen, das heute durch Tel Avivs Nachbarschaften zugedeckt ist. Die Bewohner von Sumeil können nicht zu ihren Ländereien zurückkehren, da abgesehen von einigen wenigen Gebäuden nichts von dem Dorf mehr existiert und ihre Felder heute das Zentrum von Tel Aviv sind. Doch sie könnten Apartments finden in den Hochhäusern, die bald dort gebaut werden. Sie könnten in ihnen wohnen, sie mieten oder kaufen. Es wäre auch möglich, einen Ort nahe Tel Aviv zu errichten für alle Flüchtlinge jener Dörfer, die zurückkehren wollen. Eine weitere Möglichkeit wäre, einen palästinensischen Ort nahe dem jüdischen zu bilden. Der Mohav Kerem Ben Zimra z.B. liegt auf dem früheren Grund von al-Ras al-Ahmar und Kere Maharal liegt auf I’jzim’s Land. Kerem Ben Zimra und Kerem Maharal könnten erweitert werden durch Angliederung von Nachbarorten, die von zurückkehrenden palästinensischen Flüchtlingen bewohnt sind.

3.  Gemeinschaften vertriebener Personen aus verschiedenen Orten mögen sich mit anderen zusammen niederlassen. Wie oben erwähnt, falls Bewohner eines bestimmten Flüchtlingslagers, die einst von verschiedenen Orte kamen, die Diasporagemeinschaft eher erhalten wollen als jene von denen sie ursprünglich kamen, würden für sie neue Ortschaften gebildet nahe jener, aus denen sie vertrieben wurden. Solche Ortschaften bestehen üblich aus Flüchtlingen nahegelegener Dörfer wie in Galiläa.

4. Flüchtlinge mögen auch an andere Orte zurückkehren wollen. Sie können sich irgendwo im Land niederlassen; nichts würde Flüchtlinge aus Haifa z.B. hindern, wenn sie in Nazareth oder in Tel Aviv leben wollen.

 

Abschnitt III – Nach der Rückkehr

 

Welche Form wird der Staat annehmen?

An dieser Stelle werden wir versuchen, einen Umriss zur Gestalt des zu bildenden Staates nach der Rückkehr der Flüchtlinge zu skizzieren, den wir als eine Gelegenheit für einen Neubeginn sehen, um eine neue Ordnung zu versuchen und vorzuschlagen. Wir schlagen vor ein Nachdenken über eine Form anders als den vertrauten Nationalstaat – einen, der sich nicht aus Verteidigungsgründen gegen einen externen Feind definiert, sondern stattdessen durch die Gemeinschaften, aus denen er sich zusammensetzt. Unser Staat ist ein „schwacher Staat“, säkular, mit einer festen Verfassung, räumlich begrenzt, gegründet auf der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Seine Verfassung wird ein streng begrenztes Rahmenwerk vorsehen, das die Bildung „fester“ Gemeinschaften erlaubt, jede wird ihre eigene soziale und kulturelle Autonomie haben (natürlich inmitten des Rahmenwerks der Grundgesetze des Landes). Jede Gemeinschaft wird die Entsprechung eines Staates haben in dem Sinn, um imstande zu sein, seine eigenen sozialen und kulturellen Strukturen zu schaffen. Wir haben keine „polis“ im Auge, keinen Stadtstaat, sondern einen Gemeinschafts-Staat, Ein wichtiger Zweck eines solchen Staates würde sein, Multi-Kulturalismus und einen Rahmen zu erhalten, der allen seinen Bürgern erlaubt, ein wertvolles Leben zu leben. Der Staat würde z.B. verantwortlich sein für das Straßensystem und für die Erhaltung eines nicht-räuberischen Marktes wie auch verhindern, dass eine Gruppe die Übermacht über die anderen gewinnt. In einem Sinn, die höchst Autorität des Staates, ausgedrückt in seiner Verfassung, wird primär formaler und regulierender Natur sein.

       Bürgerschaft in jeder der Staats-Gemeinschaften wird nicht gebunden sein an seine geographische Lage: eine Zahl selbstständiger Gemeinschaftsstaat-Einheiten könnte in derselben Region bestehen. Es könnte eine z.B. in Tel Aviv sein, jeder würde sein eigenes Erziehungssystem, Sprache und Bräuche unterhalten. Es könnten, Seite an Seite, Schulen sein, deren Unterrichtssprache Arabisch, Hebräisch, Amharisch, Russisch oder eine andere Sprache ist, und ein Lehrplan würde in jeder Schule durch den Gemeinschafts-Staat bestimmt, der sie betreibt. Die nationale Regierung würde das Recht haben, Lehrpläne abzulehnen (falls sie z.B. Rassismus fördern), aber nicht, sie zu genehmigen.

       Einen multi-kulturellen Spielraum zu schaffen, wird nicht nur die jüdischen und arabischen Gemeinschaften, die gegenwärtig bestehen, instandsetzen, kulturelle Selbständigkeit zu bewahren – sondern auch die bestehende fiktive Einheit enthüllen, in der die jüdische Gemeinschaft in Gestalt des Nationalstaates die Palästinenser konfrontiert mit der Gestalt eines nationalen Non-Staates. Gegenwärtig sind interne Differenzen in jeder Gemeinschaft unterdrückt, und Gruppen, die jede nationale Gemeinschaft ausmachen, sind nicht imstande, sich selbst gleichermaßen auszudrücken. Die hegemoniale Gruppe (unter Juden die Ashkenazis) malt den ganzen Rest ‚weiß’, und die anderen – wie Äthiopier oder Wanderarbeiter) – haben keinen Platz im Staat, wie wir ihn kennen. Bürgerrecht von Nationalität durch Bildung einiger Gemeinschaftsstaaten zu trennen, wird die Schaffung anderer Gemeinschaften erlauben, die nicht in nationalen Begriffen definiert werden wollen. Z.B. Gemeinschafts-Staaten von Farmern oder Künstlern könnten geschaffen werden. Solche Gemeinschafts-Staaten würden natürlicherweise miteinander verbunden sein durch Bande stärkerer oder geringerer Kraft, die ihnen laufend eine Klärung ihrer gegenseitigen Beziehungen abverlangen.

 

Aussöhnung

Eine neue politische Ordnung ist nicht alles, was nötig ist, eine andere Art von Leben hier zu gestatten. Neue Arten von Beziehungen müssen gebildet werden, gegründet auf gegenseitigem Vertrauen unter Menschen – jenen, die jetzt hier leben, und jenen, die in Zukunft kommen werden. Um eine gesunde Gesellschaft zu schaffen, müssen Wunden, die in den vergangenen sechzig Jahre geschlagen wurden und eitern, behandelt werden. Öffentlicher Raum muss bereitet werden, um über Unrecht zu sprechen und auf Geschichten von Opfern und Tätern zu hören. Ein interessantes Modell, dessen mögliche Umsetzung hier noch bedacht werden muss, ist das der südafrikanischen „Wahrheits- und Versöhnungs-Kommission“, was wohl der erste Versuch war, zwischen Wahrheit, Rechenschaft und Strafe für Unrecht zu unterscheiden. Es ist z.B. möglich zu sagen, dass die Ereignisse von 1948, 1967 oder selbst die kürzlichen Granaten- oder Bombenangriffe auf Gaza das Resultat des Staates im Sine der Gesellschaft jener Zeit waren, und nicht der Entscheidungen bestimmter Individuen; dass dieser Offizier oder jener Minister nicht beschuldigt werden kann, da sie nur den Befehl ausführten, der zu ihrem Job gehört. Doch, wenn wir sagen, dass jeder zu beschuldigen ist, so ist das wie wenn es keiner ist, und schlimmer – dass niemand Verantwortung übernehmen kann. Das ist es, was an dem südafrikanischen Modell interessant ist. Die „Truth and Reconciliation Commission“ verlangt die Wahrheit. Die Opfer geben ihren Bericht, und die Täter sind auch gefragt, ihre Geschichten öffentlich auszusprechen; denn es ist die öffentliche Rechenschaft, die therapeutisch ist, nicht nur für jene, die ihre Geschichten erzählen, sondern für die gesamte Gesellschaft.

 

Warum war es lohnend?

Nachdem wir diese vorläufigen Überlegungen über die mögliche Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge darlegten, ist es für uns wichtig, statt einer Zusammenfassung zu erklären, warum wir denken, die Rückkehr ist lohnend. Lasst uns beginnen anzudeuten, was jede Seite aufzugeben hat, angesichts der Bedeutung für die palästinensischen Flüchtlinge zurückzukehren.

       Juden geben Selbstbestimmung, exklusive Kontrolle über das Land auf und eine garantierte jüdische Majorität. Nach mehr als 100 Jahren zionistischer Sozialisation erfordert dies Anstrengung und Mut. Wann die Flüchtlinge zurückkehren, werden Juden eine Minderheit im Land. Israel als jüdischer Staat wird sich radikal verändern, sodass seine genaue Definition als solche ihre Bedeutung verlieren wird. Juden werden nicht länger in der Lage sein, ihre Zukunft selbst zu bestimmen und jene der Palästinenser. Sie werden als Minderheit in einer Demokratie Rechte haben, aber auch viele Einschränkungen.

       Warum ist dies von Wert? In unseren Augen erlaubt eine Lage, in der palästinensische Flüchtlinge nicht länger bei der Rückkehr in ihr Land gehindert werden, Juden zum ersten Mal seit Beginn des Zionismus in dem Land zu leben anzufangen, statt herrschende Besatzer oder Träumer einer mythologischen „Rückkehr zu Zion“ zu sein. Wenn der Mythos des „Eretz Yisrael“ sich verflüchtigt, und das Land eine wirkliche politische Einheit wird, besteht die Chance, dass Juden endlich – paradox – an einem wirklichen Platz „ankommen“, hier landen, sehen und unmittelbar aus ihrer Geschichte, ihrer Geographie und Demographie lernen. Nur wenn Juden die Palästinenser zu sehen bekommen, die hier leben und jene, die vertrieben wurden, und als lebenswertes Volk erleben, können wir auf ein faires Leben hier hoffen. Als eine Minderheit im Land werden Juden imstande sein, mehr oder weniger weiter so leben zu können, wie sie es gewohnt waren: Leben in jüdischen Orten braucht keine radikale und dramatische Veränderung - und selbst wenn es das tut, die Veränderung wird schrittweise und in Übereinstimmung geschehen. Juden können weiter auf Hebräisch, jüdische Geschichte lernen und jüdische und hebräische Kultur schaffen.

       Palästinenser zu ihrem Teil werden ihren Traum eines verlorenen Paradieses aufzugeben haben. Das mythologische Palästina, in dem alles wunderbar war, wird nicht mehr zurückkehren, wird nur noch in der Welt der Erinnerung und der Sehnsüchte existieren. Mit Juden zusammenzuleben, bedeutet für Palästinenser, mit dem Besatzer zu leben, mit jenen, die die meisten ihrer Landsleute vertrieben haben. Das ist eine gewaltige Herausforderung für manche, deren Land besetzt war, und die sicher wünschen, die Besatzer mögen einfach verschwinden und sich verflüchtigen. Das wird nicht geschehen. Dort mögen Juden sein, die meisten von ihnen mit europäischem Ursprung, die nicht in der Lage sind, sich einer nicht-zionistischen Realität anzupassen, und lieber ihren anderen Reisepass nützen, irgendwohin zu gehen. Doch viele werden bleiben – unter ihnen jene, die einfach nirgendwo hingehen können, oder nicht die Mittel dazu haben. Wir denken, der Aufwand für die Verwirklichung des Paradieses auf Erden ist größer als der, diese Hoffnung aufzugeben. In der realen Welt ist es notwendig, die gewaltigen Veränderungen in Erwägung zu ziehen, die seit der Zeit der Nakba geschahen, nicht alle davon waren zum Schlechteren.

September 2008

- Übersetzung von Karl Schmidt, Saumweg 21, 70192 Stuttgart.

kpo.schmidt@t-online.de

 

 

 

Start | oben

Mail           Impressum           Haftungsausschluss           KONTAKT      Datenschutzerklärung          arendt art