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Bruder gegen Bruder
Nathan Guttman,  Haaretz, 25.6.04

 Washington – Die Fernsehreklame beginnt mit brennenden Kerzen, die unter einer Marienstatue  brennen. Danach auf dem Hintergrund von Bildern mit christlichen Geistlichen, die nebeneinander auf einen israelischen Militärjeep zugehen, erklärt der Sprecher, dass es für palästinensische Christen sehr schwierig ist, am Sonntagmorgen den Gottesdienst in ihren  Gemeindekirchen zu erreichen. „Sie leiden unter der Besatzung genau wie die Muslime unter der Besatzung leiden“, fährt der Fernsehsprecher fort, als Szenen gezeigt werden, wie ein Geistlicher mit einem israelischen Soldaten verhandelt und wie Christen an einer Schnellstraße am Geschützrohr eines Panzers vorbeigehen. Die Fernsehzuschauer sehen dann, wie ein Vater seine in Tränen aufgelöste Tochter unter einem kleinen Weihnachtsbaum in die Arme nimmt.

Diese Bilder, die von Stationen im Raum Washington, DC, ausgestrahlt werden, sind ein Teil einer öffentlichen Kampagne, die von einer neuen Organisation gestartet wurde, die unter dem Namen „Imagine Life“ („Stell dir das Leben vor!“)  läuft und deren erklärtes Ziel es ist, dem von der israelischen Besatzung verursachten Leiden ein menschliches Antlitz zu geben.

Dies ist nicht das erste Mal, dass die Situation der palästinensischen Christen in den US Publizität erhält. Ziemliche Beachtung fand ein sehr kritischer Brief eines erfahrenen Kongressmitgliedes, Repräsentant Henry Hyde (Republikaner, Illinois), der dem Komitee internationaler Beziehungen vorsteht. Hydes Brief, an den Außenminister Colin Powell gerichtet, berichtet von dem großen Leiden, das der Zaun den Christen zufügt, die daneben oder in den besetzten Gebieten leben.

Ein ähnlicher, nicht weniger scharfer Brief wurde im April von Bischof Wilton D. Gregory gesandt, dem Präsidenten der US-Konferenz der katholischen Bischöfe. Er erreichte den Schreibtisch von Präsident George Bush einen Tag vor dem festgelegten Termin mit Ministerpräsident Ariel Sharon im Weißen Haus. Im Brief wurde behauptet, dass die „christlichen Kirchenführer im Heiligen Land besonders über die Sicherheitsmauer besorgt seien, die ein ernsthaftes Hindernis für den Frieden sei“. Bischof Gregory informierte auch Präsident Bush : „Bei meinem Besuch im Januar sah ich aus erster Hand die verheerende Wirkung  der Mauer, die Familien trennt, das Land, die Stadtteile. Die Fähigkeit religiöser Institutionen, normal zu funktionieren, ist im ganzen heiligen Land gefährdet.

Die Regierung hat auch Proteste, den Mauerbau betreffend, von anderen prominenten christlichen Persönlichkeiten gehört, einschließlich Vertretern  der Christlichen Gesellschaft vom Heiligen Land. Protestantische und katholische Kirchenorganisationen haben in gleicher Weise ihre Opposition gegen den Bau der Mauer erklärt.

Im vergangenen Monat hat Dr. Mitri Raheb, Pastor der lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem, eine Lesereise durch die USA durchgeführt, um mit seinem kürzlich herausgekommenen Buch das Leiden der Christen in seiner Stadt unter israelischer Belagerung zu berichten. Das Buch  erhielt sehr gute Beurteilungen von so prominenten Persönlichkeiten wie Bischof Desmond Tutu und dem früheren US-Senator George McGovern.

 

Christlicher Zionismus

Der immer größere werdende Einfluss der evangelikalen Christen in den USA und ihre unqualifizierte Unterstützung für Israel und für dessen fortgesetzte Kontrolle über die besetzten Gebiete während der letzten Jahre, hat die Stimmen anderer christlicher Kirchen in Amerika übertönt, die die palästinensische Seite unterstützen. Die Briefe und die kürzlichen Fernsehspots wecken den Eindruck, dass jemand versucht, dies Bild zu ändern.

 

„Da gibt es keinen organisierten Versuch, die christliche Sache zu betonen“, sagte Hussein Ibish vom amerikanisch-arabischen Anti-Diskriminierungskomitee. Nachdem die evangelikalen Christen sich entschieden haben, den Nah-Ostkonflikt als eine religiöse Auseinandersetzung darzustellen, hat sich die Notwendigkeit ergeben, die andere Seite auch zu zeigen und zu erklären, dass es auch Christen in der palästinensischen Gemeinschaft gibt – so Ibish. Er sagte weiter: „Es ist sinnvoll, dass die Unterstützer der palästinensischen Rechte und des Friedens der amerikanischen Öffentlichkeit deutlich machen, dass dieser Konflikt auch die Christen belastet.“

 

Die israelischen Offiziellen beeilen sich zu bemerken, dass die Hauptbeschwerden der palästinensischen Christen in den besetzten Gebieten während der letzten Jahre gegen die palästinensische Behörde gegangen seien, die ihnen das Leben schwerer gemacht hätte, als die  Politik der israelischen Regierung.

 

Im augenblicklichen Stadium verursachen die TV-Spots und Briefe bei den israelischen Vertretern in der USA noch  keine Probleme, da die Christen noch immer als eine bedeutende Quelle (finanzieller) Unterstützung betrachtet werden. An einem Freitag im letzten Monat erschienen nicht weniger als 300 christliche Geistliche, meistens Evangelisten, bei der israelischen Botschaft in Washington zu einem „Gebetsfrühstück“, bei dem für Israels Sicherheit und die territoriale Unversehrtheit gebetet wurde.

 

Ich kann die Möglichkeit eines palästinensischen Versuchs nicht völlig ausschließen, dass man versucht, einen Keil zwischen Israel und seine christlichen Unterstützer in den USA zu treiben.“, sagt der israelische Botschafter in Washington, Daniel Ayalon, einer der treibenden Kräfte hinter dem Festziehen der Bande zwischen Israel und den Evangelisten. „Solch ein Versuch hätte auch keine Chance, weil die Unterstützungsbasis der evangelikalen Christen in den USA sehr breit ist und auf allgemeinen Werten beruht.“

Die Haltung der amerikanischen Evangelisten – die Denomination in den US, die zu „Christlichen Zionisten“ ernannt wurde – macht in den Augen palästinensischer Christen besonders wütend. Im letzten Monat hat das ökumenisch-palästinensische Sabeel-Zentrum für Befreiungstheologie in Jerusalem eine Konferenz abgehalten, deren wichtigstes Ziel war, die Idee von christlichem Zionismus zu widerlegen. Die 600 Teilnehmer der Konferenz  behaupten, dass das Konzept  ein Abweichen von den religiösen Prinzipien sei. Die Schlusserklärung der Konferenz  proklamierte: „Statt die Welt dem Gericht von Armegeddon  zu überlassen, rufen wir jeden einzelnen auf, sich selbst von den Ideologien des Militarismus und der Besatzung zu befreien und die Heilung der Welt anzustreben.“

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer waren Amerikaner, die den pro-israelischen  Standpunkt  der evangelikalen Kirchen in ihrem Land ablehnen. Sie rufen die amerikanischen Kirchen  auf, sich  dem Kampf für eine Zwei-Staatenlösung, Israel und Palästina, mit Jerusalem der Hauptstadt von beiden, anzuschließen.

 

Beobachter der amerikanischen Kirchen und ihrer Verwicklungen in den Nahostkonflikt wenden ein, dass es zwecklos sei, die Zahl der Truppen auf jeder Seite zu zählen oder wie viele gläubige Christen jede Kirche vertritt. Es geht darum, wer auf internationaler und einheimischer Ebene aktiver ist. In diesem Fall ist die Antwort deutlich. Die pro-zionistischen Evangelikalen haben ihre Unterstützung für Israel und seine Siedlungspolitik zur Nummer eins in ihrer Agenda erklärt. Andere Kirchen mögen andere Ansichten haben. Für den Augenblick jedoch beschränken sie sich aufs Briefe schreiben an Präsident Bush und führende Mitglieder der Regierung.  Mittlerweile werden „Gebetsfrühstücke“  von Hunderten von Geistlichen auf israelischer Seite gehalten – und nicht auf der palästinensischen.

 (Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs)

 

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