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Die Schrift an der Wand – durch Gitterstäbe in Sheikh Jarrah gesehen

 Ofra Ben Artzi *

 

Die Schrift an der Wand sah ich in Sheik Jarrah, als ich auf dem Boden eines Gefängniswagens saß und durch die Gitter sah.

Wie ich verhaftet  und verhört wurde, weil ich Solidarität mit vertriebenen Palästinensern zeigte.

 

In dem Augenblick, als ich von der Vertreibung der  mir bekannten Familien hörte, musste ich dorthin gehen, um mit ihnen ihre Trauer zu teilen. Seit der Vertreibung von Umm Kamel im letzten November war ich regelmäßig hier und besuchte sie in ihrem Zelt. Dort war es auch, wo ich H. Gawi traf und mich mit ihm anfreundete. Er wurde heute morgen mit seiner Familie aus seinem Haus vertrieben.

 

Die Polizei hat mit Polizeiwagen die Straße, die in diesen Stadtteil führt, abgesperrt. Ich näherte mich der Absperrung und ging in aller Unschuld an einer Polizistin vorbei, die sofort aufsprang und fragte, wohin ich gehen wolle? ‚Um Freunde zu besuchen, die in Not sind’ sagte ich. ‚Hier kann man nicht durchgehen’, sagte sie. Ich sagte ihr: ‚dies hier ist aber meine Stadt, meine Freunde leben dort’. Sie blieb aber hart. ‚Können Sie mir irgendwelche offiziellen Papiere zeigen?’ fragte ich und ging einfach weiter. Zu meinem Erstaunen sprangen kräftige Polizisten aus allen Richtungen auf mich zu umzingelten mich und berührten auch meinen Körper. (Später hörte ich, dass dies als ein Angriff von meiner Seite aus gedeutet wurde).

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich setzte mich einfach auf die Straße, die Augen nach unten gerichtet. Sie sagten mir, ich solle aufstehen und weggehen. Aber ich bestand darauf, dass dies meine Stadt sei, dass meine Freunde in der Nähe wohnen und ich zu ihnen gehen wolle, um sie am Tage ihres Unglücks zu trösten. Einer von ihnen sagte zu seinem Kollegen: „Nun, dann soll sie ein paar Tage hinter Gittern.“ Und tatsächlich innerhalb weniger Minuten wurde mir gesagt, ich sei verhaftet. Sie riefen den Zinzana-Gefängniswagen. Unterdessen erschien eine andere Gruppe von Polizisten, die einen engen Kreis um mich bildeten, „damit sie nicht gesehen und photographiert werden kann, wenn sie in den Gefängniswagen gebracht wird“. Von meinem Platz aus konnte ich zwanzig Paar schwarze Polizeistiefel sehen, die mich umgaben. Zwei Polizistinnen kamen, packten mich an den Armen und zogen mich in den Wagen.

 

So saß ich eine Stunde dort. Wir fuhren weiter in den Stadtteil dorthin, wo die Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden. Ich konnte die ultra-orthodoxen Männer und Frauen in ihrer unverkennbaren Kleidung  sehen, wie sie ruhig die Straße zum Grab des Shimon der Zadik entlang gingen. Keine Polizei sperrte ihnen den Weg ab. Ich überlegte und kam zu der Erkenntnis, dass ich den Anfang von etwas Neuem erlebte. Es wird nicht mehr nur eine Straße „Nur für Juden“ sein, sondern  ab jetzt wird es Straßen für eine besondere Art von Juden geben. Für solche die jüdisch aussehen, für solche, die wie Netanyahu einmal sagte, nicht vergessen haben, was es heißt, Jude zu sein. Das Gitter hinderte mich auch nicht daran, zu sehen, dass Umm Kamels Zelt, in dem sie seit ihrer eigenen Vertreibung wohnte, nicht mehr dastand. Der Ort war völlig leer, die Gegend aber voller Polizisten, mindestens Hundert, wenn nicht gar Tausend. Vom Boden des Polizeiwagens sah ich  auch etwas, das wie vollständige Judaisierung eines Stadtteils aussieht. Ich würde nicht überrascht sein, wenn sie sogar den Namen Sheikh Jarrah von den Straßenschildern und den Stadtplänen nehmen würden.

 

Schließlich wurde ich ins Russische Polizeigefängnis ( Russian Compound) gebracht. Das Verhör brachte heraus, dass ich allein eine illegale Versammlung abgehalten und einen Polizeioffizier angegriffen hätte. Nach diesem Verhör und Warten und  nachdem ich all meine biometrischen Geheimnisse der polizeilichen  Abteilung für Verbrechensidentifizierung gegeben hatte, wurde mir angeboten, entlassen zu werden, wenn ich versprechen würde, im Laufe der nächsten 14 Tage nicht mehr nach Sheikh Jarrah zu kommen. Ich stimmte dem zu.

 

Nachgedanken:

 

Die Vertreibung der Familien schlägt die Tür für jede Möglichkeit eines Dialoges mit den Palästinensern zu. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Obama-Regierung und der internationalen Gemeinschaft, die versucht, einen politischen Prozess in unserer Region in Gang zu bringen

Die Vertreibung der Familien ist dafür gedacht, noch einmal das angebliche jüdische Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken: ‚die ganze Welt ist gegen uns’ und „ Das Volk soll abgesondert wohnen und soll nicht unter die anderen Nationen gerechnet werden“ (4. Mos. 23, 9)

Wenn  ( einmal) die Geschichte geschrieben werden wird, wird die Vertreibung der Familien, dieser brillante strategische Schritt von Netanyahu und Barak mit dem Besuch von Sharon auf dem Tempelberg verglichen werden, der dann die 2. Intifada auslöste.

Die Vertreibung der Familien ist das Vorspiel für den nächsten Krieg. Die Untergrabung der Freiheit ist nur der Anfang – die Freiheit der Rede, die Freiheit der Demonstration und des Protestes. Ständig eskalierende Maßnahmen werden gegen jeden zivilen, gewaltfreien Widerstand gegen die Besatzung unternommen.

Während der nächsten Gewaltrunde wird die Gewalt von Seiten der Regierung gegen (jüdische) Dissidenten ein bis dahin noch nie gesehenes Ausmaß erreichen.

 

Ich sah die Schrift an der Wand: vom Boden des Gefängniswagens sah ich sie in Sheik Jarrah durch das Gitter des Wagens hindurch.

 

* Ofra Ben Artzi ist die Schwägerin von Netanyahu.

 

Aus dem Hebräischen: Adam Keller; dt. Ellen Rohlfs;  Orfa Ben Artzi bedankte sich extra bei mir , dass ich dies ins Deutsche übersetzt habe und weiter verbreite !!)

 

 

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