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Ist Deutschland eine
Bananenrepublik?
Die Kündigung des Kontos der „Jüdischen
Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ durch die Bank
für Sozialwirtschaft ist ein Skandal
Arn Strohmeyer
Von Ariel Sharon ist der Satz
überliefert: „Wir das jüdische Volk kontrollieren Amerika –
und die Amerikaner wissen das.“ Da passt die Nachricht gut
ins Bild, dass der US-Senat gerade ein Zensur-Gesetz
verabschiedet hat, das die rechtliche Grundlage für ein
Vorgehen gegen Studenten liefern soll, die es wagen, die
israelische Politik zu kritisieren. Und die hohen
amerikanischen Werte von Meinungs-, Informations- und
Pressefreiheit? Die bleiben offenbar auf der Strecke, wenn
es um Israel geht.
Man darf gespannt sein, wann dem
Deutschen Bundestag ein solcher Gesetzesentwurf vorgelegt
wird, die Israel-Lobby arbeitet mit Sicherheit daran. Das
wäre dann der Höhepunkt der Kampagnen, die sie zur Zeit
unter der Leitung des dubiosen Journalisten Benjamin
Weinthal betreibt: gegen missliebige Veranstaltungen –
Vorträge, Lesungen, Ausstellungen, Konzerte und natürlich
BDS-Demonstrationen – vorzugehen und ihr Stattfinden zu
verhindern. Der neueste Coup ist, Druck auf Banken
auszuüben, dass sie die Konten von Israel-Kritikern und
kritischen Organisationen kündigen, auch und gerade von
Juden.
Die Commerzbank machte bei Abraham Melzer
den Anfang. Jetzt hat die Berliner Bank für Sozialwirtschaft
der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“
das Konto gekündigt. Auch hier hatte Benjamin Weinthal
natürlich die Finger im Spiel. Dieses Geldinstitut gibt die
BDS-Kampagne, die die „Jüdische Stimme“ unterstützt, als
Grund für ihren Schritt an – und übernimmt dabei vollständig
die israelisch-zionistischen Propaganda-Argumente: BDS sei
„antisemitisch“, delegitimiere Israel und wolle diesem Staat
den Boden unter den Füßen wegziehen. Die Bank beruft sich
bei ihrer Entscheidung sogar auf „ethische Grundsätze“.
Welche mögen das wohl sein? Müsste dieses
Geldinstitut nicht auch das Völkerrecht und die
Menschenrechte im Auge haben, die Israel mit seinem Vorgehen
gegen die Palästinenser in schlimmster Weise mit Füßen
tritt? Die BDS-Kampagne bezweckt nicht mehr und nicht
weniger, als Israel zu zwingen, seine völkerrechts- und
menschenrechtswidrige Politik zu beenden, sich dem
internationalen Recht unterzuordnen und einer für beide
Seiten gerechten Friedenslösung zuzustimmen. Die Kampagne
hat also das Recht auf ihrer Seite.
Das Bundesverfassungsgericht hat schon in
den fünfziger Jahren in einem Grundsatzurteil festgestellt,
dass der Aufruf zu einem Boykott eine zulässige Ausübung der
Meinungsfreiheit ist. Auch international sind
Boykottmaßnahmen völlig üblich (ob sie allerdings politisch
sinnvoll sind, ist eine andere Frage und muss von Fall zu
Fall entschieden werden) – man denke an Amerikas Boykott
Kubas oder an den Boykott des Iran durch die Staaten des
Westens, den Israel tatkräftig unterstützt hat.
In diesem Sinne argumentiert auch die EU.
Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der EU für Außen-
und Sicherheitspolitik, hat kürzlich erst das Recht von
europäischen Bürgern/innen auf die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit bekräftigt. Auch die Beteiligung an der
BDS-Bewegung werde durch diese Rechte geschützt. Auf
Nachfrage sagte Frau Mogherini wörtlich: „Die EU schützt die
Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Übereinstimmung mit
der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und damit
auch die auf den Gebiet aller EU-Mitgliedsstaaten
einschließlich der in diesem Gebiet durchgeführten
BDS-Aktivitäten.“ Die BDS-Bewegung delegitimiert also nicht
Israel, sondern die Verteidiger Israels versuchen mit allen
Mitteln, diese Bewegung zu delegitimieren – ein totalitärer
Frontalangriff auf demokratische Grundrechte.
Die Kündigung des Kontos durch die Bank
für Sozialwirtschaft ist also nichts anderes als ein
schändliches und verachtenswertes Einknicken vor Benjamin
Weinthal und der Israel-Lobby. Dass solche Aktionen bei
Bekanntwerden in der Öffentlichkeit eher den Antisemitismus
fördern, den man ja gerade bekämpfen will, versteht sich von
selbst. Denn langsam taucht die Frage auf, ob Deutschland
eine Bananenrepublik ist, die sich von dieser winzigen
Minderheit alles bieten lassen muss. Die jüdischen
BDS-Gegner argumentieren mit dem völlig unsinnigen Argument,
dass die Kampagne an die NS-Terroraktion „Kauft nicht bei
Juden!“ erinnere. Nein, es ist umgekehrt: Universalistisch
denkende Juden und ihre politischen Freunde, die die Politik
Israels vom Standpunkt der Menschenrechte und des
Völkerrechts aus kritisieren, bekommen in Deutschland wieder
Rede-, Sprech- und Versammlungsverbote und ihnen werden die
Konten gekündigt, weil sehr vielen Deutschen der aufrechte
Gang fehlt. Das erinnert sehr an unselige Zeiten. Es ist
eine Schande!
6.12.2016 |