TRANSLATE
Wie die Israel-Lobby die
Freiheit der Wissenschaft bekämpft
Die Affäre
an der HAWK ist ein Musterbeispiel anti-demokratischen
Vorgehens
Arn Strohmeyer
Ein großes Lob für Frau Professor
Christiana Dienel von der Hochschule für angewandte
Wissenschaft und Kunst Hildesheim – Holzminden – Göttingen (HAWK),
die den Mut hat, der Israel-Lobby die Stirn zu bieten und
auf die grundgesetzlich verbürgte Freiheit der Wissenschaft
zu verweisen. Die entscheidende Passage in ihrer Antwort auf
die Antisemitismus-Vorwürfe sind die Sätze: „Aber hier wird
unsere Hochschule und diese Lehrveranstaltung zum
Austragungsort des Palästina-Konflikts gemacht, und in der
Art der Berichterstattung wird uns keinerlei Chance
gelassen, Ziel ist offenbar, mit allen Mitteln zu
verhindern, dass unterschiedliche Sichtweisen in diesem
Konflikt zu Wort kommen dürfen. Es soll mit moralischem
Druck und dem völlig unberechtigten Vorwurf des
Antisemitismus erzwungen werden, dass den Kritikern nicht
genehme Inhalte an unserer Hochschule verbannt werden. Vor
diesem Hintergrund sehe ich es als mein Amtspflicht an, die
grundgesetzlich geschützte Freiheit der Lehre zu
verteidigen, und zwar um so mehr, je schriller die Vorwürfe
werden.“
Man kennt das inquisitorische
Vorgehensmuster der Zionisten und der Israel-Lobby seit
Jahren: jeden Hauch von Kritik an der israelischen Politik
gegenüber den Palästinensern mit dem Totschlagargument des
Antisemitismus-Vorwurfes zu unterbinden. Unter dem
Deckmantel des (an sich ja sehr notwendigen) Kampfes gegen
den Antisemitismus werden Gegner der israelischen Politik –
zumeist Menschenrechtsaktivisten, Publizisten, Autoren und
Wissenschaftler – von diesen Gesinnungspolizisten in
übelster Weise diffamiert und denunziert. Da ist jedes
Mittel recht: Da wird versucht, Auftritte und Diskussionen,
Vorträge, Lesungen und Ausstellungen zu verhindern. Der
politische Gegner wird nicht mit Argumenten angegangen (ganz
offensichtlich hat man keine), sondern er soll
eingeschüchtert und mundtot gemacht und notwendige Debatten
im Keim erstickt werden. Das hat Methode. Noam Chomsky hat
ein solches Vorgehen als „totalitär“ bezeichnet, und genau
das ist es. Es gefährdet in höchsten Maße die für die
Demokratie wesentlichen Kernelemente: Meinungs-, Rede-,
Informations- und Pressefreiheit. Der Fall an der HAWK ist
nach vielen anderen ähnlichen Vorfällen ein Musterbeispiel
dafür, dass hier der Anti-Antisemitismus politisch
missbraucht und ideologisch instrumentalisiert wird.
Der ganze Skandal, der sich permanent
wiederholt, hat – genau betrachtet – zwei Seiten: einmal die
Israels sowie seiner zionistischen Anhänger und andererseits
die der Deutschen, die dieses Spiel zumeist brav und devot
mitmachen und nicht den Mut haben, sich unter Berufung auf
die eigene Verfassung mit Zivilcourage gegen solchen
unverfrorenen Druck zu wehren. Psychologisch gesehen ist der
Fall eher einfach zu erklären. Die zionistische Seite ist in
ihrem Vorgehen von einer tiefen Angst beseelt. Wer andere
nicht zu Wort kommen lässt und deren Argumente nicht anhören
kann, tut das aus einem tiefen Angstgefühl heraus. Der
israelische Psychoanalytiker Ofer Grosbard, der seine
Landsleute sehr genau studiert hat, hat vor Jahren ein sehr
kluges Buch geschrieben. Es trägt den Titel: „Israel auf der
Couch. Zur Psychologie des Nahost-Konflikts“. Er konstatiert
da, dass das herausragende Merkmal der israelischen Psyche
die Angst sei, die paranoide Züge trage und dass sie deshalb
unfähig sei, mit dem „Anderen“ Kontakt aufzunehmen und ihn
zu verstehen. Grosbard leitet daraus die israelische
Unfähigkeit ab, Frieden mit den „Anderen“ zu schließen. Denn
Angst macht aggressiv, die israelische Politik und das
Vorgehen der Anhänger dieses Staates belegen es.
Politisch gesehen bedeutet das, was auch
Ilan Pappe schon vor Jahren beschrieben hat: Wenn Israel
wirklich dazu bereit wäre, sein so schwer mit Verbrechen
belastetes Verhältnis zu den Palästinensern aufzuarbeiten
(von 1948 an und schon davor!), dann würde es die
zionistischen Gründungsmythen und damit die Grundlagen des
Staates Israel in Frage stellen – mit dem Ergebnis, dass die
Palästinenser und nicht die Israelis in diesem Konflikt die
wirklichen Opfer sind. Das hätte unabsehbare Folgen für den
Zionismus. Um das zu verhindern, muss Israel einen starken
Verdrängungs- und Verleumdungsmechanismus aufrechterhalten,
der aus der Angst geboren ist. Aber wer so vorgeht, gewinnt
keine innere Freiheit, er bleibt ein Opfer dieser Angst und
ist unfähig für eine offene Entwicklung in der Zukunft.
Die Angst gründet denn auch in dem –
vielleicht unbewussten – Wissen, dass das kolonialistische
zionistische Projekt anachronistisch ist und keine Zukunft
haben kann. Der Israeli Ofer Grosbard hat das so
beschrieben: „Was ist es also, das wir so stark verdrängen?
Wir unterdrücken, dass unsere gesamte Existenz nur ein
Schwindel ist, dass wir von geborgter Zeit leben, dass unser
Traum mit uns verschwinden wird, dass unsere eigentliche
Schwäche ans Tageslicht kommt und dass das unser Ende sein
wird.“ Noch krasser hat der israelische Schriftsteller Yoram
Kaniuk kurz vor seinem Tod seine Zukunftsängste in Bezug auf
den Staat ausgedrückt.
Was Israels Zukunft angeht, war er völlig
mutlos und pessimistisch: „Ich verabschiede mich von Israel,
denn es existiert nicht mehr… Unser kleiner Staat wird
verschwinden … Wir werden zu Grunde gehen mit wenig Würde
und mit gebrochenen Flügeln.“
Die Kehrseite – das devote Einknicken und
Nachgeben der meisten Deutschen vor dem permanenten Druck
Israels und seiner Lobby, die Kritiker der israelischen
Politik mundtot zu machen und so im Grunde den israelischen
Verdrängungs- und Verleumdungsprozess in der
palästinensischen Frage mitzumachen – entspringt dem
Verlangen, sich für die Verbrechen an den Juden Entlastung
zu verschaffen. Der Münchner Pädagoge Eckhard Lenner hat es
so formuliert: „Die durch die furchtbare Vergangenheit
belastete deutsche Seele brauchte und braucht dringend
Entlastung. Man hofft, die ersehnte Seelenruhe dadurch zu
gewinnen, dass man sich auf die ‚richtige Seite‘ begeben hat
und zum Philosemiten mutiert ist. Man glaubt, Sühne für das
Verbrechen an den europäischen Juden zu leisten, indem man
das zionistische Projekt bedingungslos unterstützt und zu
den Verbrechen der Zionisten schweigt.“ Natürlich spielt in
diesem Zusammenhang auch die Furcht eine Rolle, von den
Inquisitoren als „Antisemit“ gebrandmarkt zu werden.
Man kann also bei der Betrachtung des
Skandals, den die Israel-Lobby an der HAWK ausgelöst hat,
die deutsche Geschichte, den Nahostkonflikt und das
deutsch-israelische Verhältnis doch nicht ganz ausblenden,
wie Frau Prof. Dr. Dienel meint. Dennoch sei ihr großer Dank
gesagt, dass sie die Zivilcourage hatte, dem
inquisitorischen Druck nicht nachzugeben.
3.08.2016
|