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Reuven Moskovitz im November 04

 

 

 

Wahrheit und Hoffnung
Reuven Moskovitz

Liebe Freundinnen und Freunde, diesen Brief habe ich geplant, Euch als Ostergruss zu schicken, aber seit den "Auschwitz-Trauerspielen" in New York, Auschwitz und Jerusalem befinde ich mich mehr in einer Karwoche-Stimmung.

Es ist erschreckend, wie es gelingt, die Weltfriedensorganisation und die wichtigsten Politiker der Welt vor den Wagen - vollgeladen mit einer schrecklichen Lüge - zu spannen, um sich hinter der schrecklichsten Wahrheit in der menschlichen Geschichte, Auschwitz!!!, zu verstecken. Ich weiss, wie schwierig es insbesondere für lebens-, friedens- und menschenliebende Deutsche ist, diese Zeilen zu lesen. Ich habe jedoch inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass ich noch ernsthaft zu einem wahrhaftigen Frieden zwischen meinem Volk und meinem palästinensischen Nachbarvolk beitragen kann. Was ich aber kann, ist die Wahrheit, meine Wahrheit, denjenigen zu sagen, die sich noch engagiert für einen Frieden einsetzen, der für beide Seiten einigermassen erträglich sein kann.

Das Wort "Wahrheit" ist viel gelobt, aber auch von vielen misbraucht worden. Das ist oft sehr bitter für die Menschen, die ernsthaft versuchen, der Wahrheit zu dienen. Was sich seit knapp 60 Jahren im Nahen Osten abspielt, kann ich nur als einen kollossalen Triumph der Lüge bezeichnen. Der ermordete amerikanische Präsident Lincoln behauptete, dass es unmöglich sei, für längere Zeit die ganze Welt zu betrügen. Meine israelischen Machthaber sind seit 60 Jahren mit diesem Versuch erfolgreich. Bush und seine neo-konservative Gruppe versuchen es – ebenfalls seit mehr als 4 Jahren erfolgreich. Während die westeuropäischen Politiker die Weichen so stellten, dass das erste Mal seit Jahrhunderten 60 Jahre Frieden in Europa herrscht, haben meine Politiker noch vor der Staatsgründung die politischen Weichen so gestellt, dass dies nur zu Kriegen, Not, Mord und Zerstörung führen.

Man kann die Augenbrauen hochziehen und fragen, warum schreibt Reuven Moskovitz diese hoffnungslosen Zeilen gerade jetzt, da es scheint, als ob die Entscheidung der israelischen Knesset, den Rückzug aus dem Gazastreifen in die Tat umzusetzen, einen Schimmer der Hoffnung bringt. Hoffnung aber hat klare und feste Voraussetzungen. Sehr oft zeigt sich in der Geschichte, dass die Hoffnung in die Irre führt, wenn sie im Dienste von Politikern instrumentalisiert wird, die eine hoffnungslose Politik betreiben. Man kann nicht von einen "hoffnungsvollen" Rückzug aus dem Gazastreifen reden, während man fieberhaft agiert, um grosse Teile der Westbank zu annektieren und dann für die Palästinenser ein grosses Gefängnis im Gazastreifen und in mehreren palästinensischen Enklaven oder Gefängnissen in der Westbank bleiben werden. Das ist die Absicht von Ariel Sharon und stellt damit die viel gerühmte Roadmap als einen grauenhaften Witz dar.

 Der Schimmer der Hoffnung kann sich nur bewahrheiten, wenn mindestens die EU, UNO, Russland (drei Viertel vom Quartett) eindeutig und nachhaltig darauf bestehen, dass die berühmte Vision von Bush - als Roadmap bezeichnet - ein Palästina-Staat in den Grenzen von 1967 bedeutet, wobei ohne Zweifel Ost - Jerusalem die Hauptstadt von Palästina ist.  Hierfür sind gegenseitig akzeptierte Änderungen notwendig und nicht das, was heute offensichtlich in der Tat in der Westbank läuft: Die Zerstückelung von den 20%, die noch von Palästina übrig geblieben sind, und - wie öffentlich oft behauptet wird - die Annektion von mehr als 50% davon durch Israel.  Von Jerusalem wird in den Kreisen, die Israel heute regieren, überhaupt nicht geredet. In diesem Fall von Hoffnung zu reden, ist nichts weiter als Augenwischerei.

 Um zu untermauern, was ich behaupte, wage ich, ein Paar Zitate zu bringen:

 Das erste ist von einem polnischen Dichter - Tadeusz Borowski: " Die Hoffnung ist es, die den Menschen befiehlt, gleichgültig in die Gaskammern zu gehen, die sie davon abhält, Aufruhr zu planen; Hoffnung macht sie tot und stumpf. Hoffnung befiehlt den Müttern, sich von ihren Kindern loszusagen, den Frauen, sich für ein Stück Brot zu verkaufen, den Männern, Menschen zu töten.  Die Hoffnung treibt sie dazu, um jeden weiteren Tag des Lebens zu kämpfen, weil es gerade der kommende Tag sein könnte, der die Freiheit bringt....... Noch nie war die Hoffnung stärker als der Mensch, aber noch nie hat sie soviel Böses heraufbeschworen wie in diesem Krieg, wie in diesem Lager.  Man hat uns nicht gelehrt, die Hoffnung aufzugeben, deswegen sterben wir im Gas".

 Ich weiss, welche Gefahr ich laufe, wenn ich ein Zitat in Bezug auf Auschwitz bringe. Leider aber vergessen viele, dass die nationalsozialistische Schreckenherrschaft nicht mit Auschwitz angefangen hat, sondern mit Pogromen und Judenverfolgung.  Pogrome und ‚Lynch‘-Atmosphäre erleben heutezutage die Palästinenser in der Westbank unter der "demokratischen" Besatzung der israelischen Armee. 

Das ist nicht meine Behauptung, sondern die einer von der Regierung Beauftragten, bezogen auf die Lage, der die palästinensische Bevölkerung ausgesetzt ist.  Leider versteht man nicht, dass, auch wenn Sharon es mit der Roadmap oder mit dem Rückzug aus Gaza als erstem Schritt auf dem Weg zum palästinensischen Staat (was sicherlich nicht der Fall ist) ernst meint, diejenigen, die auf keinen Fall - sogar auf eine Siedlung im Gazastreifen oder in der Westbank - verzichten wollen, schon Morgenluft verspüren. Israel ist heutzutage nicht nur mit Korruption, Gewalt, Heuchelei und Lügen in der Politik sondern auch mit der Gefahr konfrontiert, die Teile der Neusiedlungen für die israelische Demokratie darstellen. 

Ein Buch, das vor kurzem in Israel erschienen ist, auf ernsthaften und gründlichen Recherchen beruht und ein Fiktion darstellen soll, beschreibt einen grausamen und gewalttätigen Staatstreich, um dem Rückzug aus Gaza zu vermeiden. Wer ein wenig Ahnung über das hat, was damals in Deutschland passierte, muss eine solche Gefahr ernst nehmen.  In Israel nehmen ernsthafte Menschen diese Absicht und diese Gefahr auf jeden Fall wahr.  Die gegenwärtige israelische Demokratie ist - ähnlich wie die Weimarer Republik zu ihrer Zeit – gegen diese Gefahr nicht gefeit.

 Ein eigenes Zitat: "Wer einen Frieden im heiligen Land ehrlich wünscht, muss die schreckliche Wahrheit akzeptieren, dass beide betroffenen Seiten in der Prüfung der Vernunft scheiterten und keine Kraft haben, sich selbst aus dieser schrecklichen Lage zu befreien. Ohne energische Hilfe von aussen können Hass und Sprengstoff, konzentriert im Land der Propheten, im Lande Jesu, im Land, aus dem "Mohammed in den Himmel aufstieg", jederzeit explodieren (aus meinem Brief an deutschen Freunde April 1975). 

Bedauerlicherweise sind die oben geschriebenen Zeilen noch heute aktuell.

 Ohne nachträgliche Mitwirkung von Europa hat der Frieden zwischen uns und den Palästinensern keine Chance.  Die gegenwärtige Situation gefährdet den Frieden und die Stabilität im ganzen Nahen Osten und höchst wahrscheinlich auch in Europa, wenn man die öffentlichen Pläne in Bezug auf Iran und Syrien einbezieht.

 Die Weichen, die den Nahen Osten in einen Wirbel von Gewalt, Blutvergiessen und Zerstörung führten, sind schon von Ben Gurion vor knapp 60 Jahre gestellt worden. 

"Die Weisheit Israels ist die Weisheit, wie Krieg zu führen ist und nichts anderes", schreibt Ben Gurion am 8. Januar 1948.

 Ein paar Jahre danach schreibt der zweite Ministerpräsident:"Ich habe gelernt, dass der israelische Staat in unserer Generation ohne Betrug und abenteuerlichen Geist nicht regiert werden kann.  Dies sind historische Fakten, die nicht zu verändern sind.  Es mag sein, dass die Geschichte die Betrugsstrategien bestätigen wird, genauso wie die abenteuerlichen Aktionen (er meint damit, die blutigen Vergeltungsaktionen).  Was ich, Moshe Sharet, weiss,  ist, dass ich nicht fähig bin, so zu handeln, deshalb bin ich auch nicht fähig, diesen Staat zu regieren." 

 Ein jüdischer Spruch heisst, dass:"eine gelungene Dummheit eine Dummheit bleibt ".  Diese Dummheit, auch wenn sie noch so erfolgreich ist, treibt uns und den Nahen Osten in den Abgrund.  Auch wenn es in unseren Zeiten pathetisch scheint, Cassandra oder Prophet zu spielen (was ich sicherlich nicht bin), kann ich vielleicht nur wie Luther sagen: " Hier stehe ich, ich kann nicht anders" - und wenn es uns nicht gelingt, in der allerletzten Minuten vor 12 Uhr möglichst schnell die Weichen anders zu stellen, dann: "Gott behüte uns - Amen!" 

 Diese Wahrheiten und viele andere hatte ich vor, auf meinem Friedensmarsch und auf dem Kirchentag zu sagen. Da aber Auschwitz so sehr in den Knochen von vielen Deutschen steckt, tun sich viele meiner Freunde sehr schwer damit. 

Wie es bis jetzt aussieht, werde ich auch nicht die Möglichkeit erhalten, auf dem Kirchentag aufzutreten.  Ich beschuldige niemanden und bleibe meiner Lebenslosung treu, die heisst:

 "Beurteile niemanden und versuche zu verstehen; und neige Dich wehmütig vor der menschlichen Verführbarkeit und dem Schmerz".

 Reuven Moskovitz

April 2005

 

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