Eine der Wahrzeichen von
Khan Younis.
Von Lama Hourani, Gaza Sunflower (Blog),
Mittwoch, 5. Dezember 2007
Ich hatte das Glück, ihr
1995 in Gaza bei einem Ausbildungslehrgang
zu begegnen.
Sie war voller Energie, Enthusiasmus, klug
und witzig. Sie kam auf mich zu und forderte
mich auf, mich für einen Job in der
Organisation, in der sie arbeitete, zu
bewerben. Ich war gespannt darauf, sie
besser kennenzulernen. Ich fragte mich, ob
sie eine Rückkehrerin war oder im
Gazastreifen geboren worden war.
Überraschenderweise fand ich heraus, dass
sie in Khan Younis geboren und ihr gesamtes
Leben dort verbracht hat, einer Stadt, die
im Zentrum des Gazastreifens liegt. Am
Anfang mochte sie meine Überraschung nicht,
sie hielt es für eine Beleidigung. Aber mit
meiner damals geringen Erfahrung mit
Menschen in Gaza, fand ich es verblüffend,
eine aufgeschlossene junge Frau ohne
Kopftuch vorzufinden, die es zu dieser Zeit
verstand, normal mit Männern und Frauen in
Gaza umzugehen. Am nächsten Tag bewarb ich
mich für den von ihr erwähnten Job und
begann mit ihr zu arbeiten.
Sie heißt Majda und sie wurde in sehr kurzer
Zeit eine meiner engsten Freundinnen. Ich
weiß nicht wann und wie ich sie als ein
Wahrzeichen von Khan Younis zu beschreiben
begann.
Majda kommt aus einer großen Familie; sie
hat zwei Brüder und fünf Schwestern. Beide
Brüder und zwei ihrer Schwestern sind
verheiratet. Sie und ihre drei anderen
Schwestern sind es nicht.
Wenn ich sie im Haus ihrer Familie besuchte,
fühlte ich mich immer, als wäre ich bei
meiner eigenen Familie. Ihre Mutter ist zu
allen gütig und liebevoll, besonders aber zu
Majdas Freunden. Sie erinnerte mich an eine
alte Tante, die in Syrien lebt und die ich
damals schon lange Zeit nicht mehr gesehen
hatte. Ihr Vater begegnete mir immer mit
grossem Respekt und Feingefühl, was für
einen alten Mann aus einer konservativen
Gemeinschaft ungewöhnlich war, vor allem,
wenn wir bedenken, dass ich eine Raucherin
bin und meinen Kopf nicht bedecke.
Majdas Vater starb vor kurzem als ich in
Ramallah war. Ich war so traurig, weil ich
in einer solchen Situation bei meiner besten
Freundin sein wollte, aber natürlich nicht
konnte. Ich habe ihren Vater sehr bewundert;
er war ziemlich aufgeschlossen. Wir waren
gewöhnt mit ihm im Garten ihres Hauses zu
sitzen, um den er sich kümmerte und immer
diskutierten wir mit ihm über Politik. Er
war ein diskreter Mensch, der sich in aller
Stille um viele notleidende Familien in der
Stadt kümmerte und ihnen half. Er glaubte an
seine talentierte Tochter und stellte sich
niemals auch nur gegen eine ihrer
Aktivitäten in der Gemeinde, auch wenn diese
gelegentlich gegen die Traditionen waren. In
einer konservativen Gemeinde ist ein
derartiger alter Mann sehr selten zu finden.
Viele junge Frauen beneideten Majda um einen
solchen Vater.
Während dieser Intifada war Majda im
südlichen Teil des Gazastreifens die einzige
Frau, die ihr Haar nicht bedeckt hatte.
Trotz der Schwierigkeiten, denen ihr Vater
in der Gemeinde gegenüber gestanden sein
mag, verlangte er nie von ihr, dass sie ihre
Haare bedecken sollte.
Majda arbeitet vor allem mit jungen Leuten.
Sie ist in den Dreißigern, versteht die
Jugendlichen und kommuniziert sehr gut mit
Kindern und Teenagern. Sie arbeiten gern mit
ihr und nehmen an Aktivitäten mit ihr teil
und ihr geht es genauso.
Es fiel mir sehr schwer, dass ich ihr und
ihrer Familie lediglich telephonisch
kondolieren konnte. Ich wollte bei ihnen
sein, um sie und ihre Mutter umarmen zu
können und mich bei ihnen auszuweinen. Aber
die Teilung innerhalb unseres besetzten
Landes hat es uns nicht erlaubt, selbst so
einem kleinen menschlichen Bedürfnis
nachzugeben.
Jetzt rede ich mit Majda fast täglich und
manchmal mehrmals am Tag. Wenn ich ihre
Stimme höre, wenn ich ihr bei den
Nachrichten über den Gazastreifen zuhöre,
fühle ich mich so bewegt und so mit ihr, mit
dem Ort und den Menschen verbunden. Ihr
Humor und Spott ist einzigartig; sie kann
uns in den dunkelsten Zeiten zum Lachen
bringen. Eine solche Zeit ist die momentane.
Wann immer ich sie anrufe, sie erzählt mir
einen Witz über die Situation in Gaza und
das Leid, das sie und die anderen gerade
durchmachen. Ich rufe sie mit der Absicht
an, sie aufzumuntern, aber es endet immer
damit, dass stattdessen sie mich aufheitert.
Ich weiß, dass sie sich so alleine fühlt, so
gefangen im Gazastreifen, den sie nicht
verlassen kann, weil die israelische Armee
ihr ständig die Ausreiseerlaubnis von Eretz
aus verweigert. Dennoch kann sie immer in
ihrer Arbeit neue Dinge erfinden und
produzieren.
Majda war es immer gewöhnt, palästinensische
FreundInnen und Fremde in ihrem Haus zu
haben; sie weiß eine Menge über den
Gazastreifen und gewöhnlich führte sie jeden
und jede, die von außerhalb zu Besuch kamen
im Gazastreifen herum und immer brachte sie
uns an Orte, von denen wir nichts wußten.
Sie kennt fast jede und jeden und jeden
Winkel des Gazastreifens. Und sie selbst ist
auch wohlbekannt. Den meisten Menschen wird
empfohlen, sie zu treffen, wann immer sie
nach Gaza kommen. Jetzt ist es wegen der
Abriegelung - auch für AusländerInnen - sehr
schwer nach Gaza hineinzukommen.
Als Majda erfuhr, dass ich wieder schreibe,
ergriff sie die Initiative und beschloß an
meinem Blog zu arbeiten. Sie veränderte ihn
so, wie Sie ihn jetzt sehen können. Mir
gefällt, was sie gemacht hat und ich weiß,
dass sie ihn weiterhin verändern wird. Also,
wann immer Sie eine Verbesserung oder
Veränderung an meinem Blog sehen, ist es
durch Majda.
Ich wünsche mir, ich könnte sie von
Angesicht zu Angesicht sehen und nicht nur
am Telephon mit ihr sprechen.
Übers.: Tina Salhi
http://gazasunflower.blogspot.com/2007/12/one-of-land-marks-of-khan-younis.html
http://gazasunflower.blogspot.com/
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