TRANSLATE
Rede von Dr. Ahmad Muhaisen
am Samstag, den
17. Okt. 2015 in Berlin am Potsdamer
Platz
Die Palästinenser
werden niemals aufgeben.
Liebe Freunde, heute
demonstrieren mit uns in Berlin in acht
deutschen Städten Menschen für unsere
gerechte Sache, in Stuttgart, Hamburg,
Trier, Essen, München, Koblenz und
Aachen.
Wir bitten Euch um eine
Schweigeminute für die Opfer der
israelischen Eskalationspolitik der
vergangenen Wochen. Wir denken an die
Getöteten, die Verletzten und an die
Menschen, die sie liebten und jetzt um
sie trauern.
Öfter haben wir in
Berlin demonstriert, sprachen wir von
unserer Verzweiflung über die aktuellen
Ereignisse in Jerusalem und auf dem Al
Haram al Sharif mit der Al Aqsa Moschee
und appellierten an die deutsche
Regierung und an die Europäische Union,
nicht länger zu schweigen zu den
israelischen Besatzungsverbrechen und
der Straflosigkeit.
Besonders der Tod von
Kindern und Frauen macht uns
Palästinenser verzweifelt, weil er so
regelmäßig geschieht. Und wir fragen
uns aus der Ferne hier in Deutschland in
unserer zweiten Heimat: „Was wird im
nächsten Moment schreckliches passieren?
Wie können wir unserer
Aufgabe, die Wahrheit zu berichten,
gerecht werden angesichts einer
Übermacht von Falschmeldungen und Lügen
des israelischen Militärs und
israelischer Politiker?“
Wir haben eine große
Angst davor, unsere Kinder zu verlieren,
sie sterben sehen zu müssen wie vor 15
Jahren im September 2000, als die
Jugendlichen in Gaza und in der Westbank
die Ungerechtigkeiten der israelischen
Besatzung nicht mehr ertragen konnten,
auf die Straßen gingen in Palästina und
viele von ihnen erschossen wurden, auch
Kinder, von Anfang an. Oder sie
verloren durch gummiummantelte Geschosse
ein Auge. Das heißt, allzu oft wurde
auch damals schon direkt auf die Köpfe
unserer Jugendlichen gezielt, es bestand
die Absicht, sie zu töten.
Monatelang war die zweite
Intifada genauso gewaltlos wie die erste
Intifada. Erst als den Palästinensern
klar wurde, dass die israelische Gewalt
nicht aufhören würde, wehrten sie sich
auch. UND SIE HATTEN EIN RECHT DAZU, DENN
DER WIDERSTAND GEGEN EINE BESATZUNG IST
LEGITIM NACH DEM INTERNATIONALEN
VÖLKERRECHT!
Die israelische
Besatzungspolitik hat die Palästinenser
in die Hoffnungslosigkeit geschickt. -
Wir
vergessen nicht, wie Mohammed Abu
Kdheir, das Opfer einer grausamen
Tat: Er wurde Anfang Juli 2014 in
Jerusalem entführt und bei lebendigem
Leibe verbrannt. Sein Cousin wurde von
Polizisten fürchterlich
zusammengeschlagen. Und die Angst der
Palästinenser um ihre Kinder wuchs in
Jerusalem und in der Westbank weiter.
Wir können nicht hier und
heute alle einzelnen Namen von Opfern
und Ereignissen nennen. Aber wir betonen
auch den Mut der Palästinenser, die in
Jerusalem und in der Westbank gegen
diese Welle von Hass und Gewalt
Widerstand leisten. Viele wurden von
israelischer Polizei oder dem Militär
ermordet, verletzt, festgenommen oder
inhaftiert.
Den Palästinensern in
Jerusalem und in Westbank wird klar:
Jeder von ihnen ist nun bedroht, ob als
normaler Bürger, als Taxifahrer, als
Busfahrer, Geschäftsmann oder als
Jugendlicher oder als Kind. Aber auch in
der Westbank, wo Siedler schon oft
palästinensische Jugendliche oder Kinder
absichtlich mit dem Auto angefahren
haben.
Die israelische Gewalt
wurde in so offener Form von der
israelischen Seite angeheizt und auch
Rabbiner äußern sich immer wieder sehr
rassistisch.
So geschah es, dass die
ganze Welt davon erfuhr, wie Israel
Häuser zerstört, denn das tut die
Besatzungsmacht seit vielen Jahren.
Entweder als direkte Bestrafung oder,
indem sie behauptet, Palästinenser
hätten auf ihrem eigenen Grund und Boden
keine Baugenehmigung, oder weil das Land
zu einem militärischen Gebiet erklärt
wird.
Im September 2000 machte
Ariel Scharon eine Provokation, für die
ihm Barak 1000 Soldaten mit auf den Weg
gab und eine Lüge dazu: Er ging auf den
Haram al Sharif und wollte damit den
Anspruch Israels auf das gesamte
Stadtgebiet von Jerusalem demonstrieren.
Damals machten die
israelischen Politiker Marwan Bargouti
zu einem Hauptverantwortlichen für den
Ausbruch der zweiten Intifada. Seit 13
Jahren sitzt er in einem israelischen
Gefängnis und schrieb jetzt in einer
Erklärung, die der „Guardian“ in London
veröffentlichte und heute in Auszügen in
der „Jungen Welt“ steht: „… Der letzte
Tag der Besatzung wird der erste Tag des
Friedens sein. Diejenigen, die letzteres
erreichen wollen, müssen handeln, sie
müssen jetzt handeln…“
Die Massaker und
Überfälle der israelischen Armee
erfolgen schneller hintereinander als
früher. Immer noch liegt Gaza seit Ende
August 2014 in Trümmern, immer noch
müssen viele Menschen in Zelten leben,
nichts wurde wieder aufgebaut, es fehlt
an Baumaterial. Seit neun Jahren besteht
die hermetische Abriegelung von Gaza,
die Blockade, Gaza ist das größte
Freiluftgefängnis der Welt.
Die Oslo-Verträge von
1993, das haben damals schon einige
Menschen vorausgesehen wie zum Beispiel
Edward Said, waren von israelischer
Seite nicht als Friedensverhandlungen
gedacht, sondern als eine
HINHALTETAKTIK, eine ewige Verhandlung,
die nie zu einem palästinensischen Staat
in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem
als Hauptstadt führen sollte.
Stattdessen wuchsen die
Siedlungen in der Westbank, also in
Palästina, wurden Apartheid-Straßen
gebaut, die die Palästinenser nicht
benutzen dürfen. Wurde eine neun Meter
hohe Apartheidmauer errichtet, die
doppelt so lang ist wie die Grüne Linie,
die Grenze von 1967, weil sie ganze
Dörfer umkreist, es ist ein zusätzlicher
Landraub. Jeden Tag wird das zukünftige
Palästina kleiner und jeden Tag werden
die Siedler durch die rechte israelische
Regierung darin bestärkt, Gewalt gegen
die Palästinenser anzuwenden und ihnen
das Leben zur Hölle zu machen.
Wer schweigt, macht sich
mitschuldig. Wir fragen die deutschen
Politiker, aber auch die deutschen
Medien, die
Menschenrechtsorganisationen, die
Menschenrechtler und die Bürger: Wie
lange wollt Ihr noch schweigen? Und
fragt Euch bitte, warum schweigt Ihr?
Die deutsche
Geschichte kann es nicht sein, denn die
fordert Euch dazu auf, zu Unrecht nie
wieder zu schweigen.
Wir wissen: Auch das
Schweigen über Ungerechtigkeit ist ein
Verbrechen. Auch das Schweigen darüber,
dass viele Behauptungen von israelischen
Politikern über Palästinenser schlichte
Lügen sind.
Annette Groth, die
menschenrechtspolitische Sprecherin der
Partei die LINKE und unsere Freundin,
schrieb kürzlich: "Während sich die
Situation in Israel und den besetzten
Gebieten dramatisch zuspitzt, liefert
die Bundesregierung weiterhin regelmäßig
mit Steuergeldern bezahlte Kriegsgeräte
nach Israel und behauptet, sich für
Frieden in Nahost einzusetzen. Die
israelische Regierung schafft durch den
Bau von völkerrechtswidrigen Siedlungen
und den Erlass rassistischer Gesetze
Fakten und lässt die Situation
insbesondere durch die gewaltsame
Reaktion auf die Proteste der letzten
Tage eskalieren."
Die Journalistin Amira
Hass schrieb: "Palästinenser kämpfen um
ihr Leben. Israel kämpft für die
Besatzung."
Dazu schrieb Felicia
Langer, die viele Jahre als Anwältin für
Palästinenser tätig war: „Ich kenne es
von meinen jahrelangen eigenen
Erfahrungen in Israel und Palästina. Ich
habe es in den Gefängnissen und
außerhalb gesehen und auch in den
Militärgerichten.
Die Siedler, bis an die
Zähne bewaffnet, agieren gegen die
Palästinenser heute wie paramilitärische
Kräfte. Netanjahu drohte den
Palästinensern mit einem "Kampf bis zum
Tod" und mit neuen Repressionen wie noch
öfter Administrativhaft gegen
Demonstranten, also Inhaftierung auf
unbestimmte Zeit ohne Anklage.“
Wenn man die
Selbstverteidigung der Palästinenser als
„Terrorismus“ bezeichnet, wie nennt man
dann die israelischen Kriege und
Massaker, die Belagerung von Gaza, die
Ermordung von 10 Pazifisten und die
Verletzung von über 50 Pazifisten auf
der Mavi Marmara 2010 durch einen
Überfall der israelischen Marine, das
Schiff gehörte zu den Friedensschiffen
nach Gaza?
Wie nennt man die
Kriegsverbrechen, die der
Goldstone-Report über das Massaker der
israelischen Armee an der Bevölkerung
von Gaza 2008/2009 auflistet?
Und wie nennt man die
Tatsache, dass über 6000 Palästinenser
in israelischen Gefängnissen sitzen,
darunter Frauen und Kinder?
Wie nennt man die
fortgesetzten Häuserzerstörungen, den
Landraub?
Unter Polizeischutz und
dem Schutz von israelischen Soldaten
sind bewaffnete Siedler in die Al
Aqsa-Moschee in Jerusalem eingedrungen
und haben die betenden Palästinenser mit
Tränengas und gummiummantelten
Geschossen attackiert. Und sie haben
Teile der Moschee in Brand gesetzt. Mit
solchen Taten wollen die israelischen
Verantwortlichen einerseits die
Palästinenser beleidigen, aber
gleichzeitig wollen sie den Konflikt als
Auseinandersetzung um Religionen
darstellen. Es geht aber um etwas
anderes: Es geht um die Vertreibung der
Palästinenser aus Jerusalem. Es geht um
die Gestaltung eines ausschließlich
jüdischen Staates, der heute bereits 20
Prozent seiner nicht-jüdischen
Bevölkerung damit ausschließt: Araber,
Palästinenser und Ausländer. Sie sind
schon heute Bürger zweiter und dritter
Klasse.
Liebe Freunde, Israel
schürte den Hass gegen Palästinenser. So
kam es, dass sich neben der
Siedler-Gewalt, die Palästinenser seit
Jahren in Jerusalem und in der Westbank
erleiden, besonders in Jerusalem und in
Hebron, sogenannte Normal-Bürger
Israels rassistisch gegen Araber
äußerten,
öffentlich oder sie
bedrohten Andersdenkende, sie
versuchten, Kinder zu entführen.
Wir erinnern uns auch an
ein anderes Verbrechen: Im Jahr 1994
stürmte der Arzt Baruch Goldstein als
israelischer Soldat in Uniform mit zwei
automatischen Maschinengewehren in die
Abraham-Moschee in Hebron, schoss um
sich, tötete 29 betende Palästinenser
und verletzte über 100 von ihnen, bevor
man ihn mit einem Feuerlöscher am
Weitertöten hindern konnte. Sein Grab
ist heute für viele israelische Rechte
eine Art Wallfahrtsort.
Wir haben immer
wieder Forderungen formuliert, die wir
hier wiederholen möchten:
Wir fordern die deutsche
Regierung auf: Setzen Sie sich mit allen
Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln
dafür ein, dass die israelische
Besatzung in Palästina ein Ende hat.
Wir bitten die
Europäische Union: Schweigen Sie nicht
zu dem Unrecht, das die Palästinenser
zur Zeit, in Gaza und in
Jerusalem erleiden. Die israelische
Besatzung muss ein Ende haben. Schluss
mit der gewaltsamen Vertreibung von
Palästinensern aus Jerusalem. Es darf
keine Veränderung des Status vom Al
Haram Al Sharif und der Al Aqsa Moschee
geben. Wir fordern die Freilassung der
palästinensischen Gefangenen. Die
Apartheid-Mauer in Palästina muss
fallen. Die Belagerung von Gaza muss
aufhören und die Grenzübergänge müssen
dauerhaft geöffnet bleiben.
Wir danken allen, die
solidarisch an unserer Seite stehen und
uns helfen, nicht zu verzweifeln.
Solidarität ist die Zärtlichkeit der
Völker. We will never give up - Wir
werden niemals aufgeben.
VIDEO - Rede von
Dr. Ahmad Muhaisen am Samstag, den 17.
Okt. 2015 in Berlin am Potsdamer Platz
BILDER
|