Nakba - »Tag
der Katastrophe«
Der 15. Mai ist
für die Palästinenser der Tag der
Katastrophe und der Vertreibung
(arabisch: Al - Nakba).
Die Rede
von Dr. Ahmad Muhaisen zur Situation der
hungerstreikenden palästinensischen
Gefangenen in israelischen Gefängnissen,
den 69. Jahrestag der Al-Nakba, 50.
Jahrestag der israelischen Besatzung des
restlichen Palästinas mit Jerusalem und
der Al-Aqsa-Moschee nach dem Krieg von
1967 und die Blockade von Gaza am 13.
Mai. 2017 auf dem Potsdamer Platz in
Berlin.
Liebe
Freunde, ich danke Euch für Euer Kommen
und für die Solidarität, die so viele
Menschen gezeigt
haben während der schweren Tage, die
hinter uns liegen und die noch nicht zu
Ende sind.
Die Tage,
in denen wir um das Leben der vielen
palästinensischen Gefangenen im
Hungerstreik bangen. Es sind
mittlerweile 1800 Gefangene und ihre
Situation ist katastrophal.
Ohne diese Solidarität wären wir noch
verzweifelter gewesen. Wir hoffen
inständig, dass das
Internationale Rote Kreuz, die Arabische
Liga, die UNO, die solidarischen
Regierungen weltweit und die vielen
international bekannten Persönlichkeiten
sowie der große
Protest der Menschen in Palästina Erfolg
haben werden und der Hungerstreik
beendet wird,
weil die israelischen Verantwortlichen
zum Einlenken gezwungen werden konnten. Das
ist unsere große Hoffnung. Und
gleichzeitig, das müssen wir auch sagen, schreien
wir unsere Verzweiflung heraus über
diese große Ungerechtigkeit, die wir
erleben müssen! Denn wie Ihr alle wisst,
sind es selbstverständliche Rechte, für
die die Gefangenen in den Hungerstreik
getreten sind. Es sind keine besonderen
Forderungen. Auch das zeigt unsere
palästinensische Tragödie. Denn
Hungerstreiks gab es oft, den ersten
1968!
Wir sind
aber heute hier auch zusammengekommen,
um die Welt an den 69. Jahrestag der Al-Nakba,
der Vertreibung der
Palästinenser 1947/48 aus ihrer Heimat,
zu erinnern.
Und auch,
um an das
seit 12 Jahren belagerte Gaza zu
erinnern. Wir
dürfen die Leidenden und
Eingeschlossenen dort nicht vergessen. Gleichzeitig
müssen wir an den
50. Jahrestag der
israelischen Besatzung des restlichen
Palästinas durch Israels Krieg von 1967
erinnern.
Es kam
damals zur zweiten Vertreibung von
Palästinensern. Seitdem ist die Westbank
mit Jerusalem und der Al-Aqsa-Moschee
besetzt. Die Besatzung von Gaza wurde ab
2005 zur permanenten Belagerung durch
Israel. Seit 2005 erlitten die
Palästinenser in Gaza drei israelische
Kriege mit vielen Opfern.
Wir
bitten Euch nun, an diejenigen
palästinensischen Gefangenen besonders
zu denken, die sich seit 27 Tagen in
verschiedenen israelischen Gefängnissen
im Hungerstreik befinden.
Dafür
bitten wir Euch um eine Schweigeminute,
in der wir uns mit ihnen fest verbunden
fühlen wollen. Aber auch mit den über
7000 palästinensischen Gefangenen
insgesamt in israelischen Gefängnissen,
darunter Kinder, Jugendliche und
Frauen. Ein unvorstellbarer Gedanke ist
für uns, dass sogar Kinder und
Jugendliche ohne jeden Schutz
schlagendem Gefängnispersonal
ausgeliefert sind, nur weil sie gegen
die Besatzung protestiert haben!
Wir wollen in dieser Schweigeminute auch
an die verzweifelten Verwandten und
Freunde
der Hungerstreikenden denken.
VIELEN DANK!
Die Gefangene sind durch diesen Hungerstreik,
der einzigen Protestform, die ein
wehrloser Mensch im Gefängnis hat, in
einem dramatischen gesundheitlichen Zustand.
Die bekanntesten unter ihnen wie Marwan
Barghouti, Ahmad Saadat und Karim Younis
sind in andere Gefängnisse verlegt
worden und sind von der Außenwelt
abgeschnitten in totaler Isolation. Ohne
Familienbesuche oder Anwaltsbesuche. Das
Internationale Rote Kreuz hat Marwan
Barghouti am Donnerst gesehen, aber
außer Grüßen für seine Familie wurde
bisher nichts über seinen
Gesundheitszustand bekannt.
Wir appellieren an die Journalisten, an
die Presse und an die Medien
Verantwortlichen in Deutschland,
berichten Sie bitte darüber, zeigen Sie
Mut und beweisen Sie,
dass es in Deutschland doch
Pressefreiheit gibt und ein wirkliches
Eintreten für die Menschenrechte.
Denn alle
Menschen sind gleich, ihre Würde ist
unantastbar. Helfen Sie mit, das Leben
dieser Menschen zu retten! Wir
glauben, dass nur Druck von außen
israelische Politiker dazu zwingen kann,
das Unrecht einzusehen, das sie den
Palästinensern antun.
Die Hungerstreikenden fordern u.a. ein
Ende der Misshandlungen von Gefangenen,
der Isolationshaft, der Folter, der
Vernachlässigung der medizinischen
Versorgung. Sie fordern
die Abschaffung der illegalen
Administrativhaft. Sie fordern, die
Beschränkungen von Familienbesuchen
aufzuheben. Sie fordern, die
Einschränkungen für das Mitbringen von
Büchern, Kleidung, Essen und Geschenken
von Familienmitgliedern zu lockern; die
Bildungseinrichtungen für die Gefangenen
wiederherzustellen und Telefone zu
installieren, damit die Gefangenen mit
ihren Familien kommunizieren können. Die
Hungerstreikenden fordern auch, das
Apartheid-Militärgerichtssystem zu
beenden.
Es ist
unsere Aufgabe, hier in Deutschland den
Menschen zu sagen: Glaubt nicht der
israelischen Propaganda und den
militärischen Verlautbarungen. Kritik an
der grausamen israelischen Politik ist
kein Antisemitismus. Das Schweigen der
anderen über das Unrecht ist dagegen
beinahe eine Mittäterschaft.
Wir danken hier ausdrücklich unserem Freund
Herrn Wolfgang
Gehrcke, sowie der
menschenrechtspolitischen Sprecherin der
Fraktion DIE LINKE, Annette Groth, für
ihren Einsatz, ebenso ihren
Mitarbeitern, auch Inge Höger, Heike
Hänsel, Christine Buchholz,
Ulla Jelpke und
Norman Paech und bitten unsere
Freunde, dass sie das
Thema Hungerstreik im Deutschen
Parlament zur Sprache bringen.
Wir waren
froh darüber, dass Außenminister Gabriel
bei seinem Besuch in Israel die beiden
Menschenrechtsorganisation besucht hat,
obwohl Netanjahu mit allen Mitteln
versucht hat, ihn daran zu hindern.
Damit ist die deutsche Politik klarer
geworden.
Felicia Langer, die als erste
Rechtsanwältin Palästinenser vor Gericht
verteidigt hat, worüber sie in ihren 15
Büchern über der israelischen Brutalität
und verbrechen berichtet hat.
Seit mehr als drei Wochen gibt es an
vielen Orten auf der Welt eine große
Solidarität mit den palästinensischen
Gefangenen. Dafür sind wir zutiefst
dankbar.
Freiheit für alle Gefangenen, für ein
Leben in Würde und ohne Angst vor
Verfolgung.
Wir fordern das Ende der Besatzung,
Gerechtigkeit und Frieden in Palästina.
Der 15.
Mai ist für die Palästinenser der Tag
der Katastrophe und der Vertreibung
(arabisch: Al - Nakba). -
Im November 1947 stimmte die UNO für
eine Teilung Palästinas in einen
jüdischen und einen palästinensischen
Staat. Nach Abzug der britischen
Mandatsmacht am 14. Mai 1948
rief David Ben Gurion sofort den
unabhängigen Staat Israel aus. Dies führte
zur Vertreibung
von Hunderttausenden palästinensischen
Familien aus ihren Städten und Dörfern, es
war der
Beginn von Zwangsenteignungen und
Deportationen der
palästinensischen Bevölkerung.
Terroristische Angriffe gegen die
arabische Zivilbevölkerung trugen
wesentlich dazu bei, dass
Hunderttausende das Gebiet verließen.
Insgesamt wurden 418 palästinensische
Städte und Dörfer dem Erdboden gleich
gemacht.
Es wurden mehr als 800.000 Palästinenser
aus ihren Dörfern und Städten vertrieben
oder sie flüchteten.
Wir erinnern an die Serie brutaler
Angriffe gegen unbewaffnete
Palästinenser, zum Beispiel das Massaker
von Deir-Jassin am 8. April 1948 bei
dem fast alle
Einwohner Männer, Frauen und Kinder -
auf brutalste Weise umgebracht wurden. Nur
wenige Menschen ließ man am Leben, damit
sie von der Tragödie berichten.
Das
Massaker von Deir-Jassin verstärkte die
Fluchtbewegung der Palästinenser.
Hunderttausende wurden zu Flüchtlingen.
Bis heute ist ihnen die Rückkehr in ihre
Heimat verwehrt.
Die Vereinten Nationen forderten bereits
am 11.12.1948 Israel auf, das
Rückkehrrecht der palästinensischen
Flüchtlinge anzuerkennen und
Reparationszahlungen für das erlittene
Leid zu leisten (Resolution 194). Die
UN-Forderung blieb bis
heute unerfüllt.
Der neu
gegründete Zionistenstaat wurde bereits
am 11. Mai 1949, also ein Jahr nach
seiner Gründung, in die UNO aufgenommen;
damit war das Schicksal der
Palästinenser besiegelt. Während der
letzten 69 Jahre wurden viele
Nahost-Kriege durch die Israelis
angezettelt, aus denen Israel mit
amerikanischer und europäischer
Unterstützung als Sieger hervorging; so
konnte die israelische
Kriegsmaschinerie 1967 den Rest
Palästinas (Westbank und Gazastreifen)
besetzen.
Sämtliche bis zum heutigen Tag
beschlossenen UNO-Resolutionen wurden
von den Israelis ignoriert und alle mit
den Palästinensern abgeschlossenen
Verträge gebrochen.
Die ganze Welt schaut dabei zu, wie die
schlimmsten Bilder der Unterdrückung und
Ermordung von Zivilisten in den
palästinensischen Städten, Dörfern und
Flüchtlingslagern über die Bildschirme
flackern.
Derzeit baut Israel immer
noch in der besetzten Westbank eine
Trennmauer mit verheerenden Folgen für
die palästinensische Bevölkerung und
erweitert gleichzeitig seine Siedlungen.
Die Weltgemeinschaft schaut wieder wie
gelähmt zu.
Die internationale Gemeinschaft kann
nicht - wie es in
den Jahren der
Al-Nakba geschah, weiterhin die Augen
vor den israelischen Untaten
in Palästina verschließen.
Die Besatzungsmacht fährt
immer noch damit fort, die
palästinensische Gesellschaft zu
zerstören und abzuriegeln, zu morden und
Aggressionen
zu verüben mit allen ihr zur Verfügung
stehenden Kriegsausrüstungen gegen ein
unbewaffnetes Volk, das seine bedrohte
Existenz, die verbliebenen Trümmer seiner
Häuser und Bäume verteidigt. Die Olivenbäume
vor allem werden
mehr und mehr von israelischen
Bulldozern entwurzelt.
Die
Internationale Gemeinschaft muss sich
endlich mit den Ursachen des
Nahostkonflikts befassen und nicht nur
mit dessen Symptomen. Ziel der
angestrebten Friedensverhandlungen muss
die Schaffung eines palästinensischen
Staates sein, in dem die
palästinensische Bevölkerung eine
Lebensperspektive hat.
Wir müssen heute auch an die seit 2005
bestehende permanente Belagerung von
Gaza durch Israel zu erinnern. Israel
bestrafte die gesamte Bevölkerung Gazas.
Wir erinnern an die Bombardierungen von
Gaza durch die israelische Luftwaffe am
Jahreswechsel 2008/2009, 2012 und 2014. Viele
Palästinenser wurden getötet und
verletzt.
Es gab damals einen Aufschrei in der
ganzen Welt und eine große Welle der
Solidarität für die Menschen in Gaza. Die
israelischen Kriegsverbrechen von
2008/2009 sind
im UNO-Goldstone-Bericht festgehalten.
Schiffe machten sich damals 2009 und
2010 auf den Weg nach Gaza: Aber die
Reaktion der israelischen Militärs und
Politiker war wieder hart und
barbarisch: Die Schiffe wurden im
Sommer 2010 auf
Hoher See in internationalen Gewässern
überfallen, neun Pazifisten wurden auf
der Mavi Marmara getötet, ein zehnter starb
Monate später an den Schussverletzungen,
und viele Pazifisten wurden verletzt.
Die Hoffnung der Menschen,
mit Lebensmitteln und Medikamenten die
Blockade zu durchbrechen, erfüllte sich
nicht. Auch über
diesen Überfall des israelischen
Militärs gibt es einen UNO-Bericht.
Wir fordern die sofortige Aufhebung der
Blockade von Gaza. Wir appellieren an
die Bundesregierung, ihren Einfluss auf
die israelischen Politiker noch
stärker zu
nutzen und das Ende der Blockade immer
wieder zu
fordern. Wir fordern die Europäische
Union auf, den Druck auf Israel zu
verstärken.
Das Leiden
der Menschen in Gaza muss ein Ende
haben. Seit der letzten Bombardierung
von Gaza 2014 leben noch viele Menschen
in Zelten, denn die zerstörten Häuser
konnten aus Mangel an Baumaterial nicht
wieder aufgebaut werden. Verletzte von
damals sind nicht ausreichend versorgt
worden. Viele Kinder sind unterernährt.
Weil Israel bei der Bombardierung
verbotene Munition wie uranabgereicherte
Geschosse und weißen Phosphor benutzte,
sind viele Menschen heute krank oder
dauerhaft behindert.
Die
Elektrizität ist zerstört, die
Wirtschaft am Boden, das Wasser- und
Abwassersystem wurden mehrmals zerstört.
Die Grenzübergänge sind fast immer
geschlossen, auch die nach Ägypten. Das
heißt, niemand kann ausreisen.
Die
Menschen haben keine Perspektive. Sie
sind hoffnungslos und trotzdem berichtet
jeder, der Verwandte und Freunde in Gaza
hat, von ihrer großen Freundlichkeit und
Menschlichkeit. Wir dürfen sie nicht im
Stich lassen.
Wir haben immer wieder Forderungen
formuliert, die wir hier wiederholen
möchten:
Wir fordern die deutsche Regierung auf:
Setzen Sie sich mit allen Ihnen zur
Verfügung stehenden Mitteln dafür ein,
dass die israelische Besatzung in
Palästina ein Ende hat.
Wir sind
enttäuscht und beunruhigt darüber, dass
europäische Staaten, die Europäische
Union (EU) zu dem Unrecht in
Palästina nicht laut und konsequent
genug protestieren und Israel für seine
schweren Verletzungen des
Völkerrechts zur Rechenschaft und zur
Verantwortung ziehen.
Wir bitten
die deutsche Regierung inständig, sich
noch stärker für die Gefangenen
einzusetzen. Sie
dürfen nicht sterben!
Die
Apartheid-Mauer in Palästina muss
fallen.
Wir
fordern, das Rückkehrrecht der
palästinensischen Flüchtlinge
anzuerkennen und zu unterstützen: einen
lebensfähigen palästinensischen Staat
anzuerkennen; darauf zu dringen, dass
die UNO-Resolutionen durchgesetzt werden
und Israel sich endlich
vöِlkerrechtskonform verhält.
Wir
fordern, die Waffenlieferungen an Israel
sofort einzustellen.
Wir danken
allen von ganzem Herzen, die solidarisch
an unserer Seite stehen und uns helfen,
nicht zu verzweifeln. Solidarität ist
die Zärtlichkeit der Völker. We will
never give up - Wir werden niemals
aufgeben.
Widerstand
gegen eine Besatzungsmacht ist ein
legitimes Recht.
Palästinensische und arabische Vereine
in Berlin
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