iwps.info August
1) Frauen und Mädchen aus Salfit
demonstrieren gegen Krieg und Besatzung
2) Umweltverschmutzung und Vertreibung im Wadi Qana
3) Zusammenfassung der Menschenrechtsberichte - August '06
1) Frauen und Mädchen aus Salfit demonstrieren gegen Krieg und
Besatzung
Am 1. August 2006, nachdem Israels Angriffe gegen
den Libanon bereits drei Wochen und die Invasion im Gazastreifen
über einen Monat anhielten, riefen "Women for Life" (dt. "Frauen für
das Leben"), eine lokale palästinensische Basis-Frauenorganisation,
zu einer Anti-Kriegs Demonstration in der Stadt Salfit auf. Über 50
Frauen aus der ganzen Region Salfit schlossen sich der Demonstration
an. Einige hatten ihre Kinder dabei und viele, die als Mitglieder
eines Verbands der Familien von Gefangenen auftraten trugen Bilder
ihrer Angehörigen, die in israelischen Gefängnissen gefangen
gehalten werden.
Vor dem Büro des Internationalen Roten Kreuzes
entrollten die Frauen ihr Transparente und Plakate in Englisch und
Arabisch, auf denen unter anderem stand: „Palestina … Irak … Libanon
… Was kommt als nächstes? Die Kamera eines palästinensischen
Fernsehsenders filmte die Sprechchöre der DemonstrantInnen und die
engagierte leidenschaftliche Rede von Fatima Khaldi, der
Mitbegründerin der "Women for Life" gegen die Besatzung Palästinas
und den Krieg gegen Libanon und den Gazastreifen.
Dann gingen die Frauen in das Büro des Roten
Kreuzes, der einzigen offiziellen Institution der Internationalen
Gemeinschaft in der Salfit Gegend, um ihren Protest gegen den Mangel
an internationaler Verurteilung angesichts der Taten Israels zu
erklären.
Zwei Tage später, am 3. August 2006,
veranstalteten etwa 130 Mädchen vom Sommerferienlager der "Frauen
für das Leben" in Biddya und aus Salfit ihren eigenen Protest,
ebenfalls vor den Internationalem Roten Kreuz in Salfit. Diese Demo
begann eigentlich bereits in den zwei Bussen, in denen die Mädchen
nach Salfit fuhren. Es wurden Widerstandslieder gesungen und in
Sprechchören gerufen: One, two, three, four, occupation no more.
Five, six, seven, eight, stop the killing, stop the hate! (Eins,
zwei, drei, vier – die Besatzung stoppen wir! Fünf, sechs, sieben
acht, stoppt das Töten, stoppt den Hass!).
Einer der Busse mit Teenager-Mädchen wurde am
Za’atara / Tapuah Checkpoint gestoppt und die israelischen Soldaten
befahlen allen, auszusteigen. Die Mädchen hatten ihre
palästinensischen Fahnen aus den Fenstern fliegen lassen und die
Soldaten behaupteten, eine der Fahnen gehöre zu einer Teroristischen
Organisation. Ein Mitglied von IWPS, das im Bus mitfuhr griff ein
und der Bus konnte weiterfahren.
In Salfit vor dem Rotem Kreuz angekommen gab es
weitere Sprechchöre und kleine Reden von den Mädchen, in denen sie
zu einem Ende der Besatzung aufriefen und gegen das Töten in
Palästina und im Libanon protestierten.
Fatima Khaldi äußerte ihre Hoffnung, dass diese
Demonstration dazu beitragen würde, die Aufmerksamkeit der Welt auf
Israels Kriege in Palästina und im Libanon zu richten.
"Israel hat unsere Bäume entwurzelt, unsere
Kinder getötet und unsere Häuser demoliert" sagte sie. „Wo ist der
Frieden? Warum hat Israel alles, während die PalästinenserInnen
nichts haben? Anders als die schrecklichen Bilder aus dem Abu Ghraib
Gefängnis im Irak sieht niemand Bilder von den Gefangenen in
Israelischen Gefängnissen. Wir wollen, das die Welt unsere
Gefangenen sieht!" Viele der Mädchen haben Väter oder Brüder, die im
Gefängnis sind."
„Sie nennen uns Terroristen" Dies verunglimpfe
ein ganzes Volk, so Khaldi, und diene hauptsächlich dazu den
PalästinenserInnen ihre Grundrechte zu verwehren.
Die Gruppe "Women for Life" hofft auch in der
Zukunft Treffen zwischen den Frauen von Salfit und MitarbeiterInnen
des Roten Kreuzes abhalten zu können.
2) Umweltverschmutzung und Vertreibung im Wadi
Qana
Riziq Abu Nasser’s Familie hat seit Generationen
Landwirtschaft und Viehzucht in Wadi Qana (Tal der Kanäle) im
nördlichen Salfit Distrikt betrieben – so lange bereits, dass er
nicht einmal weiß, wann das Land zuerst in ihren Familienbesitz
gelangt ist.
Aber nun wird Wadi Qana, einst eines der
fruchtbarsten Täler der Westbank, schon seit Jahren von dem Abwasser
der umliegenden acht israelischen Siedlungen verschmutzt. Für den
Bau von Straßen zu diesen Siedlungen, die von PalästinenserInnen
nicht benutzt werden dürfen wurde ein Teil ihres Landes konfisziert
und andere Teile für sie unzugänglich gemacht.
Jetzt droht mit dem Bau des so genannten
Sicherheitszauns, der tief in die Westbank einschneidet und die
Siedlungen wohl langfristig an Israel annektieren wird, die
Enteignung weiterer 5.000 Dunum - des gesamten Tals. Riziq Abu
Nasser schätzt, dass insgesamt, etwa 70% des Landes von Deir Istiya,
seinem Heimatdorf, der Mauer zum Opfer fallen werden und plant,
Bauern und AktivistInnen zu mobilisieren, um etwas dagegen zu tun.
Wadi Qana ist Teil der ausgedehnten Ländereien
von Deir Istiya. Im Tal gibt es sieben große und zehn kleinere
Quellen, die den Wadi Qana Fluß speisen, der in der Nähe von Huwara
bei Nablus über Wadi Qana nach Jaljuliya südlich von Qalqilya fließt
und schließlich in den Yarkon, auf arabisch Naher el Ooja genannt,
mündet. Die geschützte Lage des Tals zwischen zwei Bergen macht es
besonders geeignet für den Anbau von Zitrusfrüchten. Orangen und
Zitronenbäume säumen noch immer das Flussbett. Gemüse, Getreide,
Weintrauben und Oliven werden hier ebenfalls angebaut. Heute sind
Laut Abu Nasser bereits etwa 13,000 Dunums von Wadi Qana von
israelisch kontrollierten Gebieten eingeschlossen. Andere Teile des
Tals sind indirekt eingeschlossen, was zur Folge hat, dass die
Bauern Angst haben, dort hinzugehen.
"Sie [die Siedler] erschießen unsere Ziegen und
Esel." Bewaffnete Siedler belästigen die Farmer immer wieder bei der
Feldarbeit und dem Weiden ihrer Tiere und rufen Soldaten, die den
Bauern befehlen sollen zu gehen und am nächsten Tag wieder zu
kommen. Sie schmeißen auch Müll und Steine auf das Land."
Abu Nasser wurde durch ein Friedenslager im Dorf
Farkha, im Süden von Salfit inspiriert, das gerade zum 13. Mal
stattfand und in dem junge Leute zusammenkamen, um freiwillige
Arbeiten im Dorf zu verrichten, politische Treffen abzuhalten und
einen Wettkampf der palästinensischen Tanzgruppen abzuhalten.
Internationale AktivistInnen nehmen an diesem Friedenslager seit
Jahren teil.
Ein mehrtägiges Friedenslager im Wadi Qana hat
nun die Unterstützung der Dorfrates von Deir Istiya und soll Ende
August stattfinden.
Eine Familiengeschichte
Abu Nasser arbeite von 1986 bis 1990 als Schäfer
auf dem Land seiner Familie. Damals war es noch einfach das Land
über Straßen mit einem Esel zu erreichen. 1990 begann er zu
studieren. Doch mit dem Ende der ersten Intifada änderte sich die
politische Situation. Die Hamas wurde stärker und das Ausmaß der
Gewalt nahm zu.
Heute ist der Weg zu dem Stück Land zu mühselig
und zu zeitaufwendig. Im Juni 2006 besuchte Abu Nasser sein Land zum
ersten Mal seit 1990 wieder, als er einigen IWPS-AktivistInnen auf
einer Tour durchs Wadi Qana führte.
"Das liegt an der Besatzung", sagt er. Der Weg,
den wir nun nehmen müssen ist viel zu lang und Abu Nasser besitzt
kein Auto, aber selbst wenn er eins hätte, könnte er den hinteren
Teil seines Landes damit nicht erreichen. Zuvor gelangten die Abu
Nassers auf einem Weg zu ihrem Land, der dort verlief, wo jetzt die
Siedlung Nofim liegt. "Früher brauchte ich nur 40 Minuten zu Fuß"
sagt er. Heute bräuchte er für den Weg mindestens vier Stunden. Ein
Auto zu leihen, wäre zu teuer und zu Fuß zu gehen aufgrund der
Siedlerübergriffe zu riskant.
Der Anbau von Sommergetreide, ebenso wie das
Halten von Ziegen oder Schafen lohnt sich finanziell nicht mehr. Abu
Nasser erzählt die Geschichte eines Bauern, Ali Mansour, der eines
Tages in den späten 1980ern seinen Weizen gemäht hatte. Als er am
nächsten Tag wieder kam, um seine Ernte zu holen, fand er sie
verbrannt.
Bis 1979 lebte die Familie Abu Nassers auf ihrem
Land in Wadi Qana. Zwischen 1979 und 1986 gab die Familie die
Landwirtschaft auf, zum Teil weil der Bau von israelischen
Siedlungen in dieser Gegend begann. In den späten 70er Jahren wurde
zunächst die Siedlung Qarne Schomron auf dem Platz eines ehemaligen
jordanischen Militärlagers gebaut. In den frühen 80ern wurden drei
weitere Siedlungen um Wadi Qana herum errichtet: Yaqir im Süden und
Nofim und Immanu’el im Osten. Yakir wurde 1987 und Nofim 2002 um
einen Außenposten erweitert. Um Raum für den Ausbau der Siedlungen
zu schaffen, zerstörten die Siedler nach palästinensischen Angaben
500 Zitrusbäume im Wadi Qana,
Seit den frühen 80ern wurden drei weitere
Siedlungen gebaut: Ma’ale Schomron, Ginat Schomron, und Neve
Menachem. Während dieser Zeit fing Abu Nasser an Statistiken über
die Auswirkungen der Siedlungen im und auf Wadi Qana zu führen. In
den späten 80ern war es nach seinen Angaben noch vierzig Familien,
die in Wadi Qana Landwirtschaft betrieben – jetzt sind es nur noch
fünf. Deir Istiya hatte einst 34,000 Dunums Land. Zwischen einem
Drittel und der Hälfte diese Landes sind bereits verloren.
Umweltverschmutzung und Wasserverbrauch
Die Israelis haben tiefe Brunnen gegraben, um die
Wasserreserven von Wadi Qana ebenso wie die des Nachbardorfes Marda
abzuschöpfen und in die Siedlungen und ins Jordantal zu pumpen.
Im Wadi Qana, ist der kleine Fluss jetzt von
Algen bedeckt und von braunen Schlamm der Siedlungsabwässer
durchzogen, die von den Siedlungen die Berghänge runter laufen und
ins Grundwasser sickern. Abu Nasser und andere haben zahlreiche
Berichte über die Verschmutzung durch die Siedlungen. Er glaubt,
dass die Bauern Schwierigkeiten haben, ihre Früchte aus dem Tal zu
verkaufen, da die Konsumenten Angst vor den „vergifteten" Obst
haben.
Vor kurzem wurden endlich die Abwässer von drei
Siedlungen Immanu’el, Qarne Schomron und Ginat Schomron durch ein
Rohrsystem unter Kotrolle gebracht – vorher lief es einfach den Hang
runter in das Tal. Das Abwasser der Siedlung Ma’ale Schomron wurde
ebenfalls teilweise eingedämmt. Dies geschah nur nach großen
Anstrengungen, einschließlich der Hilfe von IWPS und anderer
internationaler Organisationen, sowie Gruppen der israelischen
Friedensbewegung, die alle die Verschmutzung des ehemals unberührten
Tales dokumentierten. Vielleicht liegt es jedoch auch daran, dass
die Verschmutzung mittlerweile auch das von den Israelis gepumpte
Grundwasser beeinträchtigt und sie nun, da die Annektierung auch der
letzten Teile des Tal durch den Bau der Mauer kurz bevor steht, mehr
Eigeninteresse an dem Schutz des Tales gewinnen.
Laut Abu Nasser haben die Siedlungen Yaqir and
Nofim große Becken zum Auffangen ihrer Abwässer gebaut, jedoch sind
sie zu klein für den Bedarf der Bewohner und fließen ständig über,
so dass immer noch Abwasser die Hügel hinunter fließt und die
Olivenbäume ertränkt.
Ein Friedenslager für Wadi Qana
Abu Nasser – der seit 2003 als Vorsitzender der
Palästinensischen Volkspartei in der Salfit Region arbeitet – hofft,
dass das Friedenslager im Wadi Qana 13 bis 15 Bauernfamilien und 10
bis 20 Internationale und Israelis anziehen wird, die in Zelten auf
dem Land schlafen werden. Andere werden tagsüber hinzukommen.
Er hofft, dass friedliche Demonstrationen die
Aufmerksamkeit auf Wadi Qana und seine historische und
wirtschaftliche Bedeutung lenken wird, und so vielleicht den Bau der
Mauer stoppen kann. Die alten Pläne für den Verlauf der Mauer wurden
wahrscheinlich ohnehin bereits geändert, so dass die Bauern von Deir
Istiya und dem Nachbardorf Haris vielleicht etwas weniger schlimm
betroffen sind, als ursprünglich gedacht. Das ist jedoch nur ein
kleiner Trost für Bauern, die bereits so viel verloren haben und die
Veränderungen betreffen nicht Wadi Qana, sonder Land, das weiter
südlich liegt.
"Wir werden "Nein!" sagen, zur Annektion von Wadi
Qana," sagt Abu Nasser.
3) Zusammenfassung der Menschenrechtsberichte -
August '06
Vierzehn Verletze bei Demonstration in Bili’in
Am 11. August 2006 wurden bei der wöchentlichen
Anti-Mauer-Demonstration in Bili’in vierzehn palästinensische,
israelische und internationale DemonstrantInnen verletzt. Die
Demonstration wurde, anders als üblich, von der Armee bereits
innerhalb des Dorfes gestoppt. Ohne Provokation von Seiten der
DemonstrantInnen und DorfbewohnerInnen eröffneten die SoldatInnen
das Feuer wobei sie plastikummantelte Stahlkugeln, Tränengas und
Schockgranaten benutzen. Ein israelischer Aktivist wurde schwer
verletzt, als er aus kurzer Entfernung mit einer platikummantelten
Stahlkugel in den Kopf getroffen wurde. Seine medizinische
Versorgung und Evakuierung wurde von der Armee zunächst verhindert.
Auch nach einer Operation ist noch unklar, ob sein Sehvermögen
wieder vollständig hergestellt werden kann. Unmittelbar vor seiner
Verletzung hatten die SoldatInnen „Jetzt ist hier Libanon" gerufen.
Eine dänische Aktivistin erlitt nach einem Schlag mit einem
Gewehrkolben einen Schädelbasisbruch und Gehirnblutungen und musste
ebenfalls ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Beteiligung an
der Demonstration war ungewöhnlich hoch, da viele TeilnehmerInnen
der Queeruption in Tel Aviv, einem alternativen Treffen von
Schwulen, Lesben und Transgendern, sich angeschlossen hatten.
Fahrverbot über den Raum Nablus verhängt
Am 5. August 2006 wurde über den Raum Nablus ein
Fahrverbot für die Straßen in Richtung Süden verhängt. Hunderte von
Menschen wurden in Za’atara und Huwara über Stunden festgehalten und
mit Gewalt bedroht, wenn sie versuchten, ihre Wagen zu verlassen,
oder mit internationalen Freiwilligen von IWPS zu sprechen. Versuche
von IWPS und der israelischen Frauengruppe Machsom Watch, eine
Aufhebung der Sperren zu erreichen, blieben ergebnislos. Grund für
das Fahrverbot war laut Armeeangaben eine Terrorwarnung.
Israelische Armee fällt innerhalb einer Woche
mehrere Male in das Salfit Dorf Kufr Ein ein
Auch im Monat August wurde das Dorf Kufr Ein
wieder Schauplatz von zumeist nächtlichen Einfällen,
Hausdurchsuchungen und Verhaftungen durch das israelische Militär.
Insgesamt wurden bei diesen Einfällen sechs junge
Männer verhaftet, mindestens zehn Häuser wurden durchsucht und zum
Teil beschädigt. Ein Dorfbewohner erzählte Mitgliedern von IWPS,
dass sich momentan 35 von insgesamt 1500 Einwohnern von Kufr Ein in
israelischer Haft befänden.
19jähriger Junge im Taxi bei Checkpoint
angeschossen
Am 12. August kam es an dem außerhalb von Nablus
gelegenen Checkpoint Huwwara zu Unruhen zwischen der
palästinensischen Bevölkerung und dem israelischen Militär. In der
Folge gaben einige Soldaten Warnschüsse in die Luft ab. Ein
19jähriger Bewohner des Salfit Dorfes Hares, der sich zu diesem
Zeitpunkt in einem Taxi befand wurde von einem Irrläufer, der durch
das Heck des Wagens drang in den Rücken getroffen. Der 19jährige
wurde daraufhin in das Rafidia Krankenhaus in Nablus gebracht wo er
vier Tage verbringen musste. Die Kugel steckt weniger als einen
Zentimeter von seiner Wirbelsäule entfernt fest. Den Aussagen der
Ärzte nach fehlt dem Krankenhaus das Equipment um die Kugel zu
entfernen ohne bleibende Schäden zu verursachen.
Die Eltern des jungen Mannes, der mittlerweile
wieder zu Hause ist, jedoch nach wie vor unter Schmerzen leidet,
hoffen darauf ihren Sohn im Ausland operieren lassen zu können.
Für die vollständigen Berichte auf Englisch
besuchen Sie bitte unsere Website