Die Schlacht in Gaza verstärkt den
Hass in der arabischen Welt gegen den Westen
Kommentar von Hakam
Abdel-Hadi
Warum sind viele
Muslime und Araber antiwestlich? Wir brauchen nicht
auf die Kolonialzeit zu verweisen, sondern können
uns auf die gegenwärtigen Ereignisse in Gaza
konzentrieren. Die arabischen Medien, vor allem der
Fernsehsender Al Jazeera, deren Zuschauer auf 70
Millionen geschätzt werden, zeigen fast
ununterbrochen, wie die israelischen F 16 und F 15
die Städte im Gazastreifen zerstören und dabei auch
immer wieder Frauen und Kindern töten. Die
Menschenmassen, die in den Strassen von Kairo,
Rabat, Sana, Amman und Teheran demonstrieren, machen
in erster Linie Israel für das Blutbad
verantwortlich. Sie wissen allerdings, dass ohne die
absolute Unterstützung der USA und die Duldung
Europas solche Exzesse nicht möglich wären.
Äußerungen von Kanzlerin Merkel und
Bundesaußenminister Steinmeier, die allein Hamas für
den Ausbruch der Kämpfe verantwortlich machten und
das Recht Israels auf Selbstverteidigung
bekräftigten, bewiesen einmal mehr die einseitige
Positionierung der deutschen Regierung.
Mögen die Palästinenser
im Westjordanland (weniger die in Gaza) bisher auch
großzügige westliche - und speziell deutsche -
finanzielle Hilfe erhalten haben: Wenn es um Leben
und Tod geht, werden sie von den USA und Europa
nicht nur in Stich gelassen, sondern der
israelischen Militärmaschinerie ausgeliefert. Man
mag dagegen einwenden, dass selbst die arabischen
Regierungen den Palästinensern in dieser schwierigen
Lage nicht beistehen. Allerdings erwarten die
Palästinenser von diesen arabischen
Politikern kaum etwas anderes, weil ihre Länder
selbst abhängig und auf westlicher Hilfe angewiesen
sind.
Ägypten, woh das
wichtigste arabische Land, ist auf die jährlichen
zwei Milliarden Dollar angewiesen, die Kairo von den
USA erhält. Zum anderen machen die strategischen und
wirtschaftlichen Interessen der reichen arabischen
Ölstaaten sie zum gefügigen Bündnispartner der USA.
Es bleiben relativ schwache Länder wie Syrien, die
den Palästinensern Hilfe leisten wollen aber nicht
können
So kommt es, dass die
Stimmung in Palästina, auch die auf den Strassen
Arabiens, sich besonders massiv gegen die
ausländischen Schutzmächte der arabischen
Regierungen, also gegen die USA und Europa richtet.
(Wenn also der
ägyptische Präsident Mubarak vor den Vertretern der
arabischen Medien einräumt, dass sein Land den
ägyptisch-palästinensischen Grenzübergang Rafah
nicht öffnen könne, weil der Gazastreifen ein
besetztes Gebiet sei und Israel die Kontrolle auch
über diesen Übergang ausüben müsse, dann sagen die
Bürger in der arabischen Welt: Kein Wunder, Mubarak
ist nicht sein eigener Herr, er braucht Israel und
seine westlichen Verbündeten. Für Europäer ist es
kaum nachvollziehbar, wie nackt Mubarak in seinem
Land und im arabischen Raum im allgemeinen mit
solcher Äußerung steht.)
Es begann mit dem Boykott von Hamas
Frei nach Brecht: Wer A
sagt, muss nicht B sagen, wenn A falsch ist. Der
Westen beging einen riesigen Fehler, in dem er
Israels Position gegen Hamas uneingeschränkt
anerkannte. Israel nahm den Wahlsieg von Hamas als
Anlass - so sehen es die meisten Araber -, um die
Friedensverhandlungen weiterhin ins Leere laufen zu
lassen. Israel schaffte neue Tatsachen und baute
seine Siedlungen in der Westbank aus ; es
formulierte die berühmten Bedingungen für die
Aufnahme von Gesprächen mit Hamas. Bush und die EU
folgten postwendend: Hamas muss zuerst Israel
anerkennen und auf Anwendung von Gewalt verzichten
etc. Interessant war, dass Israel, die USA und die
EU eine geschlossene Front gegen GESPRÄCHE
mit der Wahlsiegerin Hamas demonstrierten, obwohl
Hamas durch das Wahlergebnis im Januar 2005 den
Regierungsauftrag erhielt. Hamas zeigte sogar eine
überraschende Flexibilität gegenüber Israel , indem
sie Bereitschaft für einen langfristigen
Waffenstillstand bekundete.
Eigentlich war die
Verweigerungshaltung Israels und des Westens eine
Art Kriegserklärung gegen Hamas, die ebenfalls von
der Autonomiebehörde unter Führung von Präsident
Abbas und seinem Fatah-Mann in Gaza Dahlan
systematisch und mit westlicher Unterstützung
bekämpft wurde. Dann kam es schließlich zur Spaltung
der Palästinenser. Die Blockade Gazas, die ohnehin
seit Jahren in Kraft wae, wurde nun von Israel mit
der Duldung und Unterstützung der USA und der EU
perfektioniert, obwohl dies eine völkerrechtswidrige
Kollektivbestrafung von 1,5 Millionen Palästinensern
ist.
Kurz: In der Sicht der
palästinensischen Wähler, die überwiegend weltlich
orientiert sind, und der arabischer Bürger haben
Israel und der Westen der demokratisch legitimierten
Hamas-Regierung keine Chance gegeben, was als unfair
und undemokratisch angesehen wird.
(Die arabischen
Regierungen legen ohnehin andere Maßstäbe an, die
mit Demokratie und Wahlen nichts zu tun haben, da
sie selbst nicht durch wirkliche Wahlen legitimiert
sind.)
Für den Westen ist aber
die Demokratie ein hohes Gut, so heißt es, und wie
oft wird doch in Washington und den europäischen
Hauptstädten wiederholt, dass Israel die
einzige Demokratie im Nahen Osten sei. Für die
arabische Seite gilt dieser Maßstab nur bedingt. Der
Westen wollte nur die palästinensischen Wahlen aber
nicht ihre Ergebnisse. Diese Haltung führte in
letzter Konsequenz zum Bürgerkrieg unter den
Palästinensern, zur Verschärfung der Blockade gegen
Gaza und indirekt zum gegenwärtigen Blutbad in Gaza.
Der arabische
Knessetabgeordnete Azmi Bishara, der sich seit
Sommer 2007 im arabischen Exil befindet,
bringt die widersprüchliche Haltung des Westens
auf den Nenner: „Die Haltung des Westens zur
arabischen Demokratie hat ihre Glaubwürdigkeit
verloren; die USA betrachten die demokratisch
gewählten arabischen Vertreter, die gegen die
israelische Besatzung sind, als Feind der USA, und
gleichzeitig sieht Washington seine arabischen
Bündnispartner als Freunde Amerikas , auch wenn sie
diktatorisch sind“.( Ferner sagt der in Deutschland
promovierte Philosoph, dass die politische Moral
Europas außerhalb seiner Grenzen stark
relativiert sei, wenn es um die Demokratie gehe.
Ich fühle
mich erinnert an eine Äußerung eines der Gründer der
modernen arabischen nationalen Bewegung in Syrien,
Saki Al Arsusi, der ein glühender Anhänger der
französischen Revolution war. Er sagte Ende der
30-er Jahre einem hohen französischen Offizier in
Damaskus: „ Ja, ich glaube auch an die Demokratie
der französischen Revolution, an die Brüderlichkeit,
Gleichheit und Gerechtigkeit“. Der Vertreter der
einstigen französischen Kolonialmacht erwiderte: „
Ja, ich auch, aber sie ist nicht für euch gedacht!“)
......... Ende .........
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