Stichworte für eine Laudatio
von Herrn Staatssekretär Wicker anlässlich
der Überreichung des Verdienstkreuzes 1.
Klasse des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland
an
Frau
Felicia-Amalia Langer
am
Donnerstag, 16. Juli 2009, 11.00 Uhr, in der
Villa Reitzenstein, Runder Saal
Sehr
geehrte Frau Langer,
sehr geehrter Herr Langer,
sehr geehrte Frau Haller-Haid, sehr geehrte
Frau Neuenhaus,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer,
sehr geehrte Angehörige, Freunde und
Wegbegleiter von Frau Langer, verehrte
Gäste,
Ich freue
mich, Sie heute hier in der Villa
Reitzenstein, dem Amtssitz des
Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg
begrüßen zu dürfen.
Und genau
darum geht es heute.
Bundespräsident Köhler hat Ihnen, sehr
verehrte Frau Langer, das Verdienstkreuz 1.
Klasse des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Ich
freue mich, Ihnen im Namen des
Bundespräsidenten diese hohe Auszeichnung,
die nur selten als Erstauszeichnung
verliehen wird, überreichen zu dürfen.
Wir alle
in diesem Kreis, Familienangehörige,
Wegbegleiter und Freunde von Frau
Felicia-Amalia Langer wissen, dass wir heute
eine Persönlichkeit würdigen, deren Leben
und Lebenswerk in höchstem Maße
beeindruckend sind.
Verehrte
Frau Langer,
Sie
können auf ein ebenso bewegtes wie erfülltes
Leben zurückblicken. Ihr jahrzehntelanges
Wirken für Benachteiligte, Geschundene und
Unterdrückte lässt uns alle innehalten, in
tiefem Respekt und höchster Anerkennung.
Am 9.
Dezember 1930 wurden sie als Tochter
jüdischer Eltern in Tarnów (sprich: Tarnuf,
deutsch: Tamau) in Polen geboren.
1939
flüchteten Ihre Eltern mit Ihnen als
achtjährigem Mädchen vor den
Nationalsozialisten in die UdSSR. Ihr Vater
starb an den Folgen der Haft in
stalinistischen Gefängnissen. So waren Ihre
Kindheit und frühe Jugend geprägt von Leid,
Krieg, Verfolgung und Flucht.
Viele
Mitglieder Ihrer Familie starben in
Konzentrationslagern.
Keiner
von uns Nachgeborenen kann ermessen, welch
menschliches Leid und welche über Jahrzehnte
weiter bestehende Trauer Ihr Leben geprägt
haben.
Uns
bleibt heute nur die tiefe Verneigung vor
den Betroffenen und die Verpflichtung, alles
dafür zu tun, dass Derartiges nie wieder
geschieht.
Nach
Ende des Zweiten Weltkriegs heirateten Sie
1949 in Breslau (Schlesien) Mieciu
(Aussprache: Mitschu) Langer. Auch er ist
durch tiefes menschliches Leid geprägt. Er
überlebte fünf Konzentrationslager. Seine
Biografie haben Sie in Ihrem Buch „Miecius
später Bericht – Eine Jugend zwischen Ghetto
und Theresienstadt“ veröffentlicht.
1950
emigrierten sie zusammen mit Ihrem Mann nach
Israel.
Neun
Jahre später begannen Sie an der Hebräischen
Universität von Jerusalem
Rechtswissenschaften zu studieren. Mit
großem Erfolg.
Berufliches
Wirken in Israel
1965
wurden Sie als Rechtsanwältin zugelassen und
eröffneten in Tel Aviv eine eigene
Anwaltspraxis.
Betroffen über die Behandlung der
Palästinenser nach dem Sechstagekrieg 1967
sowie seit der Besetzung des
Westjordanlandes und des Gaza-Streifens
sahen Sie Ihre Aufgaben fortan darin, die
Unterprivilegierten in Israel und in den
benachbarten besetzten Gebieten zu
verteidigen.
Sie
begannen, sich für mehr Frieden und
Gerechtigkeit einzusetzen, insbesondere für
die Wahrung der Menschenrechte.
23 Jahre
lang kämpften Sie gegen Enteignung,
Häuserzerstörung und Deportation. Ihre
Mandanten berichteten Ihnen über
Folterungen, erzwungene Geständnisse,
völkerrechtswidrige Deportationen und
sippenhaftähnliche Bestrafungen wie das
Niederreißen der Häuser von Verdächtigen.
In
dieser aufreibenden Zeit haben Sie Vieles
bewirkt und dabei stets auch Ihre eigenen
Kräfte bis an die Grenze des Möglichen
beansprucht.
1990
schlossen Sie Ihre Kanzlei aus Protest und
übersiedelten nach Deutschland.
Berufliches und ehrenamtliches Wirken in
Deutschland und Baden-Württemberg
Seit
1990 leben Sie mit Ihrem Mann in Tübingen,
ebenso wie Ihr Sohn Michael Langer und Ihre
5 Enkelkinder.
Seitdem
leben Sie in Baden-Württemberg, in Tübingen.
Sie hatten Gastprofessuren in Kassel und
Bremen. Daneben hielten Sie zahlreiche
Vorträge in Europa und in den USA sowie vor
dem UN- Untersuchungsausschuss, der Israels
Politik in den besetzten Gebieten
überprüfte.
Nach wie
vor kämpfen Sie für Menschenrechte und einen
gerechten Frieden im Nahen Osten. Und
beharrlich verfolgen Sie Ihr Ziel, eine
Brücke zwischen Israelis und Palästinensern
zu bauen. Der Beistand für Schwache ist Ihre
Aufgabe, die Ihr Leben bis heute bestimmt:
der Schutz von Kindern, Familien, Menschen
in Palästina vor Willkür und Unterdrückung.
Sie
publizierten viele Bücher in englischer und
deutscher Sprache über Ihre Erfahrungen als
Menschenrechtsanwältin. 10 Bücher wurden in
Deutschland publiziert, z.B. 2006: „Die
Entrechtung der Palästinenser – 40 Jahre
israelische Besatzung“ und 2008 Ihr bisher
letztes Buch: „Um Hoffnung kämpfen“.
Weiterhin halten Sie Lesungen und Vorträge,
geben Interviews und beteiligen sich an
öffentlichen Diskussionen.
Auch
engagieren Sie sich in Vereinen und
Stiftungen.
So sind
Sie u.a. Schirmherrin des Vereins
Flüchtlingskinder im Libanon zur
Unterstützung palästinensischer
Flüchtlingsfamilien. In Zusammenarbeit mit
einer libanesischen Partnerorganisation
werden soziale Projekte in den
palästinensischen Flüchtlingsgebieten
gefördert, die vor allem Kindern und
Jugendlichen zugute kommen.
Als
Vizepräsidentin der israelischen „Liga für
Menschenrechte“ setzten Sie sich
ebenfalls einige Jahre unablässig für die
Einhaltung der Menschenrechte ein.
Ihr
ungewöhnliches Engagement begründeten Sie
selbst einmal mit der schmerzvollen
Geschichte Ihres eigenen Volkes.
Sie
sagten: „ Weil wir Juden wissen, was es
heißt, zu leiden, dürfen wir andere nicht
unterdrücken.“
Dieser
kompromisslose Einsatz für Menschlichkeit
ist für Sie Lebensinhalt und zugleich der
Energiespender Ihres unermüdlichen Kampfes,
wie Sie es selbst über sich geschrieben
haben: „…unermüdlich jede Art von Rassismus
und Antisemitismus zu bekämpfen und die
Würde und die Rechte des Menschen, wer es
auch sei, zu verteidigen…“
Auszeichnungen
1990
wurden Sie mit dem Alternativen
Nobelpreis ausgezeichnet. Die Jury lobte
Ihren „Mut in Ihrem Kampf um grundlegende
Menschenrechte unter sehr schwierigen
Umständen“.
Im
selben Jahr wurden Sie Ehrenbürgerin der
Stadt Nazareth-
1991
ehrte Sie die Bruno-Kreisky-Stiftung
1998
wurden Sie von der israelischen Zeitschrift
„You“ zu einer der 50 bedeutendsten
Frauen der israelischen Gesellschaft
gewählt.
2005
wurde Ihnen der Erich-Mühsam-Preis
verliehen.
2006
wurden Sie mit dem Menschenrechtspreis der
Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und
Menschenwürde als „eine Große an
Menschlichkeit, Engagement und Charakter“
geehrt.
Verehrte
Frau Langer,
ich
danke Ihnen heute auch im Namen der
Landesregierung für Ihr herausragendes
Engagement im Einsatz für die Menschenrechte
und für Ihr gesamtes humanitäres Lebenswerk.
Ich
verbinde meinen Dank mit den herzlichen
Glückwünschen von Ministerpräsident
Oettinger sowie den Mitgliedern der
Landesregierung und schließe meine
persönliche Gratulation gleich mit an:
Ihnen
und Ihrem Mann, der Ihnen in all den Jahren
Ihres Engagements und seines eigenen Wirkens
treu zur Seite stand, wünsche ich von Herzen
alles Gute. Nebenbei bemerkt dürfen Sie noch
in diesem Jahr Ihre Diamantene Hochzeit
feiern.
Ich darf
Sie jetzt zu mir bitten.
(Es
folgt: Verlesung und Überreichung der
Urkunde und Anheften des Verdienstkreuzes 1.
Klasse; anschließend kleiner Stehempfang)
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