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Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen
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GÖAB-Newsletter Nr. 56/09

posted am 16.06.2009

 

Kein kleiner Schritt vor, ein ganz großer Schritt zurück!
Eine subjektive Einschätzung zur jüngsten Rede des israelischen Ministerpräsidenten
Von Fritz Edlinger

 

Die Reaktionen, leider auch die meisten aus Europa, auf die jüngste Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu offenbaren für Kenner der Nahostpolitik ganz deutlich das Dilemma mit der neuen israelischen Rechts-Regierung. Nachdem deren führende Exponenten im Wahlkampf aber auch schon danach die internationalen Erwartungen so niedrig wie nur irgendwie möglich geschraubt hatten, konnten die meisten Stellungnahmen aus dem Westen fast nur (vorsichtig) positiv ausfallen. Von ersten Schritten in die richtige Richtung wurde da in Washington und gestern auch in Straßburg bei der Konferenz der EU-Außenminister gesprochen. Nun, nachdem Netanjahu und seine Partner in der neuen israelischen Regierung bislang ja de facto jegliche konstruktiven Gespräche mit den Palästinensern abgelehnt hatten, tatsächlich ein Fortschritt! Aber welcher?

 

Dass die in der Bar Ilan Universität, der Kaderschmiede der nationalistisch-religiösen Bewegung in Israel (der Rabin-Mörder war bekanntlich Student dieser Universität), gehaltene Rede in Wirklichkeit aber einen ganz klaren Rückschritt gegenüber den in den letzten Jahren von Israel vertretenen Positionen signalisiert, wird da in der Freude darüber, dass „Bibi“ eine Schlüsselworte in seine Rede eingeflochten hat, geflissentlich übersehen. Die Rede ist ein enthüllendes Dokument der israelischen Arroganz und Uneinsichtigkeit. Hier kann man nur dem Kommentator der Neuen Zürcher Zeitung vom Montag zustimmen: „Es ist Zynismus des Starken, dem jegliches Verhältnis für den Schwachen fehlt.“ Da wird doch allen Ernstes Israel nach Jahrzehnten der fortgesetzten Vertreibung der indigenen palästinensischen Bevölkerung, des Landraubes, der gezielten Tötung von tausenden Menschen, der Massaker auf unbeteiligte Zivilisten (Jenin, Gaza…) und der völligen Ignorierung internationaler Beschlüsse und völkerrechtlicher Normen als der friedenswillige Teil und die Palästinenser als uneinsichtiger, jeglichen Dialog ablehnender Teil des israelisch-palästinensischen Konfliktes dargestellt. Vor lauter Freude über einige wenige Worte, auf welche die ganze Welt gewartet und die von Netanjahu mit saurer Miene auch tatsächlich formuliert worden sind, will man eine jahrzehntelange völkerrechtswidrige Gewaltpolitik vergessen machen. Das ist wahrlich zu wenig und stellt tatsächlich eine Verhöhnung für alle dar, die sich um eine tatsächliche und faire Lösung dieses blutigen Konfliktes bemühen.

 

Da sprach also Netanjahu davon, dass „zwei freie Völker Seite an Seite leben sollen“, der Ausdruck „Palästinensischer Staat“ oder gar der international übliche Terminus „Zweistaatenlösung“ kam ihm nicht über die Lippen. Zuvor forderte er aber von den Palästinensern in seiner Rede gezählte viermal die Anerkennung Israels als „jüdischen Staat“ bzw. als „Heimatland der Juden“ (Jewish homeland). Dass dies angesichts der Existenz von nahezu 1,5 Millionen arabischer Palästinenser in Israel eine absolut inakzeptable Forderung darstellt, musste und muss doch klar sein. Aber das reicht der israelischen Führung nicht aus: Der also irgendwie genannte palästinensische Staat muss zudem völlig entmilitarisiert sein, muss akzeptieren, dass Israel weiterhin sein Territorium (Netanjahu sprach ausdrücklich auch von „zu Luft“) kontrolliert, muss die fortgesetzte Existenz der illegalen israelischen Siedlungen[1], ja sogar noch deren sogenanntes natürliche Wachstum, akzeptieren – als Krönung dieses israelischen Diktats – auch noch auf seine Ansprüche auf das arabische Ost-Jerusalem verzichten.

 

Netanjahu stellt also Israel als „Friedensfreund“ dar und nimmt – ohne es auch direkt so zu formulieren – den Vorwurf früherer israelischer Regierungen auf, wonach es auf palästinensischer Seite keinen Verhandlungspartner gäbe. Er übergeht auch völlig, dass sämtliche arabische Staaten bereits seit 2002 zur Anerkennung Israels bereit sind, wie dies in dem von der Arabischen Liga beschlossenen „Arabischen Friedensplan“ klar und deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist. Dieser Plan wurde in der Zwischenzeit wiederholte Male von arabischer Seite bekräftigt, zuletzt aber von Netanjahus rechtsradikalen Außenminister Avigdor Lieberman als „Gefährdung des Staates Israel“ vehement abgelehnt. – Soweit zur Dialogbereitschaft und zum Friedenswillen.

 

Somit setzt diese Rede die lange Reihe von israelischen Ablenkungsmanövern fort, die aus meiner Sicht - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – lediglich den Sinn hatten, die Internationale Staatengemeinschaften hinter´s Licht zu führen, und Zeit zu gewinnen, die Politik der vollendeten Tatsachen in den besetzten palästinensischen Gebieten ungehindert und konsequent fortzusetzen. Wenn die meisten westlichen Stellungnahmen – in einer Fehleinschätzung dieser langfristigen Konstante der israelischen Politik (in diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass Netanjahu in seiner Rede auch den ideologischen aber bewusst nie konkret definierten Begriff von „Eretz Israel“ verwendet hat) - diesen ersten Schritt der neuen israelischen Regierung vorsichtig loben, so sollte man zumindest fordern, dass man auch sofort eine Angabe darüber verlangt, welche weiteren Schritte Israel nun vor hat. Dann wird man schon sehr rasch erkennen, dass die neue israelische Regierung absolut nichts anzubieten gewillt ist, was zu einem lebensfähigen palästinensischen Staat unter den vom Völkerrecht ziemlich genau definierten Bedingungen (67er-Grenzen inklusive Ost-Jerusalem, Abbau aller Siedlungen) führen kann. Alles andere wäre nur eine Fortsetzung des zynischen politischen Spieles früherer israelischer Regierungen und dafür kann und darf es kein westliches Lob, geschweige denn eine politische Unterstützung geben.

 

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Wien, 16.6.2009
 


[1] Was in diesem Zusammenhang sehr oft unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass nach dem geltenden Völkerrecht alle israelischen Siedlungen außerhalb der sogenannten 1967er-Grenzen illegal sind und nicht nur jene wenigen zumeist von radikalen Siedlern errichtete „Außenposten“.

 

 

 

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