Jetzt ist es also wieder einmal so
weit bzw. soll es soweit sein: Am 2.
September werden auf Einladung von
Präsident Barack Obama und unter –
wie auch immer gestalteter –
Mitwirkung des (aus den USA,
Russland, der EU und der UNO
gebildeten) Nahost-Quartetts
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
und PLO-Vorsitzender Mahmoud Abbas
eine neuerliche Runde bilateraler
israelisch-palästinensischer
Friedensgespräche beginnen. Aus den
internationalen Staatskanzleien hört
man positive und hoffnungsfrohe
Kommentare. Die Kommentare der
meisten Experten und auch vieler
Medien klingen da schon weniger
optimistisch. Offensichtlich ist das
Gedächtnis der Beobachter besser als
das der führenden PolitikerInnen der
Welt. Oder liegt es daran, dass von
ganz wenigen Ausnahmen abgesehen
(Mahmoud Abbas ist einer der ganz
wenigen, die bereits am 27.11.2007
die Ehre hatten, an einer ähnlichen
„historischen" Zusammenkunft
teilzunehmen1), die handelnden
Personen andere sind? Der Vergleich,
der sich ganz automatisch aufdrängt,
ist die von Präsident George W. Bush
für den 27.11.2007 nach Annapolis
geladene Nah-Ost-Friedenskonferenz.
Auch diese sollte innerhalb einer
Frist von 12 Monaten ein Problem
lösen, welches damals gerade in sein
60. Jahr ging(!?) (Zur Erinnerung an
die damalige „Euphorie" zitieren wir
in den Anlagen die Annapolis
zugrunde gelegte
Grundsatzvereinbarung.) Dieser
Grundsatzvereinbarung aus 2007 sei
gleich der offizielle Einladungstext
des Quartetts für den 2. September
2010 gegenübergestellt. Abgesehen
davon, dass es sich im engeren Sinn
um keine offizielle Einladung
handelt, den eine solche wird von
Ministerpräsident Netanjahu ja nur
von den USA akzeptiert (!), hat man
mit großem Bedacht vermieden,
gewisse Reizworte zu verwenden. Dass
hier in erster Linie auf die
israelische Position Rücksicht
genommen wurde, kann ohne Zweifel
als taktischer Sieg Netanjahus
gewertet werden. Diesem hätten
einige seiner Koalitionspartner
sicherlich eine Teilnahme fast
unmöglich gemacht, wenn sich z.B.
ein direkter Bezug auf die Frage der
Verlängerung des Baustopps von
Siedlungen in den besetzten Gebieten
gefunden hätte. Dass dies kehr um
Mahmoud Abbas, der sich ja auch mit
einer starken Opposition in seinem
Lager konfrontiert sieht, vor
größere Probleme stellen wird,
scheint den Arrangeuren dieser
„epochalen" Konferenz nicht in den
Sinn gekommen zu sein.
Offensichtlich waren sie sich der
Wirkung ihrer jüngsten Erpressungen
den Palästinensern gegenüber (man
drohte ja ganz unverblümt mit der
Unterbrechung der Unterstützung der
USA für die Palästinensische
Autonomieverwaltung!) sicher, zudem
war und ist es offensichtlich für
das US-amerikanische Publikum
angesichts der kommenden
Mid-Term-Elections wichtiger, den
Israelis entgegen zu kommen. Dass
Obama seine Amtszeit als
US-Präsident mit ganz anderen
Forderungen gegenüber Israel
begonnen hat (da war von einem
sofortigen und bedingungslosen Stopp
des Siedlungsbaues als Voraussetzung
die Rede!), ist längst vergessen.
1 Mahmoud Abbas ist auch einer der
ganz wenigen noch aktiven Zeitzeugen
der Osloer Geheimverhandlungen 1993,
die dann letztlich vor dem Weißen
Haus medienwirksam unterzeichnet
worden sind. Im Vergleich zu allem
nachher Folgenden verdiente dieser
Versuch, den Nahostkonflikt zu
lösen, noch am ehesten das Prädikat
„historisch". Dass aber auch dem
damals eingeleiteten
„Friedensprozess" bestimmte
schwerwiegende Fehler und
Missverständnisse angehaftet haben,
sei hier zwar angemerkt, kann aber
aus Platzgründen nicht weiter
ausgeführt werden. Abgesehen davon
existiert darüber bereits jede Menge
an Literatur.
Somit gibt es meiner Ansicht nach
eigentlich kaum einen Grund,
Washington September 2010 anders zu
bewerten als Annapolis November
2007: Als PR-Manöver, das einem
US-Präsidenten vor allem
innenpolitischen Prestigegewinn
verschaffen soll. Die objektiven
Voraussetzungen sind um keinen
Millimeter besser als vor drei
Jahren. Wenn man die unerträgliche
Situation im Gazastreifen, eine
deutlich radikalere israelische
Regierung und den um nichts besser
gewordenen inner-palästinensischen
Konflikt berücksichtigt, wiegt das
die immensen Bemühungen des
US-Vermittlers George Mitchell (die
Frage nach den tatsächlich messbaren
Ergebnissen dieser Mission kann an
dieser Stelle leider nicht weiter
behandelt werden) auf jeden Fall
auf.