Kristallnacht in Funduk
Bericht eines Besuches im Dorf Funduk am 1.Dezember 2007
Ziona Snir, Machsom Watch
( Aus dem Hebr. George Malent)
Am letzten Samstag fuhren
etwa 50 Leute verschiedener Organisationen und einige
unabhängige Personen zum Gemeinderat von Funduk, um von den
Ereignissen mehr zu erfahren, die sich im Dorf seit dem Mord an
einem Siedler auf der durchs Dorf führenden Schnellstraße
zugetragen haben.
Als wir ankamen, sahen wir
Soldaten auf der Schnellstraße stationiert. Wir nannten ihnen
den Grund unseres Kommens und setzten unseren Weg fort.
Wir wurden vom
Gemeinderatsvorsitzenden, einigen Mitgliedern des Gemeinderats
und Bewohnern des Dorfes im neuen Ratsgebäude – das von einer
amerikanischen Organisation finanziert worden war - begrüßt.
Im Laufe unseres Treffens
erfuhren wir von der vollständigen Kontrolle, denen
Dorfbewohner, abgesehen von den jüngsten Ereignissen,
unterworfen sind.
Ein Ratsmitglied beschrieb
uns, was passiert ist.
Am 19. November um 8 Uhr
abends strömten Hunderte von Siedlern in das Dorf – begleitet
von Soldaten und führten ein Pogrom durch, das bis ein Uhr am
Morgen dauerte. Nicht ein einziges Auto der Dorfbewohner wurde
ausgelassen: die Fenster wurden alle zerstört. Die Siedler
zerstörten die Reifen, warfen Steine in die Häuser, zerstörten
Fenster und versuchten in die Häuser einzudringen. Eine Anzahl
von Personen wurde ( in den Häusern) von Steinen getroffen. Sie
konnten aber keine Hilfe bekommen, denn jeder der außerhalb des
Hauses einem Soldaten begegnete, drohte ihm mit Erschießen,
wenn er nicht sofort wieder ins Haus zurückgehen würde. Die
Siedler verletzten auch Tiere, zerbrachen Wasserleitungen, so
dass verschiedene Orte im Dorf überflutet waren.
All dies wurde mit Hilfe
der Soldaten getan, die vermutlich mit der Bewahrung von Gesetz
und Ordnung in den ( besetzten) Gebieten beauftragt worden
waren . Mittlerweile sind auch Soldaten an den Checkpoints aller
Ausgänge des Dorfes stationiert.
Nachdem der Stadtrat
gesprochen hatte, hörten wir erschütternde Zeugenaussagen von
andern Dorfbewohnern über die Gewalt und den Terror, die sie
erfahren hatten.
Hier kommen einige der
Berichte:
„Die Siedler warfen Steine
in meine Wohnung. Meine Frau wurde dabei schwer verletzt. Ich
entschied mich, uns zu verteidigen und begann Gegenstände auf
die Randalierer zu werfen. Die Folge davon war, dass ich zwei
Tage lang verhaftet wurde.“
„Am Abend zu einer Zeit in
der meine Kinder normalerweise im Haus sind, kamen plötzlich
eine Menge Siedler in die Nähe unseres Hauses. Wir beeilten uns
alle Türen zu verschließen.
Sie versuchten, ins haus
einzubrechen. Ein Glück, dass die Türen fest verschlossen waren.
Sie warfen dann nur Steine und zerstörten Fensterscheiben. Wer
das Haus verlassen wollte und einem Soldaten begegnete, dem
wurde gesagt, er solle schnell wieder ins Haus sonst würde er
erschossen. Mein Neffe versuchte sich zu verteidigen. Er wurde
verhaftet.“
„Ich habe ein paar
Kilometer von hier eine Marmorfabrik. Sogar die Siedler kaufen
bei mir Marmor für ihre Häuser. Siedler brachen zusammen mit
Soldaten in meine Fabrik ein. Einer der Soldaten leuchtete mit
einer Taschenlampe und führte sie zum Marmor, damit sie ihn
zerstören können. Ich hörte sie zu den Siedlern sagen: zerbrich
ihn, aber vorsichtig, gefährde nicht das Leben von Menschen.
Eine junge Siedlerin, 16 Jahre alt , war nicht in der Lage, den
Marmor zu brechen … Der Soldat neben ihr sagte: „Ich werde dir
helfen“ und zerbrach das kostbarste Stück Marmor, das ich im
Geschäft hatte. Der Schaden für mein Geschäft beträgt eine halbe
Million Schekel. Erst gegen eins in der Nacht kamen die
Einheit-Mitte (der isr. Polizei )und vertreib die Siedler von
dort. Aber seitdem kommen die Siedler jede Nacht. Ich kann nicht
an den Ort gelangen.
Während des Treffens
stellten die Gäste viele Fragen, besonders auch nach Fotos, die
als beweise dienen könnten. Es stellte sich heraus, dass es sehr
schwierig war zu fotografieren, weil es keine gute Apparate gab
und weil die erschreckten Bewohner sich fürchteten, dass sie
erschossen werden, wenn sich jemand mit Fotoapparat zeigen
würde. Trotzdem gab es Bilder vom Tag nach dem Pogrom von Leuten
aus dem Dorf und Leuten, die von außerhalb kamen.
Danach begann eine
Diskussion über die art der Hilfe, die wir geben können. Es
sollten alle möglichen Wege ausprobiert werden. Unter uns waren
Nora Rash und Yehudit Avidor, die Mitglieder von „Yesh Din“ (
einer israel. Menschenrechtsgruppe, die sich auf juristische
Probleme in den besetzten Gebieten konzentriert hat. Nora Rash
sagte, dass wenn jemand bereit ist auszusagen, dann würde Yesh
Din bereit sein, die Statements zu protokollieren, um sie zu
einer Anklage zu bringen . Man bemüht sich auch, mit der Presse
in Kontakt zu kommen, es im Internet zu veröffentlichen (
www.Panet ) und jeder solle in seiner unmittelbaren Umgebung
davon reden. Da unter den Gästen zwei Psychologen waren, boten
diese ihre Hilfe denen an, die seitdem unter einem Trauma
litten.
…..
(Dann wurde in Gruppen
weitergearbeitet und überlegt, was getan werden könnte/sollte)
Auf einer
Liste waren die Vorschläge der lokalen Bevölkerung, auch solche,
die nicht unbedingt etwas mit dem Pogrom zu tun hatten. Da die
Hauptstraße von Qalqilia zur östlichen Westbank direkt durchs
Dorf geht, und die Fahrzeuge mit großer Geschwindigkeit
durchfahren, hat es vor zwei Wochen einen Unfall mit einem
getöteten Kind gegeben. Der Gemeinderat schlug deshalb vor,
einen Fußgängerüberweg hier zu markieren. Dazu ist man
verpflichtet die Genehmigung der von der Armee einzuholen. Man
stellte einen Antrag an das Büro für Koordination und Verbindung
in Kedumin – aber die Armee gab dazu keine Erlaubnis.
Ich habe
hier nichts als die Fakten - ohne Kommentar – gebracht. Aber
die Zusammenarbeit der Armee mit den Siedlern während des
Pogrom macht mir große Sorgen und stellt eine Erweiterung
dessen dar, was ausführlich von denen ausgedrückt wird, die in
dem Film „Eine Million Kugeln im Oktober“ gesprochen haben. Die
lokalen Kommandeure, die im Rang von Brigadekommandeuren,
Bataillonkommandeure oder darunter sind, nehmen sich unbegrenzte
Machtbefugnisse. Und wenn sie mit den Siedlern sympathisieren
oder sich nach „Aktionen“ sehnen, folgen daraus haarsträubende
Konsequenzen. Diese Berichte verdeutlichen auch den Grad von
Kontrolle, den die Armee tagtäglich auf die Bewohner ausübt. Die
Hände des Gemeinderats sind gebunden, auch wenn es um minimale
Sicherheitsmaßnahmen für die Dorfbewohner geht.
(dt. und
gekürzt Ellen Rohlfs)