Machsom Watch Bericht
vom Oktober 2004
4.11.04
MW ist eine Gruppe israelischer Frauen,
die sich als Reaktion auf Berichte zu Beginn der 2. Intifada
gebildet hat, in denen von schweren Menschenrechtsverletzungen
an den militärischen Kontrollpunkten (Checkpoint/ hebr. Machsom)
die Rede war. Ihre Haupttätigkeit besteht darin, den
Kontrollpunkt zu beobachten, zwischen dem Militär und den
Palästinensern zu vermitteln und zu dokumentieren, dass die
Menschenrechte eingehalten werden.
Ramadan
In der 2. Hälfte des Oktober begannen die
muslimischen Ramadan-Feiertage. Trotz wiederholter Versprechen
von ranghoher Befehlsebene beobachteten wir keine besondere
Rücksicht für die muslimische Bevölkerung. Die Absperrung, die
seit dem jüdischen Neujahrfest eingehalten wurde, ging auch im
Ramadan weiter. An den jüdischen Feiertagen waren die
Palästinenser mit abgesperrten Kreuzungen konfrontiert, die den
Israelis erlaubte, ungestört zu feiern, während die
Palästinenser doppelt bestraft wurden: während unserer und ihrer
Feiertage. Die unsäglichen Schwierigkeiten, die mit dem
Passieren der Checkpoints verbunden sind, wurden weiter
intensiviert, trotz der hungrigen und durstigen Menschen, die
den ganzen Tag gefastet haben und nun zum festlichen Mahl
nachhause eilen wollten. Am ersten Freitag im Ramadan war z.B.
das „pishpash“-Tor bei Abu Dis verschlossen und die Leute, die
auf dem Weg in die al-Aqsa-Moschee zum Beten wollten, konnten
nicht dorthin, trotz eines allgemein bekannt gegebenen
Versprechens. Das Tor wurde erst am Ende des Gebetes geöffnet.
An den Checkpoints wurde überhaupt keine Rücksicht auf die nach
Hause Eilenden genommen.
Kinder schikanieren
Trotz Veröffentlichungen in der Presse
konnten die Kinder, die in den südlichen Bergen Hebrons leben,
nicht auf normale Weise zu ihrer Schule gelangen. Die 6-9
Jährigen sind gezwungen, je 8 km zur Schule und zurück zu gehen,
( was in flagrantem Widerspruch zu Absatz 28 der Internationalen
Convention steht, die im November 1991 in Israel in Kraft trat)
Siedler von Havat Maon schikanierten die
Kinder Tag für Tag. Die Bemühungen von Leuten, die freiwillig
die Kinder begleiteten, endeten bei zwei Amerikanerinnen mit
ernsthaften Verletzungen. Versprechen der Armee und der Polizei
waren also falsch. Die Ungerechtigkeit wurde fortgesetzt. Nach
Aufforderung von Machsom Watch wurde das Knesset-Komitee am
2.Nov. für Kinderrechte einberufen, um diese Probleme zu
diskutieren. Das Ergebnis: die Armee begleitet nun 6 kleine
Kinder, die eine „Bedrohung“ für die Havat Maon-Siedler sind.
Nichts wurde gegen die Randalierer unternommen. In Hirbat-Tivani
fuhren wir zur Schule, wo zwei Lehrer uns erzählten, dass der
Vater und die Kinder von Umm Tuba nun lieber einen weiteren Weg
zur Schule gehen. Das Wichtigste sei, die Siedler in den Wäldern
zu vermeiden. Gestern hätten sie „zufällig“ wieder Steine
geworfen und ihre Hunde auf die vorbeigehenden Kinder
losgelassen – die Armee tat nichts dagegen.“ (Süd-Hebron Hügel ,
19.Oktober)
Die Drehtüren
Im letzten Monat lenkten wir unsere
Aufmerksamkeit auf das unerträgliche Leiden, dem Leute an den
Checkpoints ausgesetzt sind, die mit neuen (schmalen) Drehtüren
versehen sind. Hunderte von Leuten stehen in Massen vor den
Drehtoren, die nicht funktionieren. Dutzende von Studenten, die
nach Nablus wollen, stehen wütend neben den Beton-Barrieren.
Kinder werden zwischen den Erwachsenen erdrückt. Frauen mit
Babys werden von der Menge beiseite gedrückt. Es ist ein Wunder,
dass hier nicht schon eine Katastrophe passiert ist (Huwwara,
23.Okt.) In diesem Monat wurden Geräte eingebaut, die das
elektronische Öffnen und Schließen der Drehtore kontrollieren
sollen. Dies gibt den Soldaten noch eine Möglichkeit, die Leute
bei der Kontrolle zu schikanieren, die sich durch die Drehtüren
zwängen: sie stoppen die Tür. So finden sie sich plötzlich darin
gefangen. „Unser Eindruck war, dass die Soldaten am Checkpoint
ihren Spaß daran hatten, mit einem Knopfdruck die Drehtüre zu
bewegen und mit zwei mal Knopfdrücken mittendrin Leute gefangen
halten konnten – zum Amusement der Soldaten.“ (Qalandia,
25.Oktober)
Keine Möglichkeit für medizinische
Behandlung.
Medizinische Behandlung zu verhindern,
eine ernsthafte Verletzung grundlegender Menschenrechte, ist
eine weitere flagrante Übertretung ( von Gesetzen) an den
Kontrollpunkten.
Da die Soldaten medizinische Dokumente
weder lesen noch verstehen können, reagieren sie gegenüber den
Palästinensern mit Verachtung: „Jeder kann sich für 15 Schekel
eine medizinische Bescheinigung kaufen“. (Beit Iba 19.Okt.)
Die Unbeugsamkeit der Soldaten hindert
Kranke daran, an medizinischen Untersuchungen und Behandlungen
teilzunehmen oder von diesen zurückzukehren.
Kranke Leute, die zur medizinischen
Behandlung eine Begleitung brauchen und Väter, die ihre Kinder
oder Frauen in die Klinik begleiten, werden verhaftet oder der
Durchgang verwehrt (Beit Iba, 2., 3., 5., 7. 11. Okt.) „Er kann
ins Dorf zurückgehen und eine Frau suchen, die seine Frau
begleitet“ (Beit Iba, 2. Okt) „Mehrere junge Paare kamen mit
Neugeborenen an, die zu einer Routine-Untersuchung ins Nabluser
Krankenhaus gebracht werden sollten. Den jungen Vätern war es
wegen ihres Alters nicht erlaubt, mit nach Nablus zu gehen. Sie
waren nervös, weil sie fürchteten, ihre Frauen kämen nicht
alleine zurecht. Einer diskutierte lange mit einem der
milit.Vertreter, der sich durch den emotionalen Druck nicht
bewegen ließ. Man riet den jungen Paaren, eine ältere Person die
jungen Frauen begleiten zu lassen. Alle Paare gingen zurück. Wir
konnten nicht helfen. (Beit Iba, 11.Okt.)
Shavei Shomrom (zwischen Nablus und Jenin)
Dies ist ein kleiner, versteckter
Checkpoint, der mit nur wenigen Soldaten besetzt ist und der die
Straße nach dem Norden kontrolliert. Dieser Checkpoint wird wie
ex-territorial geführt. Die Soldaten erlauben sich, sehr im
Gegensatz zu Armeevorschriften zu handeln. Viele Leute, auch
Frauen und Kinder werden auf offenem Feld festgehalten – ohne
Schatten und ohne Wasser. „...Die Verhafteten werden von früh um
8 Uhr festgehalten, unter ihnen ein Taxifahrer mit seinen
Passagieren, darunter ein Dreijähriger mit seinem Vater, der
Fahrer eines großen LKW mit Kisten voller Knoblauch, und der
Fahrer eines großen Wagens. Der Soldat, der sie anhält, sagt
ihnen, dass er sie hasse, dass er sich für diesen Checkpoint
gemeldet habe, um sie zu töten. Er sagte ihnen auch, dass sie
bis 18 Uhr verhaftet seien. Der Vater des dreijährigen bat nach
vielen Stunden Verhaftung den Soldaten um ein Stück Brot und
etwas Wasser für das Kind. Der sagte ihm, er solle doch zu
Arafat gehen. Zu uns sagte er: „Ich muss ihnen kein Wasser
geben. Das ist nicht mein Job.“ (Beit Iba, 3.Okt.)
Händler bei Qalandia
Schikanen, Gewalt und Übergriffe gegenüber
dem Eigentum der Händler am Checkpoint erreichen neue
Höhepunkte. Anfang Oktober berichteten Händler: „Nach einer
Periode relativer Ruhe kam ein neues Regiment Soldaten und ein
neuer Offizier, die ihre Verkaufstände umwarfen und sie schlugen
(Qalandia, 1. Okt) „Ein Gemüsehändler erzählte uns, dass am
frühen Morgen Soldaten kamen und sein ganzes Gemüse verbrannten.
Er sagte, er könne den Soldaten, der das getan hat,
identifizieren. Er nahm uns mit zur Feuerstelle, wo wir einen
großen Haufen Weintrauben sahen und die Reste von verkohltem
Gemüse. Sechzig Kisten voll mit Früchten und Gemüse gingen in
Flammen auf (Qalandia, 25. Oktober)
Das Öffnen von Toren während der
Olivenernte
„Die IDF (israel. Armee) hat authorisierte
Pläne, damit die Oliven geerntet werden können und die
Erntepflücker geschützt sind. (nach den IDF-Vorbereitungen für
die Olivenerntezeit) Tatsächlich tut sie aber nichts. Die Tore
sind nicht zur rechten Zeit geöffnet, weder morgens damit die
Bauern zu ihren Olivenhainen gehen können, noch am Abend für die
Rückkehr - und das während des Ramadan, wenn die Leute erschöpft
und hungrig sind ( Reihan, 16.Okt; 20.Okt,. Barta’a 27.Okt.;
Jalaam 31. Okt.)
Benehmen der Grenzpolizei in Abu Dis
Das Cliff Hotel wurde in eine Basis der
Grenzpolizei umgewandelt. Auf unsern Einsätzen
sahen wir dort oft Verhaftete, die
stundenlang darauf warteten, dass ihre ID-Karten kontrolliert
wurden. Es wurde kürzlich veröffentlicht, dass hier schwere
Misshandlungen an zwei Palästinensern stattgefunden haben.
(Haaretz 28.9.) „Die Polizisten haben uns auf den ganzen Körper
geschlagen, einer nach dem anderen. In die Leistengegend, auf
den Bauch, ins Gesicht. Sie zwangen mich, Urin zu trinken,
öffneten meinen Mund und schütteten Urin hinein. Dann schlugen
sie mich weiter und drückten Zigaretten auf meinem Körper aus.
Schließlich warfen sie mich zum Fenster hinaus. Ich kroch weg
und Palästinenser, die in der Nähe standen, brachten mich zu
einer Klinik und dann ins Hospital“ „Sie zwangen mich, mein
Gesicht mit Seife zu beschmieren und ohne Wasser es zu reinigen.
El-Bakri wurde geschlagen, und dann wurde ihm befohlen, aus dem
Fenster zu springen. Er sprang, verletzte sich und musste in
einer lokalen Klinik versorgt werden.“
Der Richter Haim Lee-Ran vom Jerusalemer
Gerichtshof sagte über die Grenzpolizisten, die dort vor Gericht
standen: (Ma’ariv 22.Okt) : „Ihre Handlungen sind verachtenswert
und rufen Abscheu hervor. Ich kann nicht mehr sagen, als dass
sie zur untersten Stufe menschlichen Betragens gegenüber anderen
gehören.“
Einer der Angeklagten sagte: „So
missbrauchen wir Palästinenser.“
„Es war eine abscheuliche Tat. Die
Brutalität ist unbegreiflich“. „Wir sind wahnsinnig geworden,
unmenschlich“ erklärte einer der angeklagten Soldaten, als sie
vor der Abteilung der Polizei zum Verhörs standen. „Es war wie
im Wilden Westen. Der Kompaniechef hatte seine eigene
Vorstellung von „Leistung“. Am Ende jeder Schicht mussten wir
eine bestimmte Menge von Illegalen bringen, die der Kommandeur
verlangte ... um bestimmte Quoten einzuhalten.“
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs)
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