Bemerkungen am Rande
Am Sonntag,
22. 10. 2006, fand im Rahmen der Karl-Rahner-Akademie in der
Pfarrei St. Peter in Köln eine überaus interessante
Diskussion über Israel und Palästina statt.
Teilnehmer waren der französische Politologe Alfred
Grosser, der Priester Karl Oestreicher und der
Journalist und Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck.
"Moderiert" wurde diese Podiumsdiskussion vom
stellvertretenden Chefredakteur des Kölner
Stadtanzeiger, Joachim Frank. Grosser und
Oestreicher, beide deutsche Juden, mussten in den
dreissiger Jahren vor der Nazi-Barbarei fliehen.
Die Veranstaltng war mit ca.
400 Besuchern sehr
gut besucht.
Selten ist es, dass in deutschen Landen und der
Öffentlichkeit die Wirklichkeit des Nahostkonfliktes
„wahr“genommen wird, diese Wahrheiten unpolemisch,
alle Parteien umfassend ausgesprochen werden.
Alfred Grosser, Paul Östreicher und Rupert Neudeck
diskutierten mit einer
sehr sensiblen Wahrnehmung dies Thema. Sie schlugen
einen großen sehr umfassenden Bogen und gingen vom
selbstverständlichen Existenzrecht Israels aus. Die
Diskutanten machten aber auch keinen Hehl aus ihrer
Forderung nach Gerechtigkeit für die Palästinenser.
Sie forderten auch eine eindeutige Kritik der
Politik Israels, die gegen alle Normen des
Völkerrechts und der Menschenrechte verstoße.
Allen drei Diskutanten war es ein Anliegen, den
Israelis eine Stimme zu verleihen, die die
verbrecherische Politik ihrer Regierung kritisieren
und die in Deutschland totgeschwiegen werden. Es
wurde klar, dass es ein anderes, ein moralisch
besseres Israel gibt, als das von den Medien
beschrieben wird und das der Zentralrat der Juden in
Deutschland und die aggressive Israellobby um "honestly
concerned" und Henryk M. Broder und Konsorten gegen
alle demokratischen Geflogenheiten durchsetzen
wollen.
Dies dokumentieren nicht zuletzt die vielen
israelischen, jüdischen Stimmen, die uns aus Israel
und Palästina erreichen. Dies sind neben vielen
anderen Amira Hass, die wie Grosser sagte, einen
falschen Namen trägt, sie steht für die
Gerechtigkeit. Weitere sind Gideon Levy, die „Frauen
in Schwarz“ und die vielen mutigen Menschen, die
auch in Israel ein kleine mutige oppositionelle
Minderheit sind. Sie mit deutschen
Widerstandskämpfern (Geschwister Scholl)
gleichsetzen, wollte Grosser jedoch nicht.
Schließlich, wenn auch mit vielen Mängeln sei Israel
eine Demokratie.
Neudeck sprach die unzumutbaren Lebensbedingungen
der Palästinenser an. Alle waren sich einig darin,
dass gerade, wenn man das Leiden der Opfer des
Holocaust wahrnimmt, es unverständlich und nicht
tolerierbar ist, über das Leiden der Palästinenser
zu schweigen. Sie beklagten das Schweigen und
Verschweigen der deutschen Medien.
Gerade aus unserer Geschichte heraus haben wir
Deutschen die Pflicht, Unrecht auch Unrecht zu
nennen, nicht wieder zu schweigen. Paul Oestreicher
brachte es auf den Punkt: „„Es gilt als politisch
unkorrekt, Israel zu kritisieren. Gerade vor dem
Hintergrund der deutschen Vergangenheit ist es aber
falsch, zu schweigen, wenn man Unrecht erkennt.“
Es waren
die Stimmen des Friedens, der Versöhnung, der Verständigung, die zu
Worte kamen. Nur so kann auch die Zukunft Israels friedlich und
gewaltfrei gelöst werden. Dagegen konnte eigentlich nur der stehen, der
keine friedliche Lösung sucht, der,
wie schon in der deutschen Geschichte geschehen, wieder schweigt, verschweigt, der Menschen
als Untermenschen sehen kann und will und dem Verbrechen gegen die
Menschlichkeit nichts bedeuten.
Natürlich haben wir deutsche ein besonderes
Verhältnis zu Israel und besonders zu den Juden, die
ich, soweit sie in Deutschland leben nicht als Juden
in Deutschland, sondern als deutsche Juden, als
Mitbürger sehen möchte.
Den Opfern, ihren Kindern und Kindeskinder, muss man
sicher mit notwendiger entsprechender Sensibilität
und Verstehen begegnen.
.
Die schwächste Rolle in dieser überaus informativen
Debatte spielte der Moderator, Joachim Frank,
stellvertretender Chefredakteur des „Kölner
Stadt-Anzeiger“; er sollte die Leitung der
Diskussion übernehmen.
Anscheinend wusste er nicht, welche Funktion ein
Moderator hat und glaubte, in dieser Runde einen
etwas sehr schulmeisterlichen Gegenpart übernehmen
zu müssen. Er verstand sich auch wohl als Sprachrohr
der israelischen Regierungspolitik. Es gab
lautstarke Proteste aus dem Publikum, war doch das
Podium mit drei herausragenden, sehr
differenzierenden Diskutanten besetzt. Wer diese
Positionen vertritt, wie es Frank getan hat, steht
nicht mehr auf der Seite der Opfer, er wird
Mitläufer, Mittäter oder Dulder,
Immer noch nicht hat man, das demonstrierte Frank,
aus der unsäglichen deutschen Vergangenheit gelernt.
Man glaubt, das geschehene Unrecht überspielend,
einseitige aggressive Positionen der jetzigen
israelischen Regierung vertreten zu müssen. Man
übernimmt aus einem falschen Verständnis heraus
Positionen, die uns, die ganze Welt als Geisel
nehmen und immer mehr in einen der größten,
grausamsten Kriege der Menschheit hineinzuziehen
drohen. Der Libanonkrieg war, so ist es zu
befürchten, nur ein kleiner Auftakt.
Vermutet werden kann, dass wohl Herr Frank auch vom
Netzwerk „Honestly Concerned“ (HC) wenigstens mit
„Leserbriefen“ „vorbereitet“ wurde. HC hat da so
seine Spezialisten… Scheinbar „besorgte Bürger“
schreiben in solchen Fällen scheinbar unabhängig
voneinander besorgte Briefe über das angeblich
„einseitige“ Podium. Die der Mailingliste
zugehörigen christlichen Fundamentalisten,
Antideutschen und andere haben da so ihre
langjährig erprobten Techniken entwickelt.
Grosser und auch die anderen beklagten die Zensur
und Selbstzensur in den deutschen Medien. Frank
bestritt dies und demonstrierte es zugleich durch
sein eigenartiges Moderieren.
Rupert Neudeck wusste auch von „Erfahrungen mit HC“
zu berichten. Waren sie doch mit die treibende
Kraft, die „erfolgreich“ eine Lesung von ihm in
Frankfurt verhindert hatten. Im vorauseilenden
Gehorsam hatte eine evangelische Kirchengemeinde die
Veranstaltungsräume gekündigt. Es fragt sich, wann
es wieder die ersten Bücherverbrennungen gibt.
Ein gutes Beispiel des Versuches die
Meinungsfreiheit zu beschneiden, zu unterdrücken,
lieferte „Honestly Concerned“. So stand in deren
Mailingliste vom
18.10.2006:
In Köln findet am
Sonntag eine schreckliche Veranstaltung von Rupert
Neudecks Grünhelmen statt. Er hat die
Veranstaltung scheinbar bis jetzt verheimlichen
können. Gestern war eine kleine
Vorankündigung im Kölner Stadt-Anzeiger. (…) Es
wäre mehr als wünschenswert, dort Präsenz zu
zeigen!!!!
Präsenz wurde gezeigt. So war ein Störfaktor bei
dieser Veranstaltung eine kleine Gruppe junger
jüdischer zionistischer Aktivisten, die wohl dem
Aufruf der Hetzorganisation "Honestly Concerned" in
Frankfurt gefolgt sind und mit lautstarken
aggressiven Zwischenrufen auftragen.
Eifrig nutzten sie bei der sich anschließende
Publikumsdiskussion die Gelegenheit, ihre einseitige
Position anklagend, aggressiv, dem Podium nicht
angemessen, vorzubringen. Antisemitismusvorwürfe gab
es, was schon fast verwundert, dieses Mal nicht.
Für diese Spezialität ist ja auch „HC“ zusammen mit
dem Zentralrat der Juden zuständig, der sich
zunehmend als Sprachrohr der israelischen Regierung
versteht, anstatt sich um die Belange der jüdischen
Deutschen zu kümmern.
In Köln scheint wohl die zweite Garde aufmarschiert
zu sein, die noch nicht so geschult war, wie die
anderen aggressiven Funktionäre dieses fragwürdigen
Netzwerkes. Es waren nicht die gut geschulten
Politologen, die man in Düsseldorf, Berlin und
Leipzig erleben musste.
Scheinbar dominierten in Köln die jungen, erst in
Deutschland so richtig deutsch und jüdisch
gewordenen ehemaligen Russen. Mehr oder weniger gut
präpariert, stellten sie sich teilweise als unter
dem palästinensischen Terror leidende Israelis vor.
Bewundernswert war, wie Paul Ostereicher sie
wahrnahm, annahm. Er versuchte zu vermitteln, dass
er ihren Schmerz, ihre Angst, ihre Wut verstehe. Er
versuchte sie dort, wo sie mit ihrem Denken standen,
abzuholen.
Er appellierte aber an sie, die Schrecken einer
unmenschlichen Besatzung wahrzunehmen.
Hier erlebte man die traurige Unfähigkeit dieser
Menschen die Schrecken der israelischen
Besatzungsmacht wahrzunehmen, anzunehmen. Den
Anwesenden wurde ihr erneutes „deutsches“ Schweigen
vorgeworfen und mit einem solchen Auftreten das
eigene Verschweigen, die Einseitigkeit demonstriert.
Eigentlich verkörperten sie das, was sie anderen
vorwerfen.
Liest man die Presseberichte über diese
Diskussionsrunde, findet man wenig von dem wieder,
was wirklich auf dem Podium geschah. Anscheinend
darf es in Deutschland immer noch nicht sein, dass
man israelisches Unrecht auch Unrecht nennen darf.
Wann lernen wir wirklich aus unserer Geschichte?
„Honestly Concerned“ demonstrierte am
23. und
24.10.06 in seiner
versandten Mailingliste wieder aufs Neue, was dieses
Schmuddelnetzwerk von Meinungsfreiheit und dem Kampf
für die Menschenrechte hält.
Erneute Auftritte von Rupert Neudeck, seine
Zusammenarbeit mit anderen wurde ihm vorgeworfen.
In einem Text, in dem den Aktivisten für
Gerechtigkeit und Menschenrechte schon fast ein
Verschwörungsdenken zugeschrieben wird, steht: „Leider sind die pro-palästinensischen Aktivisten
im Hintergrund sehr aktiv. Die Strukturen in
Deutschland, die teilweise erst in den letzten
Jahren entstanden sind, zeigen bereits jetzt eine
erschreckende Professionalität. Es muss dringend
etwas passieren, damit diese Entwicklung gestoppt
wird.“
Das ist als erneuter Aufruf zu verstehen,
Veranstaltungen zu stören und sie zu verhindern. In
teilweise sehr diffamierender Form versucht man
Menschen, die anderes denken als dieses
antidemokratische Netzwerk, politisch, beruflich und
menschlich zu schaden, wenn möglich zu zerstören.
Pressekampagnen laufen an und unter dem Tarnmantel:
„Wir sind die Kämpfer gegen Antisemitismus, gegen
die Vernichtung Israels“. Dies alles in
Zusammenarbeit mit
fundamentalistischen
Christen und
Antideutschen.
Sie schaden letztlich Israel und seinen Bürgern mehr
als sie nützen. Verhindern sie doch einen Weg zum
friedlichen Miteinander, was sie wahrscheinlich auch
wollen, wenn man sich ihre aggressiven Äußerungen
vor Augen führt und die Veranstaltungen, die sie
mit Leuten abhalten, die zum erzkonservativen Spektrum
der Gesellschaft gehören oder extrem einseitige Pro-Israel-Positionen vertreten wie Ulrich Sahm, der
N-TV-Korrespondent in Israel, oder Eldad Beck, der
Korrespondent von Yedioth Ahronot in Berlin.
Von diesen
Veranstaltungen wie der Kölner wünscht man sich aber
mehr in diesem Land, auch dies sind wir den
Israelis, den jüdischen Mitbürgen, vor allem uns
selber schuldig, nicht
ein erneutes Schweigen. Dazu müssen die Kirchen
wieder zu ihrem alten Mut zurückfinden und gegen
Menschrechtsverbrechen, auch wenn sie von Israel
begangen werden, protestieren, auch wenn es dem
Zentralrat und der Israellobby nicht in ihr Wahnbild
passt. Gratulation an die Karl-Rahner-Akademie, die
aber bei zukünftigen Veranstaltungen dieser Art, auf
Leute wie Frank verzichten sollte. Sie sollten dann
doch gleich das
Original einladen.
Sacha Stawski demonstriert
am Besten was es zu vermeiden gilt. Erhard Arendt -
24.10.2006