Papst nach
Beirut: „Stärke deine Geschwister!“
Wir schreiben das Jahr 1219, die Zeit nach dem 4.
Kreuzzug. Franz von Assisi pilgert nach Palästina, um die Orte Jesu zu
sehen, die durch sein Leben geheiligt waren. Dort entlarvt er die
Grausamkeiten der christlichen Kreuzritter und ermahnt sie in Predigten,
die gewaltsamen Auseinandersetzungen zu beenden. Mit Spott und Hohn wird
er davon gejagt.
Unbewaffnet geht er zum arabischen Heer. Er wird von den
Soldaten entgegen seinen Erwartungen nicht getötet, sondern zum Sultan
gebracht. Sultan el Malik el Kamil erweist sich als ein gebildeter
Herrscher. Er unterhält sich mit Franz über die Fragen des christlichen
Glaubens. Schließlich gibt er ihm ein Friedensangebot mit, das die
Kreuzritter nicht ernst nehmen. Erneut wird Franz von Assisi als Spinner
verlacht.
Wir schreiben das Jahr 2006. Für die islamische Welt ist
der brutale Waffengang Israels gegen den Libanon eine Neuauflage der
Kreuzzüge; diesmal nicht vom Papst, sondern (letztlich) vom
amerikanischen Präsidenten organisiert. Auch bei Bush kling der
mittelalterliche Ruf zum Kreuzzug „Gott will es“ durch, wenn er von der
Achse des Bösen spricht, die es zu bekämpfen gilt.
Das ist die Stunde des Papstes. Unser Aufruf vom letzten
Sonntag, Benedikt XVI. solle im Herbst nicht nach Deutschland kommen,
sondern jetzt nach Beirut fliegen, war kein Gag. Wir haben es ernst
gemeint.
Wer würde es wagen, so lange sich der Papst im Libanon
aufhält, die Bombenangriffe fortzusetzen? Der Blick der ganzen Welt wäre
auf den Orient gerichtet. Die Hisbollah müsste ihre Raketenangriffe
einstellen und die gefangenen israelischen Soldaten freigeben. Eine
Friedenskonferenz könnte beginnen und UNO-Truppen so lange einen Puffer
schaffen, bis zwischen Israel, den Palästinensern und dem Libanon ein
gerechter Friede ausgehandelt ist.
Jesus sagte angesichts seines eigenen Todes zu Petrus, in
dessen unmittelbarer Nachfolge sich die Päpste sehen: „Ich habe für dich
gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Wenn du dich wieder bekehrt
hast, dann stärke deine Geschwister“ (Lk 22,32). Jetzt ist die Stunde,
da Benedikt die Geschwister trösten und stärken kann.
Diese kritische Zeit braucht mehr als Appelle zum Gebet
aus gesicherten Räumen. Jetzt sind Mut und Phantasie gefragt. Benedikt
XVI. ist die einzige Persönlichkeit in der Welt von moralischer
Qualität, die zum wirklichen Friedensstifter werden könnte. Die ganze
friedliebende Welt würde den Papst begleiten, die geschundenen Menschen,
Muslime, Christen, Israelis und Palästinenser würden es ihm danken! Mehr
noch, eine neue Ära der Beziehungen der Weltreligionen könnte daraus
entstehen.
Muss das ein Traum (für immer) bleiben? |