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Ilan Pappe, Die ethnische Säuberung Palästinas
 Verlag Zweitausendundeins, 2007, 409 Seiten.

Prof. Dr. Kenneth Lewan

 

 

Seit Anfang der neunziger Jahre werden Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern geführt, mit dem vergeblichen Ziel , eine Zweistaatenlösung zu erreichen. Gleichzeitig breitet Israel sich aus, die Palästinenser werden in dem, was übrig bleibt, zusammengepfercht und  die beiderseitigen Feindseligkeiten dauern an. Nun kommt Ilan Pappe, Professor an der Universität Exeter, mit der Aufforderung an alle, die sich mit Nahost befassen, insbesondere an seine Landsleute in Israel, sich mit der Flucht der Palästinenser vor 60 Jahren auseinander zu setzen und zu begreifen, warum sie stattfand. Er hält das für zwingend notwendig, um eine Versöhnung und eine lebensfähige Lösung zu erreichen.

 

Er erinnert daran, dass die UN im Dezember 1948 die Zurückführung der Flüchtlinge forderte. Israel weigerte sich und die USA leisteten Beihilfe, damit die Frage nicht auf die Tagesordnung der Vollversammlung kam. Palästinenser haben vergeblich versucht, mit Israel über die Flüchtlinge zu verhandeln. Alle Parteien in Israel haben für ein Gesetz gestimmt, das Verhandlungen über diese Frage verbietet. Nach der offiziellen Erklärung für die Flucht, die von Ben Gurion geäußert wurde, wurden die Palästinenser von den arabischen Nachbarstaaten aufgefordert, vorläufig zu flüchten, damit sie Raum hätten, Israel anzugreifen. Das ist eine bloße Behauptung. Dagegen zeigt Pappe anhand seiner umfangreichen und bestens durchdachten Untersuchung der einschlägigen Dokumente, dass Hunderttausende von Palästinensern schon während des britischen Mandats und vor der Gründung Israels und dem Krieg vertrieben wurden. Während und nach dem Krieg wurde die Vertreibung ohne Unterbrechung fortgesetzt. Es handelte sich um eine ethnische Säuberung: Die Palästinenser mussten gehen, um Platz für Juden zu machen. Die Zionisten wurden von dem Wunsch beseelt, einen ausschließlich oder fast ausschließlich jüdischen Staat zu gründen.

 

Daten über die arabischen Dörfer, die für die Eroberung nützlich sein könnten, wurden schon vor Ende der dreißiger Jahre erfasst. In dem Plan (Dalet) wurde der Teil von Palästina festgesetzt, den Ben Gurion und seine Berater für den Staat haben wollten. Mit geringen Abstrichen war es der Teil, den ihre Truppen später eroberten und  er machte 80% des Landes aus. Die UN Vollversammlung hatte im Teilungsplan vom November schon einen üppigen Teil (57%) einschließlich der fruchtbaren Küste für die Juden empfohlen, die als Kolonisten gekommen waren und nur 30% der Bevölkerung ausmachten. Der Plan für die Eroberung ging am 1. April 1947 in kraft. Die jüdische Armee und die Terrorbande Irgun, deren Anführer Begin, später Premierminister wurde, verübten Gräueltaten, einschließlich zahlreicher Massaker. Bis zum Ende des Mandats wurden 250 arabische Dörfer zerstört und die Einwohner vertrieben. Alle größeren Städte wurden besetzt und die arabischen Stadtteile weitgehend entvölkert. 250,000 Palästinenser wurden aus dem Land vertrieben. Vereinzelte Vertreibungen geschahen schon vor Inkrafttreten des Daletplans. Hier zwei Beispiele für die Vertreibungen: 1. Ende Dezember 1947 griffen die Armee und Irgun Haifa an. Da die zionistischen Kolonisten erst in den vorangegangenen Jahrzehnten gekommen waren, siedelten sie an einem Hang, der die arabischen Wohngebiete überragte. Von dort aus wurde die arabische Bevölkerung bombardiert. Sprengstofffässer und riesige Stahlkugeln wurden in ihre Wohnviertel heruntergerollt. Ein Gemisch aus Öl und Benzin wurde auf die Straßen gegossen und angezündet. Die Einwohner rannten in Panik aus den Häusern und gerieten in das Dauerfeuer aus Maschinengewehren. 2. Am 9. April drangen Soldaten in das Dorf Deir Jassin ein, feuerten mit Maschinengewehren auf die Häuser und töteten viele Bewohner. Sie trieben die anderen zusammen und ermordeten sie der Reihe nach, schändeten ihre Leichen und vergewaltigten einige Frauen. Es gab 90 Tote, darunter 15 Babys. Die Militärs selbst verbreiteten die Nachricht über diese Gräueltaten über Lautsprecher in anderen Dörfern.

 

Gleichzeitig mit diesen Ereignissen hielt Ben Gurion Reden, in denen er behauptete, die Juden wären durch die Araber höchst gefährdet, er fürchte einen zweiten Holocaust. Doch mit den engsten Mitarbeitern und in seinem Tagebuch zeigte er sich zuversichtlich. Was wirklich geschah, wurde in ausländischen Zeitungen, auch in der New York Times berichtet. Das amerikanische Auswärtige Amt wusste davon. Wie schon früher war dieses  Amt gegen die Teilung des Landes und forderte als nächsten Schritt eine Treuhand. Aber die jüdische Lobby bearbeitete Präsident Truman und er gab nach, obwohl er über den Druck der Zionisten entsetzt war.

 

Nach dem Ende des Mandats und der Gründung Israels ging die ethnische Säuberung ohne Unterbrechung weiter. Die zwei Beispiele, die ich kurz geschildert habe, sind m. E. bezeichnend für die Einstellung gegenüber den Opfern wie auch für die Verbrechen, die sie begangen haben. Die Folge: 531 Dörfer zerstört, die arabischen Stadtteile weitgehend entvölkert und die Hälfte der einheimischen Bevölkerung (800,000) heimatlos.

 

Es bestand zu keiner Zeit die Möglichkeit für die arabischen Staaten, die Vertreibung aufzuhalten, nicht zu sprechen von einer Gefährdung Israels. Die jüdische Armee bestand aus 50,000 Soldaten, etwa die Hälfte davon hatte mit der britischen Armee im Zweiten Weltkrieg gedient. Auf der arabischen Seite war die jordanische Armee, die einzige, die der jüdischen gleichwertig war, aber sie wurde neutralisiert. Der König versprach der jüdischen Führung, seine Truppen nicht in die von den Juden beanspruchten Gebiete eindringen zu lassen. Dafür sollte er das Westjordanland erhalten. Nach dem UN Teilungsplan sollten die Palästinenser dieses Gebiet für ihren Staat erhalten. Auch die Briten haben die Palästinenser verraten. England war als Mandatsmacht verantwortlich, für Recht und Ordnung zu sorgen. Es hatte reichlich Truppen, tat aber nichts gegen die Vertreibung. Der palästinensische Widerstand war schon mit der Zerschlagung ihres Aufstands (1936 – 39) durch die britische Armee endgültig erledigt und die Führung verbannt. Die arabischen Führer in anderen Nachbarstaaten zögerten, ihre Truppen nach Palästina zu schicken, wo sie keine Aussichten auf Erfolg hatten. Sie taten  es erst nach Demonstrationen der Bevölkerung gegen die Untätigkeit ihrer Regierungen und Tausende opferbereite, aber kampfunfähige Freiwillige gingen nach Palästina.

 

Pappes Empfehlungen: Die Israelis sollten anerkennen, dass ihre Gründungsväter (ihre Helden) das Verbrechen einer ethnischen Säuberung begangen haben. Sie müssen einsehen, dass die Palästinenser die Opfer schlechthin waren. Sie müssen sich damit abfinden, dass die Gründung ihres Staates moralisch nicht gerechtfertigt werden kann. Weiterhin: Die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge darf  kein Tabu sein. Das könnte das Ziel eines ausschließlich jüdischen Staates vereiteln, aber das Streben nach Verwirklichung dieser Ideologie hat zu den Verbrechen geführt. Keine Frage: Es ist zur Zeit höchst unwahrscheinlich, dass Pappe - und viele Gleichgesinnte – Gehör finden. Das weiß er selbst. Aber seine Botschaft kann langfristig eine kraftvolle Wirkung entfalten. Daß eine Versöhnung und eine tragfähige Lösung sonst nicht stattfindet, ist glaubwürdig. 

 

 

 

 

       

 

 

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