o

Das Palästina Portal

Täglich neu - Nachrichten aus dem, über das besetzte Palästina - Information statt Propaganda

 Kurznachrichten  -  Archiv  -  Themen  -  Linksammlung  -  Facebook  -  Veranstaltungen  - Sponsern Sie  - Suchen

 

 

 

TRANSLATE

 

Über Menschenrechte, MRO und Menschenrechtsverletzungen in Israel/Palästina

Ellen Rohlfs: Am 18.1.2012 in Osnabrück gehalten

Liebe Freunde der Remarque-Gesellschaft
Ich soll heute hier ein Kurzreferat halten - ich wollte es ursprünglich in Form eines Briefes an unsere Regierung machen - egal ob er abgeschickt wird oder nicht. Auf jeden Fall werde ich Tacheles - die Wahrheit - reden also

Frau Bundeskanzlerin, Herr Außenminister, -
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Sie mit dem Thema konfrontiere, das mich seit 45 Jahren als Deutsche mit Scham und Sorge beschäftigt: der Nahostkonflikt, bes. über die Lage der Menschenrechte.

Ich möchte Ihnen zunächst einige Fakten nennen; meine Quellen sind die Nachrichten aus der israel. Tageszeitung Haaretz, die ich täglich im Internet auf englisch lese und isr. Menschenrechtsorganisationen, von denen ich fast täglich 1 Artikel übersetze - es gibt allein in Israel 17 isr. und 6 internat. Menschenrechtsorganisationen - und in den besetzten Gebieten auch noch neun ( u.a. PHRIC, Al-Haq, Al Mezan, Adalah, die aber alle irgendwie zusammenarbeiten.)
Auch einige der isr. HRO möchte ich mit Namen nennen B'tselem, (hier( in OS) einige Berichte von B'selem), Physician for HR, Rabbiner for HR, Machsom Watsch, Yesh Din; ICAHD ( Jeff Halper), New Profile, WOFPP, Kavla Oved, ACRI, Bustan und Rechtsanwälte, wie Felicia Langer ( bis1990) Lea Tzenel, Linda Brayer, Sfard u.a.)
Internationale: Human Rights Watch, Amnesty, Medico, Save the Children, Oxfam, UN-Ocha und einige isr. Gruppen, die Friedensarbeit mit HR arbeit verbinden wie Alternative Information Center (AIC), Gush Shalom, Frauen in Schwarz, Peace Now, Breaking the Silence, Combatants for the Peace, . Näher auf sie einzugehen, würde jetzt den Zeitrahmen sprengen.
So viele Menschenrechtsorganisationen in so einem kleinen Land - warum wohl?

Seit 65 Jahren werden die Palästinenser, die entmenschlicht und dämonisiert werden, aus ihrem Land vertrieben - es geschieht seit 65 Jahren ethnische Säuberung, sagt die isr. Journalistin Amira Hass in Haaretz 2010 und Ilan Pappe in seinem Buch "Ethnische Säuberung" und Miko Peled vor kurzem in einem Artikel.
Täglich wird palästinensisches Land geraubt rund um die jüdischen Siedlungen - allein um Bethlehem sind es jetzt 21 Siedlungen. Inzwischen leben eine halbe Million Siedler illegal auf gestohlenem Land - und die pal. Gebiete werden zu immer kleiner werdenden Enklaven/Bantustans

Mit dem Landraub wurden seit 1967 Millionen von pal. Olivenbäume von Siedlern und Soldaten zerstört unter ganz verschied. Vorwänden: Sie sind aber die Lebensgrundlage für viele pal. Bauern. In den letzten Tagen wurden wieder 100. zerstört.

In Ost-Jerusalem werden von Jahr zu Jahr mehr paläst. Häuser zerstört oder jährlich ca 1000 pal. Bewohner aus ihren Häusern vertrieben - Ost-Jerusalem wird judaisiert - ethnisch gesäubert, wie Ilan Pappe es nennt - auch der Jordangraben und die Beduinen im Negev werden vertrieben und ihre Hütten zerstört. Die Beduinensiedlung Al-Araqib wurde inzw. zum 30. Mal behelfsmäßig wieder aufgebaut ….

Landraub geschieht aber auch durch den isr. Straßenbau für Straßen, auf denen nur Israelis, die Siedler fahren dürfen - ja es sind Apartheidstraßen. Gestern schrieb A. Hass darüber.
Landraub geschieht auch mit dem Bau der inzwischen über 500 km langen /8 m hohen und mit allen Begleit-Straßen und Sicherheitsstreifen 50-100m breiten Apartheidmauer , die zuweilen ein Zaun ist - meist auf pal. Land - nicht wegen Sicherheit, sondern wegen Land und Wasserquellen. Und damit bin ich bei einem der größten Probleme und MR-Verletzungen.
Die Palästinenser erhalten den 4-8. Teil des eigenen Wassers, manche Orte zuweilen nur jeden 3. oder 4. Tag. Die Siedler aber 8 mal so viel.
Das Wasser im Gazastreifen ist nicht einmal Trinkwasser. Es ist schwer kontaminiert. Es gibt deshalb inzw. viele Nierenkranke und blaue Babys. Es gibt kaum Kläranlagen. Israel lässt kein oder kaum Baumaterial nach Gaza. Millionen l verschmutzer Abwässer fließen so täglich ins Meer.

Jeden Tag werden bei nächtlichen Überfällen in Dörfern Palästinenser verhaftet, auch Kinder ab 10 mitten in der Nacht - ohne Grund. (Fast immer gibt es etwa 5-8000 Gefangene in isr. Gefängnissen, auch ca. 300 Frauen und (2010) etwa 428 Kinder 2010, die wenigsten "haben Blut an ihren Händen")) Die wenigsten sind also Terroristen - einige haben Steine geworfen, die keinen Schaden anrichteten - viele beteiligten sich an den gewaltfreien Demos gegen die Mauer, den Landraub, die Besatzung.

In den Gefängnissen wird routinemäßig gefoltert.( s. Btselem Bericht von 1990)

Fast täglich werden Palästinenser erschossen oder verletzt - bes. bei den gewaltfreien Demos in Bilin, Nilin und andern in der Nähe der Mauer gelegenen Orten.

Unliebsame polit. bedeutsame Palästinenser. und Personen aus andern Ländern (ISM), die deutlich zu verstehen geben, dass sie mit der Besatzung nicht einverstanden sind, werden nicht nur verhaftet, sondern schwer verletzt oder umgebracht also außergerichtliche Todesstrafe: Rachel Corry z.B. durch einen Bulldozer, Tom Hurndall durch einen Schuß, der Hamasvertreter in einem Hotel in Dubai durch Gift, der Schriftsteller Kanafani in Beirut erschossen, ein enger Mitarbeiter von Arafat in Tunis durch Erschießen, ja Arafat höchstwahrscheinlich ( nach Uri Avnery) auch durch Gift. Und in letzter Zeit Juliano Mer Khanis vom Jeniner Theater und der ital. ISM Mitarbeiter Arragoni im Gazastreifen, das sind natürlich alles Menschenrechtsverletzungen von isr. Seite - und über Menschenrechtsverletzungen könnte ich eigentlich noch stundenlang weiterreden oder z.B. über die Frage: Wieso kommt es zu diesen HR-Verletzungen ? Und warum wird Israel deshalb nicht verurteilt?

Miko Peled, der selbst israel. Soldat war, schreibt ( 4.1.12 in einem Artikel) vom isr. Militär, es sei eine "terroristische Organisation".

Der Gazastreifen hat besonders unter Menschenrechtsverletzungen zu leiden
In ihm wurden bei milit. Operationen neue Waffen getestet und verbotene Waffen angewandt: Depletet Uranium, Dime, Phosphorbomben und in drei Wochen 1400 vor allem Zivilisten getötet und Tausende verletzt; 58 000 Wohnhäuser beschädigt, 6300 völlig zerstört, 280 Schulen und Kindergärten, 6 Uni-Gebäude, 1400 Fabriken, die letzte arbeitende Getreidemühle, 80% der Ernte, eine Hühnerfarm usw. vernichtet.

Die Grenze zum Gazastreifen mit 1,5 Mill. Bewohnern ist völlig gesperrt und schwer bewacht oder belagert vom Land, der Luft und vom Meer . So durften z.B. 127 kranke Kinder nicht in ein Krankenhaus in Israel oder in die Westbank zu Fachärzten - sie starben.

Der 500 - 1000 m breite innerhalb der Mauer entlanglaufende Landstreifen, der sonst von paläst. Bauern landwirtschaftlich genützt wurde, darf jetzt nicht betreten werden - hier sind schon eine Reihe Menschen bes. Kinder erschossen worden.. Die Free-gaza-Aktionen per Schiff durften nicht in Gaza landen. (Auch hier gab es einmal 9 Tote)
Der Gazastreifen ist also noch immer besetzt - auch wenn innerhalb keine Siedler und Soldaten mehr sind - so ist er aber mit Zaun und vielen Wachtürme versehen. Die vier Zugänge sind meist geschlossen. Für die Versorgung wäre nach dem Völkerrecht Israel verantwortlich - es schickt aber nur ein Minimum an Nahrungsmitteln hinüber, gerade so viel, dass die Leute nicht verhungern ( nach Aussage eines Ministers). Außerdem wäre Israel nicht nur verpflichtet, die Menschen im Gazastreifen richtig zu versorgen, sondern wäre auch verpflichtet, Ersatzteile für medizin. und andere Geräte z.B. Pumpen zu liefern.
Und genügend Strom und Wasser - Strom kommt sehr unregelmäßig und nur für wenige Stunden ---

So könnte ich noch viele andere Menschenrechtsverletzungen aufzählen, z.B. die 400 -700 Checkpoints, nicht nur an der Grenze zu Israel, sondern auch zwischen pal. Städten und Dörfern. Es gibt keine Bewegungsfreiheit. Das stundenlange Warten, die demütigende, diskriminierende Behandlung und ohne Passierschein darf man gar nicht durch. Hier stehen die isr. Machsom Watchfrauen und achten darauf, dass es weniger unmenschlich zugeht und sie berichten.

Wenn man die 29 Artikel der Allgem. Erklärung der Menschenrechte vom 10.Dez 48 liest und mit dem vergleicht, wie Israel die Pal. behandelt. Dann gibt es kein einziges Recht, das nicht grob verletzt wird.

Israel soll die einzige Demokratie im Nahen Osten sein - es ist aber nicht für alle seine Bürger eine Demokratie, sondern nur für Juden; Es ist ein Apartheidstaat, schlimmer als die in SA, sagen Kasrils und Tutu u.a. SA. Es gibt nicht nur zwei Straßensysteme, zwei Bildungssysteme, sondern auch zwei Rechtssysteme, sehr ungleiche Bewegungsfreiheit, ungleiche Verteilung des Wassers. Was das Recht betr. : eines für jüd. Bürger, das andere für Nicht-Juden. Wenn z.B. ein Israeli/Siedler einen Palästinenser tötet, bekommt er kaum eine Strafe oder nur eine sehr geringe , wenn aber ein Pal. einen Israeli tötet, bekommt er jahrelange Gefängnisstrafe, wenn nicht gar lebenslang.

Bei den sog Friedensverhandlungen gibt es keine Fortschritte außer Zeit- und Geldverschwendung - nach Ziad Clot. Es wird nichts Konkretes geredet, keine Karten vorgelegt, . Israel will keinen Frieden, es will das Land mit möglichst wenig einheimischer Bevölkerung . Das kann sogar in Haaretzartikeln gelesen werden.

Sharon sagte einmal zum US-Präsidenten: "Wir machen nichts anderes als ihr in den USA" (mit den amerik. Ureinwohnern) - mit andern Worten gesagt: Ethnische Säuberung bzw . Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, ja Genozid, wie das inzwischen immer mehr Fachleute, auch isr, sagen. ( s. mein Buch : "Nie wieder!?") Die Schuld, dass die "Friedensverhandlungen" keinen Erfolg bringen, wird natürlich den Pal. zugeschoben: Sie würden unerfüllbare Bedingungen stellen ( die Grenze von 67, Ost-Jerusalem , die Flüchtlingsfrage

Zur Situation der Palästinenser bes. im Gazastreifen, der wie eben schon gesagt, ein großes Freiluftgefängnis ist, aber auch in der Westbank: es herrscht große Arbeitslosigkeit, keine Zukunftsperspektiven, darum Verzweiflung, Frustration, Wut und Zorn. Wenige wie z.B. Sumaya Farhad-Naser, Mitri Raheb, Daud Nasser versuchen mit isr. Friedensgruppen, die Hoffnung aufrecht zu erhalten. "Wir weigern uns, Feinde zu sein".

Und dass da mancher durchdreht, Steine wirft oder gar eine Rakete bastelt und nach Is. hinüber wirft - was natürlich auch eine Menschenrechtsverletzung ist (meist ohne Schaden anzurichten - wundert uns das ? - mich nicht ….Ich wundere mich über die unglaubliche Geduld, das Durchhaltevermögen, das die Pal. haben. Und noch etwas Wichtiges: ich bin in Israel Juden begegnet, die vorbildliche, ja prächtige Menschen sind - sie alle engagierten sich in den MR- und Friedensgruppen.

Meine Frage: wie ist es möglich, dass die deutsche Regierung den rassistischen Unterdrücker der Palästinenser unterstützt und diese eben genannten u. viele andere Menschenrechtsverletzungen, um nicht Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sagen, an einem Volk zulässt, das nichts, gar nichts mit dem Jahrhunderte langen christl. und den knapp 100 Jahre langen rassistischen Antisemitismus in Europa , geschweige denn mit dem Holocaust, zu tun hat. Auf dem Rücken der Palästinenser glaubt die deutsche Regierung, die Schuld der Deutschen abtragen zu können. Das ist ein Irrtum und für mich ist es einfach unerträglich.

Die Verbrechen der Nazi- Deutschen können nicht durch andere Verbrechen wieder gut gemacht werden. (s. auch Ilan Pappes Interview!!)
So wie Deutsche eine besondere Verpflichtung gegen Juden/Israelis haben - so haben sie auch gegenüber den Palästinensern eine Verantwortung, denn sie sind "die Opfer der Opfer".
Noch eins: Israels Politik, die inzwischen immer mehr von Neofaschisten (Siedler) und Ultraorthodoxen bestimmt wird, ist dabei, sich selbst von innen her zu zerstören - das sagen inzwischen immer mehr Israelis selbst - viele wandern aus. Und die EU, auch D hilft mit bei der Selbstzerstörung…..
Was die Palästinenser brauchen, ist weniger die finanzielle Entwicklungshilfe, die zur Hälfte den Geberstaaten und Israel wieder zu gute kommt, sondern ein Ende der Besatzung, Gerechtigkeit und Freiheit, die menschliche Würde - eben die Menschenrechte.
Hier ist die Hilfe der EU nötig, also auch von der deutschen Regierung: Druck auf Israel z.B. durch BDS ( Boykott- Investitionsstop- Sanktionen), um die illegale Besatzung zu beenden, ja möglichst einen pal. Staat neben Israel zu ermöglichen.

Zum Schluss einen Satz aus der Präambel der Allgem. Erklärung der Menschenrechte:
"Es ist wesentlich, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung gezwungen wird."
und im 1. Artikel: alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren - sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Danke

 

 

 
 

 

Start | oben

Impressum         KONTAKT            Datenschutzerklärung           Haftungsausschluss          arendt art