Jerusalem: Außer Spesen
nichts gewesen
von Reiner Bernstein
Die
Vorbedingungen beim Dreiertreffen in Jerusalem
waren schon in der Planungsphase nicht gerade
günstig. Ehud Olmert hatte klargestellt, dass er
nicht gewillt sei, die zentralen Probleme des
Konflikts zu diskutieren, Machmud Abbas’
Autorität war durch die Vereinbarung mit „Hamas“
in Mekka nicht gerade gestärkt worden, und
Condoleezza Rice hatte zwar bekannt, dass sie
nicht nur wegen schöner Fotos nach Jerusalem
reisen werde, doch von präzisen Vorstellungen
über die Zukunft der
israelisch-palästinensischen Beziehungen war sie
weit entfernt. Zudem konnte sie auf dem Weg von
Bagdad nach Jerusalem aus Olmerts Mund
vernehmen, dass er und George W. Bush in der
Bewertung der Ergebnisse von Mekka vollkommen
übereinstimmten. So verabschiedeten sich die
drei nach zweistündigem Gespräch im „David
Citadel Hotel“ ohne eine gemeinsame Erklärung –
und versprachen einander, sich bald
wiederzusehen.
Jedes konstruktive Ergebnis hätte verwundert.
Olmert ist nicht nur durch interne Skandale
sowie durch divergierende Kräfte und persönliche
Rivalitäten in seinem Kabinett geschwächt,
sondern ihm fehlt auch der Wille zum politischen
Durchbruch: Er erweist sich mehr denn je als
Gefangener einer Ideologie, die zwar die
Zweistaatenregelung im Munde führt, aber durch
Mauerbau und Siedlungserweiterung das Gegenteil
anpeilt. Israelische Kommentatoren fürchten seit
langem, dass Olmert den Staat an die Wand fahren
werde. Abbas kämpft um sein politisches
Überleben, nachdem er durch die divergierenden
Elemente in der palästinensischen Gesellschaft
zermürbt worden ist. Die Vereinbarung mit
„Hamas“ dürfte nicht einmal eine Halbwertzeit
erreichen. Worauf sich das Prestige der USA in
der gesamten Region noch stützen will, ist eh
ein Rätsel. Washingtons Option, zu Mitteln einer
militärischen Konfrontation gegen Iran zu
greifen, wäre nur der Schlusspunkt im Niedergang
des Anspruchs auf weltpolitisch einzigartige
Geltung. Wäre es anders, hätten Pjöngjang und
Teheran längst einlenken müssen.
So
wird sich die Spannung in Grenzen halten, mit
der Rice gegenüber ihren „Quartett“-Kollegen in
Berlin aufwarten kann. Moskau befindet sich auf
dem Wege zu neuer regionaler und internationaler
Bedeutsamkeit mit eigenen Vorstellungen auch im
Nahen und Mittleren Osten. Jacques Chiracs und
Tony Blairs Amtszeit nähert sich dem Ende, so
dass ihre Handlungsfähigkeit kaum mehr ins
Gewicht fällt. Die deutsche Bundesregierung hält
sich bedeckt, obwohl sie sich als gegenwärtige
EU-Präsidentschaft einiges zutrauen wollte. Doch
von politischer Führung ist einstweilen weit und
breit nichts zu erkennen. Wenn auch in diesen
Tagen mit großer Regelmäßigkeit von notwendigen
Konsultationen über den Atlantik zu Rede ist, so
versteckt sich dahinter nicht mehr und nicht
weniger das Eingeständnis politischer
Mutlosigkeit.
Also
steht nichts anderes zu erwarten als die
Fortsetzung des israelisch-palästinensischen
Patts auf der Grundlage der tiefgreifenden
Unebenbürtigkeit. Die drei vom „Quartett“
postulierten Prinzipien an „Hamas“ haben diese
in die Hände von Khaled Meshal getrieben, der
als Leiter der Politischen Abteilung der
Islamischen Widerstandsbewegung mit Sitz in
Damaskus und mit kapitalen Verbindungen nach
Teheran ihre Delegation in Mekka leitete und den
nominellen Ministerpräsidenten Ismail Haniyeh
aufs Abstellgleis schob. Deshalb wird es gar
nicht darauf ankommen, welche Ministerriege der
wieder mit der Regierungsbildung beauftragte
Haniyeh präsentiert – ob schon morgen oder erst
in der vom palästinensischen Grundgesetz
vorgegebenen Fünf-Wochen-Frist. Denn da eine
„Regierung der nationalen Einheit“ ohne die in
der palästinensischen Gesellschaft nach dem
einstigen Vorbild von „Fatah“ breit verankerte
„Hamas“ nicht zustande kommen kann, behält sie
das Heft in der Hand. So kann sie mit einer
gewissen Gelassenheit der Abbas’schen Drohung
mit Neuwahlen entgegensehen. Der Vorwurf der
Korruption und Günstlingswirtschaft hat zwar
auch „Hamas“ erreicht, ohne dass ihr jedoch von
der Mehrheit der Bevölkerung die
Regierungsfähigkeit abgesprochen wird.
Was
übrig bleibt, sind zwei Aspekte: Welche Rolle
kann und will die sogenannte internationale
Gemeinschaft zur Beilegung des Konflikts
spielen? Nachdem es weder Kairo noch Riyadh
gelungen ist, die palästinensischen Kontrahenten
zusammenzuführen, und nachdem die grundlegende
Abkehr vom US-Unilateralismus in der Region
wegen des einsetzenden
Präsidentschaftswahlkampfes nicht erwartet
werden kann, scheint diese Frage entschieden zu
sein.
Ohne
eine auf die nationale Koexistenz in Augenhöhe
verpflichtete Annäherung zwischen Israelis und
Palästinensern wird sich andererseits die
Hypothese erledigen, dass der Druck Olmert/Livni
und Abbas/Meshal dazu zwingen werde, das Ruder
herumzureißen. Dazu bedürfte es allerdings
israelischer Vorleistungen, die weit über das
hinausgehen, was der Ministerpräsident jüngst
zugesagt hat: die Lebensbedingungen der
palästinensischen Bevölkerung zu erleichtern.
Abgeschlossen am 19.02.2007