TRANSLATE
DIE GEFÄSSE ZERBRECHEN
Jeff Halper
Also, die palästinensische Behörde wird nicht einseitig einen
unabhängigen Palästinenserstaat erklären. Tatsächlich scheint die
ganze Angelegenheit ein Missverständnis zu sein. In der Sorge, dass
die USA rückwärts geht in Bezug einer Zweistaatenlösung in den
Grenzen von 1967, und dass Israel die Welt an die „Tatsache“
gewöhnt, dass eher die Siedlungen und die Mauer als die 67er Grenzen
nun die Parameter eines künftigen Palästinenserstaates (auf nur 15%
des historischen Palästinas) definieren, wollte die
Palästinenserbehörde (PB) einfach, dass der Sicherheitsrat jenes
Prinzip wieder bestätigt. „Was sollen wir denn machen, während die
israelische Regierung mit fait accompli Aktionen beschäftigt
ist?“ fragte der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat, „außer
uns an den Sicherheitsrat zu wenden, um die Option von zwei Staaten
zu erhalten? Wir wollten, dass der Sicherheitsrat die
Zweistaatenlösung als einzige Option bestätigt und dass er einen
Palästinenserstaat, der in den 67er Grenzen Seite an Seite mit
Israel lebt, anerkennt.“ Die PB hoffte, erwartete vielleicht, dass
die USA damit einverstanden sein würde. Durch eine Eskalation der
Rhetorik wurde diese einfache Klarstellung zur Basis von
Spekulationen auf dem Hintergrund des angedrohten Rücktritts von
Präsident Mahmoud Abbas, dass die Palästinenser versuchen würden,
die internationale Gemeinschaft zu zwingen, die Gründung ihres
Staates zu erklären.
Was wäre aber, wenn es geschehe? Was wäre, wenn Abbas tatsächlich
die Gründung eines Palästinenserstaates innerhalb der 67er Grenzen
erklärte und die Länder der Welt bäte, diesen anzuerkennen, und dann
die Aufnahme in die UNO beantragen würde?
Die Palästinenser haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Auf der
einen Seite die Pest: die sich ständig verengende Schlinge der
israelischen Besatzung. Die Konzentration der israelischen Siedler
in strategischen Blocks in Ostjerusalem und der West Bank zerstören
den territorialen Zusammenhang des palästinensischen Gebietes, auch
dann wenn Israel Dutzende winzige Siedlungen innerhalb der
engbevölkerten palästinensischen „Kantone“ auflöst. Die
Siedlungsblocks sind schon in Israel durch den Bau von etwa
neunundzwanzig größeren israelischen Landstraßen eingemeindet, was
bedeutet, dass Israel sich von der grünen Linie bis zur jordanischen
Grenze organisch ausgedehnt hat. Auch wenn die Trennungsbarriere
abgebaut wird, ist das gesamte Land von Grund auf umgestaltet
worden; es gibt einfach keinen Raum mehr für einen kohärenten,
lebensfähigen, souveränen palästinensischen Staat. Und das Leid
nimmt weiter zu. Feindselige, gefühllose israelische Soldaten
bemannen weiterhin überall in den besetzten Gebieten Hunderte von
Checkpoints, die, wenn sie Teil der Trennungsbarriere sind, die Form
massiver Terminals einnehmen, in denen Tausende von Männern, Frauen
und Kindern langen Wartestunden und demütigender Behandlung
unterworfen werden. Die Geschwindigkeit der Häuserzerstörung nimmt
täglich zu; 24 000 palästinensische Wohnungen wurden von Israel in
den besetzten Gebieten seit 1967 zerstört, während israelische
Gerichte weitere 10 000 Hausbesitzer unter der Androhung
unerträglicher Bußgelder gezwungen haben, ihr eigenes Zuhause zu
demolieren . Die palästinensische Präsenz in Jerusalem, das Herz des
palästinensischen religiösen, kulturellen, politischen und
wirtschaftlichen Lebens, verschwindet rapide unter der
konzentrierten Politik der Besiedlung, der Vertreibung
palästinensischer Bewohner aus ihren Häusern und Landenteignungen,
die beabsichtigt – wie Israel explizit erklärt – die Stadt zu
„judaisieren“. Doch ohne eine bedeutsame palästinensische Präsenz in
Jerusalem gibt es keine Friedensmöglichkeit; in der Tat keine
Möglichkeit, den Westen, der die israelische Expansion erst möglich
macht ,mit der gesamten muslimischen Welt zu versöhnen.
Auf der anderen Seite die „Cholera“: die Unwahrscheinlichkeit, dass
die durch die USA und eines willfährigen Europas unterstützten
Verhandlungen mit Israel irgendwohin führen werden. Der Osloer
Prozess, der sieben Jahre währte (1993-2000) sah eine Verdoppelung
der Siedlerpopulation auf 400 000 vor , während sich die
Palästinenser eingepfercht in den Gebieten A und B befinden – etwa
70 Inseln auf nur 40% der West Bank – und in dem größten aller
Gefängnisse, Gaza. Auf Oslo folgte die Road Map, der der Annapolis
Prozess folgte und alles führt in die gegenwärtige Sackgasse, für
die die Obama Administration keinen Plan hat. „Friedensprozess“ oder
nicht, Verhandlungen oder nicht, Patt oder nicht, Israel wurde
niemals verboten, weiter vollendete Tatsachen zu schaffen, mit der
Absicht einen wirklich souveränen Palästinenserstaat zu verhindern.
Im
Großen und Ganzen hat sich das palästinensische Volk diesem
widersetzt. Zwei Intifadas (vier, wenn man den Aufstand gegen die
britische Immigrationspolitik und die Unfähigkeit der
palästinensischen Mehrheit, ihrer Stimme Gehör zu schaffen, und den
Krieg 1948 dazu rechnet), dazu ständiger bewaffneter Kampf und
Tausende von gewaltfreien Aktionen, vom Wiederaufbau zerstörter
Häuser bis zur Steuerverweigerung von Beit Sahour. Von Zeit zu Zeit
hat die palästinensische Führung eine kühne Initiative ergriffen,
als es ihr gelang, den Bau der Trennungsbarriere vor den
Internationalen Gerichtshof und anschließend vor die UN-
Vollversammlung zu bringen, wo sie von beiden Gremien als illegal
verurteilt wurde. Die gegenwärtige Kampagne für Boykott,
Investitionsrücknahme und Sanktionen (BDS) gegen manche Hauptsäulen
der israelischen Besatzung und Gesellschaften die davon profitieren,
stellt eine weitere aktive Initiative der palästinensischen
Zivilgesellschaften dar.
Und dann gibt es die Idee, einen Palästinenserstaat in den 67er
Grenzen unilateral zu erklären, die die Palästinenser-Behörde
absichtlich/ unabsichtlich während der vergangenen Wochen in Umlauf
brachte. Es ist keine neue Idee. Die PLO hat die palästinensische
Unabhängigkeit schon 1988 erklärt, aber ohne Bezug auf Grenzen hatte
solch ein Schritt wenig Wirkung. Während der Oslozeit hat ein
frustrierter Arafat wiederum gedroht, unilateral die
palästinensische Souveränität zu erklären, wurde aber durch Israel
und die US davon abgebracht. Was könnte einen neuen Versuch sinnvoll
machen? Mehrere Dinge:
Anstelle einer generellen Unabhängigkeitserklärung würde die
Palästinenserbehörde einen palästinensischen Staat mit festgelegter
Grenze erklären, die von 1967 (die Waffenstillstandslinie von 1949),
die bereits de facto über die Jahre anerkannt worden ist, von der
UN-Resolution 242 bis zur Road Map. Die Festlegung der Grenzen ist
es, die diese Initiative von früheren, auf dem Prinzip der
Unabhängigkeit fußenden aber ohne territoriale Forderungen gestellte
Erklärungen unterscheiden würde; letzteres sogar von Israel
unterstützt, da es Israel vom Druck befreit, die Besatzung zu
beenden, indem es den Palästinensern eine symbolische Souveränität
verleiht.
Das hinter solch einer Initiative liegende Argument ist klar: sowohl
das Kräfteverhältnis und die Dynamik der Verhandlungen umzukehren.
Weil es das palästinensische Gebiet besetzt, kann Israel aus einer
Position der Stärke verhandeln, während die Palästinenser, ohne
irgendwelche Druckmittel keine Möglichkeit haben, Israel dazu zu
drängen, sich in bedeutendem Maße zurückzuziehen. Appelle an das
Völkerrecht, die das Spielfeld ausgeglichen hätten, wurden zunichte
gemacht nachdem die USA Israels Behauptung, es gebe keine
Besatzung, de facto unterstützten, indem sie die West Bank,
Ostjerusalem und Gaza als „umstrittene Gebiete“
klassifizierte. Anstatt zu verlangen, dass Israel seine illegalen
Siedlungen und andere Formen der Kontrolle aufgibt, zwingt diese
Politik die Palästinenser dazu, über jede Siedlung, jede Straße und
jeden Zentimeter Land zu verhandeln, ohne am Ende in der Lage zu
sein, Israel dazu zu zwingen, irgendwelche ungewollten
Zugeständnisse einzuräumen. Indem sie internationale Anerkennung
eines palästinensischen Staates innerhalb anerkannter Grenzen sucht,
inklusive Mitgliedschaft in der UN, versuchen die Palästinenser
endlich, die Besatzung zu beenden und dabei, Israels Präsenz von der
einer Besatzungsmacht zu der eines Angreifers zu machen, dessen
unilaterale militärische und Siedlungsaktivitäten, wie auch seine
Ausdehnung der eigenen Rechts- und Planungssysteme nach Palästina,
nichts weniger darstellen als eine unerträgliche Verletzung der
nationalen Souveränität Palästinas.
Wenn die Palästinenser ihren Staat innerhalb der von der
internationalen Gemeinschaft seit 1967 anerkannten Grenzen
erklärten, würde es dies nicht unilateral tun, sondern in
Übereinstimmung mit den Mitgliedsstaaten der UN. Die Hoffnung wäre,
die amerikanische Zustimmung zu bekommen, trotz wilder Versuche
Israels, solch eine Initiative abzuwürgen, der entsprechend die
europäischen Länder sich eingliedern würden. Die große Mehrheit der
Länder im Rest der Welt würde auf alle Fälle den palästinensischen
Staat anerkennen.
Wie vorherzusehen war, hat die US die gerüchtemäßige (oder in
Umlauf gebrachte) Initiative zurückgewiesen. Das State Department
hat keine Zeit verloren, eine Erklärung herauszugeben, dass es
„unser fester Glauben und unsere Überzeugung ist, der beste Weg für
das gemeinsame Ziel eines zusammenhängenden und lebensfähigen
palästinensischen Staates sei der durch Verhandlungen zwischen den
Parteien.“ Zwei Senatoren, die zufällig in Israel waren, Kaufmann
und Lieberman, machten bekannt, dass die USA gegen solch eine
Resolution im Sicherheitsrat ihr Veto einlegen würden. Die EU fiel
sogleich mit in den Gleichschritt ein, als der schwedische
Außenminister, dessen Land gerade die rotierende EU Präsidentschaft
hält, erklärte, dass für solch einen Schritt „die Umstände noch
nicht reif seien“. Dennoch könnten die Palästinenser beschließen,
ihren langwährenden, auf Amerika zentrierten Ansatz zur Erreichung
der Selbstbestimmung aufzugeben, oder zumindest auszugleichen,
indem sie sich an die breitere internationale Gemeinschaft wenden.
Abbas erkundet solch eine Option unter den arabischen, muslimischen,
lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Länderblocks.
Wenn der Sicherheitsrat sich nicht bereit fände, eine solche
Initiative zu behandeln, könnten die Palästinenser mit breiterer
internationaler Unterstützung sich an die UN Vollversammlung wenden,
die die Macht hat, durch eine Zweidrittelmehrheit eine besondere
Notsitzung einzuberufen und eine Resolution zu verabschieden, die
den Schritt billigt, und so das US-Veto umgeht.
Der Sicherheitsrat kann nicht ganz umgangen werden; seine Billigung
ist notwendig, bevor ein Land Mitglied der UNO werden kann. Aber
selbst ein symbolischer Appell von der Mehrheit der Mitglieder der
Generalversammlung, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von
1967 anzuerkennen, und sein Druck auf die Mitglieder des
Sicherheitsrates, einen solchen Staat in die UN aufzunehmen, würde
eine starke Botschaft an die Amerikaner und ihre europäischen
Klienten senden. Leider steht die Erklärung der Eigenstaatlichkeit
der Palästinenser, wenn sie auch mit internationalen Abmachungen
konform wäre, im Konflikt mit den Anliegen anderer Mitglieder des
Sicherheitsrats bezüglich unruhiger Völker in ihren eigenen Länder.
Russland, das sich gegen die unilaterale Erklärung der
Unabhängigkeit durch Kosovo wandte, wird von ähnlichen Aktionen in
Tscheschenien, Südossetien und anderswo konfrontiert. China hat
ähnliche Probleme mit den Uiguren, Frankreich mit Korsika,
Großbritannien (vielleicht) mit Wales und Schottland, die Türkei mit
den Kurden, usw. Die USA, die die Kosovaren wohl in ihrer
unilateralen Aktion unterstützt haben und daher keinen Grund hätten,
die Palästinenser zu verleugnen, konfrontieren dennoch die dauernde
Herausforderung der Unabhängigkeit Puerto Ricos, von weltweiten
aufständischen Kämpfen ganz zu schweigen. Und doch, die Einbringung
der Frage palästinensischer Eigenstaatlichkeit vor dem
Sicherheitsrat – sie könnte von Libyen, Burkina Faso oder Uganda
eingebracht werden – würde eine nützliche Diskussion entfachen und
dazu verhelfen, die Verantwortung Israels, der US und Europa die
schwindenden Rechte der Palästinenser in den Mittelpunkt zu stellen.
Und, immer wieder, würden die Palästinenser gezwungen sein,
machtvoll und wiederholt zu betonen, dass ihre Erklärung der
Staatlichkeit völlig mit dem international vereinbarten Endzustand
eines palästinensischen Staates in den 67er Grenzen konform ist. Sie
ist nur in dem Sinn ertrotzt, als die Palästinenser ihr Recht auf
Selbstbestimmung nach Jahren behaupten, in denen sie von der
internationalen Gemeinschaft hängen gelassen wurden und sich
nirgendwo anders hinwenden konnten.
Am
allerwichtigsten würde eine solche palästinensische Initiative eine
Lösung des Konflikts mit den Israelis erzwingen. Wenn sie
angenommen würde, könnten Jahre der in die Länge gezogenen
Pseudoverhandlungen und den Tod tausender Palästinenser und
Israelis vermieden werden. Es würde auch helfen, die Kairoer Rede
Obamas einzulösen, und wahrscheinlich auch bessere Beziehungen zur
Welt des Islam eröffnen, die neue Möglichkeiten bezüglich eines
militärischen Rückzugs und Ausgleich und Stabilität mit sich
brächte. Wären die US einverstanden, würden sich natürlich Europa,
vielleicht auch Russland und China, eingliedern.
Es
muss bedacht werden, dass in einer Zweistaatenlösung, wie sie die
palästinensische Erklärung darstellen würde, Israel zwar noch auf
78% des historischen Palästinas verharren würde, die Juden aber
durch die Rückkehr von auch nur einigen Flüchtlingen eine
Minderheit werden würden. Es wäre trotzde, ein ziemlich großzügiger
palästinensischer Kompromiss. Hamas hat die Initiative Abbas‘
abgewiesen, indem sie behauptete: willst du einen Staat ausrufen,
dann tu es vom Mittelmeer bis zum Jordan. Doch wenn ein
palästinensischer Staat allein auf den gesamten besetzten Gebieten
herauskäme, ist es wahrscheinlich, dass Hamas sich der Unterstützung
des Volkes, inklusive der Flüchtlingslager, nicht in den Weg stellen
könnte. Der Staat, der dann entsteht, würde die Souveränität über
seine Grenzen mit Ägypten und Jordanien und die Fähigkeit erhalten,
ausländische Allianzen einzugehen. Es würde ein zusammenhängendes
Gebiet besitzen, mit der Kontrolle über seine natürlichen Ressourcen
(inklusive des Wassers, des Luftraumes und der
Kommunikationssphäre), einer lebensfähigen Wirtschaft (besonders
angesichts der Einbeziehung der Altstadt Jerusalems und Bethlehem
als Touristenorte) und Ostjerusalem als seine politische, religiöse
und kulturelle Hauptstadt, und der Fähigkeit, Flüchtlinge zu
repatriieren. Nichts davon werden die Palästinenser in
Verhandlungen mit Israel erhalten. Wenn eine Gegenleistung
vereinbart wird, wie ein geteiltes Jerusalem, eine extraterritoriale
Verbindung zwischen der West Bank und Gaza und ein qualitativer
Gebietsaustausch, könnten die Palästinenser gewisse symbolische Orte
an Israel abtreten: einen Sonderstatus für das jüdische Viertel der
Altstadt und der historische Kern des Ezion-Blocks, würden eine
solche Lösung schmackhafter machen. Im Übrigen würden die andern
Siedlungen ein Teil Palästinas werden, obwohl die Palästinenser
punkten könnten, wenn sie die Siedler einlüden, zu bleiben und in
integrierten Gemeinschaften zu leben.
Eine unilaterale Erklärung, wenn sie von den US abgelehnt würden
ohne Aussicht auf echte Verhandlungen, die auf einen
palästinensischen Staat im gesamten besetzten Gebiet innerhalb einer
strikten Zeitvorgabe zielte, würde das definitive Ende der
Zweistaatenlösung signalisieren. Zu dem Zeitpunkt könnten die
Palästinenser sich auf das Programm einer Einstaatenlösung einigen,
sei es ein demokratischer Staat gleicher Bürger oder, eher
ausführbar, ein bi-nationaler Staat. Knackpunkt einer solchen
Verschiebung wäre eine kräftige palästinensische Kampagne, die
aufzeigte dass es Israel war, das die bi-nationale Lösung
geschaffen hätte durch sein Siedlungsprojekt und dass Israel die
Zweistaatenlösung eliminiert hätte, die die PLO bereits 1988
akzeptiert hatte. Wenn Israel die Schritte umsetzt, die es als
Antwort auf eine palästinensische Unabhängigkeitserklärung
angedroht hat – besonders die Annektierung der Zone C, etwa 60% der
Westbank mit den Siedlungen – ist die sich ergebende
Apartheidsituation klar und unannehmbar, sogar für die US und
Europa. Israel hat dadurch den Schleier von der de facto Apartheid
zerrissen, die bereits existiert und die Israel verewigen will.
Durch die eigene Hand hat Israel die bi-nationale Wirklichkeit von
Palästina/Israel bestätigt und den Pflock in das Herz der
Zweistaatenlösung getrieben.
Trotz der ganzen Risiken, die es involviert, erscheint eine
Erklärung der palästinensischen Eigenstaatlichkeit in den 67er
Grenzen – die die Anerkennung der großen Mehrheit der Staaten in der
Welt ernten würde – ein win/win-Vorschlag. Zumindest würde es die
Gefäße eines machtlosen, uneffektiven und weniger als ehrlichen von
Amerika geführten „Friedensprozesses“, der nirgendwohin führt,
zerschlagen – er kann tatsächlich nirgendwohin führen, da er
ein Niveau der Bestimmtheit gegenüber Israel erfordert, vielleicht
sogar das Aufzwingen einer Lösung, welche bei den US wie auch bei
den europäischen Regierungen völlig fehlt. Die Erklärung würde auch
Mächte der Zivilgesellschaften im Ausland mobilisieren, eine Art
ultimativere BDS (Boykott, Divestment und Sanktionen) Kampagne zu
initiieren. Angesichts des Scheiterns der Palästinenserbehörde, ihre
Sache effektiv zu kommunizieren, würde eine unilaterale Erklärung
die zugrundeliegenden Fragen des Konflikts – vor allem die
Verantwortung Israels – ins Rampenlicht stoßen und eine Diskussion
in den Medien und anderswo entfachen, die dringend Not tut.
All dies ist natürlich ein sehr unwahrscheinliches Szenario, obwohl
angesichts des Zornes und der Frustration Abbas‘ und des Unvermögens
Amerikas, den Siedlungsbau anzuhalten (während ich dieses schreibe,
hat die israelische Regierung gerade den Bau von 900 weiteren
Wohneinheiten in der Ostjerusalemer Siedlung Gilo bekannt gegeben),
ist es nicht vollkommen unvorstellbar. Wenn es auch eine wachsende
palästinensische Verzweiflung signalisiert, unterstützen nicht alle
Palästinenser solch einen Schritt. Hamas hat ihn abgewiesen und
sagt, die Besatzung muss beendet werden, bevor ein Staat erklärt
werden kann. Palästinensische Politiker befürchten, dass die
Erklärung, wenn sie als rein symbolisch gesehen wird, die
Palästinenser in einer Situation festnageln könnte, in der Israel
behaupten könnte, sie hätten nun ihre Selbstbestimmung, aber ohne
die Fähigkeit, ihre Grenzen tatsächlich zu bestimmen – ein
Schwebezustand der an die „Staat ohne Grenzen“-Formulierung der Road
Map erinnert und von den Palästinensern als Todesgefahr angesehen
wird. Und Unterstützer einer Einstaatenlösung, vor allem die
palästinensische Diaspora, aber zunehmend in den Lagern und
Besetzten Gebieten selbst, sind bereits weitergegangen. Aber
irgendetwas muss getan werden, und angesichts des Ausbleibens eines
Schutzes der Palästinenser oder einer Behauptung gegenüber Israel
auf Seiten der internationalen Gemeinschaft, bin ich zumindest
ratlos und unfähig Alternativen vorzuschlagen, welche die
Dringlichkeit eines Auswegs aus der zunehmend genozidalen Besatzung
ansprechen.
(Jeff Halper ist Direktor des Israeli
Committee Against House Demolitions (ICAHD). Er ist zu erreichen
unter: <jeff@icahd.org>.)
(Dt. Angelika Schneider/ Ellen Rohlfs)
|