Die
Besatzung outsourcen
( an einen externen Dienstleister
übergeben)
Neve Gordon
Israel ist der Schlüssel zum
Verständnis von Präsident George W. Bush’s Strategie im Irak. Es
geht nicht darum, dass es irgendwelchen Einfluss auf den
Entscheidungsprozess hatte, der zum 2. Golfkrieg führte,
vielmehr hat die augenblickliche US-Regierung das Modell der
„demokratischen Besatzung“ (wie die frühere Knessetabgeordnete
Tamir Gozanski (Hadash) dies vor kurzem genannt hat) übernommen,
die Israel in der Westbank und in Gaza entwickelt hat.
Nach dem Ausbruch der 1.
Intifada musste Israel verhältnismäßig viele Soldaten in den
(besetzten) Gebieten stationieren. Sie wurden von Panzern und
gepanzerten Fahrzeugen unterstützt, um die Besatzung aufrecht zu
erhalten – genau wie die USA es jetzt im Irak tun müssen. Die
israelische Besatzung, die zunächst ein profitables Unternehmen
war, wurde nun - wirtschaftlich gesprochen – zu einer
finanziellen Last und brachte die Verantwortlichen des Landes
auf die brillante Idee des Outsourcing, die Übertragung der
Verantwortung für die Bevölkerung an eine externe Entität,
während man die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen ( in
diesem Fall Land und Wasser) behält.
Nach langen Verhandlungen wurde
die palästinensische Behörde errichtet – eine Entität, die die
Verantwortung für das tägliche Leben der Bewohner in den
(besetzten) Gebiete übernahm, während Israel die Kontrolle über
80 % der Landreserven behielt. Innerhalb weniger Monate wurden
die zivilen Institutionen, die zur Verwaltung einer modernen
Gesellschaft nötig sind, wie Erziehung, Gesundheit,
Wohlfahrtsystem, von Israel in die Hände einer jungen Behörde
übergeben, der man dafür begrenzte Souveränität gewährte. Auf
diese Weise hat Israel, ohne das Kontrollrecht über die
Westbank und den Gazastreifen aufzugeben, die Verantwortung für
die Bewohner einer Art Subunternehmen - der PA – übertragen und
so die Kosten für die Besatzung stark reduziert.
Die demokratischen Wahlen
in den ( besetzten) Gebieten im Januar 1996 waren wesentlich,
um der PA eine gewisse Legitimität zuzugestehen. Natürlich hat
die PA Israels Erwartungen am Ende nicht erfüllt und wurde in
vieler Hinsicht eine rebellische Entität. Aber dies hängt nicht
unmittelbar mit Israels Zielen zusammen.
Die israelische Besatzung ist
aus zwei Gründen wichtig, um zu verstehen, was im Irak
geschieht. Zunächst haben die USA wie Israel einen Unterschied
zwischen der Bevölkerung, die sie besetzen, und seinen
Ressourcen gemacht. Die Absicht hinter der Bush-Regierung ist,
die Iraker dahin zu bringen, ihr eigenes Leben zu regeln, um so
die Besatzungskosten zu reduzieren, während sie die Kontrolle
der reichen Ölfelder behalten.
Eine interessante Frage wäre
jetzt, welche amerikanischen Firmen werden am meisten von der
erwarteten 200%ig gesteigerten irakischen Ölproduktion - von
2,1 Millionen bis 6 Millionen Barrels pro Tag - profitieren?
Zweitens: obwohl Israel nicht
das erste Land war, das Wahlen im Zusammenhang mit Besatzung
initiierte, so war es doch das erste, das diese Praxis in der
nach-kolonialen Ära zurückbrachte, um einer verlängerten
Besatzung Legitimität zu geben. Die Bushregierung hat diese
Strategie für nützlich gefunden, da sie gut zu dem neunen
Narrativ einer „ sich ausbreitenden Freiheit“ im Nahen Osten
passt. Da es unmöglich ist, von Freiheit zu reden und
gleichzeitig eine Marionettenregierung einzurichten, bestand
Bush darauf, Wahlen abzuhalten. Der Kern der Sache ist, dass es
nicht das Ziel der Wahlen war, dem irakischen Volk Macht und
Gewalt zu übertragen, vielmehr Legitimation zur fortgesetzten
Kontrolle der Region.
Deshalb geht die augenblickliche
Diskussion unter Liberalen am Wesentlichen vorbei, wenn es darum
geht, in wie weit die Wahlen im Irak dem minimalen Verfahren
entsprachen, die einen fairen demokratischen Prozess sicher
stellen. Selbst wenn der frühere Präsident Jimmy Carter selbst
das ganze Wahlprozedere anerkannt hat, so würden die Iraker
selbst z.B. nichts zu sagen haben, wenn es um die Verlegung der
ausländischen Truppen in ihrem eigenen Land geht. Die neue
„demokratische Regierung“ im Irak wurde auf jeden Fall
geschaffen, um die lokale Bevölkerung zu verwalten, sodass die
wirtschaftliche Elite der Besatzungsmacht sich an der Beute
erfreuen kann.
N. Gordon
ist Dozent an der Fakultät für Politik und Verwaltung an der
Ben-Gurion-Universität
.
(dt. Ellen
Rohlfs) |