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Die Zionistische Revolution ist tot

Eine andere Übersetzung: Eine gescheiterte israelische Gesellschaft stürzt zusammen

Ein früherer Knesset-Sprecher über israelische Illusionen

von Avraham Burg

Yediot Aharonot

Avraham Burg war von 1999 bis 2003 Sprecher der israelischen Knesset. Burg ist ehemaliger Vorsitzender der Jewish Agency for Israel. Derzeit ist er Knesset-Abgeordneter der Arbeitspartei. Dieses Essay wurde von Burg auf Grundlage seines in der (israelischen Zeitung) Yediot Aharonot abgedruckten Artikels verfasst.

 Die Zionistische Revolution stützte sich von jeher auf zwei Pfeiler: auf den gerechten Weg und eine ethische Führung. Nun funktioniert beides nicht mehr. Heutzutage stützt sich die israelische Nation auf ein Gerüst der Korruption und auf ein Fundament der Ungerechtigkeit und Unterdrückung. So gesehen steht das Ende des Zionistischen Projekts bereits vor der Tür. Gut möglich, dass wir die letzte Zionistische Generation sind. Vielleicht gibt es dann noch einen jüdischen Staat hier - aber er wird anders sein, fremdartig und hässlich. Noch ist Zeit, das Ruder rumzureißen - aber nicht mehr lange. Was wir brauchen, ist eine neue Vision - die Vision einer gerechten Gesellschaft und den politischen Willen, sie auch umzusetzen. Und es ist keine rein inner-israelische Angelegenheit. Auch Juden der Diaspora - für die Israel zentraler Pfeiler ihrer Identität ist -, müssen sich der Sache annehmen und den Mund aufmachen. Denn, wenn der Stützpfeiler kollabiert, fallen auch die oberen Stockwerke in sich zusammen. Eine Opposition existiert nicht, und die Koalition, unter Führung Arik Scharons, nimmt für sich das Schweigerecht in Anspruch. In einer redesüchtigen Nation sind plötzlich alle verstummt, offensichtlich ist alles gesagt.

 Wir leben in einer gewaltigen (aber) gescheiterten Realität. Ja, wir haben die hebräische Sprache zu neuem Leben erweckt, wir haben ein tolles Theater und eine starke Nationalwährung geschaffen. Unser jüdischer Verstand arbeitet schärfer denn je. Wir sind sogar Nasdaq-gehandelt. Aber haben wir deshalb einen Staat gegründet? Das jüdische Volk hat nicht zwei Jahrtausende überlebt, um zum Waffenpionier zu werden, zum Pionier von Computersicherheitsprogrammen u. Anti-Raketen-Raketen. Wir sollten das Licht der Nationen sein - aber damit sind wir gescheitert. Scheint so, als münde der 2000-jährige Kampf für das jüdische Überleben in einen Staat der Siedlungen, der von einer unmoralischen Clique korrupter Gesetzesbrecher regiert wird - taub sowohl gegenüber den Feinden als auch gegenüber den eigenen Bürgern. Ein Staat, in dem es an Gerechtigkeit fehlt, kann nicht überleben. Mehr und mehr Israelis begreifen das, wenn sie ihre Kinder fragen, wo sie in 25 Jahren leben werden. Sind die Kinder ehrlich, sagen sie, sehr zum Schock der Eltern, sie wüssten es nicht. Der Countdown läuft - der Countdown zum Ende der israelischen Gesellschaft.

Es ist sehr angenehm, Zionist zu sein und in einer Westbank-Siedlung wie Beit El oder Ofra zu leben. Die biblische Landschaft ist bezaubernd. Durch das Fenster sieht man auf die Geranien und die Bougainvillea (Kletterstrauch) und kann die Okkupation ignorieren. Jemand der auf der rasanten Schnellstraße von Ramot (am nördlichen Rand Jerusalems) nach Gilo (südlicher Rand Jerusalems) fährt - ein 12-Minuten-Trip, keine halbe Meile westlich der Straßenblockaden für Palästinenser - der wird kaum begreifen, welche demütigende Erfahrung einer dieser verhassten Araber macht, wenn er (im Auto) stundenlang über blockierte, pockennarbige Straßen kriecht - auf Straßen, die ihm zugewiesen sind. Es gibt Straßen für Besatzer und Straßen für Besatzte. Aber das kann nicht funktionieren - nicht einmal, wenn die Araber sich ducken und Wut und Schande für immer schlucken. Es funktioniert nicht. Eine Struktur, die auf menschliche Gleichgültigkeit aufgebaut ist, wird unverweigerlich in sich zusammenbrechen.

Merkt euch diesen entscheidenden Moment gut: die Überstruktur des Zionismus ist schon am Kollabieren - sie fällt in sich zusammen wie ein billiger Jerusalemer Hochzeitssaal. Und nur Verrückte tanzen im Obergeschoss weiter, während unten die Pfeiler zusammenstürzen. Wir haben uns daran gewöhnt, das Leid der Frauen an den Straßensperren zu ignorieren. Wundern wir uns also nicht, dass wir auch die Schreie der misshandelten Frau in unserer Nachbarschaft überhören oder den Kampf der alleinstehenden Mutter, die versucht, ihre Kinder mit Würde großzuziehen. Wir machen uns ja noch nicht mal die Mühe, all die Frauen zu zählen, die von ihren Ehemännern ermordet werden. Israel interessiert sich nicht mehr für die Kinder der Palästinenser. Es sollte sich also nicht wundern, wenn sie von Hass durchdrungen zu uns kommen und sich in den Zentren des israelischen Eskapismus in die Luft sprengen. Sie geben sich an den Orten unserer Rekreation in Allahs Hand, denn ihr eigenes Leben ist eine Qual. In unseren Restaurants vergießen sie ihr Blut, um uns den Appetit zu verderben. Ihre Eltern und Kinder zu Hause sind hungrig und entwürdigt. Wir könnten jeden Tag tausende Rädelsführer und Ingenieure töten, ohne dass sich etwas ändert. Denn die Führung wächst von unten herauf - aus den Quellen der Wut und des Hasses, der “Infrastruktur” der Ungerechtigkeit und der moralischen Korruptheit. Ich würde schweigen, wäre dies alles wirklich unausweichlich, gottgewollt u. unabänderlich. Aber es ginge auch anders. Der Aufschrei wird zum moralischen Imperativ. Diese Worte sollte der (israelische) Premierminister an sein Volk richten:

"Die Zeit der Illusionen ist vorbei. Jetzt ist Zeit für Entschlüsse. Natürlich lieben wir das ganze Land unserer Vorväter. Und in einer anderen Zeit würden wir es vorziehen, allein darin zu leben. Aber das wird nun einmal nicht geschehen. Auch die Araber haben Träume und Bedürfnisse. Zwischen Jordan und Mittelmeer existiert keine klare jüdische Mehrheit mehr. Daher, meine Mitbürger, können wir nicht alles für uns behalten - oder wir müssen den Preis zahlen. Wir können die palästinensische Mehrheit nicht unter dem israelischen Stiefel halten und gleichzeitig glauben, wir seien die einzige Demokratie im Nahen Osten. Es gibt keine Demokratie ohne gleiche Rechte für alle Menschen, die hier leben - Araber wie Juden. Wir können nicht die Territorien behalten und gleichzeitig unsere jüdische Mehrheit behalten - im einzigen Staat, den die Juden auf der Welt haben -, nicht, wenn wir menschliche Mittel einsetzen, moralische Mittel, jüdische Mittel. Oder wollt ihr Großisrael?

Kein Problem, dann muss die Demokratie weg und wir institutionalisieren ein effizientes Rassentrennungs-System - mit Gefängnislagern und Gefängnisdörfern: Qalqilya-Getto, Dschenin-Gulag. Ihr wollt eine jüdische Mehrheit? Auch kein Problem. Dann steckt die Araber in Züge, Busse, setzt sie von mir aus auf Kamele und Esel und schmeißt sie massenhaft raus. Oder - wir separieren uns konsequent von ihnen und zwar ohne Tricks und Kniffe. Es gibt keinen Mittelweg. Wir müssen alle Siedlungen auflösen - alle. Es muss eine international anerkannte Grenze gezogen werden zwischen dem israelischen Nationalstaat und einem palästinensischen Nationalstaat. Das jüdische Rückkehrrecht gilt dann nur noch innerhalb unseres nationalen Gebildes und das palästinensische nur innerhalb der Grenzen des (künftigen) Palästinenserstaats. Ihr wollt Demokratie? Kein Problem. Entweder, ihr gebt die Idee von Großisrael auf - und zwar bis zum letzten Außenposten, bis zur letzten (jüdischen) Siedlung - oder ihr gewährt allen volles Bürgerrecht und das Wahlrecht, auch den Arabern. Die Folge von Letzterem wäre allerdings, dass diejenigen, die keinen Palästinenserstaat neben uns wollen, nun einen in unserer Mitte hätten - via Wahlurne".

Diese Worte sollte ein Premier an unser Volk richten. Die Alternativen sollten klipp und klar sein: jüdischer Rassismus oder Demokratie, Siedlungen oder Hoffnung für beide Völker, falsche Visionen, die zu Stacheldraht, Straßensperren und Selbstmordbombern führen oder eine anerkannte internationale Grenze zwischen zwei Staaten und eine geteilte Hauptstadt Jerusalem. Aber es gibt keinen (solchen) Premierminister in Jerusalem. Jene Krankheit, die am Organismus des Zionismus nagt, hat bereits den Kopf erreicht. David Ben-Gurion hat sich in manchen Dingen geirrt, aber er war geradlinig wie ein Pfeil. Und wenn Menachem Begin sich irrte, standen seine Motive nie in Zweifel. Das hat sich geändert. Umfragen vom letzten Wochenende zeigen, eine Mehrheit der Israelis glaubt nicht an die persönliche Integrität des Premiers - dennoch vertrauen sie seiner politischen Führerschaft. Man könnte sagen, der derzeitige israelische Premierminister vereinigt in sich beide Seiten des Fluchs: Seine persönliche Integrität ist zweifelhaft, seine Nichtbeachtung des Gesetzes offenbar - und das kombiniert (er) mit der Brutalität der Okkupation und dem Niedertrampeln aller Friedenschancen. So sieht unsere Nation aus, so ihre Führerschaft. Der unausweichliche Schluss: die Zionistische Revolution ist tot.

Aber warum verhält sich die Opposition so still? Vielleicht, weil Sommer ist, vielleicht, weil sie müde ist. Vielleicht möchten manche ja auch um jeden Preis selbst in die Regierung - auch wenn der Preis darin besteht, bei dieser kranken Sache mitzumachen. Und während sie zögern, verlieren die Kräfte des Guten ihre Hoffnung. Es ist Zeit für klare Alternativen. Jeder, der es ablehnt, klar Position zu beziehen - schwarz oder weiß - kollaboriert de facto mit dem Niedergang. Es geht nicht mehr um Likud gegen Arbeitspartei, Rechte gegen Linke, es geht um richtig oder falsch, akzeptabel oder inakzeptabel, um Gesetzestreuer oder Gesetzesbrecher. Es geht nicht um politischen Ersatz für die Regierung Scharon, was wir vielmehr brauchen, ist eine Vision der Hoffnung. Wir brauchen eine Alternative zur Destruktion des Zionismus und seiner Werte durch die Tauben, die Stummen und die Gleichgültigen. Auch Israels Freunde im Ausland sollten jetzt ihre Wahl treffen - Juden wie Nichtjuden, Präsidenten und Premierminister, Rabbis und Laien. Sie müssen die Hände ausstrecken und Israel helfen, damit Israel mithilfe der Straßenkarte (Roadmap) den Weg navigiert zu unserem nationalen Ziel: das Licht der Nationen zu sein und eine Friedensgesellschaft, eine Gesellschaft der Gerechtigkeit und der Gleichheit.


/ Quelle ZNet 03.09.2003

 

 

Eine gescheiterte israelische Gesellschaft stürzt zusammen, während ihre Führer schweigen

  Die Zionistische Revolution ist tot

Avraham Burg, 29.8.03

 Die zionistische Revolution hat immer auf zwei Pfeilern geruht: einem gerechten/ geraden Weg und einer ethischen Führung. Keiner von beiden funktioniert mehr. Die heutige israelische Nation stützt sich auf ein Gebilde von Korruption und auf Fundamente der Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Als solche liegt das Ende schon an unserer Türschwelle. Es ist sehr gut möglich, dass unsere Generation die letzte zionistische sein wird. Esmag hier einen jüdischen Staat geben, aber er wird anders sein, ungewohnt und hässlich.

Noch ist Zeit, den Kurs zu ändern, aber nicht mehr lange. Was nötig ist, wäre eine neue Vision einer gerechten Gesellschaft und der politische Wille, sie zu verwirklichen. Dies ist auch nicht nur eine interne israelische Angelegenheit. Die Diasporajuden, für die Israel eine tragende Säule ihrer Identität ist, müssen aufmerksam sein und aussprechen, was wirklich geschieht. Wenn die Säule stürzt, werden die oberen Stockwerke in sich zusammenfallen.

 

Die Opposition existiert nicht, und die Koalition mit Arik Sharon als Führung beansprucht das Recht zu schweigen. In einer Nation von Schwätzern ist plötzlich jeder stumm geworden, weil er nichts mehr zu sagen hat. Wir leben in einer laut donnernd zusammenstürzenden Realität.

Gewiss, wir haben die hebräische Sprache wiederbelebt, ein wunderbares Theater geschaffen und eine starke nationale Währung. Unser jüdischer Verstand ist so scharf wie immer. Wir werden auf dem Nasdaq gehandelt. Ist dies aber der Grund, warum wir einen Staat geschaffen haben? Das jüdische Volk überlebte nicht zwei Jahrtausende, um neuen Waffen, Computer-Sicherheitsprogrammen oder Anti-Raketengeschossen den Weg zu bahnen. Wir sollten ein Licht unter den Völkern sein. Genau hierin haben wir versagt.

 

Es stellt sich heraus, dass der 2000 Jahre dauernde Kampf ums jüdische Überleben auf einen Staat der Siedlungen heruntergekommen ist, der von einer amoralischen Clique korrupter Gesetzesbrecher regiert wird, die sowohl für ihre Bürger als auch ihre Feinde nur taube Ohren haben. Ohne Gerechtigkeit kann ein Staat nicht überleben. Immer mehr Israelis verstehen dies, sobald sie ihre Kinder fragen, wo sie wohl in 25 Jahren zu leben vorhaben. Kinder, die ehrlich zugeben, dass sie dies nicht wüssten, schockieren ihre Eltern. Der Countdown des Endes der israelischen Gesellschaft hat begonnen.

 

Es ist sehr bequem, ein Zionist in einer Westbank-Siedlung wie die in Beth El oder Ofra zu sein. Die biblische Landschaft ist bezaubernd. Aus dem Fenster kann man durch Geranien und Bougainvilleas hindurch nichts von der Besatzung sehen. Wenn man auf den Schnellstraßen fährt, auf denen man von Ramot am nördliche Rand Jerusalems nach Gilo am südlichen Rand in 12 Minuten fährt, kann man kaum die demütigende Erfahrung eines verachteten Arabers verstehen, der stundenlang auf schlechten abgesperrten Straßen entlang kriechen muss, die nur für ihn bestimmt sind. Eine Straße für den Besatzer und eine Straße für den Besetzten.

 

Das geht nicht auf Dauer. Selbst wenn die Araber ihre Köpfe senken und ihre Scham und ihre Wut ständig hinunterschlucken – dies geht nicht auf  Dauer. Eine Gesellschaft, die auf menschlicher Gleichgültigkeit aufgebaut ist, wird unvermeidlich in sich zusammenstürzen. Man merke sich diesen Augenblick sehr wohl: die zionistische Supergesellschaft stürzt schon zusammen wie eine billige Jerusalemer Hochzeitshalle. Nur Wahnsinnige tanzen auf der oberen Etage weiter, während die Pfeiler unten zusammenbrechen.

 

Wir sind damit aufgewachsen und haben uns an das Leiden der Frauen an den Straßensperren. gewöhnt -  kein Wunder, dass wir die Schreie der vergewaltigten Frauen nebenan nicht mehr hören oder den Kampf der allein erziehenden Mutter, die ihre Kinder in Würde erziehen will, wahrnehmen. Wir bemühen uns nicht einmal mehr, die von ihren Männern ermordeten Frauen zu zählen.

Israel, das aufgehört hat, sich um die palästinensischen Kinder zu kümmern, sollte nicht überrascht sein, wenn diese dann voller Hass sich selbst dort in die Luft jagen, wo Israelis der Realität zu entfliehen versuchen. Sie vertrauen sich dort Allah an, wo wir Erholung suchen, weil ihr Leben zur Tortur geworden ist. Sie vergießen ihr Blut in unseren Restaurants, um uns den Appetit zu nehmen, weil sie zu Hause Kinder und Eltern haben, die hungrig und gedemütigt sind.

 

Wir könnten 1000 ihrer Rädelsführer und Ingenieure täglich töten, und nichts wird gelöst werden, weil die Führer von unten kommen, von den Quellen des Hasses und der Wut, aus der Infrastruktur der Ungerechtigkeit und der moralischen Korruption.

Wenn all dies unvermeidlich wäre, etwa göttlich angeordnet und unveränderlich – dann würde ich schweigen. Doch liegen die Dinge anders. Deshalb ist der Aufschrei ein moralischer Imperativ.

 

Hier ist das, was der Ministerpräsident sagen sollte:

Die Zeit der Illusionen ist vorbei. Der Zeitpunkt für Entscheidungen ist gefallen. Wir lieben das ganze Land unserer Vorväter. Wir würden hier gerne alleine leben. Aber das wird so nicht geschehen. Die Araber haben Träume und Bedürfnisse.

Zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer gibt es keine klare Mehrheit mehr. Und deshalb, liebe Mitbürger, ist es nicht möglich, das ganze Land, ohne einen Preis zu bezahlen, zu behalten. Wir können keine palästinensische Mehrheit unter dem israelischen (Besatzungs-) Stiefel halten und gleichzeitig von uns als der einzigen Demokratie im Nahen Osten träumen. Es kann keine Demokratie ohne gleiche Rechte für alle, die hier leben, für Araber genau wie für Juden, geben. Wir können die Gebiete nicht behalten und eine jüdische Mehrheit im einzigen jüdischen Staat der Welt bewahren - nicht mit Mitteln, die menschlich, moralisch und jüdisch sind.

Wollt Ihr ein größeres Israel? Kein Problem. Geben wir die Demokratie auf! Lasst uns ein effektives System von rassistischer Trennung mit Gefängnis- und Verhaftungslagern einrichten. Qalqilia-Ghetto und Gulag Jenin.

Wollt ihr eine jüdische Mehrheit?. Kein Problem. Entweder setzt ihr die Araber in Eisenbahnwaggons, in Busse, auf Kamele und Esel und vertreibt sie en masse. Oder wir trennen uns absolut von ihnen ohne Tricks und Gags. Es gibt keinen Weg dazwischen. Wir müssen alle Siedlungen räumen – alle! – und eine international anerkannte Grenze ziehen zwischen der jüdischen nationalen Heimstätte und der palästinensischen Heimstätte. Das jüdische Rückkehrgesetz gilt innerhalb unserer nationalen Heimstätte, und ihr Rückkehrgesetz gilt nur innerhalb der Grenzen des palästinensischen Staates.

 

Wollt Ihr eine Demokratie? Kein Problem. Entweder gebt Ihr Groß-Israel mit allen Siedlungen und Außenposten auf, oder gebt jedem volle Staatsbürgerschaft und alle Stimmrechte, einschließlich den Arabern. Die Folge davon wird sein, dass diejenigen, die keinen palästinensischen Staat neben uns haben wollen, die werden ihn mitten unter uns haben, via Wahlurne.

Das ist es, was der Ministerpräsident dem Volke sagen sollte. Er sollte die Möglichkeiten der Wahl geradeheraus sagen. Jüdisches Rassenbewusstsein oder Demokratie. Siedlungen oder Hoffnung für beide Völker. Falsche Visionen oder Stacheldraht, Straßensperren und Selbstmordattentäter oder eine international anerkannte Grenze zwischen zwei Staaten und eine geteilte Hauptstadt Jerusalem.

Aber es gibt keinen Ministerpräsidenten in Jerusalem. Die Krankheit, die den Körper des Zionismus angegriffen hat, hat schon den Kopf erreicht. David Ben Gurion irrte manchmal, trotzdem blieb er gerade wie ein Pfeil. Als Menachem Begin unrecht hatte, stellte keiner seine Motive in Frage. Nun nicht mehr. Die öffentliche Volksbefragung von letzter Woche belegte, dass eine Mehrheit der Israelis nicht an die persönliche Integrität des Ministerpräsidenten glaubt – doch vertrauen sie seiner politischen Führung. In anderen Worten verkörpert Israels augenblicklicher Ministerpräsident beide Seiten des Kurses: eine in Verdacht geratene persönliche Moral und offene Missachtung für das Gesetz, verbunden mit der Brutalität der Besatzung und der Zerstörung jeder Friedenschance. Dies ist unsere Nation, dies sind unsere Führer. Die unentrinnbare Folge ist: die zionistische Revolution ist tot.

 

Warum ist dann die Opposition so ruhig? Vielleicht weil Sommer ist oder weil sie erschöpft ist oder weil einige um jeden Preis sich gerne der Regierung anschließen wollen, selbst um des Preises willen, auch von der Krankheit befallen zu werden. Aber während sie zaudern, verliert die Macht des Guten die Hoffnung.

 

Dies ist die Zeit für klare Alternativen. Jeder der dahin neigt, eine klar definierte Position einzunehmen – schwarz oder weiß - arbeitet tatsächlich in Richtung Verfall. Es geht nicht um Labor gegen Likud, nicht um rechts gegen links, sondern um Recht gegen Unrecht, annehmbar gegen unannehmbar. Gesetzestreue gegen Gesetzesbrecher. Was notwendig wäre, ist nicht ein Ersatz für die Sharon-Regierung, sondern eine Vision der Hoffnung, eine Alternative zur Zerstörung des Zionismus und seiner Werte durch Taube, Stumme und Gleichgültige.

 

Israels Freunde im Ausland – jüdische ebenso wie nicht-jüdische, Präsidenten und Ministerpräsidenten, Rabbiner und Laien - sollten wohl überlegt entscheiden. Sie sollten ihren Einfluss ausüben und Israel helfen, die Road Map zu erfüllen als Beitrag unserer nationalen Erfüllung, „ein Licht unter den Völkern“ zu sein und eine Gesellschaft des Friedens, der Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung.

 

Abraham Burg war Israels Knessetpräsident von 1999 – 2003 und ein früherer Vorsitzender der jüdischen Agentur von Israel. Im Augenblick ist er Labormitglied in der Knesset. Dieser Artikel ist ein vom Autor bearbeiteter Artikel, der in Yedioth Aharanot erschien und am 29.8.2003 in Forward

 

Aus dem Hebräischen ins Englische übersetzt: J.J.Goldberg;

aus dem Englischen: Kay Krafczyk und Ellen Rohlfs

 

 

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