Palestine
Update Nr. 42, 8. Mai
„Come and See“ – Wirklichkeit – Und was möchte
Israel verschleiern
Ranjan
Solomon
Meinung
- Israel möchte lieber die grausame Realität des
kolonialistischen Regimes und der schweren
Unterdrückung verschleiern, die es auf Palästina
aufhäuft. Es möchte sich lieber das Bild vom
„Opfer“ zulegen als die Rolle eines „Erzeugers
von Opfern“. Wen wundert’s? Es fürchtet sich vor
den Touristen. Es fürchtet, sie könnten sich
über Szenen ärgern, die sie erst später zu
erklären denken. Israel möchte die Touristen so
haben: als sentimentale Reisende im Heiligen
Land, blind, wenn politische Fakten auftauchen,
aber bewegt, wenn es um abstrakte religiöse
Sachen geht.
Israel
versteckt die hässlichen Wahrheiten.
-
Israel möchte, dass die Welt den verrückten
Trennungswall nicht sieht, die skrupellosen
Hauszerstörungen, die entwürdigenden Zustände in
den Gefängnissen, die vorgeplanten Schäden in
den Ölplantagen und auf dem bäuerlichen Sektor,
die illegalen Siedlungen auf gestohlenem Land,
die Umfahrungsstraßen auf palästinensischem
Land, den systematischen Diebstahl von Wasser,
mit dem sie den opulenten Luxus der illegalen
Siedler ermöglichen. Ganz sicher möchte Israel
nicht, dass Besucher die Gräueltaten sehen, wie
sie in der Belagerung von Gaza zeigen, die akute
Armut durch die Besetzung und Verhinderung einer
Entwicklung. Israel will nicht, dass Besucher
die Kultur der Palästinenser feiern und
bewundern. Sie möchten eher kulturelle
Fortschritte Palästinas leugnen und aus der Welt
schaffen.
Israel möchte
nicht, dass Besucher die Flüchtlingslager sehen,
wo Menschen wohnen, die bereits 1948 während des
Krieges vertrieben wurden, deren Land Israel
sich angeeignet und die Menschen zu hunderten
und tausenden zur Flucht gezwungen hat. Ebenso
wenig möchte Israel, dass Besucher herausfinden,
wie viele historische Plätze es sich von
Palästina angeeignet hat und sie als einen Teil
des geschichtlichen Israel ausgibt – alles wegen
des Tourismus.
Israel würde auch
niemals freiwillig die wahren Tatsachen von
Jerusalem Besuchern zeigen. Lieber wollen sie,
dass die Welt bei dem Glauben bleibt, Jerusalem
gehöre nur ihm allein. Jerusalem für sich zu
beanspruchen ist eines der vielen bösartigen
politischen Ziele. Schließlich ist Jerusalem in
Wirklichkeit der Pilger- und Andachtsort für
Juden, Christen und Muslime – seit biblischen
Zeiten! Die Altstadt beherbergt bedeutende
religiöse Plätze rund um den Tempelberg: die
Mauer im Westen (heilig für Juden), die
Grabeskirche (ein christlicher Pilgerort), der
Felsendom (ein islamischer Schrein aus dem 7.
Jahrhundert mit der goldenen Kuppel). Israel
möchte von den Örtlichkeiten profitieren und sie
sich nach und nach aneignen.
Israel mag nicht,
dass Besucher wissen, wie viele Gefangene es
macht unter fadenscheinigen Vorwänden, nur um
Protest gegen die illegale Besetzung
niederzuhalten. Israel will nicht, dass
Touristen von den Narrativen erfahren, dass
Nacht für Nacht unnötige nächtliche Überfälle
ohne Vorwarnung auf zahlreiche Dörfer erfolgen,
und dass tausende Kinder, Frauen und Männer
(junge und alte) arretiert und inhaftiert werden
ohne triftigen Grund, oder in
Administrationshaft gehalten werden (Man hört,
dass Menschen mehr als ein Jahrzehnt lang
festgehalten werden, ohne ein Verbrechen
begangen zu haben oder einem Verhör unterzogen
wurden).
Israel mag nicht,
dass die Besucher Checkpoints wahrnehmen und die
Art und Weise, wie die Leute durch Soldaten
bedrängt und misshandelt werden, nur in der
Absicht, sie zu demütigen, als wären sie
Rindvieh. Auch kann Israel sich leisten, dass
die Leute bezeugen können, wie die Soldaten
Kinder am Weg zur und von der Schule aufhalten,
wenn sich nicht von neutralen Beobachtern
begleitet werden. Israel muss verzweifelt die
Art und Weise maskieren, wie sie erntereife
Felder und alte Olivenbäume zerstören.
Die
Wahrheit verkleiden - Lieber möchten sie
ihr unmenschliches und rassistisches Verhalten
verkleiden, indem sie die Touristen glauben
machen, dass sie einem gefährlichen und
verdächtigen terroristischen Volk
gegenüberständen. Sie würden nicht wagen, offen
zu sagen: Genug mit der Zweistaatenlösung. Land
für Frieden ist vorüber. Wir wollen keinen
palästinensischen Staat. Löscht die Araber aus
und siedelt sie wo anders an, aber nicht hier.“
Auslöschen ist die schweigende Politik und
Praktik.
Der
Friedensprozess – immer schon fragil – ist jetzt
nur mehr Façade. Die neue Runde von
Friedensverhandlungen zwischen Israelis und
Palästinensern unter Mediation von USA ist
typisch ein Anreiz der nach Neuigkeiten
hungernden gemeinsamen Medien. Aber letztlich
ist die Wahrheit, dass man nach all den Sagern
zurückkommt auf den Anfang. Israel wird noch
mehr Land stehlen, und noch mehr Palästinenser
werden getötet und/oder inhaftiert werden.
Tourismus
behindern, um die Wahrheit zu verstecken
–
Palästinenser schaffen Alternativen - Unvorbereitete
Touristen kommen oft auf einer unschuldigen Tour
in palästinensisches Gebiet und in einen
unvorbereiteten Kontakt mit Palästinensern. Das
führt sie gelegentlich in Begegnungen mit
Menschen, mit Familien, mit NGOs und
Menschenrechtsaktivisten. Von naiven Touristen,
die ins Heilige Land kommen mit keiner
Intention, sich in den politischen Dimensionen
der Besetzung umzuschauen, kann man manchmal
hören: „Ich bin als Tourist gekommen und gehe
heim als Advokat für Gerechtigkeit. Ich habe nie
vorher solche Grausamkeiten gesehen und ich
möchte zuhause die Wahrheit über die Besetzung
erzählen, über die schädigenden Mythen über
Palästinenser und die Fakten der illegalen
Besetzung“. Nun, das erschreckt Israel mehr als
viele andere Dinge. Das bringt sie dazu,
Solidaritätstouristen als Terroristen zu
beschreiben.
Daher hat Israel
jetzt den eher tadelswerten und illegalen Weg
gewählt (nicht, dass Illegalität neu ist im
israelischen politischen Lexikon), diese
Wahrheiten zu vermischen. Israelische Behörden
haben angekündet, dass ab Ende April Reisebüros
Touristen nicht mehr erlauben dürfen, im von
Palästina kontrollierten Teil der Westbank über
Nacht zu bleiben. Inzwischen hat Israel dieses
Order eingefroren. Die Volksbehörde stellte
fest, dass die Art dieser Direktive noch nicht
endgültig sei, und dass sie daher derzeit
eingefroren ist. Jedoch wurde eine Verbreiterung
oder ein Verwerfen der Politik noch nicht
angekündet. Es ist also nicht klar, welche
Behörde für die Durchsetzung verantwortlich ist.
Die Herkunft der Direktive zeigt auf Shin Bet
Beamte des Sicherheitsdienstes, deren Vorwand
ist, dass sich eventuell Terroristen unter den
Touristen befänden. So ist die
Wahrscheinlichkeit, dass der palästinensische
Tourismus bald eingeschränkt wird, ziemlich
groß.
Tourenbetreiber
warnten vor auf Bethlehem gerichteten Tourismus
- Ein
Haaretzbericht (#_edn1) brachte heraus, dass
„etliche israelische Reiseagenturen, die mit
ausländischen Touristen arbeiten, berichteten,
sie hätten kürzlich einen Brief von der
Abteilung für Volk und Einwanderung des
Innenministeriums erhalten, der sie instruierte,
sie hätten sich zu verpflichten – gültig ab 15.
Mai - keine Touristen in die PA (Palestinian
Authority) zu bringen. Das würde bedeuten, dass
Touristen nicht in Bethlehem übernachten
dürfen.“
Nach dem Bericht
der Grenzkontroll-Abteilung der genannten
Abteilung im Innenministerium „muss jedes
Ansuchen für eine Einladung für eine
Touristengruppe nach Israel begleitet sein von
einem Formular, dass die Gruppe nicht auf
palästinensisches Gebiet reisen würde, speziell
nicht in Bethlehem über Nacht bleibt. Der Brief
hält fest, dass Anfragen ohne dieses Formular
nicht behandelt würden“.
Israel weiß, dass
dieser Schritt selbst ein Schritt zu weit ist.
Erstens würde die Anweisung, so sie in Kraft
tritt, die Religionsfreiheit für Christen
weltweit beschränken. Das Heilige Land ist für
Christen heilig, weil es die Wiege ihres
Glaubens ist. Die werden nicht zuschauen, wenn
Israel ihnen das Recht wegschnappt, die
verschiedenen heiligen Stätten im Zusammenhang
mit der Geburt Jesu und dem Wachsen der
Christenheit zu besuchen. Zweitens man würde
ihnen das Recht auf Bewegungsfreiheit wegnehmen,
das ein fundamentales Menschenrecht ist, und es
wäre von Israel sehr frech, sich dem entgegen zu
setzen.
So mag dieser
Schritt eine Form von „Muskel spielen lassen“
sein, eine Drohung für den politischen
Aktivisten und Gruppen, die aus Solidarität nach
Palästina kommen. Bei Israel in seiner
politischen Gefühllosigkeit ist es schwer, sich
richtig einzustellen. Israel könnte glauben, es
könne den Tourismus nach Palästina
neutralisieren, indem es nur israelischen
Reiseführern die Erlaubnis gibt, mit
Sicherheitsschutz die Gebiete zu betreten. Es
gibt zahllose Gruppen aus dem Westen – jüdische
eingeschlossen – die die „realistische Tour“
machen wollen, sich in eine wahrheitsgetreue
Begegnung mit der Besetzung und ihren bösen
Auswirkungen auf die Palästinenser einlassen.
Tourismus
für Gerechtigkeit – wir lassen uns nicht
abhalten
- Diese
Solidaritätsgruppen kann man nicht leicht zum
Schweigen bringen. Sie werden reden, und wenn
man sie nicht lässt, greifen sie zurück auf das
einzige Instrument, das ihnen geblieben ist: Sie
isolieren Israel mit einer aggressiven
BDS-Strategie. Eine solche Bewegung kann sich
schnell verbreiten und weit. Da sind, wie man
sieht, genug Strukturen inneren Drucks in
palästinensischen Gebieten, die gut sind für
internationale Neuigkeiten. Und wenn man etwas
dazutut zur internationalen Zurückweisung des
virtuellen Selbstmordes von Israel, dem selbst
verursachten Boykott, ist es klar, dass Israel
vielleicht gefährlichen Zeiten entgegengeht. Die
Touristen wünschen sich, Palästina mit
palästinensischen Augen sehen. Sie möchten keine
Propaganda-Geschäftstour, wie sie israelische
Tour-Veranstalter anbieten. Ein einflussreicher
Freiwilliger, der amerikanische jüdische Führer
zu einem Aufenthalt mit Palästinensern in
Bethlehem und an andere Orte gebracht hat, hat
in ENCOUNTER (siehe Facebook) Stellungnahmen
aufgenommen. („Encounter“ – Begegnung ist
eine einschlägiges Reiseunternehmen) „Encounter“,
das auch Pensionistengruppen jüdischer
Kommunalbeamten und prominenter Rabbiner führt,
sagt, dass die neuen israelischen Gesetze die
Fähigkeit strangulieren könnten, das Programm
durchzuziehen. „Teilnehmer an unseren Programmen
wollen die Komplexität der derzeitigen Situation
besser verstehen, und tun das mit vollem Ernst;
sie brauchen die Vielfalt der Stimmen, die sie
nicht mehr haben können, wenn es zu diesem
Gesetz kommt“, sagte Yona Shem-Tov, der
Exekutivdirektor der Gruppe. „Meine Hoffnung
ist, dass das Innenministerium ernsthaft nicht
nur die Folgen der Optik eines solchen Gesetzes
bedenkt, sondern auch die sehr realen Kosten für
amerikanische jüdische Führer, die Israel dienen
wollen und seinen Wählern helfen, die vielen
Facetten in der Natur dieses Konflikts besser zu
erfassen.
Hohe
Hürden für Israel, aber kaum ein Fluchtweg
-
Gerechtigkeitstourismus gewinnt gerade Boden als
friedliche Form von internationalem Widerstand.
Gerechtigkeits- oder Alternativtouren sind
wichtig, um Menschen zu einem lebendigen Bild
der palästinensischen Realität zu bringen.
Solche Touren bieten Erfahrungen durch
Information und Lernen, wodurch ihre Wahrnehmung
der Besetzung umfangreicher wird. Wozu sind
Gerechtigkeitstouren eine Alternative? Zu
konventionellen Touren, die aus Fakten,
Anekdoten und „Geschichte leicht“ über Stätten
ohne Zusammenhang für passive Zuhörer bestehen.
Touristen fahren nach Hause mit einer Menge
Fakten, die sie bald vergessen, weil sie in
keinem Zusammenhang stehen und nicht überbaut
werden von einem konzeptuellen Rahmen. Ebenso
problematisch ist es, dass konventionelle Guides
verborgene Ideologien streuen, die die wichtigen
Narrativen oder Geschichten ersetzen sollen.
In einer Welt, wo
der Mainstream und gemeinsam kontrollierte
Medien die Wahrheit über Palästina verbergen,
weil sie im Großen und Ganzen von Zionisten
kontrolliert sind, öffnen soziale Medien neue
Einblicke in die Wahrnehmung der
palästinensischen Realität. Ganz von allein
werden neugierige und verärgerte Reisende
hervorgebracht, die die Wahrheit über Palästina
erforschen und Gerechtigkeit sehen.
Israel wird es
hart finden – wenn nicht unmöglich – die Woge
der Reisenden aufzuhalten ohne ernstlich
bestraft und geächtet zu werden. Wenn es eine
Sache gibt, die Israel aus dem Konzept bringt,
ist es die
kulturelle-akademische-wirtschaftliche
Boykott-Sanktionen- Divestment-Aktion BDS. In
diesem Sinn bietet der Tourismus Hürden, die für
Israel viel zu hoch sind, um sie auf die Länge
wegräumen zu können. Wer weiß …
Kann sein, dass
hier eine Textstelle fehlt.)
Klar, die
internationale Gemeinschaft muss auf die Kairos
Bewegung reagieren (#_edn3) und den Aufruf
„Kommt und seht“ als Vorbedingung,
Friedenstifter und Fackelträger für die
Gerechtigkeit zu werden, sehen. Das wäre eine
Pilgerfahrt für Gerechtigkeit, gesehen mit den
Augen des palästinensischen Volkes, das trotz
des Erleidens jahrzehntelanger Besetzung und
Enteignung seine Würde, seinen Glauben und seine
Fähigkeit zur Hoffnung erhalten hat. In der
letzten Analyse werden es die Stimmen jener
sein, die Zeugnis geben können über die Irrwege
der Besetzung, die die Wahrnehmung verändern und
mit ihren Stimmen und Aktionen für Gerechtigkeit
eintreten. - In Solidarität Ranjan
Solomon, Redakteur -
Quelle
Quelle
(Übersetzt und
leicht gekürzt: Gerhilde Merz)
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