AUCH WEITERHIN: NUR FÜR
JUDEN
Das "Existenzrecht" Israels anerkennen, heißt praktisch, einem
paranoidem Staatsrassismus huldigen
Von Jonathan Cook*
Das Problem der
palästinensischen Führung bei ihrem Bemühen, Millionen Menschen
in den besetzten Gebieten ein wenig Erleichterung von ihrem
kollektiven Leiden zu verschaffen, ist Sache einiger weniger
Worten. Etwa so, wie wenn ein unartiges Kind nur
„Entschuldigung" zu sagen braucht, um nicht länger Stubenarrest
zu haben, muss auch die Hamas-Regierung nur sagen: „Wir erkennen
Israel an", und schon ergießt sich angeblich über die West Bank
und Gaza eine Flut von Hilfe und internationalem Goodwill.
Das, jedenfalls, war die
Kernaussage der Rede des israelischen Premierministers Ehud
Olmert bei seinem jüngsten Besuch im Negev, als er den Eindruck
erweckte, dass die Hand seines Landes über den Wüstensand hinweg
zu den Hunger leidenden Massen Gazas ausgestreckt bleibt, ja
wenn Hamas nur bereuen würde. „Erkennt uns an, und wir sind
bereit, über Frieden zu reden", sollte damit gesagt sein.
Das palästinensische Volk
wurde in der Tat schwer dafür bestraft, Anfang des Jahres seine
demokratische Entscheidung getroffen und eine Hamas-Regierung
gewählt zu haben, die von Israel und den Westmächten missbilligt
wird. Eine Wirtschaftsblockade wurde verhängt, die der
Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) die Einnahmen
vorenthielt, die sie zur Bezahlung von Dienstleistungen und für
die Besoldung ihrer zahlreichen Beschäftigten braucht.
Steuergelder in Millionenhöhe wurden den Palästinensern von
Israel vorenthalten, was zu einer weiteren Verschärfung der
humanitären Krise führte. Die von Israel über Gaza verhängte
physische Blockade hat die Palästinenser gehindert, ihre
Produkte, meist verderbliche landwirtschaftliche Güter zu
exportieren und Güter der Grundversorgung wie Nahrungsmittel und
Medikamente einzuführen. Israelische Militärschläge haben die
lebenswichtige Infrastruktur von Gaza schwer beschädigt,
darunter die
Strom- und
Wasserversorgung, wobei wahllos Zivilpersonen getötet wurden.
Und Tausende Familien werden auseinander gerissen, weil Israel
seinen Streit mit Hamas zum Vorwand nimmt, die Erteilung von
Visa an Palästinensern mit ausländischen Pässen auszusetzen.
Die magischen Worte "Wir
erkennen Euch an" könnten all diese Leiden beenden. Warum sie
also nicht aussprechen? Ist Hamas dermaßen von Hass auf Israel
als jüdischer Staat erfüllt, dass es eine so einfache Erklärung
des guten Willens nicht abgeben kann? Ist die Verstocktheit der
Palästinenser nicht Beweis genug, dass sie immer noch die Juden
ins Meer treiben wollen?
Leicht vergisst man, dass
die Probleme der Palästinenser, obgleich sich die Bedingungen in
letzter Zeit dramatisch verschlechtert haben, nicht mit der Wahl
von Hamas angefangen haben. Die israelische Besatzung besteht
seit vier Jahrzehnten, und kein palästinensischer Führer ist je
in der Lage gewesen, Israel für die Palästinenser das
Versprechen einer realen Staatlichkeit in den besetzten Gebieten
zu entlocken: weder die Mukhtar, die weitgehend willfährigen
Gemeindevorsteher, die Jahrzehnte lang die einzigen Vertreter
waren, denen gestattet wurde für die Palästinenser zu sprechen,
nachdem ihre nationale Führung vertrieben worden war; noch die
palästinensische Autonomiebehörde unter der säkularen Führung
von Yasser Arafat, der Mitte der 90er Jahre in die besetzten
Gebiete zurückkehrte, nachdem die Palästinensische
Befreiungsorganisation PLO Israel anerkannt hatte; noch die
Führung unter seinem Nachfolger Mahmoud Abbas, dem „Gemäßigten",
der zunächst zur Beendigung der Intifada aufrief; noch jetzt die
Führer der Hamas, obgleich sie wiederholt eine langfristige
Waffenruhe (Hudna) als erste vertrauensbildende Maßnahme
gefordert haben.
Dementsprechend zweifeln
wenige Palästinenser daran, dass Israel auch in Zukunft die
Besatzung weiter verfestigen wird - ganz so wie in den Jahren
von „Oslo", als sich während des angeblichen Friedensprozesses
die Zahl der jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten
verdoppelte - , selbst wenn die Hamas-Regierung gestürzt wird,
und eine Regierung der nationalen Einheit, der Technokraten oder
auch der Fatah an ihre Stelle tritt.
Für Israel steht bei
diesem kleinen Zugeständnis von Hamas weit mehr auf dem Spiel,
als die meisten Beobachter abzuschätzen vermögen. Eine
Erklärung, die besagt, dass Hamas Israel anerkennt, würde
weitaus mehr bewirken als nur die Vorbedingungen Israels für
Gespräche zu erfüllen; sie würde bedeuten, dass Hamas in
dieselbe Falle läuft, die man seinerzeit Arafat und Fatah
gestellt hat. Diese Falle ist dazu eingerichtet, jede friedliche
Lösung des Konflikts mit Sicherheit unmöglich zu machen.
Dieser Zweck wird auf zwei
Wegen erreicht.
Erstens, würde die
Anerkennung des „Existenzrechts" Israels durch Hamas, wie
inzwischen zumindest von jenen begriffen wird, die das Geschehen
aufmerksam verfolgen, effektiv bedeuten, dass die
palästinensische Regierung öffentlich ihr eigenes Ziel aufgibt,
für die Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates
zu kämpfen.
Und zwar deshalb, weil
Israel sich weigert, seine eigenen künftigen Grenzen
festzulegen, und die Frage offen lässt, worin denn der Umfang
seiner staatlichen „Existenz" besteht, deren Anerkennung es von
Hamas verlangt. Wie man weiß, spricht niemand in der
israelischen Führung von der Rückkehr zu den Grenzen vor dem
Krieg von 1967 oder von irgend etwas, was dem nahe kommt.
Ohne die Rückkehr zu den
Grenzen von 1967 (plus einem erheblichen Schuss guten Willens
von Seiten Israels bei der Gewährung ungehinderter
Verbindungswege zwischen Gaza und der West Bank) keine
Möglichkeit, einen lebensfähigen palästinensischen Staat
entstehen zu lassen.
Guter Wille allerdings ist
nirgends in Sicht. Jeder führende israelische Politiker hat es
abgelehnt, die Palästinenser anzuerkennen, zuerst als Volk und
nun als Nation. Und in der für den Westen typischen
heuchlerischen Art im Umgang mit den Palästinensern hat niemand
je angeregt, dass Israel sich zu einer solchen Anerkennung
verpflichtet.
Tatsächlich haben
israelische Regierungen mit ihrer Weigerung aufgetrumpft, den
Palästinensern dieselbe Anerkennung zu gewähren, die sie von
ihnen verlangen. Berühmt ist der Ausspruch von Golda Meir, einer
Premierministerin der Arbeitspartei, dass es Palästinenser gar
nicht gäbe, worauf sie 1971 hinzufügte, dass Israels „Grenzen
dadurch bestimmt werden, wo Juden leben, nicht wo es auf der
Landkarte eine Linie gibt." Gleichzeitig ordnete sie an, die
Grüne Linie, die Grenze Israels bis zum Krieg 1967, aus
offiziellen Landkarten zu entfernen.
Diese Hinterlassenschaft
machte letzte Woche Schlagzeilen, als Erziehungsministerin Yuli
Tamir, eine „Taube", einen Sturm der Entrüstung auslöste, weil
sie eine Direktive erlassen hatte, mit der die Grüne Linie
wieder in israelischen Schulbüchern eingeführt werden soll. Es
gab vielerorts Proteste von Politikern und Rabbinern gegen ihre
„linksextreme Ideologie", und viele Schulen erklärten, sie
würden dem nicht Folge leisten.
Israelischen Lehrern
zufolge stehen die Chancen gleich Null, dass in Lehrbüchern die
Grüne Linie wieder erscheint - oder die Bezeichnungen „Judea und
Samaria", die biblischen Namen für die West Bank, sowie
Eintragungen arabischer Städte auf Karten von Israel fallen
gelassen werden.
Mit Gespür für den
Schaden, den der Streit dem internationalen Image Israels
zufügen könnte, und in dem Bewusstsein, dass Frau Tamirs
Verordnung wahrscheinlich niemals umgesetzt wird, stimmte
Premierminister Olmert der Änderung zu. „Es gibt nichts daran
auszusetzen, die Grüne Linie zu markieren," sagte er und mit
einer Aussage, die seine Zustimmung inhaltlich völlig aushöhlte,
ergänzte er: „Aber es gibt eine Verpflichtung zu betonen, dass
die Position der Regierung und der öffentliche Konsens die
Rückkehr zu den Grenzlinien von 1967 ausschließen."
Das zweite Element, das
diese Falle ausmacht, wird weitaus weniger verstanden. Es
erklärt die seltsame Formulierung der Worte, die Israel bei
seiner Forderung an Hamas verwendet. Israel verlangt nicht
einfach „Israel anzuerkennen" sondern „Israels Existenzrecht
anzuerkennen". Der Unterschied ist nicht einfach eine Sache der
Semantik.
Das Konzept eines Staates,
der irgendwelche Rechte hat, ist nicht nur eigenartig sondern
völkerrechtsfremd. Menschen haben Rechte, nicht Staaten. Und das
ist genau der Punkt: Wenn Israel verlangt, dass sein
„Existenzrecht" anerkannt wird, heißt dies im Klartext, dass bei
der Forderung nach Anerkennung Israels nicht von einem normalen
Nationalstaat die Rede ist sondern von dem Staat eines
bestimmten Volkes, dem Staat der Juden.
Mit der Forderung nach
Anerkennung seines Existenzrechts erreicht Israel von den
Palästinensern die Anerkennung des quasi in Stein gemeißelten
Charakters Israels als ausschließlich jüdischer Staat, der die
Privilegien der Juden allen anderen ethnischen, religiösen und
nationalen Gruppen innerhalb desselben Staatsgebietes
überordnet. Die Frage, welche Konsequenzen ein solcher Staat
nach sich zieht, wird sowohl von Israel wie auch im Westen
einfach übergangen.
Für die meisten Beobachter
bedeutet dies einfach, dass Israel die Rückkehr der Millionen
von palästinensischen Flüchtlingen ablehnen muss, die in der
ganzen Region in Flüchtlingslagern schmachten, deren frühere
Behausungen in Israel inzwischen zu Gunsten von Juden enteignet
wurden. Würde ihnen erlaubt zurückzukehren, würde Israels
jüdische Mehrheit über Nacht dahinschwinden, und es könnte nicht
länger behaupten, ein jüdischer Staat zu sein, es sei denn in
dem Sinne, wie das Südafrika der Apartheid behauptete, eine
weißer Staat zu sein.
Diese Schlussfolgerung
wird offenbar von Romano Prodi, dem italienischen
Premierminister, akzeptiert, nachdem die telegene
Außenministerin Israels, Tzipi Livni, eine Werbetour durch
westeuropäische Hauptstädte absolvierte. Laut Jerusalem Post
soll Prodi unter vier Augen erklären, dass Israel von den
Palästinensern Garantien erhalten sollte, dass sein jüdischer
Charakter niemals in Frage stellt werden wird.
Vertreter Israels
bejubeln, was sie für ein erstes Einbrechen der europäischen
Unterstützung des internationalen Rechts und der Rechte der
palästinensischen Flüchtlinge halten. „Es ist wichtig, jeden in
dieser Sache auf dieselbe Haltung festzulegen," erklärte ein
Vertreter Israels gegenüber der Jerusalem Post.
Aber in Wahrheit greifen
die Konsequenzen einer Anerkennung Israels als eines jüdischen
Staates durch die palästinensische Führung viel tiefer als die
Frage der Zukunft der palästinensischen Flüchtlinge. In meinem
Buch „Blut und Religion" erläutere ich die grausamen Folgen
sowohl für die Palästinenser in den besetzten Gebieten wie für
die etwa eine Million Palästinenser, die in Israel als
israelische Staatsbürger angeblich mit denselben Rechten wie
jüdische Staatsbürger leben.
Mein Argument ist, dass
dieses Bedürfnis, den jüdischen Charakter Israels um jeden Preis
aufrecht zu erhalten, der eigentliche Grund für den Konflikt
Israels mit den Palästinensern ist. Keinerlei Lösung ist
erreichbar, so lange Israel auf der gegenüber anderen Gruppen
privilegierenden Staatsbürgerschaft für Juden besteht, sowie
darauf, die territorialen und geographischen Realitäten der
Region so zu verzerren, dass die Zahlen weiterhin zu Gunsten der
Juden ins Gewicht fallen.
Wenngleich letztlich die
Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge die größte Bedrohung
für Israels „Existenz" darstellt, hat Israel eine weit
dringlichere demographische Sorge: die Weigerung der
Palästinenser in der West Bank, Teile dieses Gebiets zu räumen,
die von Israel begehrt werden (und die es unter den biblischen
Bezeichnungen Judea und Samaria ausweist).
Innerhalb eines Jahrzehnts
werden die Palästinenser der besetzten Gebieten zusammen mit der
eine Million Palästinenser in Israel die Juden in Israel wie in
den jüdischen Siedlungen in der West Bank zahlenmäßig
übertreffen.
Dies war einer der
Hauptgründe für die "Loslösung" von Gaza: Israel konnte
behaupten, dass es bei gleichwohl fortgesetzter militärischer
Besetzung des kleinen Landstreifens dennoch nicht länger für die
dortige Bevölkerung verantwortlich ist. Durch den Rückzug von
ein paar Tausend Siedlern aus dem Gazastreifen wurden 1,4
Millionen Gaza-Bewohner auf einen Schlag vom demographischen
Rechenbrett gestrichen.
Aber obgleich der Verlust
von Gaza die Gefahr einer palästinensischen Mehrheit in dem
erweiterten Staat, den Israel anstrebt, um ein paar Jahre
hinausgeschoben hat, besteht dadurch dennoch keine magische
Garantie für die weitere Existenz Israels als jüdischer Staat.
Daher können Israels palästinensische Staatsbürger, obgleich
eine Minderheit von nicht mehr als einem Fünftel der Bevölkerung
Israels, potentiell das ganze Kartenhaus zum Einsturz bringen.
Während der letzten zehn
Jahre haben sie immer wieder gefordert, dass Israel aus einem
jüdischen Staat, der sie systematisch diskriminiert und ihnen
ihre palästinensische Identität verweigert, in einen „Staat
aller seiner Bürger" reformiert wird, in eine liberale
Demokratie, die allen Bürgern, Juden und Palästinensern gleiche
Rechte gewährt.
Israel erklärt die
Forderung nach einem Staat aller seiner Bürger für Subversion
und Hochverrat, und dies in der klaren Erkenntnis, dass wenn aus
Israel eine liberale Demokratie würde, die Palästinenser
rechtmäßig folgendes fordern könnten: das Recht, Palästinenser
aus den besetzten Gebieten und aus der Diaspora zu heiraten und
ihnen damit die israelische Staatsbürgerschaft zu verschaffen -
„ein Rückkehrrecht durch die Hintertür", wie es bei offiziellen
Vertretern heißt; ferner das Recht, aufgrund eines
Rückkehrprogramms, das nur der schwache Schatten des
existierenden Rückkehrgesetzes wäre, das jedem Juden irgendwo in
der Welt das automatische Recht auf israelische
Staatsbürgerschaft garantiert, im Exil lebende palästinensische
Verwandte in ihre früheren Heimatorte in Israel zurückzuholen.
Um die erstgenannte
Bedrohung abzuwehren, hat Israel 2003 ein offen rassistisches
Gesetz erlassen, das es Palästinensern nahezu unmöglich macht,
ihre palästinensischen Ehepartner nach Israel zu holen. Bis auf
weiteres haben solche Paare kaum eine andere Chance, als im
Ausland Asyl zu suchen, wenn andere Länder ihnen Zuflucht
gewähren.
Aber so wie die Loslösung
aus Gaza ist dieses Stück Gesetzgebung eher eine
Verzögerungstaktik als eine Lösung des Problems der „Existenz"
Israels. So hat Israel insgeheim Ideen entwickelt, die zusammen
genommen darauf hinauslaufen, ein größeres Segment der
palästinensischen Bevölkerung Israels aus seinem Staatsgebiet zu
verlagern und allen verbleibenden „Staatsbürgern" die
politischen Rechte zu entziehen, sofern sie nicht einem
„jüdischen und demokratischen Staat" Treue schwören und damit
auf ihrer Forderung verzichten, dass sich Israel zu einer
liberalen Demokratie reformiert.
Für einen jüdischen Staat
ist ebenso wie für das Süd Afrika der Apartheid die
Geschäftsgrundlage: Wenn wir überleben sollen, müssen wir in der
Lage sein, alles Notwendige tun, um uns an der Macht zu halten,
selbst wenn dies bedeutet, systematisch die Menschenrechte all
jener, über die wir herrschen, zu verletzen, die eben nicht zu
unserer Gruppe gehören.
Wo immer wir anderen
leben, werden wir alle die Folgen davon zu spüren bekommen, dass
Israel die Möglichkeit gegeben wird, weiterhin ein jüdischer
Statt zu sein, und zwar nicht nur wegen der anhaltenden Wut in
der Welt der Araber und Muslime, weil der Westen im Konflikt
zwischen Israel und den Palästinensern mit zweierlei Maß misst.
Infolge der israelischen Einstellung, dass nicht Frieden oder
ein regionaler Ausgleich mit seinen Gegnern vordringlichstes
Interesse ist sondern das Bedürfnis, um jeden Preis eine
jüdische Mehrheit aufrechtzuerhalten, um seine „Existenz" zu
schützen, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Israel in dieser
oder jener Weise agiert, welche die regionale und globale
Stabilität gefährdet.
Das zeigte sich schon als
kleiner Vorgeschmack während des militärischen Aufmarsches gegen
den Irak an der Begeisterung Israels für die bevorstehende
Invasion und bei seinem Anschlag auf den Libanon im letzten
Sommer. Aber am meisten wird dies deutlich, wo es darum geht,
zum Krieg gegen den Iran zu trommeln.
Israel war Vorreiter bei
den Versuchen, das iranische Regime als zutiefst anti-semitisch
zu charakterisieren, und seine angeblichen atomaren Ambition als
allein auf das Wunschziel ausgerichtet darzustellen, „Israel von
der Landkarte auszulöschen" - eine bösartige kalkulierte
Falschübersetzung der Rede des iranischen Präsidenten Mahmoud
Ahmadinejad.
Die meisten Beobachter
haben angenommen, dass Israel ernstlich um Sicherheit vor einem
Atomangriff besorgt ist, wie unwahrscheinlich auch immer die
Idee ist, dass ein muslimisches Regime, und sei es das
fanatischste, unprovoziert Atomraketen gegen ein kleines
Landstück abfeuern wird, das in Jerusalem einige der heiligsten
Stätten des Islam in sich birgt.
In Wahrheit aber gibt es
einen anderen Grund, weshalb Israel wegen eines atomar
bewaffneten Iran besorgt ist, und das hat mit hergebrachten
Vorstellungen von Sicherheit nichts zu tun.
Letzten Monat enthüllte
Ephraim Sneh, einer der hervorragendsten Generäle Israels, ein
ranghohes Mitglied der Arbeitspartei und nun Olmerts
stellvertretender Verteidigungsminister, dass die vorrangige
Sorge der Regierung nicht die Bedrohung durch einen atomaren
Angriff Ahmadinejads auf Israel ist sondern vielmehr die
Wirkung, die der iranische Besitz solcher Waffen auf Juden
ausübt, die davon ausgehen, dass Israel ein Monopol auf atomare
Drohung besitzt.
Falls Iran solche Waffen
erhielte, "würden die meisten Israelis vorziehen, hier nicht zu
leben; die meisten Juden würden vorziehen, nicht mit ihren
Familien hierher zu kommen, und Israelis, die im Ausland leben
könnten, würden das tun….Ich fürchte, dass Ahmadinejad in der
Lage sein wird, den zionistischen Traum zu töten, ohne auf den
Knopf zu drücken. Deshalb müssen wir dieses Regime um jeden
Preis am Erwerb einer atomaren Fähigkeit hindern. "
Mit anderen Worten, die
israelische Regierung zieht entweder einen eigenen
Präventivschlag gegen den Iran oder die Motivierung der USA zu
einem solchen Angriff - ungeachtet der schrecklichen Folgen für
die globale Sicherheit - einfach deshalb in Erwägung, weil ein
atomar gerüsteter Iran Israel zu einem weniger attraktiven Ort
für Juden machen, zu verstärkter Emigration führen und das
demographische Verhältnis zugunsten der Palästinenser
verschieben würde.
Es könnte ein regionaler
oder möglicherweise globaler Krieg entfesselt werden, damit
Israels „Existenz" weiterhin in Gestalt eines Staates
gewährleistet ist, der Juden exklusive Privilegien bietet.
Um unserer aller Wohl
willen müssen wir hoffen, dass die Palästinenser und ihre
Hamas-Regierung weiterhin ablehnen, das „Existenzrecht Israels
anzuerkennen."
Übersetzung aus dem
Englischen: Klaus von Raussendorff
*Der Autor ist Journalist
mit Standquartier in Nazareth. Sein Buch „Blood and Religion:
The Demasking of the Jewish and Democratic State" („Blut und
Religion: Die Demaskierung
des jüdischen und demokratischen Staates") ist bei Pluto Press
erschienen.
Aus Al Ahram No. 824 v.
14. - 20. Dez. 06
http://weekly.ahram.org.eg/2006/824/op12.htm