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MEMRI Special Dispatch –  5. Oktober 2004

Al-Ahram über Otto Schily und die deutsche Haltung gegenüber Muslimen 

 

 

Häufig wurden in den arabischen Medien zuletzt die Folgen des internationalen „Kampfes gegen den Terrorismus“ für Muslime und arabische Immigranten in Europa als Bedrohung für deren politische und soziale Rechte dargestellt. Immer wieder wurde dabei etwa auf die Verschärfungen von Einwanderungs- und sicherheitspolitischen Regelungen in Deutschland und der EU hingewiesen.

Beispielhaft wird dies auch in einem Bericht von Abdel Azim Hammad, Berliner Korrespondent der führenden ägyptischen Tageszeitung Al-Ahram, über die Politik des deutschen Innenministers Otto Schily gegenüber muslimischen und arabischen Einwanderern deutlich. Diese steht für Hammad in direktem Zusammenhang mit den Entwicklungen im Nahen Osten und den Interessen, die dort von Deutschland und Europa verfolgt werden. Der Autor erklärt, dass Schilys Haltung der deutschen Außenpolitik im Nahen Osten widerspreche und kritisiert, dass Schily sich einseitig für Israel einsetze und mit seiner Antiterrorpolitik den Islam sowie alle Araber und Muslime unter Generalverdacht stelle.

 

Der Artikel, der zunächst am 20. September 2004 in der arabischsprachigen Tageszeitung Al-Ahram erschien, wurde am 23. September 2004 in einer leicht veränderten Fassung in der englischsprachigen Wochenzeitung Al-Ahram Weekly unter dem Titel „Guter Bulle, böser Bulle?“ erneut veröffentlicht. Die folgende Übersetzung basiert auf der längeren arabischen Fassung, die unter dem Titel „Das Phänomen Otto Schily in der deutschen Politik“ erschienen ist:

 

„Genauso wie die Muslime und Araber in Deutschland werden sich unsere Leser an viele unfreundliche Erklärungen über den Islam und die Muslime sowie die Araber im Allgemeinen und die Palästinenser im Besonderen vom deutschen Innenminister Otto Schily erinnern. Seine jüngsten Ausführungen in Israel dürften also kaum noch jemanden überraschen. Schily hatte dort die von der rechtsextremen Regierung Ariel Sharons errichtete rassistische Trennungsmauer geradeheraus verteidigt. Zudem sprach er in bewusst verallgemeinernder Form vom Phänomen des islamischen Terrorismus: Dieser sei das größte Problem der zivilisierten Welt.

 

[...] Anlässlich des dritten Jahrestages der Terroranschläge vom 11. September gegen die USA hatte Schily in der vergangenen Woche in Israel an einer Konferenz zum Thema Terrorismus teilgenommen. Wären nicht bereits zahlreiche negative Äußerungen Schilys über den Islam, die Muslime, über die Araber und Palästinenser bekannt, hätte man seine jüngsten Äußerungen als Zugeständnis an Ort und Zeitpunkt [dieser Konferenz] betrachten können.

 

Die [trotzdem zu beobachtende] Verwunderung über das Phänomen Schily rührt daher, dass dieser mit seiner Verteidigung der israelischen Verstöße gegen internationales Recht und der fortwährenden israelischen Aggression gegen das palästinensische Volk in den Augen vieler über die offizielle Position seiner eigenen Regierung hinausgeht. Er nimmt sich darüber hinaus das Recht, in nahezu schamloser Weise nicht über den islamistischen Terror, sondern über den Islam als Religion insgesamt herzufallen.“

 

[Im folgenden wird daran erinnert, dass der deutsche Innenministers „in seiner Jugend“ Anwalt der „wichtigsten deutschen Terroristen“ und selber „linksextrem orientiert“ gewesen ist. Er habe seine politische Karriere als Trotzkist begonnen, sich den Grünen angeschlossen und sei dann „ins Boot der sozialistischen Partei gesprungen“.]

 

„All dies kann geschehen, ohne dass man solche Veränderungen von politischen Einstellungen als opportunistischen Wandel deuten muss. Sie waren wohl Teil einer natürlichen Entwicklung. Trotzdem hängt die Frage, die auch die Deutschen selbst verwundert, mit Schilys Biographie zusammen: Wie kann sich jemand, der wie kein anderer deutscher Politiker die Grausamkeit des deutschen Terrors kennt und weiß, dass politische und wirtschaftliche Gründe in jeder Kultur und in jeder Gesellschaft zum Entstehen und zur Verbreitung von Terrorismus führen können, zu solch einem politischen Demagogen entwickeln? Wie kann er auf der allgemeinen Welle reiten, indem er den Terrorismus mit dem Islam in Verbindung bringt und Muslime und Palästinenser immer wieder angreift?

 

Hier mag die Besonderheit eine Rolle spielen, dass [Schily] mit einer jüdischen Frau verheiratet ist. Aber daran allein ist natürlich nichts auszusetzen. Und all dies reicht nicht aus, um das Phänomen Schily im Rahmen der aktuellen deutschen Politik zu verstehen: [Diese ist davon geprägt], dass das wiedervereinigte Deutschland unter der sozialdemokratisch-grünen Regierungskoalition begonnen hat, sein Dasein als ökonomischer Riese und politischer Zwerg zu überwinden. Deutschland entschied sich, eine größere Rolle in der internationalen Politik einzunehmen, womit [auch] verbunden war, sich für einen gerechten und andauernden Frieden im Nahen Osten - dem nächsten Nachbarn der von Deutschland vor allem zusammen mit Frankreich geführten EU – zu engagieren. Wie kam es also dazu, dass Schily eine dieser Politik widersprechende Haltung einnimmt?

 

Wir werfen dazu einen Blick auf  einige seiner Erklärungen, unter denen sich wie bereits erwähnt feindselige, unkonstruktive und unsachliche Bemerkungen [über Muslime und Araber] befinden.

 

Erstens:

Inmitten des Fiebers, von dem die Welt nach den Anschlägen vom 11. 9. befallen war und die europäischen und amerikanischen Fanatiker der politischen Rechten über die Rückständigkeit des Islam und der Muslime sprachen und Gewalt zu einem natürlichen Teil des Islam erklärten, überraschte Schily alle mit einer merkwürdigen und abwegigen Bemerkung: ‚Wenn die Muslime beweisen wollen, dass sie tolerant sind, müssten sie die Beschreibung ihrer Religion als Häresie akzeptieren können.’ [1] Mit diesem Begriff [der Häresie] ist die Abweichung vom richtigen Glauben gemeint. 

 

Zweitens:

Als der deutsche Innenminister die zunehmende Sympathie in der deutschen Bevölkerung für die Leiden der Palästinenser erkannte und sah, wie sich in den vergangenen zwei Jahren über 100.000 Deutsche den Aufrufen der Friedensorganisationen anschlossen und in zahlreichen deutschen Großstädten an Solidaritätsdemonstrationen mit der palästinensischen Bevölkerung teilnahmen, war es seine eigene Initiative, sich in Frankfurt an die Spitze einer zionistischen Demonstration zu stellen.

 

Drittens:

Vor zwei Jahren hatte der Berliner Innensenator und andere Berliner Behörden ein Projekt der Arabisch-Deutschen Frauenunion genehmigt, die eine große Wohltätigkeitsveranstaltung für palästinensische Waisen veranstalten wollte. Nachdem aber schon alle organisatorischen Vorbereitungen abgeschlossen und alles Nötige bezahlt war, weigerten sich die deutschen Botschaften in den arabischen Hauptstädten, den [...] zu der Veranstaltung eingeladenen Künstlern, die [zur Einreise erforderlichen] Papiere auszuhändigen. Sie erhielten ihre Pässe von den Botschaften erst wieder zurück [..] als sicher war, dass sie auch mit einem Einreisevisum aus einem anderen europäischen Land, welches ihnen nach dem Schengener Abkommen die Einreise nach Deutschland erlaubt hätte, nicht rechtzeitig zur Veranstaltung in Berlin hätten reisen können. Es ist klar, dass die Botschaften ihre Anweisungen vom Innenministerium erhalten hatten.

 

Viertens:

In allen Phasen der Vorbereitung und Diskussion des [neuen] Einwanderungsgesetzes und der Anpassung der strafrechtlichen Regelungen war Schily derjenige, der die härteste Linie gegenüber Arabern und Muslimen anführte. Er war es, der darauf bestand, dass das Gesetz sicherstellte, dass die Sicherheitsbehörden jemanden, der verdächtig wird, mit terroristischen Organisationen in Verbindung zu stehen, ohne Gerichtsurteil ausweisen können.

 

Fünftens:

Das deutsche Innenministerium unterstützte das Projekt, von allen in Deutschland lebenden arabischen und muslimischen Studenten persönliche Daten zu sammeln - unabhängig davon, ob diese eingebürgert waren oder nicht. Die Universitäten protestierten indes und verwiesen darauf, dass sie gegen das Gesetz verstießen, wenn sie den Forderungen des Innenministeriums nachkommen würden. Sie erwirkten schließlich ein Urteil, dass die Forderung des Innenministeriums zurückwies.

 

Sechstens:

Die fadenscheinig begründeten Razzien gegen Moscheen gehen weiter. Die letzte – und lächerlichste - dieser Razzien fand in Frankfurt statt, wo man sich auf die Aussagen eines neunjährigen Kindes berief. In keinem dieser Fälle, die [mittlerweile] in die Hunderte gehen, fand die deutsche Polizei etwas Gesagtes, Getanes oder Geschriebenes, das irgendwie gegen ein Gesetz verstoßen würde.

 

Siebtens:

Als der Kapitän eines deutschen Schiffes im Mittelmeer von den italienischen Behörden unter dem Vorwurf festgenommen wurde, [il-]legale Immigranten zu befördern, nutzte der deutsche Innenminister Otto Schily die Gelegenheit: Während sich der Kapitän damit verteidigte, er habe die Menschen [...] vor dem Ertrinken gerettet, trat Schily mit dem Vorschlag an seine europäischen Kollegen heran, in einem nordafrikanischen Land Aufnahmelager für illegale Immigranten zu errichten. Dorthin sollten illegale Einwanderer, die in Europa oder im Mittelmeer aufgefunden würden, abgeschoben werden. Dieser Vorschlag war [für viele] ein solcher Schock, dass ein grüner Parlamentarier davon sprach, dass ihn dies an die nationalsozialistischen Konzentrationslager erinnern würde.

 

Achtens:

Schilys jüngste Verteidigung der von Israel errichteten rassistischen Mauer sieht nur die eine Seite: Schily sieht nichts als den palästinensischen Terrorismus, ohne dass er auch von der Beendigung der Besatzung sprechen würde. Er tut, als ob die Besetzung etwas ganz normales und ein gutes Recht Israels sei, dass es mit allen Mitteln – vom Staatsterrorismus bis hin zur Internierung aller Palästinenser in einem [einzigen] großen Gefängnis - zu verteidigen gelte. Dabei läge die Lösung doch in einer schlichten Beendigung der Besetzung.

 

Genau wie ich werden Sie sich vielleicht noch mehr darüber wundern, dass zu dem Zeitpunkt, als Schily in Herzliya davon sprach, dass Israel das weltweit am stärksten vom Terrorismus betroffene und nicht das einzige Land sei, welches fremde Länder besetzt halte, der ehemalige israelische Außenminister Shlomo Ben-Ami einen Vortrag vor einer Versammlung deutscher Botschafter im Berliner Außenministerium hielt. Darin erklärte Ben-Ami, dass die Trennungsmauer ein offenes Eingeständnis des Scheiterns der Politik der israelischen Rechten darstelle. Die Lösung liege [vielmehr] in einer Beendigung der Besetzung. Ohne diese, so Ben-Ami, seien die Forderungen nach vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen den Palästinensern und Israelis nicht ernst zu nehmen.

 

Schily war, kurz gesagt, israelischer als Shlomo Ben-Ami. Und das ist unverständlich angesichts der neuen deutschen Politik im Nahen Osten, die doch darauf abzielt, sich aus der Gehorsamkeit gegenüber Israel zu lösen und über die ausgleichende Rolle Europas in der Region aktiv auf einen gerechten Frieden hinzuarbeiten.

 

Ist die Position Schilys in der deutschen Politik also letztlich nur mit seiner persönlichen radikalen anti-arabischen und anti-muslimischen Ideologie zu erklären, die sich selbst dann gegen Araber und Muslime richtet, wenn die wie im Fall der Palästinenser wegen der Besatzung im Recht sind - ohne dass damit die Mordanschläge gegen Zivilisten verteidigt werden sollen? Oder gibt es andere Faktoren, die nicht auf die Persönlichkeit Schilys zurückzuführen sind?

 

Es ist nicht auszuschließen, dass wir in der deutschen Politik [gegenwärtig] ein Spiel mit verteilten Rollen erleben. Niemand wäre dabei geeigneter als Schily, die Rolle des Hüters der israelischen und zionistischen Interessen in Deutschland zu übernehmen. Als Innenminister und angesichts der Bedeutung des durch den Terrorismus in den Vordergrund getretenen Themas Sicherheit ist es nahe liegend, dass Schily [...] dieses Thema angeht. Und da das Phänomen des Terrorismus heute islamisch besetzt ist, attackiert Schily die Islamisten und mit ihnen manchmal auch den Islam selbst. Dies und Schilys teils ohne jeden konkreten Anlass vorgebrachte Verteidigung Israels, bewahren die Balance, die in Deutschland erforderlich ist, um dem starken zionistischen Einfluss im politischen Leben und in den Medien ausweichen zu können. Denn dies erleichtert es dem Duo Schröder-Fischer, eine ausgewogenere Diplomatie für einen Frieden im Nahen Osten zu verfolgen und sich für eine Rolle Deutschlands und Europas in diesem Prozess einzusetzen.

 

Das Prinzip der Ausgewogenheit zwischen Arabern und Israel ist ein alter Grundsatz der deutschen Politik, der in jeweils spezifischer Weise umgesetzt wurde. Bis heute begründet der Grundsatz die der arabischen Seite gewährte technologische und finanzielle Unterstützung, während Israel militärische Unterstützung erhält. In der Vergangenheit erforderte es der Anspruch der Ausgewogenheit, dass sich Deutschland in der Nahost-Diplomatie ‚neutral’ verhalten musste. In Wirklichkeit aber war die deutsche Politik niemals neutral, denn im Namen eben dieser Ausgewogenheit verhinderte Deutschland jeden europäischen Beschluss, der nicht von Israel im Vorfeld gut geheißen wurde.

 

Im aktuellen Kontext bedeutet Ausgewogenheit die Übernahme einer Rolle, die Deutschland von Seiten Israels und der Palästinenser im Namen Europas zur Belebung des Friedensprozesses zugesprochen wird. Kritik an der palästinensischen Seite ist dabei die Voraussetzung dafür, dass auch an einigen Aspekten israelischer Politik Kritik geäußert werden kann.

 

So kritisierte Fischer [kürzlich] den Verlauf der Trennungsmauer und die fehlende Bereitschaft Scharons, den Abzug aus Gaza als Schritt in Richtung einer umfassenden Lösung im Rahmen der Roadmap zu begreifen. Wird darin die letztendliche und sehr einfache Erklärung für Schilys ganze Polemik deutlich? [2]

 

 

[1] Hier und im Folgenden sind Zitate so wiedergegeben wie sie der Autor des Textes ins Arabische übersetzt hat.

[2] Der letzte Satz fehlt in der arabischen Version. Er wurde hier zum besseren Verständnis aus dem englischen Text ergänzt.

 

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