PAX CHRIST -
ÖSTERREICH
PILGERREISE NACH ISRAEL UND PALÄSTINA
23: BIS 31: August 2008
24.
August 2008 -
Das Flüchtlingslager Dehaishe,
das Zentrum für Konfliktlösung und Versöhnung (CCRR) und
das Dorf Halina
„Willkommen in der
Werkstatt der Zukunft“ wird die Reisegruppe von Pax
Christi Österreich von den MitarbeiterInnen des Zentrums
für Konfliktlösung und Versöhnung empfangen. Man wird
uns beschreiben und zeigen, was für Kinder und Frauen
auch unter diesen Umständen getan werden kann.
Das
Flüchtlingslager
ist eines jener, die schon
seit dem Krieg (der Nakba) 48/49 in der Westbank, im
Gazastreifen, im Libanon existieren. Die Menschen, die
in diesen Lagern leben, wurden aus ihren Dörfern
vertrieben, ihre Wohnstätten konfisziert oder zerstört.
Damals kamen die Ägypter, um den Palästinensern zu
helfen. Am Hang in Bethlehem (Dehaishe heißt „Voll von
Bäumen“) war der Platz, an dem man sich niederließ, und
das Rote Kreuz versorgte die Familien mit Zelten (je
Familie ein Zelt) als Notunterkunft. Im besonders kalten
Winter 1950 starben viele Menschen, vor allem Kinder, in
Kälte und Schnee infolge von Herzproblemen. Das Lager
wurde von der UNO übernommen, und es wurden Häuschen von
3 x 3 m in Containerbauweise hingestellt, was für
Familien mit durchschnittlich 6,3 Personen sehr eng ist.
Zum WC musste man nach außen. Für 28 Familien gab es nur
zwei Klosetts, eines für Männer, eines für Frauen, was
natürlich für lange Warteschlangen besonders am Morgen
führte. Besonders problematisch war das für die Frauen,
denn sie durften nachts nicht aus ihrem Häuschen.
1967 geriet auch das Lager
unter Besatzung von Israel. Dehaishe liegt an der
Straße, die von Jerusalem kommend über Bethlehem nach
Hebron führt. Natürlich ging vom Lager aktiver
Widerstand gegen die Besatzung aus, und so wurde das
Lager durch einen 8 m hohen Zaun abgeriegelt. In den
80erjahren gab es noch 15 Eingänge, später gab es nur
noch einen, und dieser war von der Armee kontrolliert.
In der Umgebung gibt es zwei israelische Militär-camps,
von denen aus die israelischen Soldaten regelmäßig
patrouillieren.
1994 wurde das Gebiet von
der PLO übernommen, der Zaun abgerissen und weniger als
½ km2 von der UNO verwaltet. Im Flüchtlingslager sind 60
% der Bewohner unter 18 Jahre alt, die große Zahl von
Menschen „pickt“ förmlich aufeinander; es gibt keinen
Spielplatz oder andere soziale Einrichtungen. 1500
Schüler sind auf zwei Schulen (eine für Mädchen, eine
für Buben) aufgeteilt. 29 Lehrer sollen die Kinder bis
15 Jahren betreuen. Um Matura zu machen, müssen sie
anderswo hin.
In der Nähe gibt es kein
Krankenhaus, der Arzt hat täglich (6x pro Woche) 280
Patienten zu betreuen. Für eine sichere Behandlung
müssten die Kranken ins Spital; das kostet Geld, das sie
nicht haben. Krankenversorgung gibt es nicht.
Die Arbeitslosigkeit
beträgt 65 – 70 %. Es gibt 72 Berufe, in denen
Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen.
Verglichen mit den
Flüchtlingen in Lagern im Libanon, in Syrien oder in
Jordanien sind diese immer noch gut dran (Nach Shatila
z.B. darf kein Baumaterial eingeführt werden).
Das Recht auf Rückkehr
wurde zwar in Resolution(en) festgeschrieben, diese
werden jedoch nicht eingehalten.
Die
aktuelle Arbeit von CCRR
Carola Becker (Volontärin
aus Deutschland), eine junge Lehrerin und einige junge
MitarbeiterInnen beschreiben ihre Arbeit. Der Leiter,
Noah Salameh ist leider erkrankt und ein Gespräch mit
ihm ist nicht möglich.
Dialogprojekt: Arbeit mit
Jugendlichen und Frauen. Frauen sollen vor allem lernen,
Führungsaufgaben (in der Familie) zu übernehmen. Mütter
(und Väter) lernen so gewaltfreien Umgang mit ihren
Kindern, aggressiven Jugendlichen in den Teens, erhalten
Tipps zur Erhaltung der Gesundheit, alles mit dem
Hintergrund der Enge der Wohnungen.
Jugendliche haben im Lager
keine Möglichkeiten zur Gestaltung der Freizeit. Es
werden daher von CCRR für 8 – 14jährige Sommer-Camps,
Workshops für Zeichnen und Malen, Schulspiel usw.
angeboten. Die 14jährigen werden bereits zur Anleitung
der Jüngeren ausgebildet.
Computer werden als
Lernmittel für die Bildung der Persönlichkeit, für
Friedensarbeit und den Blick in die Welt eingesetzt.
Alles muss mit geringen (finanziellen) Mitteln erreicht
werden, daher sind Volontäre sehr willkommen.
Dialog zwischen Christen,
Juden und Muslimen ist ein Standbein der Arbeit im
Zentrum. Als der Papst (Johannes Paul II) in Jerusalem
zu Gast war, besuchte er auch das Lager und hinterließ
tiefe Eindrücke bei den Menschen (und Schultaschen als
Gastgeschenk).
Für das nächste Jahr ist
ein Sommer-Camp mit Schwerpunkt: gegenseitiges Verstehen
und Kennen lernen zwischen Christen und Muslimen als
Menschen vorgesehen. Gott ist derselbe für Juden,
Christen und Muslime. Alle sind von Gott geliebt. Das
muss den Jugendlichen klar gemacht werden.
Besuch eines Dorfes an der
Green Line (Halina ca. 8000 E)
Der Bürgermeister und
einige Mitarbeiter erzählen und beantworten Anfragen zu
ihrer Lebenswirklichkeit. Vor 1948 betrug der Landbesitz
des Dorfes 1600 ha, heute nur mehr ein Drittel. Die
Besatzung hat das Land enteignet und fünf Siedlungen für
insgesamt 50.000 Personen im Umkreis gebaut. Die Leute,
ursprünglich Bauern (Olivenbäume und Wein) sind heute
unqualifizierte Bauarbeiter, sofern sie überhaupt Arbeit
bekommen. Terror ist nach israelischer Lesart jede Art
von Widerstand und Selbsthilfe (z.B. gegen Korruption).
1954 gab es ein Massaker mit fünf Toten von 200
Einwohnern; die erste Intifada war echter Widerstand des
Volkes gegen die weit überlegene Besatzung. Viele junge
Leute wurden damals verhaftet, sind heute noch im
Gefängnis. Der Bürgermeister war 5 Jahre lang im
Gefängnis auf Anzeige „Widerstandskämpfer“, andere
Dorfbewohner 3 Jahre lang.
Im Dorf sind alle Leute
politisiert: Hamas (20 %), Nationale Front, Mehrheit
Fatah (52 %)
Für eine Verhaftung genügt
es, in Halina zu wohnen, das von Siedlungen umgeben ist.
Es wird Druck gemacht auszuwandern (von den Siedlern und
den israelischen Behörden).
Siedler werfen ihren Müll
auf das Land des Dorfes. „Wir werden uns trotzdem hier
halten, denn nur hier macht unser Leben Sinn. Hier ist
unsere Heimat.“
Auf der Busfahrt unterwegs
zwischen Mauern und Zäunen treffen wir immer wieder auf
die Abzweigungen nach Kfar Etzion (Nord-, Süd- etc.),
Hinweise darauf, wie eine Siedlung sich durch Zubauten
und Landkonfiszierungen immer mehr zu einer Stadt
aufbläht.
5 Schulen für 2000 Knaben
und Mädchen, Koedukation gibt es nicht. Die Schulen sind
sehr schlecht ausgestattet. Viele hochbegabte Schüler
können nicht entsprechend weitergebildet werden. Die
Gemeinde hat keine Möglichkeit zur Förderung, es sei
denn, es kommt Hilfe von außen. Spielplatz für die
Kinder ist die Straße.
Wasser: Die A-Zone steht
theoretisch unter palästinensischer Autorität. Aber das
Grundwasser wird zu den Siedlungen geleitet.
Palästinenser „dürfen“ 10 % des gestohlenen Wassers von
den israelischen Behörden kaufen (4 Schekel pro m3). Es
gibt kaum genug Trinkwasser, aber die Landwirtschaft
braucht Wasser. Für Ortswasserleitung wurde viel
ausgegeben, inzwischen sind Reparaturen unmöglich, es
gibt kein Kanal- und Abwasserprojekt, nur Senkgruben.
Der Bus bringt die
Reisegruppe auf halsbrecherischen Wegen ins Tal zu einer
Wasserquelle, die früher sehr fündig war (Auch ein
Spielplatz wurde dort angelegt), heute kaum mehr als
eine grüne Kloake. Das reichlich zufließende Wasser
wurde wohl von der darüber liegenden Siedlung
abgegraben. In einer Senke hat sich noch Wasser für
üppige Gemüsegärten gehalten...
Krankenversicherung haben
nur Beamte. Im Ort gibt es eine Krankenstation
(ärztliche Praxis), früher eine Außenstelle der Caritas,
aber diese ist schlecht versorgt: keine Geräte,
Instrumente, Medikamente etc. Krankenhaus gibt es nur in
Bethlehem – Viele Leute sind in der langen Wartezeit am
Checkpoint gestorben. Wir haben Ärzte, aber kein Geld,
ein medizinisches Zentrum aufzubauen, 25 Ärzte warten
auf ihr Recht zur Rückkehr. Die EU würde helfen.
Die Mehrheit der
Palästinenser außerhalb von Palästina wollen nach Hause;
das könnte realisiert werden, wenn es zu einer
Zwei-Staaten-Lösung käme. Vielleicht in Zukunft,
politisch findet man vielleicht einen Weg. Vielleicht
könnte wieder an die alten Zeiten angebunden werden:
Juden, die immer hier gelebt haben, sind willkommen,
Religion war nie ein Zeichen für Trennung.
Gerhilde Merz
www.ccrr.info