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25.11.2010
An die Botschaft des Staates Israel -
Auguste-Viktoria-Str. 74 -
14193 Berlin
„Verletzte
israelische Heilige Kühe und tote palästinensische Schafe“
Sehr geehrte Damen und Herren,
von einem Bekannten habe ich erfahren,
dass die Informationsabteilung der Botschaft in ihrem Infobrief vom
19. November 2010 folgendes gemeldet hat: „Palästinensische
Terroristen“ hätten den Süden Israels mit Mörsergranaten und einer
Gradrakete beschossen. Bei diesem Angriff seien „drei Kühe verletzt
und ein Stall beschädigt worden“. Schlimmeres ist Gott sei Dank
offenbar nicht passiert. Ich hoffe, dass es den drei Kühen
inzwischen wieder gut geht, auf dass sie noch viele Jahre einen
fruchtbaren Beitrag zum Aufbau des jüdischen Staates leisten können.
Da das bedauernswerte Schicksal dieser drei Kühe ihnen einen Platz
im Infobrief Ihrer Botschaft verschafft hat, gemeinsam mit einer
Meldung über den israelischen Außenminister Lieberman, muss es sich
bei dem Rindvieh um eine Art „Heilige Kühe Israels“ handeln.
Leider gilt die Sorge der Botschaft
offenbar nicht im gleichen Maß den Schutz befohlenen Haus- oder
Weidetieren der Palästinenser im israelisch besetzten Westjordanland
oder in Gaza, wie folgendes Ereignis deutlich macht, über das Sie
nicht nach meinem Wissen nicht berichtet haben. Am 12. September
diesen Jahres erschossen israelische Soldaten drei Palästinenser im
Gazastreifen, wobei sie auch ihre fürchterlichen Pfeilwaffen („flechettes“)
eingesetzt haben. Die Getöteten waren ein 91-jähriger Schäfer, einer
seiner Enkel und dessen Freund. Damit nicht genug, denn von den 30
Schafen kamen 29 durch den massiven Beschuss der Israelis zu Tode.
Später teilte die israelische Armee mit, dass es sich bei den drei
Palästinensern -entgegen ersten Schutzbehauptungen- nicht um
Terroristen gehandelt habe (dieser Vorwurf fällt sicher auf die
Mords-Soldaten zurück).
Da sich mein Brief an Sie ausnahmsweise
auf das Thema „Israel und die Tiere“ beschränkt, möchte ich einen
weiteren Aspekt dieses Themas ansprechen, über den Sie leider
ebenfalls nicht in Ihrem Infobrief berichtet haben: es geht um die
absichtliche Tötung von mindestens 100.000 Hühnern während des
israelischen Krieges gegen Gaza im Winter 2008/09. Einzelheiten sind
im Bericht der UN-Untersuchungskommission („Goldstone-Bericht“)
nachzulesen. Dort ist zu erfahren, dass die israelische Armee mit
Planierraupen Hühnerfarmen zerstörte, die Hühnerställe niederwalzte
und ausnahmslos alle Tiere vernichtete. Da diese Schand-Arbeit
etliche Stunden in Anspruch nahm, gönnten sich die Fahrer der
Planierraupen Kaffeepausen, bevor sie sich wieder an die Arbeit
machten.
Abschließend möchte ich aus der Meldung
einer US-Nachrichtenagentur zitieren, der zufolge kürzlich ein Mr. McFarland, hochrangiger Mitarbeiter des US-Konsulats, das israelisch
besetzte Jordantal besucht und dort Gespräche mit palästinensischen
Bauern geführt habe. Einer von ihnen berichtete Mr. McFarland, dass
die israelische Polizei ihm eine hohe Geldstrafe auferlegt habe,
weil seine palästinensischen Kühe die Straße überquert hätten.
Die von Vertretern Ihres Staates oft
und zunehmend beklagte „Delegitimierung“ eines Staates wie Israel
vollzieht sich langsam, kaum merklich, aber nachhaltig. Die
geschilderten Fälle aus der Tierwelt sind kleine Beispiele dafür,
wie der Staat Israel unter seiner amtierenden Regierung selbst
ständig daran arbeitet, diesem „Ziel“ näher zu kommen.
Da erfahrungsgemäß die Botschaft des
Staates Israel auf Schreiben, in denen es um Kritik am Verhalten des
Staates geht, nicht antwortet, erlaube ich mir, diesen Brief an
interessierte Leser weiterzuleiten.
Als weiterführende Lektüre zum Thema
„Selbst-Delegitimierung Israels“ empfehle ich die aktuellen Texte
der Jüdin Lillian Rosengarten: „A Jewish Boat-The Story of Irene“
und der israelischen Professoren Carlo Strenger und Menachem
Lorbeerbaum: „Israel must choose between Enlightenment and
Romanticism“, vor wenigen Tagen in Haaretz veröffentlicht.
Mit freundlichen Grüßen, Dieter Neuhaus