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Das muss ja mal gesagt werden
Gerhard Meerpohl
Iran hat seit mehreren Jahrhunderten
keinen Angriffskrieg geführt. Es hat sich allerdings gegen den von
Amerika unterstützten Angriff des Iraq erfolgreich gewehrt.
Israel führte in den letzten siebzig
Jahren acht Kriege, die es selbst auslöste bzw. nicht abzuwenden
versucht hat. Israel hält seit 45 Jahren Palästina besetzt, hat
Teile Palästinas und Syriens völkerrechtswidrig annektiert, setzt
seine Eroberung durch permanente Siedlungstätigkeit fort. Israel hat
bereits nukleare Produktionsstätten in fremden Ländern angegriffen
und zerstört.
Iran ist von Alliierten und Stützpunkten
der U.S.A. umzingelt, die schon Mossadegh stürzten, den Schah
installierten, die möglicherweise besonderes Interesse an der
Kontrolle iranischer und turkmenischer Ölquellen haben....
Israel ist Verbündeter / Speerspitze und
gleichzeitig Dirigent Amerikas.
Iran ist eine der großen Mächte in der
Region, ist aber als schiitisches Land unter sunnitischen Staaten
isoliert. Es besitzt große Ölreservern und strebt danach, seinen
Einfluss auf seine Nachbarn zu vergrösseren.
Israel ist die dritt grösste
Militärmacht weltweit, hat auch die unbestrittene Vormachtstellung
in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik der Region, hat eine
Dominanz, die es zu verteidigen gewillt ist. Auch gegen
heranwachsende Konkurrenten. Es hat die besten Beziehungen zur
Weltmacht U.S.A., genießt deren Protektion.
Iran hat sein Programm zur Nutzung von
Atomenergie zu militärischen Zwecken 2003 gestoppt und nicht wieder
aufgenommen, weil diese Nutzung mit religiösen Forderungen nicht
vereinbar sei. Iran forscht und arbeitet an einem Atomprogramm, das
- so wird versichert – der friedlichen Nutzung dient. Iran ist dem
Vertrag gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen beigetreten, es
wird entsprechend kontrolliert. Heimliche militärische Ambitionen
werden unterstellt, Hinweise darauf / Beweise dafür wurden nicht
gefunden.
Israel besitzt Atombomben seit Langem
und in grosser Zahl. Es ist dem Atomwaffensperrvertrag nicht
beigetreten, lässt keine Kontrollen zu.
Iran hat (noch) keine Träger (Raketen
oder Flugzeuge), die eine Atombombe, wenn es sie gäbe, in ein Ziel
in Israel bringen könnten.
Israel hat U-Boote, Flugzeuge und
Raketen, die Atombomben in iranische Ziele tragen können.
Entsprechende Pläne sind ausgearbeitet. Die Unterstützung durch die
U.S.A. bei einer solchen Aktion wird erwartet.
Iran hat eine grosse Fläche, das
iranische Volk auszulöschen, ist auch mit einer grossen Anzahl von
Atombomben kaum möglich.
Israel hat eine kleine Fläche. Wenige
Bomben würden genügen, grossen Schaden anzurichten. Die arabische
Bevölkerung Israels und der Nachbarländer, deren Schutz Iran
vorgeblich im Sinne hat, wäre durch iranische Bomben in gleichem
Masse betroffen.
Iran könnte eine Atombombe (wenn es eine
hätte) nicht einsetzen, ohne das Risiko, nicht nur von der
israelischen Übermacht, sondern auch von der amerikanischen und
internationalen Militärmaschinerie zermalmt zu werden.
Israel kann einen Angriff mit Atombomben
wagen, mit oder ohne Unterstützung der U.S.A., ohne Gegenmassnahmen
(von einem Tadel abgesehen) der übrigen Staaten fürchten zu müssen.
Iran wird als Bedrohung Israels
gebrandmarkt aufgrund einer einzigen, nachweislich falsch und
sinnentstellend übersetzten Äusserung des iranischen Präsidenten
Mahmud Amadineyad (http://www.sueddeutsche.de/kultur/umstrittenes-zitat-von-ahmadinedschad-der-iranische-schluesselsatz-1.287333
), der nur geringe Befugnisse hat und nur noch etwa ein Jahr im Amt
sein wird. Die iranische Bevölkerung ist bereits gravierenden
Sanktionen unterworfen, diese aussenpolitische Bedrohung stärkt das
Regime gegenüber seinen innenpolitischen Gegnern..
Israel droht seit Langem und andauernd
mit präventiven Angriffen gegen die Atomforschungs-, Anreicherungs-
und Produktionsanlagen, konkrete Pläne sind ausgearbeitet,
entsprechende Übungen durchgeführt worden. Die israelische Regierung
wird durch grosse Teile der israelisch-jüdischen und der
amerikanisch-jüdischen Bevölkerung gestützt.
Also: Eine Bedrohung Israels durch
iranische Atom- oder sonstige Waffen ist – nüchtern betrachtet - zur
Zeit und in absehbarer Zukunft kein realistisches Scenario, auch
eine Vergeltung durch Verbündete in der Region nach einen
israelischen Erstschlag kann angesichts der installierten
Abwehrsysteme nur schwach und unwirksam ausfallen.
Israel ist durch den Iran nicht bedroht,
im Gegenteil: Iran muss sich für durch Israel und Amerika bedroht
halten.
Allerdings: wenn Iran in den Besitz von
Atomwaffen gelangte oder der Fähigkeit, Atomwaffen zu bauen / zu
erwerben oder nur die begründete Vermutung weckte, Atomwaffen und
geeignete Träger bauen oder kaufen zu können, auch dann ist nicht
mit einem Angriff Irans auf Israel zu rechnen, aber dann wäre seine
Reaktion auf einen Angriff nicht leicht zu kalkulieren, ein
Vergeltungsschlag vielleicht nicht aus zu schliessen. Irans
Drohungen mit einer fürchterlichen Revanche nach einem Angriff sind
zur Zeit nichts als Grossmäuligkeit und das Pfeifen im dunklen
Keller.
Der (auch nur vermutete) Besitz von
Atomwaffen ist die einzige Versicherung gegen einen Angriff (siehe
Nordkorea) oder einen Erpressungsversuch mit solcher Drohung.
Israels gefühlte, behauptete Bedrohung
ist so irreal, dass entweder Krankheit, Hysterie, oder Taktik
vermutet werden kann, jeweils einzeln für sich oder in bunter
Kombination.
Krankheit:
Es ist nachvollziehbar, dass Israels (aschkenasische
?) Bevölkerung durch die in der Geschichte erlebten Verfolgungen
(und die Art ihrer Bearbeitung) in einem Masse traumatisiert ist,
dass sein Verfolgungswahn und das daraus erwachsende
Sicherheitsbedürfnis so gross und die Wahrnehmung der Wirklichkeit
so verzerrt sind, dass auch freundlich gemeinte, neutral gestimmte
Worte und Taten stets als feindlich, bedrohlich interpretiert
werden.
Die unterstellten Anfeindungen werden
erlitten und beklagt, „beweisen“ andererseits die Sonderstellung des
jüdischen Volkes.
Der gefühlten Bedrohung entspricht
möglicherweise ein „messianische Sendungsbewusstsein“ bestimmter
Politiker, die als „neuer Moses“ ihr Volk aus der vermeintlichen
Gefahr zu retten sich beauftragt glauben.
Hysterie:
Es ist auch möglich, dass die
Beschwörung einer angeblichen Bedrohung durch die gesamte Umwelt,
besonders durch die „irrsinnigen Ayatollahs“, dazu dient, die
auseinander strebenden Bevölkerungsteile, die auseinander klaffenden
Schichten Israels zusammen zu binden, den schwindenden Zusammenhalt
zwischen Israel und der Diaspora zu kitten, und deshalb die Angst
künstlich immer neu und immer stärker erzeugt werden muss.
Taktik:
Israel wird von vielen Seiten getadelt
und ausgegrenzt wegen seiner Siedlungspolitik, die nichts anders ist
als die Fortsetzung der seit 1947/48 betriebenen scheibchenweisen
Eroberung Palästinas und Vertreibung der einheimischen Bewohner. Der
Wirbel um die angebliche Bedrohung Israels durch die unterstellte
iranische Atombombe und die ständige Ankündigung eines Erstschlags
mit allen befürchteten Folgen für den Weltfrieden ist hervorragend
geeignet, die rechtswidrige Siedlungstätigkeit und die anderen
Massnahmen zur Verdrängung der Palästnenser zu verschleiern und
vergessen zu machen. (Tatsächlich sind im Lamento über Irans Rüstung
und im Wirbel um Grass's Gedicht die unrechtmässige Besiedlung der
Westbank, die zahlreichen Schikanen gegenüber der
arabisch-palästinensischen Bevölkerung, die Gesetzgebung im sich zum
Apartheidstaat entwickelnden Israel völlig übersehen worden.)
Ob eine und welche der Diagnosen in
welchem Masse zutreffend, in welchem Masse ergänzungsbedürftig ist,
wäre zu diskutieren. Wer aber möchte sich anmaßen, den Therapeuten
zu spielen? Jeder Ratschlag von aussen, jeder Druck würde als neue
Böswilligkeit gewertet werden. Der Anstoss zu jeder Besserung müsste
vom Innern der israelischen Gesellschaft kommen, aus einer
Gesellschaft heraus, die sich indoktriniert seiner Überzeugung von
der Feindseligkeit der übrigen Welt ständig neu versichert und die
sich selbst erfüllenden Prophezeiungen stets neu erschafft.
Wer könnte auf diesen Anstoss hoffen?
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