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 März 2004 - Liebe Freunde in Ferne                                                                     
 
 

Ein verzauberter Garten, eine grässliche Mauer, ein zerfetzter Bus
oder es gibt nicht nur eine Wahrheit

 
 
 
Die Aprikosen in Beit Jala sind die besten  in ganz Palästina, und die in meinem Garten schmecken besonders gut. Wenn man in eine reife Frucht hineinbeisst, vergisst man die Welt um sich herum. Dieser Garten ist schon seit vielen Generationen unser Eigentum oder wenn ich die arabische Redeweise benutze, dann sind wir nicht die Eigentümer sondern die Hüter, man hütet das Land für die nächste Generation. Im Sommer sind wir jeden Tag dort. Viele Erinnerungen sind mit ihm verbunden.
 
 
Unser Garten liegt in der C-Zone, dass heißt von Israel kontrolliert, jetzt soll die Mauer uns von unserem Garten trennen. Ich kann es noch gar nicht fassen, oder glauben. Um Bethlehem wird die  Mauer oder teilweise auch ein Sicherheitszaun bald fertig sein.
 
 
Heute sagte Mosche Katzaf, der israelische Staatspräsident: Wir müssen uns mit dem Bau der Mauer beeilen. Zum ersten mal höre ich in diesem Land etwas von beeilen.
 
 
 
Sonst war die Zeit egal, wir haben ja soviel davon. Ob wir uns jetzt noch zwei oder drei Generationen gegenseitig töten, hat nie jemanden wirklich interessiert.
 
 
 
Mit deutschen Freunden und einem deutschen Führerschein versuche ich aus Bethlehem rauszukommen, ich will nach Jerusalem zu unserer,  palästinensischen "Klagemauer".
 
 
Ich hatte bis jetzt noch nicht Gelegenheit gehabt dorthin zu kommen.
 
 
 
Vieles wurde in den letzten Tagen über die Mauer geschrieben. Hundertausende Palästinenser sind von dieser Mauer in ihrem direkten Leben betroffen. Wenn sie  jenseits der Mauer leben, können sie nicht mehr zu ihren Familien, die Schueler nicht zu ihren Schulen, die Studenten nicht zu ihrer Universität und die Kranken nicht ins Krankenhaus - leben sie diesseits der Mauer, verlieren sie ihr Land und ihre Wasserquellen.
 
 
 
Plötzlich und unerwartet steht die Mauer vor mir. Wie eine giftige Schlange schlängelt sie sich zwischen den Häusern und durch die schöne Landschaft. Man muss kein Friedensaktivist, kein Freund der Palästinenser sein um zu sehen und zu spüren, dass diese Mauer ein Verbrechen an der Menschheit ist.
 
 
 
"Welcome to Ghetto Abu Dis"  steht in großen Buchstaben auf dem grauem Zement der Mauer geschrieben. Wenn für mich als Palästinenserin, die in Deutschland aufgewachsen ist, das Wort "Ghetto"  Bilder hervorruft,  wie mag es erst Juden ergehen, die hier stehen würden und diese Beschriftung lesen. Was geht dann in ihrem Kopf vor, denke ich, und werde sehr traurig über die Menschheit, die trotz so viel Leid auf dieser Erde nicht aus ihren Fehlern oder selbst Erlebtem lernt.
 
 
 
Ein Bus steht vor der Mauer. Ich gehe langsam auf ihn zu. Eine leise Vorahnung ergreift mich, es ist der Bus Nummer 14, der am Sonntag am Glockengarten in Jerusalem in die Luft ging. Der Selbstmörder riss sich und noch weitere acht Menschen aus dem Leben. Ich steige ein. Ein Gefühl des Grauens legt sich auf mich, hier ist der Tod gegenwärtig, ich sehe  aufgerissenen Stühle, verbogenes Blech und überall Glassplitter. Einige Blumen, die auf den Sitzen liegen, lösen mich aus meinem Schrecken. Mein Herz krampft sich zusammen. Es gibt nicht nur eine Wahrheit, ist meine Erkenntnis.
 
 
 
Wer wird die Weisheit, den Mut und die Kraft zur Vergebung aufbringen können,
damit das alles ein Ende hat.
 
 
Ich wünschte wir wären es.
 
Salam
Faten Mukarker

 

 

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