Die ethnische Säuberung Palästinas von
1948
Ilan Pappe, Oktober 2006
Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem der ersten
Kapitel eines neuen Buches. Er betont die systematischen
Vorbereitungen, die die Grundlage legten für die Vertreibung von
mehr als 750 000 Palästinensern aus dem Teil, der
1948 Israel
wurde. Während hier der Kontext, die diplomatischen und politischen
Entwicklungen dieser Periode nur skizziert werden, liegt hier die
besondere Betonung auf dem "Dorf-Akte"-Projekt (
1940
47), in dem
systematisch Karten und Informationen über jedes arabisches Dorf
sorgfältig zusammengetragen wurde. Dies geschah von weniger als
einem Dutzend Männer, die von Ben Gurion angeleitet wurden. Danach
wurden eine Reihe militärischer Pläne ausgearbeitet, von denen der
Plan Dalet der bekannteste war und nach dem der Krieg von
1948
ausgefochten wurde. Der Artikel endet mit einem Statement des
Autors: es ist das Ziel seines Buches und die Grundlage seiner
wissenschaftlichen Forschung, das Paradigma des Krieges durch das
der ethnischen Säuberung zu ersetzen. Es geht ihm auch um die
öffentliche Debatte über 1948.
An einem kalten Mittwochnachmittag, am
10. März
1948 arbeitete
eine Gruppe von elf Männern, erfahrenen zionistischen Führern, mit
jungen jüdischen Offizieren an den letzten Punkten eines Planes zur
ethnischen Säuberung Palästinas. Noch am selben Abend gingen
Militärbefehle zu den Militäreinheiten vor Ort, um die systematische
Vertreibung der Palästinenser aus weiten Gebieten des Landes
vorzubereiten. Die Befehle kamen mit detaillierten Beschreibungen
der anzuwendenden Methoden für die zwangsweise Vertreibung des
Volkes: umfassende Einschüchterung; Belagerung und Bombardierung der
Dörfer und der Bevölkerungszentren; Häuser, Hab und Gut in Brand
setzen; Vertreibung der Bewohner, Zerstörung der Häuser und
schließlich Minen in die Ruinen legen, um die Rückkehr der Bewohner
zu verhindern. Jede Einheit bekam eine eigene Liste von Dörfern oder
Stadtteilen, die sie sich nach dem Gesamtplan vornehmen sollte. Der
Decknamen war Plan Dalet. Es war die vierte und letzte Version
ungenauerer Pläne, die sich mit dem Schicksal der einheimischen
Bevölkerung Palästinas befassen sollte. Die vorausgegangenen drei
Pläne drückten sich noch sehr unklar darüber aus, was die
zionistische Führung mit der Präsenz so vieler Palästinenser in dem
Land beabsichtigte, das die jüdische Nationalbewegung für sich
selbst wünschte. Dieser vierte und letzte Entwurf drückte sehr klar
und eindeutig aus: die Palästinenser haben zu verschwinden.
Der Plan, der sich mit den ländlichen und städtischen Gebieten
Palästinas befasste, war die unvermeidliche Folge der zionistisch
ideologischen Kampagne nach einer exklusiv jüdischen Präsenz in
Palästina und eine Antwort auf Entwicklungen vor Ort, die der
britischen Entscheidung im Februar
1947 folgte,
das Mandat über das Land abzugeben und das Problem der UN
zurückzugeben. Zusammenstöße mit lokaler palästinensischer Miliz,
besonders nach der UN-Teilung im November
1947 lieferte
den perfekten Kontext und Vorwand, die ideologische Vision eines
ethnisch gesäuberten Palästina zu erfüllen.
Nachdem der Plan abgeschlossen war, dauerte es noch sechs Monate, um
diese Mission zu erfüllen. Als sie beendet war, war mehr als die
Hälfte der Bevölkerung Palästinas, mehr als
750
000 Menschen
entwurzelt, 531 Dörfer zerstört und elf städtische Bereiche von ihren Bewohnern
"befreit". Der Plan, über den am
10.März
1948
entschieden wurde und der dann systematisch in den folgenden Monaten
ausgeführt wurde, ist ein klarer Fall dessen, was man heute
ethnische Säuberungsoperation nennt.
Definition von ethnischer Säuberung
Ethnische Säuberung wird heute durch das Völkerrecht als ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert; und die dies
ausführen, sind Subjekte einer richterlichen Entscheidung: ein
internationales Sondertribunal wurde in Den Haag errichtet, um die
zu verfolgen, die wegen ethnischer Säuberung im früheren Jugoslawien
angeklagt sind. Ein ähnlicher Gerichtshof wurde in Arusha,
Tansania, errichtet, um sich mit dem Fall Ruanda zu befassen. Die
Wurzeln ethnischer Säuberung sind alt und wurde sicherlich schon in
biblischen Zeiten bis heute praktiziert, einschließlich auf dem
Höhepunkt der Kolonialisierung und während des 2. Weltkrieges durch
die Nazis und ihre Verbündeten. Aber es waren besonders die
Ereignisse im früheren Jugoslawien, die veranlassten, diese
Erscheinung zu definieren. Dies dient weiterhin als Prototyp der
ethnischen Säuberung. Z.B. im Sonderbericht über ethnische Säuberung
in Kosovo definierte das US-Außenministerium den Terminus als "die
systematische und zwangsweise Entfernung von Mitgliedern einer
ethnischen Gruppe aus ihren Gemeinden, um die ethnische
Zusammensetzung einer bestimmten Region zu verändern. Der Bericht
dokumentiert zahlreiche Fälle, einschließlich der Entvölkerung
innerhalb von 24 Stunden in der westlichen Kosovar-Stadt Pec im Frühling
1999, was nur
dadurch erreicht werden kann, dass dies im voraus genau geplant
worden war und eine systematische Exekution folgte. Ein im August
1992 für das US-Senats Komitee für ausländische Beziehungen
vorbereiteter Kongress-Bericht beschrieb den Prozess des
Bevölkerungstransfers: er zielte dahin, die nicht-serbische
Bevölkerung aus großen Gebieten von Bosnien-Herzogewina zu
entfernen". Sie bemerkt, dass die Kampagne ihr Ziel im Wesentlichen
erreicht hat: eine exklusiv serbisch bewohnte Region Šerreicht durch
die zwangsweise Vertreibung der muslimischen Bevölkerung, die die
überwältigende Mehrheit dort war. " Nach diesem Bericht sind die
beiden Hauptelemente der ethnischen Säuberung 1. die willkürliche
Anwendung von Artilleriebeschuss und das Schießen durch
Scharfschützen auf die zivile Bevölkerung in den großen Städten"
und "2. die zwangsweise Entfernung der zivilen Bevölkerung,
verbunden mit der systematischen Zerstörung der Häuser, das Plündern
des privaten Eigentums, Zusammenschlagen, selektives und
willkürliches Töten und Massaker." Ähnliche Beschreibungen werden in
dem UNHCR-Bericht von 1993 gefunden, der nach der UN-Sicherheitsratsresolution vom April
1993 zusammengestellt wurde, die die Verurteilung aller Verletzungen
des Völkerrechts bestätigte, insbesondere die Praxis der "Ethnischen
Säuberung". Indem er den Wunsch eines Staates zeigt, eine einzig
ethnische Herrschaft über ein gemischtes Gebiet auszuüben, die zu
Akten von Vertreibung und Gewalt führen, beschreibt der Bericht den
sich entwickelnden Prozess der ethnischen Säuberung, wo Männer von
den Frauen getrennt und dann verhaftet werden, wo Widerstand zu
Massakern führt und Dörfer in die Luft gesprengt und die
verbleibenden Häuser danach mit einer anderen ethnischen Gruppe neu
bevölkert werden.
Zusätzlich zu den US und der UN haben auch Akademiker das frühere
Jugoslawien als Ausgangspunkt für ihre Studien über dieses Phänomen
genommen. Drazen Petrovic hat eines der umfassendsten Studien über
ethnische Säuberung veröffentlicht, die er folgendermaßen
beschreibt: eine klar definierte Politik einer besonderen
Personengruppe, die systematisch eine andere Gruppe aus einem
bestimmten Gebiet auf Grund der religiösen, ethnischen oder
nationalen Herkunft vernichten will. Solch eine Politik ist mit
Gewalt und militärischen Operationen verbunden. Petrovic verbindet
ethnische Säuberung mit Nationalismus, mit der Schaffung neuer
Nationalstaaten und nationalem Kampf. Er stellt auch die enge
Verbindung zwischen Politikern und der Armee bei der Durchführung
des Verbrechens dar: die politische Führung gibt den Auftrag zur
Ausführung der ethnischen Säuberung an das Militär weiter und
obgleich sie es nicht mit systematischen Plänen ausrüstet oder
explizite Instruktionen liefert, besteht kein Zweifel am
gemeinsamen Ziel.
Diese Beschreibungen spiegeln fast genau das wieder, was in
Palästina 1948 geschehen ist. Der Plan Dalet stellt einen wirklichen "Spielplan"
für die Methoden der ethnischen Säuberung dar, wie sie in den
verschiedenen Berichten über Jugoslawien beschrieben wurden und den
Hintergrund für die Massaker bilden, die die Vertreibungen
begleiteten. Tatsächlich scheint es mir, als ob wir nie von den
Ereignissen im früheren Jugoslawien der
1990er Jahre
gehört hätten. Wir waren uns nur des Falles Palästina bewusst. Man
sollte mir vergeben, wenn mir der Gedanke kommt, dass die Nakba die
Eingebung der obigen Beschreibung und Definitionen fast bis ins
letzte Detail war.
Doch wenn man auf Israels Enteignungen der Palästinenser von
1948 kommt,
gibt es eine tiefe Kluft zwischen der Realität und der Darstellung.
Es ist sehr verwirrend und schwierig zu verstehen, wie Ereignisse
aus unserer Zeit und von vielen ausländischen Reportern und
UN-Beobachtern als Zeugen miterlebt, so systematisch geleugnet und
nicht als historische Tatsache anerkannt werden können, geschweige
denn als Verbrechen anerkannt werden, mit denen man sich politisch
und moralisch aus einander setzen sollte. Nichtsdestoweniger ist die
ethnische Säuberung von 1948 zweifellos das prägendste Ereignis Palästinas in der modernen
Geschichte gewesen, das fast völlig aus dem globalen Gedächtnis
verschwunden und aus dem Weltgewissen gelöscht wurde.
Die Vorbereitung
Selbst wenn bis zu einem gewissen Grad die israelische
Verantwortung für das Verschwinden der Hälfte der arabischen
Bevölkerung anerkannt wird ( die offizielle Regierungsversion weist
weiterhin jede Verantwortung zurück und besteht darauf, dass die
lokale Bevölkerung freiwillig das Land verlassen hat) ist die
Standarderklärung für ihre Flucht, dass sie eine unglückliche, aber
unvermeidliche Nebenfolge des Krieges war. Aber was in Palästina
geschah, war unter keinen Umständen eine unbeabsichtigte Folge, ein
zufälliges Geschehen oder gar ein "Wunder", wie es Israels erster
Präsident Chaim Weitzmann später behauptete. Es war die Folge einer
langen und peinlich genauen Planung.
Das Potential für eine zukünftige jüdische Übernahme des Landes und
die Vertreibung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung ist
in den Schriften der Gründungsväter des Zionismus von Anfang an
gegenwärtig gewesen wie Wissenschaftler später entdeckten. Es war
aber erst in den späten 30ern 20 Jahre nach der Balfour-Erklärung von
1917 durch die
britische Regierung (ein Versprechen, Palästina in eine nationale
Heimstätte für die Juden zu verwandeln - ein Pfand, das in
Großbritanniens Mandat über Palästina
1923 mit
eingeschlossen wurde.), dass die zionistischen Führer damit
begannen, ihre abstrakte Vision einer jüdischen Exklusivität in
konkretere Pläne zu übersetzen. Neue Möglichkeiten wurden 1937 erschlossen, als die
britisch-königliche Peel-Kommission, die Teilung des Landes in zwei
Staaten empfahl. Obwohl das für den jüdischen Staat bestimmte
Gebiet zu klein für die zionistischen Ambitionen ausfiel, antwortete
die Führung positiv, da ihr die Bedeutung einer offiziellen
Anerkennung des Prinzips eines jüdischen Staates wenigstens in einem
Teil Palästinas bewusst war. Einige Jahre später
1942 wurde
eine maximalistische Strategie übernommen, als der zionistische
Führer David Ben Gurion bei einem Treffen im Biltmore-Hotel in New
York Forderungen nach einem jüdischen Reich im ganzen Mandatsgebiet
Palästinas auf den Tisch legte. So änderte sich der von der zion.
Bewegung begehrliche geographische Raum je nach Umständen und
Möglichkeiten, aber das Hauptziel blieb dasselbe: in Palästina einen
rein jüdischen Staat zu schaffen , eine sichere Zufluchtstätte für
Juden und als Wiege für einen neuen jüdischen Nationalismus. Und
dieser Staat sollte nicht nur in seiner soziopolitischen Struktur,
sondern auch in seiner ethnischen Zusammensetzung ausschließlich
jüdisch sein.
Dass den Spitzenführern die Auswirkungen der Exklusivität vollkommen
bewusst war , wurde bei ihren internen Debatten, aus ihren
Tagebüchern und aus ihrer privaten Korrespondenz deutlich. Ben
Gurion schrieb 1937 z.B. in einem Brief an seinen Sohn: "Die Araber werden gehen
müssen, aber man benötigt einen passenden Moment, wie z.B. einen
Krieg, um dies geschehen zu lassen. Ben Gurion hatte - nicht wie die
meisten seiner Kollegen in der zionistischen Führung, die im Stillen
hofften, dass sie durch den Kauf von Land hier und ein paar Häuser
dort, ihr Ziel vor Ort erreichen zu können längst begriffen, dass
dies nicht genug sein wird. Er erkannte früh, dass der jüdische
Staat nur mit Gewalt gewonnen werden konnte, dass es aber notwendig
war, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, bis der geeignete Moment
gekommen war, um sich mit der demographischen Realität vor Ort zu
befassen, mit der Präsenz der nicht-jüdischen einheimischen
Mehrheit.
Die zionistische von Ben Gurion angeführte Bewegung verschwendete
keine Zeit, um sich für die Möglichkeit vorzubereiten, das Land mit
Gewalt zu nehmen, wenn es auf diplomatischem Wege nicht möglich ist.
Diese Vorbereitungen schlossen den Aufbau einer effizienten
militärischen Organisation ein und die Suche nach größeren
finanziellen Ressourcen ( wofür sie die jüdische Diaspora
erschlossen). Auf verschiedene Weise war auch die Schaffung eines
embryonalen diplomatischen Corps ein integraler Teil derselben
allgemeinen Vorbereitungen, die dahin zielten, mit Gewalt einen
Staat in Palästina zu schaffen.
Die hauptsächlich paramilitärische Organisation der jüdischen
Gemeinschaft in Palästina war
1920 aufgebaut worden, vor
allem um jüdische Siedlungen zu verteidigen, die zwischen
palästinensischen Dörfern aufgebaut worden waren. Sympathisierende
britische Offiziere jedoch halfen mit, sie in eine richtige Armee zu
verwandeln, die schließlich in der Lage war, die Pläne des
zionistischen Militärs, die Übernahme Palästinas und die ethnische
Säuberung der einheimischen Bevölkerung zu erfüllen. Es war vor
allem ein Offizier Orde Wingate, der für diese Veränderung
verantwortlich war. Er war es, der den zionistischen Führern voll
bewusst machte, dass die Idee eines jüdischen Staates mit
Militarismus und einer Armee eng verbunden sein muss, nicht nur um
die wachsende Zahl von jüdischen Siedlungen innerhalb Palästinas zu
schützen, sondern auch was auch noch entscheidender war weil
Akte bewaffneter Angriffe eine wirksame Abschreckung gegen
möglichen Widerstand der lokalen Palästinenser war.
1936 mit
Palästina beauftragt, gelang es Wingate auch während des arabischen
Aufstandes ( 1936-39) Haganah-Truppen den britischen Truppen anzugliedern. Auf diese
Weise praktizierten sie Angriffstaktiken, die er ihnen in ländlichen
Gebieten beigebracht hatte, und lernten auch auf wirksamere Weise,
wie "Strafmaßnahmen" gegenüber einem arabischen Dorf aussehen
sollten. Die Haganah machte auch während des 2. Weltkrieges
wertvolle militärische Erfahrungen, nachdem eine Reihe seiner
Mitglieder als Freiwillige in der britischen Armee dienten. Die
anderen, die in Palästina blieben, setzten ihre Arbeit als
Kontrolleure und Infiltranten in den etwa
1200
palästinensischen Dörfern fort, die seit Jahrhunderten dort
bestanden.
Die Dorf-Akten
Beim Angreifen arabischer Dörfer und um Strafmaßnahmen
auszuführen, sammelten die Zionisten Erfahrungen. Aber das war nicht
genug. Es wurde systematische Planung gefordert.
1940 machte ein
bebrillter Historiker der Hebräischen Universität mit Namen Ben-Zion
Luria, damals in der Bildungsabteilung der jüdischen Agentur
beschäftigt, einen bedeutenden Vorschlag. Er wies darauf hin, wie
nützlich es sein würde, ein detailliertes Verzeichnis aller
arabischen Dörfer zu haben und schlug vor, dass der Jüdische
Nationalfund (JNF) solch eine Untersuchung durchführen solle.
"Dies würde sehr der Erlösung des Landes helfen," schrieb er an den
JNF . Er hätte sich an keine bessere Adresse wenden können. Auf
diese Weise wurde der JNF in die vorgesehene ethnische Säuberung
mit eingebunden und erzeugte so einen zusätzlichen Antrieb für den
folgenden Vertreibungsplan.
1901 beim 5. Zionistischen Kongress gegründet, wurde der JNF zum
wichtigsten Handlanger für die Kolonisierung Palästinas. Mit Hilfe
dieser Agentur pflegte die zionistische Bewegung palästinensisches
Land zu kaufen, auf dem sie dann jüdische Immigranten ansiedelte.
Sie wurde zur Speerspitze der Zionisierung Palästinas während der
Mandatsjahre. Von Anfang an war sie dafür bestimmt, der "Wächter"
des Landes zu Gunsten des jüdischen Volkes zu werden, des Landes,
das die Zionisten in Palästina beanspruchten. Der JNF behielt auch
nach der Staatsgründung seine wichtige Rolle und erhielt im Laufe
der Zeit noch zusätzliche Aufträge zu dieser seiner ursprünglichen
Aufgabe.
Trotz seiner größten Bemühungen hat die JNF beim Landerwerb seine
Ziele nicht erreicht. Die finanziellen Mittel waren begrenzt, der
palästinensische Widerstand wurde stärker und die britische Politik
schränkte ein. Das Ergebnis war, dass am Ende des Mandates
1948 die
zionistische Bewegung nicht mehr als 5,8 % des palästinensischen
Landes hatte kaufen können. Deshalb wurde Yussef Weitz, der Chef der
JNF-Siedlungsabteilung und Urtyp der zionistischen Siedler
schwärmerisch, als er von Lurias Dorfakten hörte. Er schlug gleich
vor, dies zu einem "Nationalprojekt" zu machen.
Alle, die sich damit befassten, wurden leidenschaftliche
Unterstützer dieses Gedankens.. Yitzhak Ben-Zwi, einem Historiker
und prominenten Mitglied der zionistischen Führung (Er wurde später
Israels 2. Präsident) schrieb an Moshe Sharett, dem Chef der
politischen Abteilung der jüdischen Agentur ( und später Israels
Ministerpräsident), dass außer den topographischen Berichten über
die Dörfer, das Projekt auch die hebräischen Ursprünge jedes Dorfes
einschließen sollte. Außerdem war es für die Haganah wichtig,
welches der Dörfer verhältnismäßig neu war, da einige erst während
der ägyptischen Besatzung Palästinas nach
1830 gebaut
wurden.
Aber die größten Anstrengungen wurden beim kartographischen
Aufzeichnen der Dörfer gemacht. Und zu diesem Zweck wurde ein
Topographiker der Hebräischen Universität, der mit der
Mandatsregierung arbeitete für das Unternehmen eingestellt. Er
schlug vor, Luftaufnahmen von den Dörfern zu machen und zeigte Ben
Gurion zwei solcher Karten der Dörfer von Sindyana und Sabarin.
(Diese Karten - heute im israelischen Staatsarchiv sind das
einzige, was von diesen Dörfern nach
1948 übrig
geblieben ist.) Die besten Berufsphotographen des Landes wurden dazu
eingeladen, sich an dieser Initiative zu beteiligen. Yitzhak Shefer
aus Tel Aviv und Margot Sadeh (Frau von Yitzhak Sadeh, dem Chef der
Palmach (Kommandoeinheit der Haganah) wurden auch dafür eingestellt.
Das Photolabor operierte in Margots Haus mit einer
Bewässerungskompanie als Deckfirma. Das Labor musste vor den
britischen Behörden versteckt werden, die es sonst als illegalen
Geheimdienst - gegen sie gerichtet - betrachtet hätten. Auch wenn
den Briten das Projekt bekannt war, gelang es ihnen nie, das
versteckte Labor ausfindig zu machen.
1947 wurde die
ganze kartographische Abteilung in das Hauptquartier der Haganah
nach Tel Aviv verlegt.
Das Endergebnis der kombinierten topographischen und
orientalistischen Bemühungen war eine große Akte detaillierter
Dokumente, die nach und nach von jedem palästinensischen Dorf
zusammen gestellt wurde. In den späten
40ern war das
Archiv fast vollkommen fertig. Genaue Details wurden über
Topographie jedes Dorfes gemacht: Zugangsstraßen, Qualität des
Landes, Quellen, Haupteinnahmequellen, seine gesellschaftliche
Zusammensetzung, Religionszugehörigkeit, Name des Bürgermeisters,
seine Beziehungen zu andern Dörfern, das Alter der Männer (
zwischen 16 und 50) und vieles mehr. Eine besondere Spalte war der "Feindseligkeit"
( gegenüber dem zionistischen Projekt) gewidmet und wie weit es an
der arabischen Revolte von 1936-39 teilgenommen hat. Es gab Listen, in denen die genannt werden, die
an dem Aufstand beteiligt waren, und die Familien, die jemanden bei
dem Kampf gegen die Briten verloren hatten. Besondere Aufmerksamkeit
galt denen, die wahrscheinlich einen Juden getötet hatten.
Dass dies nicht mehr nur eine akademische Übung in Geographie war,
war den Haganah-Mitgliedern schnell klar, die damit beauftragt
waren, diese Daten auf "Wiedererkennungs"- Missionen in den Dörfern
zu sammeln. Einer von denen, der sich
1940 einer
solchen Datensammlungsoperation angeschlossen hatte, war Moshe
Pasternak, der sich viele Jahre später daran erinnerte:
"Wir sollten die Grundstruktur des Dorfes studieren d.h. wie es
aufgebaut war und wie man es am besten angreifen kann. In den
Militärschulen wurde mir beigebracht, wie man eine moderne
europäische Stadt einnimmt, aber nicht ein einfaches Dorf im Nahen
Osten. Wir konnten ein arabisches Dorf nicht mit einem polnischen
oder österreichischen vergleichen. Das arabische Dorf war auf Hügeln
gebaut. Wir mussten also herauskriegen, wie man sich ihm am besten
nähert, von oben oder von unten. Wir mussten unsere "Arabisten" (
die mit einem Netzwerk von Kollaborateuren arbeiteten) trainieren,
wie sie am besten mit Informanten arbeiteten."
Tatsächlich wurde in vielen Dorfakten von den Schwierigkeiten
gesprochen, "mit den Informanten" zusammenzuarbeiten und ein System
von Kollaborateuren aufzubauen mit primitiven Leuten, die gern
Kaffee trinken und den Reis mit den Fingern essen. Pasternak
erinnerte sich, dass man trotzdem
1943 das Gefühl
hatte, ein gutes Netz von Informanten vor Ort zu haben. Im selben
Jahr wurden die Dorfakte neu arrangiert; sie wurden noch
systematischer. Das war vor allem die Arbeit eines Mannes, Ezra
Danin, der dann eine führende Rolle bei der ethnischen Säuberung
Palästinas spielte.
Es war die Rekrutierung von Ezra Danin, der aus seinem erfolgreichen
Zitrushaingeschäft herausgeholt wurde, der auf viele Weisen die
Geheimdienstarbeit und die Organisation der Dorfakten auf eine neue
Ebene der Wirksamkeit brachte. Die Akte in der Nach-1943-Ära schlossen für jedes
Dorf detaillierte Beschreibungen über Haustiere, Landwirtschaft, die
Zahl der Bäume, die Qualität jedes Obstbaumhaines, sogar einzelner
Bäume, die durchschnittliche Größe des Landbesitzes, die Anzahl der
Autos, die Namen der Ladenbesitzer, der Arbeiter in den Werkstätten,
die Namen der Handwerker und ihre besonderen Begabungen. Später
kamen noch Einzelheiten über jeden Familienklan und seine politische
Zugehörigkeit, die soziale Schicht, das Verhältnis von Anwälten und
gewöhnlichen Bauern und die Namen der Angestellten in der
Mandatsregierung. ŠUm 1945 beginnen neue Daten bei der Beschreibung der Dörfer zu erscheinen:
Beschreibung der Dorfmoschee, die Namen der Imane Šund sogar genaue
Beschreibungen der Wohnungen von Würdenträgern. Es überrascht
nicht, dass zum Ende des Mandates die Informationen mehr
militärisch orientiert war: wie viele Wächter hat jedes Dorf die
meisten hatten keine die Anzahl und Qualität der Waffen . Meistens
veraltet oder nicht existent.
Danin rekrutierte einen deutschen Juden, Yakob Simoni. Er wurde
später einer der führenden "Orientalisten". Er wurde mit
Sonderprojekten in den Dörfern beauftragt, wie das Überwachen der
Arbeit der Informanten . Einer dieser Informanten mit dem Spitznamen
"Schatzmeister" erwies sich für die Datensammler als besondere
Quelle für Informationen. Er überwachte das Netzwerk der
Kollaborateure bis 1945. Dann wurde er entlarvt und von militanten Palästinensern
umgebracht.
Mit Danin arbeiteten noch Yehoshua Palmon und Tuvia Lishanski, die
eine aktive Rolle bei der Vorbereitung der ethnischen Säuberung von
Palästina spielten. Lishanski war schon in den
40ern eifrig
dabei, Kampagnen von zwangsweiser Vertreibung derjenigen
auszuführen, die noch auf Land lebten, die vom JNF von abwesenden
Großgrundbesitzern gekauft worden war.
Nicht weit entfernt vom Dorf Fureidis und der "alten" jüdischen
Siedlung Zikron Yaakov, wo heute eine Straße die Küstenschnellstraße
mit der durch das Wadi Milk verbindet, liegt ein Jugenddorf,
Shefeya. Hier wurden 1944 Spezialeinheiten vom Dorfaktenprojekt beschäftigt und erhielten ihr
Training. Von hier aus gingen die Einheiten zu ihren besonderen
Einsätzen. Shefeya sieht wie ein Spionendorf im kalten Krieg aus:
Juden liefen hier herum, sprachen arabisch und benahmen sich so, wie
sie glaubten, dass sich Araber vom Lande benehmen. Viele Jahre
später 2002 erinnerte sich einer der ersten Rekruten an diese
Spezialtrainingsbasis und auch an seinen ersten Auftrag im nächsten
Dorf Umm al Zaynat 1944. Er sollte das Dorf überwachen und Einzelheiten über den Wohnsitz
des Bürgermeisters bringen, wo die Moschee steht und wo die reichen
Dorfbewohner leben, die beim Aufstand von
1936-39 aktiv waren usw. Das waren
keine gefährlichen Aufträge, da sie wussten, dass sie traditionelle
arabische Gastfreundschaft ausnützen konnten. Ja sie waren sogar
Gäste beim Bürgermeister selbst. Wenn es ihnen nicht gelang, alle
Daten an einem Tag zu bekommen, baten sie darum, noch einmal kommen
zu dürfen. Beim 2. Besuch mussten sie herausfinden, wie fruchtbar
der Boden ist, was sie anscheinend sehr beeindruckt hat.
1948 wurde Umm
al Zaynat zerstört und alle seine Bewohner ohne jede Provokation von
ihrer Seite vertrieben.
Das letzte Datum in der Dorfakte war von
1947. Es
handelte sich um eine Liste von "gesuchten" Personen in jedem Dorf.
1948 verwendeten jüdische Soldaten diese Listen für die Durchsuchungs-
und Verhaftungsoperationen, die ausgeführt wurden, sobald das Dorf
besetzt worden war. Die Männer mussten sich in einer Reihe
aufstellen und diejenigen, deren Namen auf der Liste standen, wurden
identifiziert oft von derselben Person, die sie informiert hatten.
Nun hatten sie einen Sack über dem Kopf mit zwei Löchern für die
Augen, damit sie nicht erkannt wurden. Die Männer, die herausgepickt
wurden, wurden oft an Ort und Stelle erschossen.
Um auf diese Listen gesetzt zu werden, musste man nicht nur an
Aktionen gegen die Briten und Zionisten teilgenommen haben, sondern
sich auch in der palästinensischen Nationalbewegung, (an der sich
zuweilen ganze Dörfer beteiligten) engagieren und enge Beziehungen
zum Führer der Bewegung Mufti Haj Amin Al-Husayni haben oder mit
seiner politischen Partei verbunden sein. Seit Beginn des
englischen Mandates 1923 hatte der Mufti in der palästinensischen Politik das Sagen und die
wichtigsten Positionen wurden von Mitgliedern seiner Partei im
arabischen "Higher Committee", der embryonalen Regierung der
Palästinenser gehalten. Auch dies wurde als Vergehen betrachtet. Um
auf die Liste zu kommen, gab es noch andere Gründe wie z.B.
Behauptungen, "in den Libanon gereist zu sein", von den Briten
verhaftet gewesen zu sein, oder ein Mitglied des nationalen
Komitees im Dorf. Eine Überprüfung der Akte von
1947 ergab,
dass Dörfer mit etwa 1500 Einwohnern gewöhnlich 20-30 solcher Verdächtiger hatte (z.B. rund um die südlichen Karmelberge
bei Haifa Umm al Zaynat hatte
30 Verdächtige und im nahen
Damum waren es 25.
Yigal Yadin erinnert sich, dass es diese Notizen und die
detaillierten Kenntnisse eines jeden einzelnen palästinensischen
Dorfes waren, die es der zionistischen militärischen Führung
ermöglichte, im November 1947 selbstsicher den Schluss zu ziehen, dass die palästinensischen
Araber niemanden hatten, der sie organisieren konnte". Das einzig
ernsthafte Problem waren die Briten: " wenn die Briten nicht gewesen
wären, hätten wir den arabischen Aufstand - die Opposition gegen
den UN-Teilungsplan von 1947 innerhalb eines Monats unterdrücken können."
Vorbereitung auf den Krieg
Als der 2. Weltkrieg auf das Ende zuging, wurden die Ansichten
der zionistischen Bewegung langsam klarer, wie sie einen Staat
verwirklichen könnten. Zu jener Zeit wurde ihnen klar, dass die
Palästinenser für den zionistischen Plan kein wirkliches Hindernis
darstellen. Sie stellten zwar die überwiegende Mehrheit im Lande
dar und insofern waren sie ein demographisches Problem, aber sie
wurden nicht mehr als militärische Bedrohung empfunden. Dazu kam,
dass die Briten die palästinensische Führung und
Verteidigungsfähigkeit schon
1939 vollkommen zerstört
hatten, als sie den arabischen Aufstand unterdrückten und so der
zionistischen Führung reichlich Zeit ließen, um ihre nächsten
Schritte vorzubereiten. Der zionistischen Führung war sich auch über
die zögerliche Haltung der arabischen Staaten gegenüber der
Palästinafrage insgesamt im klaren. Als die Gefahr einer
Nazi-Invasion gebannt war, wurde ihnen sehr deutlich bewusst, dass
es nur noch ein Hindernis gab, um das ganze Land zu übernehmen, die
britische Präsenz ist.
Solange Groß-Britannien die Festung gegen Nazi-Deutschland halten
musste, war es natürlich unmöglich, Druck auf dieses auszuüben. Aber
mit dem Ende des Krieges und besonders mit der
Nachkriegs-Laborregierung, die nach einer demokratischen Lösung in
Palästina suchte ( und die bei 75% arabischer Mehrheit für
das zionistischen Projekt den Untergang bedeutet hätte) war klar,
dass die Britten gehen mussten. Etwa
100
000 brit.
Soldaten blieben nach dem Krieg in Palästina. Bei einer Bevölkerung
von weniger als 2 Millionen reichte dies als Abschreckung, auch
als die Briten ihre Truppen nach dem Anschlag jüdischer Terroristen
auf das Hauptquartier im Davidhotel noch einmal verringerten. Es
waren diese Erwägungen, die Ben Gurion veranlassten, mit weniger
als 100 % , die 1942 mit dem Biltmore-Programm verlangt wurden, zufrieden zu sein und
dass ein geringfügig kleinerer Staat der zionistischen Bewegung
zunächst genug wäre, um ihr zu erlauben, ihre Träume und Ziele zu
erreichen.
Dies war das Hauptproblem, das von der Bewegung Ende August
1946 debattiert
wurde, als Ben Gurion die Führung der zionistischen Bewegung im
Royal Monsue-Hotel in Paris versammelt hatte. Während Ben Gurion
die extremistischen Mitglieder zurückhielt, sagte er der
Versammlung, dass 80-90% des Mandats Palästina ausreichten, um einen lebensfähigen Staat zu
gründen, es sei denn, dass man in der Lage sei, eine jüdische
Mehrheit abzusichern. "Wir werden ein großes Stück von Palästina
fordern," sagte er den Anwesenden. Ein paar Monate später übertrug
die Jüdische Agentur Ben Gurions "großes Stück von Palästina" in
eine Karte, die sie an die verteilten, die die Zukunft Palästinas
entschieden. Interessanterweise stellte sich die Karte der jüdischen
Agentur als größer heraus als die von der UN im November
1947
vorgeschlagene aber bis fast auf den letzten Fleck so wie Israel
nach dem 1948/49 Krieg aussah, d.h. Palästina ohne Westbank und den Gazastreifen.
Das Hauptproblem auf der zionistischen Agenda von
1946, der Kampf
gegen die Briten löst sich im Februar mit der Entscheidung,
Palästina zu verlassen und die Palästinafrage der UN zu übergeben .
Tatsächlich hatte diese keine andere Wahl: nach dem Holocaust
konnten sie mit einer drohenden jüdischen Revolte nicht so umgehen
wie mit der arabischen in den
30ern. Abgesehen davon hatte
die Laborpartei sich entschieden, Indien zu verlassen so verlor
auch Palästina für sie an Bedeutung. Kürzung des Heizmaterials im
besonders kalten Winter von
1947 brachte die Botschaft
nach London, dass das Empire bald eine zweitrangige Macht sei, sein
globaler Einfluss von zwei neuen Supermächten in den Schatten
gestellt würde (von den USA und der Sowjetunion) und seine
Nachkriegswirtschaft lahm liege. Statt an so entfernten Orten wie
Palästina festzuhalten, sah die Laborpartei eher darin ihre
Aufgabe,die eigene Wirtschaft wieder aufzubauen. Schließlich verließ
England in großer Eile Palästina und ohne Bedauern.
Ende 1946 ist es Ben Gurion noch vor Britanniens Entscheidung - klar
geworden, dass die Britten abziehen. Mit seinen Mitarbeitern begann
er, an einer allgemeinen Strategie zu arbeiten, die gegen die
palästinensische Bevölkerung in dem Augenblick angewandt werden
konnte, indem die Briten das Land verlassen haben. Dies wurde der
Plan C (Gimel auf hebr.) Plan C wurde eine revidierte Fassung von
zwei früheren Plänen. Plan A auch Elimelech-Plan (Nach Elimelech
Avnir, dem Haganah-Kommandeur in Tel Aviv, der
1937 in Ben
Gurions Auftrag mögliche Richtlinien für die Übernahme Palästinas
ausarbeitete, sobald die Briten sich zurückziehen. Plan B war
1946 ausgedacht
worden. Kurz danach wurden Plan A und B zu Plan C.
Genau wie die anderen Pläne zielte Plan C dahin, die jüdischen
Militärkräfte für eine Offensivkampagne gegen das ländliche und
städtische Palästina vorzubereiten sobald die Briten abgezogen
waren. Der Zweck solcher Aktionen sollte Abschreckung der
palästinensischen Bevölkerung sein, jüdische Siedlungen anzugreifen
und sich für Angriffe auf jüdische Häuser, Straßen und den Verkehr
zu rächen. Plan C sprach deutlich aus, wie solche Strafaktionen
aussehen sollten:
Schlag gegen die politische Führung
Schlag gegen Aufwiegler und ihre finanziellen Unterstützer
Schlag gegen Araber, die Juden angriffen
Schlag gegen ranghohe arabische Offiziere und Angestellte der
Mandatsregierung.
Schlag gegen palästinensischen Transport.
Quellen des Lebensunterhalt schädigen, wichtige wirtschaftliche
Ziele (Wasser, Mühlen)
Angriffe gegen Dörfer, Stadtteile, die bei zukünftigen Angriffen
mitmachen
Angriffe auf Clubs, Cafehäuser, Konferenzorte Š
Plan C fügt noch hinzu, dass die nötigen Daten für die erfolgreiche
Ausführung dieser Aktionen in den Dorfakten gefunden werden könnten:
die Liste der Führer, der Aktivisten, potentielle menschliche Ziele,
der genaue Plan der Dörfer etc.
Im Plan fehlten aber Besonderheiten der Operationen. So wurde
innerhalb weniger Monate ein neuer Plan aufgestellt, Plan Dalet.
Dies war der Plan, der das Schicksal der Palästinenser innerhalb des
Gebietes besiegelte, auf das die zionistischen Führer für den
zukünftigen jüdischen Staat ihre Augen geworfen haben . Er enthielt
im Gegensatz zum Plan C direkte Hinweise auf geographische
Parameter des zukünftigen jüdischen Staates (
78% auf der
Karte von 1946 der Karte der jüd. Agentur) und was das Schicksal der 1 Million
Palästinenser betrifft, die in diesem Gebiet lebten:
"Diese Operationen können in folgender Weise ausgeführt werden:
entweder durch Zerstören der Dörfer ( in dem man sie in Brand
steckt, durch Sprengung, durch Minen, die , in ihre Ruinen gelegt
werden.) und besonders jene Bevölkerungszentren, die schwierig und
auf Dauer; zu kontrollieren sind oder durch kombinierte
Operationen, entsprechend den folgenden Richtlinien: umzingeln des
Dorfes, Durchsuchung innerhalb des Dorfes. Im Falle von Wiederstand,
müssen bewaffnete Kräfte vernichtet und die Bevölkerung nach
außerhalb der Staatsgrenzen vertrieben werden."
Kein Dorf innerhalb des geplanten Operationsgebietes wurde von
diesen Ordern ausgenommen, weder durch seine Lage noch wegen
erwartetem Widerstand. Es war der Gesamtplan für die Vertreibung aus
allen Dörfern im ländlichen Palästina. Ähnliche Instruktionen -
zuweilen im selben Wortlaut für Aktionen in palästinensischen
Stadtzentren.
Die Order, die direkt zu den Einheiten vor Ort gingen, waren
genauer. Das Land war nach der Zahl der Brigaden in Zonen geteilt,
wobei die vier ursprünglichen Brigaden der Haganah in zwölf
aufgeteilt wurden, um die Ausführung des Planes zu erleichtern.
Jeder Brigadekommandeur erhielt eine Liste der Dörfer oder
Stadtteile seiner Zone, die zu einem bestimmten Zeitpunkt besetzt
und zerstört und deren Bewohner vertrieben werden sollten . Einige
Kommandeure waren beim Ausführen der Order übereifrig und fügten
im Eifer des Gefechtes weitere Örtlichkeiten hinzu. Andrerseits
konnten manche Order nicht innerhalb des Zeitplanes ausgeführt
werden. Das heißt, dass mehrere Dörfer an der Küste, die im Mai
besetzt werden sollten, erst im Juli besetzt wurden. Und den
Dörfern im Wadi Ara-Gebiet, einem Tal, das die Küste in der Nähe von
Hadera mit dem Raum um Afula verbindet (heute die Straße
65) gelang es
irgendwie, alle jüdischen Angriffe bis zum Ende des Krieges zu
überleben. Aber das war die Ausnahme. Der größte Teil des Planes,
die Zerstörung der Dörfer und Stadtteile und die Vertreibung ihrer
Bewohner, wurde ausgeführt. Und zu der Zeit, als der direkte Befehl
im März veröffentlicht wurde, waren schon
30 Dörfer
ausradiert.
Ein paar Tage, nachdem der Plan Dalet ausgedruckt worden war, wurde
er den Kommandeuren von Dutzenden von Brigaden, aus denen nun die
Hagana bestand, verteilt. Mit dieser Liste erhielt jeder Kommandeur
eine detaillierte Beschreibung der Dörfer in seinem Operationsfeld
und ihr bevorstehendes Schicksal: Besatzung, Zerstörung und
Vertreibung. Die israelischen Dokumente, die aus den IDF-Archiven in
den späten 90ern zugängig gemacht wurden, zeigen deutlich entgegen den
Behauptungen von Historikern wie Benny Morris, dass der Plan Dalet
den Brigadekommandeuren nicht als vage Richtlinie gegeben wurde,
sondern als klare, eindeutige Befehlsorder zum Handeln.
Nicht wie der allgemeine Planentwurf, der den politischen Führern
gesandt wurde, enthielten die von den militärischen Kommandeuren
empfangenen Listen der Dörfer keine Einschränkungen, in welcher Art
und Weise Zerstörung und Vertreibung ausgeführt werden sollte. Es
waren keine Maßnahmen vorgesehen, wie Dörfer diesem ihrem Schicksal
entgehen konnten z.B. durch bedingungslose Aufgabe wie in dem
allgemeinen Dokument versprochen wurde. Es gab noch einen
Unterschied zwischen dem Plan, der den Politikern und dem, der den
Militärs gegeben wurde: der offizielle Plan besagt, dass der Plan
erst nach dem Ende des Mandats aktiviert wird, während die Offiziere
vor Ort den Befehl erhielten, mit der Ausführung des Planes wenige
Tage nach Erhalt der Order zu beginnen . Diese Dichotomie ist
typisch für die Beziehungen, die in Israel zwischen der Armee und
den Politikern bis heute besteht. Die Armee informiert die Politiker
falsch über ihre wirklichen Absichten so wie Moshe Dayan es
1956, Ariel Sharon 1982 und Shaul Mofaz 2000 taten.
Was die politische Version des Plans Dalet und die militärische
Direktive gemeinsam hatten, war das Ziel. In andern Worten: noch
bevor die direkten Befehle vor Ort ankamen, wussten die Soldaten
schon genau, was von ihnen erwartet wurde. Die verehrenswürdige und
mutige israelische Kämpferin für Bürgerrechte, Shulamit Aloni, die
damals Offizierin war, erinnert sich, wie spezielle politische
Offiziere kamen, die Soldaten aktiv aufstachelten, die Palästinenser
dämonisierten und sich auf den Holocaust beriefen, um die
bevorstehende Operation zu rechtfertigen, die oft direkt nach dem
Tag der Indoktrination stattfand.
Das Paradigma der ethnischen Säuberung
In meinem neuen Buch will ich zum einen den Mechanismus der
ethnischen Säuberung von 1948 und zum anderen das kognitive System erklären, das es ermöglichte,
dass die Welt ( dies alles) vergessen und die Täter ihre von der
zionistischen Bewegung begangenen Verbrechen gegen das
palästinensische Volk ableugnen ließ. .
Mit andern Worten: Ich möchte das Paradigma des Krieges durch das
Paradigma der ethnischen Säuberung ersetzen - als Grundlage für die
wissenschaftliche Forschung und die öffentliche Debatte über
1948. Ich
zweifle nicht daran, dass das Nicht-vorhanden-sein des Paradigmas
der ethnischen Säuberung einer der Gründe ist, warum die Ableugnung
der Katastrophe so lange hat andauern können. Es ist nicht so, dass
die zionistische Bewegung, indem sie den Nationalstaat gründete,
einen Krieg begann, der "tragischerweise, aber unvermeidlich" zu der
Vertreibung von Teilen der einheimischen Bevölkerung führte. Es ist
eher umgekehrt: die ethnische Säuberung des Landes war das Ziel,
wonach die Bewegung trachtete, um den Staat zu gründen. Der Krieg
war die Folge, das Mittel, um sie auszuführen. Am
15. Mai, einen
Tag nach dem offiziellen Ende des Mandates und dem Tag, an dem der
Staat Israel proklamiert wurde, schickten die benachbarten Staaten
eine kleine Armee klein im Vergleich zu ihrer militärischen
Fähigkeit. Sie sollte versuchen, die ethnische Säuberung, die schon
seit über einem Monat in vollem Gang war, aufzuhalten. Der Krieg
mit den regulären arabischen Armeen tat nichts, um die
fortschreitende ethnische Säuberung zu verhindern. Sie ging
erfolgreich bis in den Herbst
1948 weiter.
Vielen mag die Idee, das Paradigma der ethnischen Säuberung
anzunehmen als eine a priori-Grundlage für das Narrativ von
1948 nichts
anderes als eine Anklage erscheinen. Und in vieler Weise ist es mein
persönliches J¹accuse gegenüber den Politikern, die die
ethnische Säuberung vorgeschlagen und gegenüber den Generälen, die
sie ausgeführt haben. Diese Männer sind nicht unbekannt. Sie sind
die Helden des jüdischen Krieges der Unabhängigkeit, und ihre Namen
werden den meisten Lesern bekannt sein. Die Liste beginnt mit dem
unbestrittenen Führer der zionistischen Bewegung, David Ben Gurion,
in dessen privater Wohnung all die Kapitel über ethnische Säuberung
diskutiert und abgeschlossen wurden. Er wurde von einer kleinen
Gruppe Leute unterstützt, einem Beratungsteam, das sich nur zu dem
Zweck versammelte, um die Enteignung der Palästinenser zu planen. In
einem der wenigen Dokumente, in dem über das Treffen berichtet, wird
von einem "Beratenden Komitee" gesprochen; in einem anderen
erscheinen die 11 Namen dieses Komitees. Obwohl all diese Namen vom Zensor gelöscht
wurden, ist es möglich, sie zu rekonstruieren.
Diese Klicke bereitete die Pläne für die ethnische Säuberung vor und
überwachte die Durchführung, bis der Job der Entwurzelung der Hälfte
der einheimischen Bevölkerung vollbracht war. In dieser Klicke waren
vor allem die hochrangigen Offizieren der zukünftigen Armee des
Staates, wie der legendäre Yigal Yadin und Moshe Dayan. Ihnen
schlossen sich außerhalb Israels weniger bekannte Leute an wie Yigal
Alon und Yitzhak Sadeh, denen die regionalen Kommandeure wie Moshe
Kalman folgten, der die Gegend um Safed "säuberte"; Moshe Carmel,
der den größten Teil in Galiläa entwurzelte. Yitzhak Rabin operierte
in Lydda und Ramleh und im Raum Jerusalem. Shimon Avidan säuberte
den Süden; viele Jahre später sagte Rechavam Ze¹ewi, der mit ihm
kämpfte, bewundernd, dass "er seine Front von zig Dörfern und
Städten säuberte". An der südlichen Front war auch Yitzhak Pundak,
der 2004 in Haaretz erzählte: "Dort gab es
200 Dörfer an
der Front und sie sind alle weg. Wir mussten sie zerstören, sonst
hätten wir hier im südlichen Teil Araber wie in Galiläa. Wie hätten
sonst eine weitere Million Palästinenser."
Diese Militärs arbeiteten zusammen mit wie wir heute sagen würden
mit den "Orientalisten", Experten der arabischen Welt im
Allgemeinen und den Palästinensern im Besonderen, weil sie entweder
selbst aus einem arabischen Land kamen oder weil sie Wissenschaftler
auf dem Gebiet der nahöstlichen Studien waren. Einige von ihnen
waren in dieser wichtigen Zeit vor Ort Offiziere der
Nachrichtendienste. "Weit davon entfernt nur Sammler von Daten über
den Feind zu sein, haben diese Offiziere nicht nur eine größere
Rolle beim Vorbereiten der Säuberung gespielt, einige von ihnen
beteiligten sich auch persönlich an einigen der schlimmsten
Grausamkeiten, die die systematische Enteignung der Palästinenser
begleitete.
Sie waren es, denen die letzte Entscheidung gegeben wurde, welches
Dorf zu Staub verwandelt und welche Dorfbewohner exekutiert werden
sollten. Im Gedächtnis palästinensischer Überlebender, waren sie es,
die nach einer Besetzung eines Dorfes über das Schicksal der
Bewohner entschieden, was entweder Gefangenschaft oder Freiheit
bedeutete. Kann man den Unterschied zwischen Leben und Tod
buchstabieren? Ihre Operationen wurden von Issar Harel überwacht,
der später der erste Chef des Mossad und des Shin Bet, Israels
Geheimdiensten, wurde.
Ich erwähne ihre Namen aber es geht mir nicht darum, dass sie
posthum vor Gericht gebracht werden. In meinem Buch geht es mir
darum, den Tätern genau so wie den Opfer ein menschliches Antlitz zu
geben. Ich möchte verhindern, dass die Verbrechen, die Israel
begangen hat, irgendwelchen "Umständen", "der Armee" oder wie Benny
Morris es tat, "dem Krieg als Krieg" zugeschrieben werden oder
anderen ähnlich vagen Hinweisen, die souveränen Staaten die
Verantwortung abnehmen. Ich will Individuen ein Gewissen geben. Ich
klage an, aber ich bin auch Teil der Gesellschaft, die verurteilt
wird. Ich fühle beides: ich fühle mich verantwortlich und bin ein
Teil der Geschichte. Aber wie andere in meiner eigenen Gesellschaft,
bin ich davon überzeugt, dass nur eine schmerzvolle Reise in die
Vergangenheit der einzige Weg nach vorne ist, wenn wir eine bessere
Zukunft für uns alle, für die Palästinenser genau so wie für die
Israelis, schaffen wollen.
(dt. Ellen Rohlfs)
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