Wider die Kriegshandlungen Israels im
Gazastreifen und in Libanon
Stellungnahme zur Presseerklärung des
Zentralrats der Juden in Deutschland
Ungeachtet der Frage, ob die Entführung israelischer
Soldaten oder das Abfeuern von
Quassamraketen auf israelische
Ortschaften angesichts der Absperrung
und Besatzung des Gazastreifens durch
Israel legitim sind oder nicht und
jenseits einer Klärung der Schuld an der
gegenwärtigen Situation, nimmt die
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost zu den gegenwärtigen Vorgängen
im Gazastreifen und in Libanon wie folgt
Stellung: Die Angriffe der israelischen
Armee gegen die Zivilbevölkerung, die
Zerstörung von Elektrizitätswerken,
Flughäfen, Brücken, Straßen und anderen
Einrichtungen der lebensnotwendigen
Infrastruktur sind unverhältnismäßig und
inakzeptabel. Ohne die Intervention
der Regierungen der internationalen
Völkergemeinschaft drohen die
gegenwärtigen Kriegshandlungen Israels
zu einem Flächenbrand zu eskalieren, der
die gesamte Region erfassen könnte.
Noch ist es möglich, umzukehren. Noch
kann ein Weg zu einem dauerhaften
Frieden eröffnet werden.
Die Geschichte Israels und Palästinas
belegt seit 1948 unmissverständlich: Ein
dauerhafter Frieden kann durch Krieg und
Zerstörung nicht erzielt werden. Jeder
Waffengang brachte bisher nur
Blutvergießen sowie den Verlust bitter
benötigter Ressourcen. Das Ergebnis:
Leid und Hass auf beiden Seiten.
Es ist an der Zeit, dass die internationale
Gemeinschaft, allen voran die
EU-Regierungen und die USA, sich
besinnen und, ehe es zu spät ist, die
israelische Regierung zwingen, von einem
Kriegspfad abzukehren, der schon jetzt
außer Kontrolle geraten ist. Es ist
an der Zeit, dass die Vereinten
Nationen - anstelle bloßer
Lippenbekenntnisse - endlich Schritte
einleiten, die geeignet sind, das Leben
und Überleben von Millionen Menschen in
der Region wirksam zu schützen.
Es ist an der Zeit, dass die Regierungen
Europas alle politischen und
wirtschaftlichen Mittel, einschließlich
Sanktionen einleiten, um die israelische
Regierung zu Verhandlungen mit der
gewählten Regierung der Palästinenser zu
bewegen.
Es ist an der Zeit, dass die Regierung der
Bundesrepublik Deutschland, die vorgibt,
aus historischen Gründen eine besondere
Verantwortung für die sechs Millionen in
Israel lebenden Juden wahrnehmen zu
wollen, konstruktive Beiträge zum
jeweiligen Schutz sowohl der
israelischen als auch der
palästinensischen Bevölkerung einleitet.
Die stattdessen praktizierte
Waffenbruderschaft mit der israelischen
Armee, die Lieferung von Waffen zu Test-
und Einsatzzwecken schürt das Feuer. Sie
verstößt zudem gegen die Gesetzgebung
der Bundesrepublik Deutschland, die
Waffenlieferungen in Kriegsgebiete aus
eben diesem Grund strikt untersagt.
Wir kritisieren den Zentralrat der Juden in
Deutschland, der in einer am 14. Juli
verbreiteten und vor allem an den
Außenminister gerichteten Erklärung, die
„einseitige Kritik an Israel
scharf zurückweist". In dieser Erklärung
wird die Politik der israelischen Regie-
rung blind unterstützt. Das halten wir
für verantwortungslos. Der Zentralrat
kann in dieser Frage nicht im Namen
aller in Deutsch- land lebenden Juden
sprechen.
Wir kritisieren den stellvertretenden
Vorsitzenden des Zentralrates der Juden
in Deutschland, Dieter Graumann, der der
Bundes- entwicklungsministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul(SPD)
angesichts ihrer Einlassung im Berliner
Tagesspiegel vom 16. Juli «antiis-
raelische Reflexe" vorgeworfen hat. Wer
wie Herr Graumann indirekt sogar den
Rücktritt einer Politikern fordert,
hätte die Pflicht, die Bevölkerung
darüber aufzuklären, dass die von ihr
geäußerte Kritik und Besorgnis
ausdrücklich beide Seiten in den Blick
nimmt, die israelische und die
palästinensische. Anderenfalls macht er
sich schuldig, bloße Propaganda zu
betreiben.
Eine Beilegung der Feindseligkeiten, die zur
aktuellen Eskalation geführt haben sowie
eine vertragliche Übereinkunft zu eine
dauer- haft tragfähige Lösung hängen
maßgeblich davon ab, dass die Regierung
Israels ihre Weigerung aufgibt, mit der
gewählten Regie- rung Palästinas zu
verhandeln. Der Hauptdruck der
internationalen Gemeinschaft muss daher
gegen Israels Politik gerichtet sein,
die unter Missachtung einschlägiger
Bestimmungen des internationalen Rechts
allein auf militärische Gewalt setzt.
Der Aufbau der Vereinten Nationen nach der
Niederschlagung der Naziherrschaft im
Jahre 1945, die Verkündung der UN-Charta
und das Regelwerk des Internationalen
Rechts hatten von Anbeginn einen
einzigen Zweck: Zu verhindern, dass ein
Volk sich über ein anderes erhebt, es
geringschätzig behandelt, unterdrückt
oder terrorisiert und sicher zu stellen,
dass ein einzelner Staat die
Territorialgrenzen des ihm
zugeschriebenen Geltungsbereichs nicht
eigenmächtig überschreiten oder gar
einen Krieg gegen einen anderen Staat
entfachen darf. Diese wichtigsten
Errungenschaften der Menschheit werden
nicht nur gefährdet, sondern regelrecht
preisgegeben, wenn die internationale
Gemeinschaft nicht umgehend einen Weg
findet, Israel dazu zu bringen, alle
bereits verabschiedeten
UN-Resolutionen anzuerkennen, sich auf
Verhandlungen mit der gewählten
Regierung Palästinas einzulassen und auf
einen Vertrag hinzuwirken, der die
friedliche Koexistenz mit einem künftig
an der Grenze Israels von 1967 zu
errichtenden Staat Palästina sowie mit
allen anderen Anrainerstaaten
garantiert.
Die Jüdische Stimme, ist die deutsche
Sektion der in zehn Nationen wirkenden
European Jews for a Just Peace und versteht sich als Teil der internationalen
Solidaritätsbewegung, die Palästina in
seinem Kampf für Selbstbestimmung und
die Widerstands- und Friedensbewegung in
Israel unterstützt.
Wir sind hier und anderswo immer noch zu
wenige.
Bitte verbreiten Sie diesen Aufruf.
Bitte helfen Sie mit, einen Flächenbrand
in Nahost abzuwenden. Noch ist Zeit.
Berlin, 17. Juli 2006
European Jews for
a Just Peace is a network consisting of
groups from the following countries:
Austria, Belgium, Denmark, France,
Germany, Italy, Netherlands, Sweden,
Switzerland, United Kingdom
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