Israels Armee ist nicht jüdisch
Dror Feiler ist Vorsitzender der ”European Jews for Just
Peace”.
Dror Feiler: Stat und Volk werden gleichgesetzt um eine
seriöse Untersuchung zu verhindern
Dem
israelischen Außenminister Avigdor Lieberman zufolge hat
Schweden ein großes Problem, das behoben werden muss: Die
Freiheit der Meinungsäußerung. Israel möchte dabei
behilflich sein mit der Forderung, dass die schwedische
Regierung sich von ihren eigenen Pressefreiheitsgestzen
distanziert durch die Verurteilung eines Artikels im
Aftonbladet vom17. August. Darin wird über Verdächtigungen
berichtet, welche die israelische Regierung und die
israelische Armee bestreiten.
Israel bestreitet aber auch, dass es über Atomwaffen
verfügt, dass es weißen Phosphor gegen die Zivilbevölkerung
eingesetzt hat, und dass es Palästinenser als menschliche
Schutzschilde verwendet. Damit will ich nicht sagen, dass
alle Anschuldigungen gegen Israel berechtigt sind, sondern
dass man das reflexmässige Verleugnen seitens der
israelischen Regierung mit Vorsicht geniessen muss. Der
beste Weg, um herauszufinden, ob es eine Grundlage für die
Vorwürfe gibt, ist ihnen auf den Grund zu gehen. Je früher,
desto besser.
Aber
lassen Sie mich zunächst diejenigen, die wider besseren
Wissens anderes vorspiegeln, an Folgendes erinnern:
42 Jahre lang hat Israel die Resolutionen der UNO, die
Genfer Konventionen und das Völkerrecht misachtet.
42 Jahre lang haben die israelische Regierung und
israelische Medien reflexmässig Anklagen gegen die
israelische Armee wegen Völkerrechtsverletzungen als
antisemitisch abgestempelt. Ich möchte betonen, dass
dieVerbrechen auf die ich mich beziehe, illegale Siedlungen
im Westjordanland und Ost-Jerusalem sind sowie die
Vertreibung von Menschen , außergerichtliche Hinrichtungen
und kollektive Bestrafungen, und nicht die Verdächtigungen
seitens palästinensischer Familien gegenüber der israelische
Armee.
Angefeuert von einigen Komentatoren und Politikern in
Schweden verbreiten die israelische Regierung und
israelische Medien falsche und bösartige Anschuldigungen
nach dem gleichen alten Muster: Das Wichtigste ist nicht,
was im Artikel steht, sondern wozu man es verwenden kann.
Dieser Methode wurde ich selbst ausgesetzt im Zusammenhang
mit dem Kunstwerk “Schneewitchen und der Wahnsinn der
Wahrheit”, das ein ehemaliger Botschafter Israels
eigenhändig attackierte.
Im Artikel, das Israel zur Weissglut brachte, steht
zweifellos, dass von der israelischen Armee gesuchte junge
Palästinenser, getötet wurden und nach einigen Tagen in
einer solchen Weise zusammengenäht abgeliefert wurden, dass
die Familien den Verdacht hegten, Organe seien den toten
Körpern entnommen worden. Der assoziativ hergestellte
Zusammenhang zwischen den möglichen Aktionen einzelner
israelischer Soldaten im Jahre 1992 und dem jüngst
aufgedeckten Organhandelsskandal mag bedauerlich sein. Dies
sollte uns jedoch nicht davon abhalten, die Frage zu
stellen: Was ist mit den Körpern passiert?
Niemand
hat jedoch über jüdische Soldaten gesprochen oder
geschrieben, weder die palästinensischen Familien noch der
Autor Donald Bostrom. Der Verdacht richtet sich indessen
gegen Soldaten der israelischen Armee, die in bestimmte
Vorfälle verwickelt sein könnten.
Israels Armee ist keine jüdische Armee. Sie umfasst Menschen
unterschiedlicher ethnischer und religiöser Zugehörigkeit:
Drusen und Beduinen, zum Beispiel, sind keine Juden (20
Prozent der israelischen Bürger sind keine Juden). Es leben
auch mehr Juden außerhalb Israels als in Israel. Es ist
daher für die meisten Menschen, inklusive Donald Boström,
offensichtlich, dass es falsch ist und zudem auch
rassistisch das jüdische Volk mit den Verbrechen in
Verbindung zu bringen, an denen israelischen Soldaten im
Verdacht stehen beteiligt gewesen zu sein. Dies wird im
Artikel auch nicht gemacht. Ebensowenig wie dem jüdischen
Volk die seit 42 jahren verübten nachgewiesenen Verbrechen
des israelischen Staates und der Armee zur Last gelegt
werden. Denn nur diejenigen, die diese ausführen, und die
dafür politisch Verantwortlichen haften für diese Taten.
Die
Tatsache dass hier und da eine derartige falsche und
widerwärtige
Begriffsvermischung gemacht wird, darf ernsthafte Kritik
oder Verdachtsäusserungen wegen Unregelmäßigkeiten nicht
hindern.. Ein solches Tabu würde sonst zu einer
unausgesprochenen Einschränkung der Meinungsfreiheit führen.
Seltsamerweise wird die automatische Gleichsetzung von
Israel mit dem jüdischen Volk, und umgekehrt, von zwei sehr
gegensätzlichen Gruppen verbreitet: Die Regierung Israels,
angefeuert von den sogenannten Freunden Israels,ist die
eine, und verschiedene rassistische und antisemitische
Gruppen sind die andere.
Und
jetzt will man, dass Schweden vom Vorbild Israel lernt, was
eine echte Demokratie und Meinungsfreiheit sind. Gerade
jetzt wo in Israel Stimmen laut werden für die Einschränkung
der freien Meinungsäußerung aller ”Nestbeschmutzer” wie des
israelischen Akademikers Dr. Neve Gordon, der in der LA
Times (20. August) schreibt, dass Israel alle Kriterien für
einen Apartheidstaat erfüllt, weil einige Gesetze Juden
Vorteile gewähren während sie Palästinenser diskriminieren.
Schweden sollte die Freiheit der Meinungsäußerung schützen
und nicht die willkürliche Sichtweise der israelischen
Regierung gegenüber Pressefreiheit und Demokratie übernehmen
Das deutlich rauhere israelische Diskussionsklima ist in
unser Land bei Meinungsmacher wie Gunnar Hökmark
eingesickert, der Israel bereitwillig hilft, dessen
Völkerrechtsverletzungen ohne jegliche äussere Einmischung
fortzusetzen. Deshalb wird jeder Versuch, der Israels
Selbstbild zu erschüttern droht, zur Zielscheibe für
verantwortungslose Angriffe und unbegründete Anschuldigungen
des Antisemitismus. Auffallenderweise verlangt Israel, dass
die schwedische Regierung einen Artikel im Aftonbladet
verurteilt, während es gleichzeitig einer internationalen
Untersuchungskommission grosse Hindernisse in den Weg
stellt, die im Auftrag der UNO mögliche
Völkerrechtsverletzungen seitens Israels in den besetzten
Gebieten im Allgemeinen und seitens der israelischen Armee
während dem Gazaübergriff im Besonderen untersuchen soll.
Die
instinktive Reaktion, jedweden Einblick zu erschweren und
alles von sich zu weisen, ob es sich nun um Verdächtigungen
in einem sogenannten "Sensationsartikel" handelt oder um
einen ernsthaften UNO-Auftrag schadet den Interessen des
israelischen Volkes und bringt Schande über Israel.
Dror Feiler
Dror Feiler ist Musiker, Künstler und Vorsitzender der
European Jews for Just Peace. Er hat seinen Wehrdienst als
Fallschirmjäger in der israelischen Armee von 1969 bis1972,
absolviert.
Veröffentlicht: 2009-08-27
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