Willkommen im
geteilten Jerusalem
Akiva Eldar, Haaretz 23.07.08
Es ist nicht sicher, ob Ghassan
Abu-Tir aus UmmTuba in Ostjerusalem seinen Angriff zeitlich
abgestimmt hat auf den kurzen Besuch mit dem mutmaßlichen
demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama in
Israels Hauptstadt. Genau so wenig weiß man, ob der Terrorist
auf dem Bulldozer bewusst nur wenige Meter von Jerusalems
Freiheitsglocke, die dem großen Park den Namen gab, seinen
Angriff ausführte – übrigens hat man von dort einen guten Blick
auf die Altstadt und die Trennungsmauer. Auf jeden Fall macht
dieser Angriff Obama den tiefen Riss deutlich, der sein
überzogenes Statement vom angeblich vereinten Jerusalem und der
traurigen Realität trennt, die in einer geteilten Stadt besteht.
Es wäre Obamas Ratgebern sehr zu
raten, ihn auf die Aussagen des Shin Bet-Chefs Yuval Diskin
aufmerksam zu machen, die er nach dem Angriff von sich gab. Er
warnte davor, falls man sich mit dem Vakuum in der Regierung
nicht befasse, dann würde Jerusalem zu einem ernsten Problem.
Und was schlägt Diskin vor, um sich mit dem Vakuum zu befassen?
Er schlägt vor, „die Häuser der Terroristen zu zerstören, um
weiter auf Abschreckung zu setzen.“
Der Kandidat sollte seine Gastgeber
fragen, wie dieses Vakuum zustande gekommen sei und ob es nicht
andere, bessere Wege gebe, um es auszufüllen. Diplomaten des
amerikanischen Konsulats würden sich freuen, ihm über die
wachsende Liebe zu Israel in den arabischen Stadtteilen zu
berichten, die immer mehr von Siedlerorganisationen übernommen
werden und zwar von Staatsbehörden ermutigt.
Ein paar Tage vor seiner Abfahrt in
den Nahen Osten machte Obama klar, dass seine Aussagen bei der
Jahreskonferenz des AIPAC vor zwei Monaten, wo er seine
Opposition gegen die Teilung Jerusalems ausdrückte, ihm dabei
nur um die Nicht-Rückkehr zu Stacheldrahtzäunen ging, die die
Stadt bis 1967 teilten. Man kann daraus schließen, dass der
führende Präsidentschaftskandidat versteht, dass es kein
Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern über einen
Dauerstatus geben kann, wenn er nur den Wunsch der einen Seite
für Jerusalem berücksichtigt, besonders die religiöse und
historische.
Doch bis zu dem Zeitpunkt, an dem
der nächste US-Präsident ins Weiße Haus einzieht, wird fast
nichts mehr zum Teilen vorhanden sein. Die israelische Bemühung
Jerusalem durch Gesetzgebung, administrative Beschränkungen,
einen Trennungszaun, die Aneignung von Land und die Misshandlung
der palästinensischen Bevölkerung hat Jerusalem in eine
bi-nationale Stadt verwandelt.
Man kann nur hoffen, dass Obama die
Geschichten über Harmonie zwischen Juden und Arabern in
Jerusalem nicht ernst nimmt. Er sollte nicht auf die Behauptung
hereinfallen, dass die drei letzten Angriffe in der Hauptstadt
von Leuten ausgeführt wurden, die keine erkennbare Verbindung zu
etablierten Terrorgruppen haben, und dies deshalb keinen
negativen Trend unter der lokalen Bevölkerung reflektiere.
Jemand sollte ihm sagen, dass Professor Sari Nusseibeh, einer
der moderaten Führer der palästinensischen Elite, die EU in
dieser Woche aufgerufen habe, der palästinensischen Behörde
keine Hilfe mehr zukommen zu lassen. Nusseibeh behauptet, dass
die Existenz der PA die israelische Besatzung in der Westbank
und in Ost-Jerusalem nur verewige.
Es ist nicht nur die PA, die die
Kontrolle über Ost-Jerusalem verliert; die Hamas ist nicht daran
interessiert zu diesem Zeitpunkt, die Feuerpause zu verletzen.
Der Zorn der Bulldozerfahrer deutet auf einen Zusammenbruch in
der palästinensischen Führung hin. Einer nach dem anderen wacht
eines Morgens auf und geht auf die Straße und greift Yeshiva-
Studenten an, überfährt mit dem Bulldozer Kinder, schießt auf
Grenzpolizisten.
Es ist wie im Irak ein fruchtbarer
Boden auf dem Al-Qaida-Unkraut wächst. Aber dieser Boden ist im
Herzen von Israels Hauptstadt – dem „vereinigten“ Jerusalem und
den arabischen Orten in seinem Norden.
Außerdem gedeihen jüdische
Terroristen in ihrer Nähe. Es gibt keine bessere Beschreibung
für diese jüdischen Schlägertypen, die fast täglich
palästinensische Zivilisten misshandeln, um sie aus
Ost-Jerusalem und den Hebroner Hügeln zu vertreiben. Fanatische
Minderheiten auf beiden Seiten ziehen zwei Völker hinter sich in
den Abgrund, wie es in einer Beschreibung des palästinensischen
Dichters Mahmoud Darwish heißt , wo zwei Burschen zusammen in
eine Grube fallen und auch noch weiterkämpfen, als sie den Boden
erreichten.
Ein Jerusalem im Konflikt ist ein
ausgezeichneter und günstiger Ausgangspunkt für das Gebiet
zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan. Wenn der nächste
US-Präsident die Politik des endlosen Redens und der
Konferenzen seiner Vorgängers übernimmt, dann wird der Staat
Israel in wenigen Jahren seiner Hauptstadt ähneln. Wenn Obama
ein Freund Israels ist, dann muss er schnell sein Versprechen zu
Jerusalem beiseite legen – es ist ein Versprechen für Wahlreden
und Synagogen. Ein amerikanischer Präsident, der Israel schützt,
dem wirklich und ehrlich die Interessen am jüdischen Staat sehr
am Herzen liegen, wird nicht ruhen, bis wir die Teilung
Jerusalems in zwei Hauptstädte und die Teilung des Landes in
zwei Staaten feiern.
(dt. Ellen Rohlfs)
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