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TRANSLATE Zeit zum Angriff
Das System der
„heiligen Ausgewogenheit“ ist Israels Art und Weise zu überleben und
sich normal zu fühlen. Wenn etwas auf der Linken geschieht, muss
auf der Rechten etwas geschehen, das das andere aufhebt. Dann kann sich
jeder wieder entspannt zurücklehnen. Dieses Ausbalancieren schafft die
Illusion von geistiger Gesundheit und rettet so die in der Klemme
sitzende Mehrheit, die ein gemütliches und meinungsloses Zentrum
sucht…Von dort, von weiten Räumen eines wertlosen und inhaltslosen
Konsenses wird Israels Ruin kommen; denn wenn alles ausbalanciert ist,
ist es nicht nötig, eine Position zu beziehen. Es ist deshalb nicht
überraschend, dass Israel mit all seinen Ausgewogenheiten keine
Entscheidungen treffen kann, wenn es sich um die Moral und
den Staat handelt. Zuletzt ging es
darum, das Problem der Drückeberger und der Soldaten, die sich
weigerten, die Häuser in Hebron (von den Siedlern) zu räumen, zu
überbrücken. So wie es aussieht, haben wir Drückeberger – die „blutenden
Herzen“ aus Groß-Tel Aviv auf der Linken – und die
Evakuierungsverweigerer – nationalistisch und idealistisch, aber „ ein
bisschen zu extrem, zu patriotisch und zu religiös. Und wir sind in der
Mitte: wir leben außerhalb von Tel Aviv, aber nicht in Hebron; wir
wollen Frieden, sind aber nicht bereit, den Arabern den Preis zu zahlen.
Statt uns große Sorgen über die Fanatiker und Rabbis zu machen , die die
Struktur des israelischen Staatswesens wie Krebszellen durchdringen,
haben wir Ausgewogenheit geschaffen. Wir waren zwei Tage lang wütend,
wir verurteilten sie – und dann hatten wir wieder „business as usual“.
Alles ist ausbalanciert, Gott sei Dank. Nachdem die Wellen
von Demagogie, PR und Medien-Opportunismus wieder abebbten, wird klar,
dass diese Ausgewogenheit äußerst gefährlich ist, denn sie befreit
uns, uns mit den unregierbaren Elementen dieses Landes zu befassen. Je
mehr wir den Krebs des rabbinischen Nationalismus ignorieren, um so
näher und konkreter kommt die tödliche Gefahr. Die wirkliche
Gleichsetzung besteht zwischen den Verweigerern von Hebron und ihrer
Grundlage in der Thora - und der Hamas, Hisbollah, den
christlichen Fundamentalisten und ihren fanatischen Brüdern. Was in Israel
geschieht, ist ein Teil eines weltweiten Trends. US-Präsident George W.
Bush übernahm mit erschreckender Oberflächlichkeit die Weltanschauung
Samuel Huntingtons, der behauptet, dass die vergangenen Kriege über
wirtschaftliche Interessen, Nationalismus und Land den Weg für
internationale kulturelle Kriege vorbereitet haben. Huntington
behauptet, dass ein Zusammenstoß der Zivilisationen vor unsern Augen
statt findet: die Christenheit gegen islamische Zeloten. Dies ist eine
schreckliche Behauptung, weil sie die Welt grob vereinfacht in
zwei Seiten aufteilt: wir sind alle wie Bush – und sie sind alle
wie Osama Bin Laden. So werden mit einem Schlag alle muslimischen,
demokratischen Türken, die hundert Millionen, muslimischen
demokratischen Inder, die Araber Israels, die hundert tausend neuen
Demokraten in Palästina und viele andere rund um die Welt in eine Ecke
mit den wirklich üblen Leuten gestoßen. Mittlerweile werden viele üble
Leute legitimiert, nur weil sie Christen oder Juden sind. Für eine
andere Weltsicht wird es höchste Zeit. Der wirkliche
Zusammenstoß findet zwischen demokratischen Zivilisationen und jenen
theokratischer Zivilisationen statt. Die erste Gruppe akzeptiert jeden
unkritisch als Ursprung administrativer Autorität; die andern
sehen Gott, nicht die Sterblichen, als ihre Autorität an und beziehen
sich auf sein Wort, auf das von Aposteln und Zeloten. Diese Spaltung
geht quer durch die Christenheit und den Islam und findet auch hier im
Judentum statt. Trotz der schwierigen und vagen „Einigkeit
Israels“ gibt es kein Entrinnen vor der Frage, ob es eine Art Einigkeit
mit diesen Leuten gibt oder geben sollte. Meiner Meinung nach
nicht – sie sind nicht meine (Glaubens-)Brüder – sie sind meine Feinde. Da gibt es keinen
theologischen Unterschied zwischen gewissen Rabbinern in Hebron und dem
früheren Hamasführer Sheikh Ahmed Yassin und dem evangelikalen Prediger,
der auf ein Armageddon in der Nähe unseres Megiddo hofft. Diejenigen die
„Gottes Gesetz zuerst!“ sagen, unterscheiden sich nicht von einander, ob
sie nun die Kipa eines Rabbiners tragen oder den Turban der Hisbollah
oder das Gewand eines nordamerikanischen geistlichen Führers. Sie
beteiligen sich alle an einer grausamen Schlacht gegen mich. Sie sind
die Feinde von Freiheit ( freedom) und Demokratie, sie verhalten
sich feindlich gegenüber der Freiheit ( liberty), der Gleichheit und dem
Status von Frauen. In solch einer Welt
müssen wir neue Koalitionen bilden. Die Teilung zwischen „uns“ und
„unseren Feinden“ kann sich nicht nur entlang nationaler oder familiärer
Linien oder der von Glauben und Volkszugehörigkeit begründen. Die Welt
ist aufgeteilt in eine Koalition einiger Juden, einiger Christen und
einiger Muslime gegen andere Mitglieder ihrer Nationen und
Religionen. Demokratie gegen Theologie. Dies ist kein
„sanftes“ Argument, sondern eher Krieg: der Rabbiner gegen die
Staatsgewalt, das „Jüdische“ gegen das „Demokratische“, die Halacha und
die Sharia gegen das zivile Recht, die Kirche gegen den Staat.. Sie
können nicht unter demselben Dach leben und führen im Augenblick den
ältesten und gleichzeitig modernsten Krieg – die Religion gegen den
Staat. Und im Krieg ist es
wie im Krieg: der rechtliche Standpunkt eines aufhetzenden Rabbiners ist
derselbe wie der eines aufhetzenden Sheiks, weil sie beide gleich
feindselig gesinnt sind. Die einen wollen mich physisch tot sehen, die
andern wollen mich demokratisch und moralisch umbringen. Da ich in
jedem Fall gegen die Todesstrafe bin, kann ich nicht meine internen
Feinde verurteilen. Aber die Armee des demokratischen Staates und auch
sein Regierungssystem muss sich von all den Feinden selbst reinigen, die
die Theokratie in dieses System eingepflanzt haben. „Der Armee Gottes“
darf es nicht gestattet werden, die Kontrolle über die Institutionen der
Staatsmacht zu gewinnen. Der Staat muss seine Verbindung zu diesen
subversiven Elementen trennen und die Vergünstigungen, die ihnen gewährt
werden, rückgängig machen. Die Demokratie muss aufhören, sich zu
entschuldigen und sich zu verteidigen – nun ist die Zeit zur Initiative
und zum Angriff gekommen. Schwache Worte und nebulöse
Formulierungen werden hier nicht weiterhelfen. Wenn eine Wahl getroffen
werden sollte zwischen ihnen und uns, dann bin ich für uns – für die
Demokratie und gegen alle ihre Feinde drinnen wie draußen.
(dt. Ellen Rohlfs)
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