Hier ist ein Artikel, der
auf die Internetseite Counterpunch gesetzt wurde ... Ich hoffe,
dass man auf den Teil II dieses Artikels hinweist, wenn man
der schamlosen Propaganda und absichtlichen Desinformation über
Hamas entgegen wirken will . Jennifer L. 12. Juni 2006
Um die Sache über HAMAS einmal klar zu stellen
Jennifer Loevenstein, Oxford, 11.6.06
Eine am 3.
Juni in Ramallah durchgeführte Volksbefragung durch die Near
East Consulting zeigte, dass die überwiegende Mehrheit der
Palästinenser das Dokument der Gefangenen unterstützt. Es ist
ein Dokument aller Fraktionen und wurde von je einem Mitglied
von Fatah, Hamas, Islamischer Jihad, der PFLP und der DFLP
unterzeichnet – und zwar in Israels Hadarim Gefängnis im letzten
Mai (1) Das Dokument erkennt stillschweigend Israel an, indem
es u.a. sich mit einem palästinensischen Staat ( nur) in den
von Israel im Juni 1967 besetzten Gebieten abfindet.
Die Medien
haben dem Gefangenendokument große Aufmerksamkeit geschenkt,
besonders weil es die Initiative der Arabischen Liga ( Saudi
Plan), die einstimmig von den arabischen Staaten (2002 in
Beirut) aufgenommen wurde, akzeptierte. Indem man zu einem
unabhängigen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967
aufruft und dafür als Gegenleistung Frieden mit Israel
anbietet, spiegelt beides (der Saudi Plan und das
Gefangenendokument) den internationalen Konsens über Palästina
seit Mitte der 70er Jahre wieder. Israel hat die arabische
Initiative vollkommen ignoriert, trotz der überwältigenden
Unterstützung durch die Palästinenser.
Das
Gefangenendokument ist auch zum zentralen Punkt der kürzlichen
Krisis in der internen palästinensischen Politik geworden: der
Präsident der palästinensischen Behörde und der Fatahführer
Mahmoud Abbas haben zu einem nationalen Referendum über das
Dokument aufgerufen, sollte Hamas versäumen, dieses als Teil
ihres offiziellen Programms anzunehmen. Bis jetzt hat Hamas sich
geweigert und Abbas’ Aktionen als illegal bezeichnet. (2)
Keineswegs
überraschend gibt es allerdings noch mehr über das Referendum zu
sagen als das, was man aus der Presse erfährt. In diesem Fall
sind es die der Öffentlichkeit nicht mitgeteilten
Informationen, die es den USA, Israel und ihren Verbündeten
möglich machen, die wirtschaftliche Belagerung der
palästinensischen Gebiete zu rechtfertigen. Es ist eine
Belagerung, die die palästinensische Gesellschaft an den Rand
des Ruins bringt. In ihrem Drang eine regionale, pro-US und
antidemokratische Agenda voran zu bringen, haben sich diese
Staaten gegen die palästinensische Nationalbewegung (
einschließlich Ägypten und Jordanien) verbündet und eine Form
humanitärer Krisis geschaffen, die man sonst nur als Folge einer
Naturkatastrophe zu finden erwartet.
Es wurde keine Aufmerksamkeit dem geschenkt, 1. was die
Hamasführung tatsächlich sagt, 2. auch nicht den wichtigen
Umständen der US-Bemühungen, eine 3500 Mann starke Miliz rund um
den Amtssitz von Abbas zu bauen, um zu einem Bürgerkrieg zu
ermutigen;3. auch nicht Israels Lieferung einer großen
Schiffsladung mit Waffen und Munition aus Ägypten und Jordanien
für die Präsidentengarde. Abbas, der von den US unterstützt
wird, ist dabei, die Zahl seiner bewaffneten Soldaten um sich
herum auf 10 000 zu vermehren. Er ist auch dabei – mit
US-Unterstützung – eine Schattenregierung aufzubauen, die die
legitime, jetzt von Hamas kontrollierte untergräbt (2). Es
sollte für keinen eine Überraschung sein, wenn sich die Hamas
nicht erpressen lassen wird – nach Mohamed Nazzal, einem
Mitglied der Hamas-Regierung im Exil (3) . Dies ist im
Wesentlichen das, was Abbas mit dem Referendum bezweckt. Es ist
nicht notwendig, mit einer öffentlichen Abstimmung die
Unterstützung für das Gefangenen-Dokument zu erhalten. Eine
überwältigende allgemeine Unterstützung für diese und andere
Initiativen, einschließlich der Unterstützung für die
Zwei-Staatenlösung, ist seit langem dokumentiert worden.
Die meisten leeren Phrasen verurteilen Hamas
dafür, dass sie sich weigert, Abbas’ Instruktionen zu befolgen.
Hamas bleibt die Ursache, warum Staaten die wirtschaftliche und
politische Blockade Palästinas unterstützen sollten, obgleich
dies nur „den Krieg gegen den Terror“ anheizt, indem noch
eine Organisation der schwarzen Liste von regionalen
Feinden hinzugefügt wird. Hamas eine terroristische Organisation
zu bezeichnen, geht jedoch an der Realität vorbei. Ihre
politische Führung und ihr Wahl- bzw. Regierungsprogramm
(Was nicht ihre Charta ist !) hat vernünftige und
moderate Forderungen. Die Übernahme eines unabhängigen
palästinensischen Staates ist seit langem ein Teil ihrer
Strategie-Agenda. Ihr Ruf als „rejektionistische“ Bewegung
stammt zum Teil aus ihrem Unwillen, alleine zu handeln, ohne
dass entsprechende Gegenmaßnahmen von israelischer Seite kommen,
deren extreme Politik seit 5 Jahrzehnten die physische
Landschaft Palästinas so dramatisch verändert hat, dass die
Aussichten auf ein ernsthaftes Friedensabkommen heute trüber
sind als je.
In seinen
letzten Kommentaren zu Abbas’ Entscheidung, zu einem Referendum
aufzurufen, fasste der israelische Ministerpräsident die
Ansicht seiner Regierung zusammen: seine Bemühungen könnten
eine Brücke zu Friedensgesprächen mit Israel schaffen. Er sagte:
„Das Referendum ist aber eine interne Angelegenheit zwischen
den Fraktionen. Es ist für uns ohne Bedeutung in Bezug auf
Chancen, einen Dialog zwischen uns und den Palästinensern zu
erreichen. Es ist irrelevant.“ Ob das Referendum Erfolg hat oder
misslingt, wird ( für uns) keine Konsequenzen haben - wie sehr
man sich auch darum bemüht, neue Verhandlungen aufzunehmen oder
als Druckmittel, um die tödliche Belagerung der Gebiete zu
beenden.“
II. Hamas
akzeptiert eine Zwei-Staatenlösung. Als der von
Newsweek-Washington-Post Korrespondent Lally Weymouth am 26.
Februar 2006 gefragt wurde, welchem Abkommen Hamas bereit sei,
Folge zu leisten, antwortete der neue Hamas -Ministerpräsident
Ismail Haniyeh: dasjenige, das die Errichtung eines
palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt in den
Grenzen von 1967 garantiert. Weymouth fragte weiter: „Werden Sie
Israel anerkennen?“ Worauf Haniyeh antwortete: „Wenn Israel
erklärt, dass es dem palästinensischen Volk einen Staat und
alle seine Rechte zurückgibt, dann werden wir es anerkennen. (5)
Diese Ansicht enthält Hamas’ Forderung der Gegenseitigkeit.
In einem
Interview mit CNN’s Wolf Blitzer vier Tage nach den PLC-Wahlen
bemerkte der Hamas Außenminister Mahmoud Zahar (als Hardliner in
der Partei betrachtet): „Wir können die Errichtung eines
unabhängigen Staates auf dem Gebiet, das 1967 besetzt wurde,
akzeptieren. Wie Haniyeh und andere Hamas-Mitglieder besteht
Zahar darauf, werde erst einmal ein Staat errichtet, dann wird
ein langfristiger Waffenstillstand von 10, 20 oder 100 Jahren
den Zustand eines bewaffneten Konfliktes zwischen Israel und den
Palästinensern beenden. (6)
Hamas
Regierungssprecher Ghazi Hamad machte am 10. Mai 2006 gegenüber
Reportern folgenden Kommentar: „ Ja, wir akzeptieren einen
unabhängigen Staat in den palästinensischen Gebieten, die im
Nahostkrieg von 1967 von Israel erobert wurden. Diese Haltung
ist nicht neu und ist auf Regierungsebene erklärt worden.“ (7)
Bei einer
Bemühung, die Hamas-Position nach Abbas’ Aufruf zu einem
Referendum zu klären, erklärte der Hamas Parlamentssprecher
Aziz Duweik, dass es nichts mit einem Mangel an Unterstützung
für die Zwei-Staatenlösung zu tun habe. „Jeder von Hamas sagt
Ja zur Zwei-Staatenlösung“, sagte er. „Das Problem liegt in der
Tatsache, dass die Israelis bis jetzt nicht sagten, dass sie die
Grenze von 1967 als Grenze zwischen den beiden Staaten
akzeptieren.“ (8)
Andere
Führer drücken sich genau so klar aus. „Hamas ist sich einig
darin, was die historische und die vorübergehende Lösung
betrifft. Wir sind für beides bereit: die Grenze von 1967, ein
Staat, Wahlen und ein Abkommen nach 10-15 Jahren
Vertrauensaufbau“ , kommentierte Usama Hamdan, der
Hauptvertreter der Hamas im Libanon (9). Bemerkenswert hieran
ist, dass diese Bemerkungen schon 2003 gemacht wurden, bevor
Hamas den Sieg im Januar 2006 errungen hatte. Tatsächlich sollte
darauf hingewiesen werden, dass die meisten offiziellen
Kommentare diesbezüglich vor den Wahlen abgegeben wurden.
Weitere
Hamassprecher, die klare Aussagen zur Akzeptanz eines
palästinensischen Staates auf dem Land von vor 1967 machten,
schließt Scheich Ahmad Haj Ali ein, einen Führer der
muslimischen Bruderschaft und Hamaskandidat für die Legislative,
der z.Zt. in Israel im Gefängnis sitzt (Interview vom Juli
2005); Muhammad Ghazal, Hamassprecher, z.Zt. auch in einem
israelischen Gefängnis (Sept. 2005), Hassan Yussef, politischer
Führer auf der Westbank (August 2005), und das Hamas
Wahlmanifest, Art.5,1, das dazu aufruft, am Ziel festzuhalten,
die 1967-Besatzung zu besiegen und einen unabhängigen
palästinensischen Staat mit Jerusalem als seiner Hauptstadt zu
errichten. (10).
1989
erklärte der geistliche Führer von Hamas Scheich Ahmad Yassin
( von Israel im März 2004 ermordet): „Ich will Israel nicht
zerstören. Wir wollen mit Israel verhandeln, sodass das
palästinensische Volk innerhalb und außerhalb Palästinas in
Palästina leben kann. Dann wird das Problem gelöst sein.“ (11)
Der
Hamas-Hardliner Abdel Aziz Rantisi, ( im April 2004 von Israel
ermordet), erklärte 2002, dass „die Intifada Israel zwingen
soll, sich zu den Grenzen von 1967 zurückzuziehen.“ Das
„bedeutet nicht, dass der arabisch-israelische Konflikt dann
vorüber ist“, sondern dass der bewaffnete Widerstand gegen
Israel aufhören würde“. (12)
In einem
2004 von der hoch angesehenen International Crisis Group
veröffentlichte Bericht schlugen Hamasführer „während des
Aufstandes von 1987-1993 verschiedene Rezepte für einen Rückzug
zu den Grenzen vom 4. Juni 1967 vor, der mit einem Jahrzehnte
langen Waffenstillstand erwidert werden würde.“ Derselbe
Bericht bemerkt, dass „ bei einem Treffen im März 1988 mit dem
israelischen Außenminister Peres und dem damaligen
Verteidigungsminister Rabin im Juni 1989, der Hamasführer (
jetzt Außenminister) Mahmud Zahar ausdrücklich einen
israelischen Rückzug zu den Grenzen vom Juni 67 vorgeschlagen
hat, dem ein verhandeltes Abkommen folgen sollte.“ Das Angebot
wurde abgelehnt. (13)
III. In
einem Counterpunch-Artikel vom 24.2.06 schrieb ich , dass die
Hamasführung „klar und deutlich zu einem unabhängigen
palästinensischen Staat auf dem von Israel 1967 besetzten Land
aufgerufen hat“. (14) Ich erhielt zahlreiche Emails, die einen
„Beweis“ dieser Behauptung verlangten und mich einen Verräter,
einen Lügner, einen Nazi, einen Sympathisanten der Terroristen
und einen Antisemiten nannten. Die Statements, die in diesem
Aufsatz hier enthalten sind, sollten diese Anklagen beruhigen
helfen. Tatsächlich sind die hier von Hamasmitgliedern
diesbezüglich gemachten Statements nur eine kleine Probe
ähnlicher Statements, die seit Jahren als öffentliche
Aufzeichnungen gemacht – aber nie veröffentlicht wurden.
Sicherlich
kann man über die Jahre hin auch viele Bemerkungen von
Hamasführern hören, die weniger versöhnlich klingen, ja sogar
aufrührerisch und oft beunruhigend sind. Es würde in die Irre
führen, anderes zu behaupten. Trotzdem geht der Trend besonders
in den letzten Jahren zu einer versöhnlicheren und in der Tat
realistischeren Politik. Der Analytiker Mouin Rabbani von der
Crisis Group schrieb: „ Über Hamas muss ich sagen, dass die
Organisation als Ganzes sich mit einem Abkommen einer
Zwei-Staatenlösung als strategische Option abgefunden hat, aber
dies offiziell als Position der Organisation noch nicht
angenommen hat. Yasin, Rantisi, Abu Shanab , Mashal etc. haben
alle solche Statements gemacht. Haben sie auch andere gemacht,
die ihnen widersprechen ? Natürlich. Aber ich denke, man kann
sicher davon ausgehen, dass die strategischen Entscheidungen
getroffen wurden, die Taktik ungelöst bleibt und die
Formalitäten zuletzt kommen. Bleibt für uns die Frage, ob wir
Hamas die Chance geben wollen, ihre Worte in Taten umzusetzen.
Rabbani schreibt: „Es würde naiv sein, die oberen Statements als
bare Münze zu nehmen, und es wäre töricht, sie nicht zu
testen..“ (15)
Menachem
Klein weist in einem Haaretz-Artikel darauf hin, dass die
politischen Verlautbarungen von Hamas aufzeigen, dass die
Organisation nicht fundamentalistisch ist“. (16) Sie hat
sich von den ideologischen Forderungen ihrer Charta fort- und zu
einem Pragmatismus hinbewegt, der versucht, auf die Forderungen
des Tages zu reagieren, ohne in dieselbe Falle zu treten, in die
die Fatah und die von Fatah geführte Palästinensische Behörde
während der letzten Jahre fiel. Sie hat einen einseitigen
Waffenstillstand während der letzten 16 Monate eingehalten, auch
wenn jetzt (9.6.) bei dem israelischen Artillerieangriff auf den
nördlichen Gazastrand 7 Zivilisten - 6 von einer Familie –
starben, nun dieser Waffenstillstand wohl zu einem Ende
gekommen sein mag.
Hamas’
ablehnende Haltung gegenüber Abbas’ Aufruf zu einem Referendum
über das Gefangenen-Dokument hat nichts mit ihrer Bereitschaft,
einen unabhängigen palästinensischen Staat auf dem Land bis
1967 zu akzeptieren, zu tun, sondern mit ihrer Opposition gegen
jene von Fatah und in Israel, den US und EU, die alles in ihrer
Macht stehende tun, um Hamas zu Fall zu bringen – und zwar auf
die mieseste Art und Weise: indem man durch Aushungern der
Bevölkerung diese zur Unterwerfung bringen will und ihnen
das illegale Diktat von anti-demokratischen Warlords innerhalb
der besetzten palästinensischen Gebiete – wie den US-gestützten
Fatah-Milizführer und früheren Chef der
Präventiv-Sicherheitsdienste, Mohammed Dahlan - aufzwingen
will.
In einem
Artikel der Financial Times ( 8.6.06) kommentierte Henry
Siegmann Bemerkungen, die im israelischen Fernsehen vom isr.
Sicherheitsexperten Ephraim Halevy gemacht wurden. Er schreibt:
„Warum sollte sich Israel Gedanken darüber machen, ob Hamas sein
Existenzrecht anerkennt oder nicht, fragte Halevy. Israel
existiert und Hamas Anerkennung oder Nicht-Anerkennung fügt
dieser unwiderlegbaren Tatsache nichts hinzu und nimmt ihr
auch nichts weg. Aber 40 Jahre nach dem 1967er-Krieg existiert
kein palästinensischer Staat. Die politisch konsequente Frage
müsste deshalb jetzt folgendermaßen lauten, ob Israel ein
palästinensisches Recht auf den eigenen Staat anerkennt –
nicht umgekehrt.“ (17)
Bis Israel tatsächlich einwilligt, sich zu den Grenzen des 4.Juni
1967 zurückzuziehen, sollte Hamas nicht in die Falle geraten,
in die Fatah unter Yassir Arafat fiel, indem sie immer mehr
nachgegeben hat und immer weniger erhielt, bis nichts mehr übrig
blieb. Gerade jetzt scheint das US-unterstützte Annexions-/Kantonisierungs-Programm
die ganze palästinensische Tragödie zu einem schrecklichen Ende
zu bringen. Alles Manövrieren ist ein Deckmantel dafür –
einschließlich der ganzen Diskussion um das Referendum. Die
Fatah sollte sich mittlerweile hüten, bei ihrem Streben um
lokale Herrschaft, in die Hände der US- und israelischen
Oberherren zu fallen. Sollte es nicht Grund genug sein, dass
sie im letzten Januar abgewählt wurde. Hamas hat allen Grund
zu fordern, dass Israel - mit US-Druck - seine
Redlichkeit zuerst zeigt. In der Zwischenzeit ist Hamas’
bleibende Opposition gegen Abbas’ dubiosen Aufruf für ein
Referendum über das Gefangenen-Dokument gerechtfertigt.
Jennifer
Loewenstein
amadea311@earthlink.net
(dt. Ellen
Rohlfs) |