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 "Kidnapping"

  EIN Deutsch-israelisch-palästinensisches THEATERPROJEKT

  

Eine Produktion der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit
mit GIVAT HAVIVA Deutschland e.V. (jüdisch-arabisches Zentrum für Frieden)

 

 

KONZEPT und Künstlerische Leitung:

Dominique Caillat
Burg Namedy
D-56626 Andernach
Tel.: (+49) (0)174 311 25 55
Fax: 02632 - 49 26 82
E-Mail: dominique.caillat(at)t-online.de

 

 i. „kidnapping“: das stück      

 

 1. Titel:  „Kidnapping“

 Es handelt sich um das psychologische „Kidnapping“ von Menschen durch die Last der Weltgeschichte sowie durch radikale Anführer und Ideologien.

  

2. Thema:

 "Kidnapping" ist ein Stück über den Nahost Konflikt und über das schwierige Dreieck Deutschland-Israel-Palästina.

 Im diesem Drei-Personen-Stück setzt sich eine deutsche Journalistin mit einem palästinensischen und einem israelischen Freund auseinander. Im ersten Teil werden die verschiedenen Ansichten der Figuren über die Entstehung des Staates Israels gegenübergesetzt, im zweiten Teil bereisen die Charaktere die besetzten Gebiete, um den in Hebron stationierten Sohn des Israelis und die in Jenin lebende Geliebte des Palästinensers zu suchen.

 

3. Handlung:

 Jerusalem 2004. Anna, eine deutsche Journalistin, erwartet zwei Männer, einen Israeli (Lev) und einen Palästinenser (Sami), mit denen sie als Kind kurz befreundet war. Sie sollten ihre Hauptzeugen für eine Reportage über die Lage im Nahosten werden. Auf dem Weg zu ihr sterben die beiden in einem Selbstmordanschlag. Zu Annas Entsetzen erscheinen Lev und Sami trotzdem zu der Verabredung und zwingen Anna, sie auf eine Reise durch Zeit und Raum zu begleiten: Ihr Tod soll nicht umsonst gewesen sein – die Reportage muss gemacht werden. Es entwickelt sich eine absurde und dramatische Geschichte, die die Protagonisten zu bedeutenden Schauplätzen der Vergangenheit und der Gegenwart bringt. Dabei liefern sich Lev und Sami ein Duell der Erinnerungen, um festzustellen, wer an den Ereignissen die größte Schuld trägt, wer das größere Opfer ist und wie der Konflikt gelöst werden könnte. Die deutsche Anna steht zwischen Ihnen, mit ihrer eigenen Vergangenheit beschäftigt, stets bemüht, Rationalität in die komplizierte dreifache Beziehung zu bringen und doch maßlos in dem Geschehen emotional verwickelt. Nach dem zweiten Weltkrieg geboren, stellt sie das "neue Deutschland" dar, mit ihren Schuldgefühlen und ihrer Friedensobsession.

 In "Kidnapping" wird der Konflikt ganz absichtlich durch die Augen einer Deutschen Frau (die Journalistin Anna) betrachtet, weil der Holocaust den Schlüssel zum Verständnis Israels liefert. Anna ist keine objektive Schiedsrichterin, sondern eine emotionale Teilnehmerin an dem Geschehen. Ihre Reise mit den zwei Kindheitsfreunden wird zur Selbstentdeckung ihrer eigenen Identität und Bewusstsein.

 4. Grundlage:

 

Zwischen 2002 und 2004 bereiste Autorin Dominique Caillat während mehrerer Monate Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete, auf der Suche nach persönlichen Zeugnissen über die Ereignisse, die den Nahost Konflikt seit über 50 Jahren nähren. Sie führte täglich Interviews und sammelte die Lebensgeschichten, die die Grundlage eines Tagebuchs sowie des Theaterstückes "Kidnapping" geworden sind.

 

 

II. KIDNAPPING: DIE PRODUKTION

  

1. Produktionsablauf:

2002 – Frühjahr 2004: Recherche/Vorbereitungen. Sommer 2004: Text.
Herbst 2004: Proben in Berlin.
13.- 2004 bis 30. März 2005: Premiere im Staatstheater Mainz und 1. Aufführungsphase
(Tournee in Deutschland und in der Schweiz, in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und Givat Haviva Deutschland, e.V.), ca. 30 Aufführungen.
Ab Juni 2005, 2. Aufführungsphase, Produktionsleitung D.Caillat.

 2. Zielpublikum: Erwachsene und Jugendliche (ab 16 Jahren) Unsere Publikumsgespräche bieten im Anschluss an ausgewählte Vorstellungen die Möglichkeit zum Gespräch. Die Autorin und das Ensemble stellen sich Fragen und Kritik und berichten über seine Arbeit.

  

3. Kooperationspartner:

 Die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz: Die Aufgabe der Landes-zentrale für politische Bildung (LpB) ist es mit vielfältigen Mitteln zur „politischen Bildung der Bürger des Landes beizutragen“, beispielsweise mit Diskussions- und Informations-veranstaltungen, der Publikation von Informations- und Lehrmaterialien, sowie durch kulturelle Aktivitäten. Sie fördert auch andere bildungs-politische Einrichtungen in deren Arbeit. Neben vielen anderen Themen gehört die Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt, der Vermittlung des Dialogs zwischen Deutschen, Israelis und Palästinensern und der Aufarbeitung des Holocaust zu den zentralen inhaltlichen Arbeitsfeldern der LpB.  Seit 1993 ist die Landeszentrale auch für die Gedenkarbeit und die museal-dokumentarische Erschließung der beiden rheinland-pfälzischen KZ-Gedenkstätten Hinzert und Osthofen zuständig.

 Das jüdisch-arabische Zentrum für Frieden in Givat Haviva (Israel) wurde im Jahre 1949 zur Förderung der Verständigung und Gleichberechtigung zwischen Juden und Arabern gegründet. In Dezember 2001 wurde es mit dem "Unesco Prize for Peace Education" ausgezeichnet. Das Zentrum ist Israels größtes und ältestes Institut für  Friedenserziehung und ein wichtiger Partner in der Dreieckkooperation der Unesco-Kommissionen Israels, Palästinas und Deutschlands. Die Förderung enger Beziehungen zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung durch partnerschaftlichen Dialog ist die Hauptaufgabe des Instituts. Jährlich beteiligen sich 25.000 Menschen an den Aktivitäten des Friedenszentrums. Trotz der Konflikte und Unruhen im Nahen Osten hat das Institut durch seine Bildungs- und Forschungsprojekte, Konferenzen und Seminare, sein Informationszentrum und durch seine Publikationen dazu beigetragen, die Zukunftsperspektive eines friedlichen Zusammenlebens der verschiedenen Religionsgemeinschaften und Ethnien in Israel aufrecht zu erhalten. Givat Haviva wird unter anderem durch ein Netzwerk von Freundeskreisen in Nord-Amerika und in Europa unterstützt.

 

 III.  KIDNAPPING: DIE KÜNSTLER

 Text/Regie/Künstlerische Leitung: Dominique Caillat Nach dem Schauspielstudium in Genf, Paris und London übersiedelte die in den USA geborene Schweizerin Dominique Caillat nach Deutschland, wo sie als Autorin, Regisseurin und Pädagogin tätig wurde. 1993 gründete sie das Kinder- und Jugendtheater „Theater in der Vorburg“ auf Burg Namedy (Andernach), das sie bis 2000 leitete. Seitdem widmet sie sich vor allem der professionellen Theaterszene. Insgesamt hat sie neun Theaterstücke und drei Monologe geschrieben und inszeniert. Zu ihren Bühnenerfolgen gehören Stücke wie „Leb wohl, Schmetterling“ (Kinder- und Jugendkulturpreis von Rheinland-Pfalz 1998), eine Produktion, die zum internationalen Erfolg führte, mit  Aufführungen in Deutschland, Tschechien und Israel; oder ihr „Prolog, Szene und Epilog“ für die Kinderoper „Brundibár“ (Wiener Kammeroper 1999/ORF Aufzeichnung 2000). Weitere Auszeichnung: „Forum Artis Plaudit“ 2000 („Wir gehören zusammen“). In Rheinland-Pfalz wurde sie außerdem durch ihre Theatralisierungen von Denkmälern, u.a. „Der ewige Soldat“ (Festung Ehrenbreitstein) und „Gladiator Valerius“ (Amphitheater Trier) bekannt. 2003 war ihr Zeitstück „Niemandsland“ über Gewalt in den Vorstädten in der Kulturfabrik Koblenz wochenlang ausverkauft.


Co-Regie: Michael Sturm  Geb. in Hamburg, Studium „Musiktheater-Regie“ an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg bei Götz Friedrich, anschließend Assistenzen u.a. bei Ruth Berghaus und Harry Kupfer, Teilnehmer der Bühnenklasse von Achim Freyer am Bauhaus Dessau. Seither Arbeiten als freischaffender Opernregisseur u.a. in Potsdam, Meiningen, Dessau, Hamburg, Kassel, Prag, Linz und Wien. 1995 Inszenierung der „Verkauften Braut“ im Rahmen des Gedenkfestivals Theresienstadt. 2002 gründet er das Musiktheater „Ensemble Sturm und Klang“. (Homepage: www.sturm-taubertova.cz.)

 Bühnenbild, Kostüme: Katharina Gault  und Norbert Bellen

 Katharina Gault: Nach einem Werbe-, Graphik- und Bühnenbildstudium, Arbeit als Ausstatterin für Film, Oper, Tanztheater und Schauspiel u.a. an den Theatern von Tübingen, Münster, Passau, Meiningen, Lyon und Nancy.

 

Norbert Bellen: Nach einem Architekturstudium Arbeit u.a. an den Theatern von Essen, Berlin, Wuppertal, Bremen und Weimar. Gründer einer Agentur für digitale Medien und einer Online-Galerie. Szenenbilder für verschiedene Film und Fernsehproduktionen.

 

 Lichtgestaltung und technische Leitung: Harald Gernig

Während des Studiums der Theaterwissenschaft begann Harald Gernig an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin als Beleuchter zu arbeiten, ließ sich dann als Beleuchtungsmeister prüfen, später auch zum Theatermeister und konzentrierte sich dann auf die künstlerische Entwicklung der Lichtgestaltung. Er arbeitete unter vielen anderen mit Peter Stein, Klaus-Michael Grüber, Gilles Aillaud, Ernst Stötzner und Lucio Fanti zusammen. Später wechselte er zum Theater des Westens in Berlin und dann am Schauspiel Frankfurt am Main. Seit zwei Jahren, widmet er sich der freien Szene.

 

Schauspielerin/Anna: Antonia Holfelder Geb. in Hamburg, Studium an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Engagements: Hebbel-Theater, Schaubühne am Lehniner Platz, Hans-Otto Theater Potsdam, Staatsschauspiel Dresden sowie TV-, Film und Hörspielrollen.

 

Schauspieler/Sami: Ahmed Konstantin Bürger Geb. in Cottbus, Studium u.a. an der Palucca-Schule Dresden und der Hochschule für Film und Fernsehen „Conrad-Wolf“ in Potsdam Babelsberg. Engagements: u.a. Berliner Ensemble, Carrousel-Theater Berlin, Staatstheater Kassel, Hans-Otto-Theater Potsdam, Schauspiel Hannover. TV- und Filmrollen.

 

Schauspieler/Lev: Jaron Löwenberg Geb. in Haifa, Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst „Mozarteum“ in Salzburg. Engagements: Burggtheater Wien, Badisches Staatstheater Karlsruhe, Salzburger Festspiele. Tv- und Filmrollen.

  

IV. PRESSESTIMMEN

 

 Eine Facettenreiche, faire, auch witzige Doppelstunde. In 90 Minuten dröseln Caillat und Mitregisseur Michael Sturm auf, wie der Teufelskreis in Nahost kaum zu durchbrechen scheint. Sami und Lev (sympathisch agil: Ahmed Konstantin Bürger und Jaron Löwenberg) schleppen Vorurteile mit sich herum, aber auch Ängste, die nicht so flott wegzuargumentiern sind. Der Kidnapper Vergangenheit hält sie fest, Auch Anna (Antonia Cäcilia Holfelder), deren Probleme einem interessanterweise nicht zuletzt deutsch vorkommen, weil sie sich so wichtig nimmt. (Frankfurter Rundschau, 15.12.04)

 Das Theaterstück bietet einen neuen, erfolgversprechenden Zugang zum Thema. (Speyerer Morgenpost, 16.12.04)

 Die zahlreichen Besucher erlebten eine eindrucksvolle, sehr dichte Inszenierung, die gleichermaßen informierte und ergriff, was nicht zuletzt auch dem wachen, engagierten Spiel der Schauspieler zu verdanken war. (Main-Rheiner Allgemeine Zeitung, 17.12.04)

 „Kidnapping“ ist ein hartes, grausames, brutales Stück, weil es harte, grausame, brutale Gegebenheiten schildert, die Jahrtausende zurückreichende Kette blutiger Missverständnisse… Warum aber dieser Hass: Lev, zum – absurden - Beispiel: „Wir hassen euch, weil wir euch töten müssen.“ Die Akteure sind sympathisch. Man freundet sich schnell mit Ihnen an. Leidet mit ihnen. Man darf aber auch mit ihnen hin und wieder verzweifelt lächelnd den Kopf schütteln, wenn das Grauen seiner Absurdität wegen fast lächerlich genannt werden muss. Das Spiel ist stellenweise von einer Intensität, dass es einem selbst graut. Des toten Levs Begegnung mit seinem, für ihn unerwartet, an der Grenze Dienst tuenden Sohn… Wie sollte man das noch beschreiben: Als sentimental? Als melodramatisch? Nichts von beiden. Es ist nur – Nahost. Dominique Caillat und den Schauspielern ist ein eineinhalbstündiges Stück gelungen, das betroffen, zugleich aber auch hoffen macht. Wie absurd verfahren die Situation in Nahost auch ist: Sollte sie eines nicht allzu fernen Tages vielleicht nicht auch ganz absurd einfach zu lösen sein? (Bremer Nachrichten, 5.2.05)

 

 

 

V. KIDNAPPING: ZUSCHAUER REAKTIONEN

 Kidnapping in Worms am 28.1.05

 Sehr verehrte Madame Caillat,

 Ihr Gastspiel in Worms liegt zwar schon über eine Woche zurück, aber ich möchte nicht versäumen, Ihnen und Ihrer Truppe für den beeindruckenden Abend herzlich zu danken. Ich selbst hatte das Stück bereits in Osthofen gesehen, meine Faszination ist nach der 2. Aufführung am 28.1. eher noch gewachsen. Das kann ich auch aus Publikumsreaktionen nach der Aufführung vom 28.1. bestätigen. Einige Besucher haben mir versichert, dass sie auch in die Schülervorstellung am 28.2. ins Festhaus kommen wollen, um Ihr Stück ein zweites Mal zu sehen.

 Was mich am Stück selbst am meisten beeindruckt hat, war weniger der dokumentarische Gehalt. Der ist mir als Vorsitzender von WARMAISA Gesellschaft zur Förderung und Pflege jüdischer Kultur in Worms weitgehend bekannt, weil wir uns mit der Thematik seit vielen Jahren intensiv befassen. Aber auch unter diesem Aspekt muss ich sagen, dass ich Ihre Darstellung als sehr ausgewogen und korrekt empfunden habe. Was mich aber an Ihrem Theater mehr faszinierte, war die poetische Dimension, etwas was man im üblichen Dokumentartheater sehr selten in dieser Dichte findet.  Das betrifft sowohl die Balletteinlage, aber noch mehr die sich an Intensität steigernden Wiederholungen der kontroversen Standpunkte der Protagonisten, die sich als roter Faden durch die Handlung zogen. Deutlich wurde vermittelt, wo die "Knackpunkte" der Problematik liegen, leider auch, dass man sich hier in einem circulus vitiosus befindet, aus dem es keinen Ausweg gibt, weil sich beide Seiten in ihren jeweiligen Standpunkt verbeißen. Auch wenn das Stück keinen hoffnungsvollen Ausweg auf -zeigte, er wäre vermessen, auch wenn sich manche Besucher etwas Derartiges gewünscht hätten, so gab es doch ganz zarte Ansätze dazu, beispielsweise bei der Zubereitung des Essens (israelischer / arabischer Salat - eh dasselbe) oder auch wieder in der Ballettszene. Auch muss ich die geniale Grundidee loben, die ich anfangs (bei der Lektüre des Programmheftes) als konstruiert und an den Haaren herbeigezogen empfand. Beim Spiel war sie es nicht, im Gegenteil, sie war als Auslöser zur Darstellung des Problems und vor allem auch um die deutsche Verstrickung darin außerordentlich brauchbar.

 Ich bitte Sie sehr, meine Grüße, meine Bewunderung und meinen Dank an Ihr Team weiterzuleiten. Ich will versuchen, wenn es irgend möglich ist (ich bin am Wochenende 25. - 27.2. in Paris) auch zur Aufführung am 28.2 (meiner dritten) zu kommen. In jeden Fall werde ich bei der Diskussion am Nachmittag (ich hoffe noch immer, dass sie mit Ihrer Beteiligung zustande kommt) dabei sein.

                                                                               Mit freundlichen Grüßen, Roland Graser

 

 

 Frau Stark, Rheinfeldstr. 65, 67354 Speyer

nach der Aufführung in Worms am 28.1. 2005

 

Sehr geehrte Frau Caillat,

Ganz herzliche Grüße aus Speyer! Das heutige, für uns wenige, aber total gefesselte, bestens „aufgeklärte“ und gerührte Zuschauer/innen sicher unvergessliche Theatererlebnis drängt mich, ihnen und allen Beteiligten/Schauspieler/in noch schriftlich ganz, ganz herzlich zu danken. Meine Freundin und ich sagten beim Rausgehen wie aus einen Munde: „Ich glaube, jetzt habe ich ein bisschen vom Verfahrenen Konflikt begriffen“. Es ist ein so menschliches, so starkes, tapferes Stück mit so entscheidenden Details. (Wir haben Fr. Sumaja Farhat-Naser erlebt und vor lauter Schreckenszuständen nur nach und nach etwas verstanden, das Stück hilft ungemein zu einem tieferen Verstehen – und da wäre ein positiver Ausblick ja ein Bruch; und nichts war zu akademisch!) Lassen Sie sich bitte nicht entmutigen! Schade, dass wir nicht in Andernach wohnen. Wo sind heute die Dt.-Gesch.-Lehrer/innen?

 Alles Gute, Grüße, A. Stark und R. Pöse

 

  

Betreff: Kidnapping im Wormser BIZ

Datum: Fri, 4 Feb 2005 04:02:11 EST
Von: PtSchweiger(at)aol.com

 

Liebes, starkes Theater-Team, das sich diesem Dilemma-Thema stellt. Zuerst war ich ganz neugierig, wie kriegen die so einen Stoff in ein Stück, wie kriegen die dann dieses Stück auf die Bühne, ohne zu lehrmeistern, zu moralisieren. Und ich war dann ganz weg von eurer Kunst, zeitweise wie gelähmt, konnte zwischen durch lachen und einfach staunen. Ganz nahe war die Szene mit den fiktiven Personen, wie z. B. dem Soldaten-Sohn von Lev. Da war ich plötzlich gemeint. Ja, ihr ward unbestechlich in eurer Präsenz. So, das wollte ich euch mitteilen. Dem Projekt wünsche ich ich viele, viele Aufführungen, wobei euch der Funke nicht verloren gehen soll. Und ich wünsche euch einen Haufen großzügiger Sponsoren und Sponsorinnen. Hildegund Schweiger aus Worms

 

 

 Betreff: Kidnapping (in Koblenz)

Datum: Mon, 14 Feb 2005 13:13:01 +0100
Von: Gisela Rothenbücher <G.L.Rothenbuecher(at)gmx.de>

 

ein beeindruckender Theaterabend,

ein grandioses Theaterstück von Dominique Caillat.

"Nie habe ich eineinhalb Stunden so atemlos einem Theaterstück gelauscht" sagte ein älterer Herr neben mir, nachdem der lang anhaltende Applaus verklungen war, und dem kann ich mich nur anschließen. Alle Facetten des Konfliktes (oder Krieges?) im "Heiligen Land" aufdeckend ging das Stück unter die Haut und war teilweise wirklich nur durch die versöhnlichen Passagen zu ertragen. Dass der Applaus spät einsetzte, spricht für die enorme Leistung der Schauspieler. Danke!!! Gerne würde ich das Stück weiter empfehlen und wäre dankbar für eine Liste über weitere Termine. Über meine palästinensische Freundin, Faten Mukarker, (Sie nahm an den Autorentreffen in Landau und Mainz teil, das so weit mir bekannt, von Ihnen organisiert wurde.) könnten wir einen großen Kreis Interessierter erreichen. Für 5 weitere Programmhefte zum Weitergeben wäre ich Ihnen ebenso dankbar. Ich freue mich auf Ihre Antwort.

 Shalom und Salam Gisela Rothenbücher

 

 
Auszug aus einer E-Mail vom 16. Februar 2005 an Hans-Georg Meyer, Leiter LpB Rheinland-Pfalz, zur Premiere in Mainz am 13. Dezember 2005-02-21
 
…An dieser Stelle (wenn auch etwas spät) danke ich Ihnen herzlich für den
Abend, an welchem ich zusammen mit Frau Hahn und Frau Wiedemann das
Theaterstück "Kidnapping" in Mainz besucht habe. Ein wunderbares Stück,
welches mit schlichten Mitteln deutlich gemacht hat, wie sich die
Problematik des Miteinanders der Kulturen darstellt. Sie haben völlig Recht
mit Ihrer Einführung: Politische Bildung findet im Theater statt. Ich denke,
dass viele der Besucher nach diesen 2 Stunden mehr an Verständnis für die
Problematik mitgenommen haben, als aus manchem Seminar. Vielen Dank!
 
Susanne Krupka, Ingelheim

 

 

 

VI. KIDNAPPING: INTERVIEW VON DOMINIQUE CAILLAT, AUTORIN

 Dominique Caillat, um „Kidnapping“ zu recherchieren bereisten Sie monatelang Israel und die palästinensischen Gebiete: Was war ihr Haupteindruck?

 Daß diese Geschichte unzählige Schichten hat. Das Verwirrende, ist das beide Seiten im Endeffekt Recht haben, so daß ein Kompromiß erforderlich ist.

 Im Gegenteil zu den meisten Ausländern, die sich in der Region aufhalten, bin ich ständig von einer Seite zur anderen übergewechselt. Es war etwas anstrengend, denn auch ich möchte lieber eine klare Meinung haben und mich an Stereotypen festhalten, z. B. „Die Besatzung ist grausam!“ und nicht weiterdenken. In der Tat, die Besatzung ist grausam. Das fühlt man ganz stark, sobald man einige Stunden an einem Checkpoint gestanden hat.

 Aber: Am nächsten Tag fahre ich nach Jerusalem und erreiche das Zentrum knapp eine Stunde nach einem Selbstmordanschlag, der in einer Hauptverkehrsstraße verübt worden ist, einer Straße, die ich ständig benutze. 12 Tote und unzählige Verletzte, darunter mehrere Kinder. Am selben Tag treffe ich einen angeblich pazifistischen Palästinenser, in Deutschland ausgebildet, der sich als radikaler  Holocaustleugner entpuppt, der Israels Existenzrecht leugnet, über die „jüdische Weltverschwörung“ schimpft, usw. Da läuft es mir kalt den Rücken herunter. Der nächste Termin ist mit fanatischen Siedlern, die einem wahnsinnigen Gott folgen und von dem Mörder Baruch Goldstein (der 1994, in Hebron, 29 Muslime beim Gebet niedermetzelte) schwärmen: „Ein wunderbarer Mann, ein Arzt, der das Leben schätzte, viele Leben rettete, Sie hätten ihn auch geliebt“. Ich schaudere nur. Danach ein Brunch mit einem älteren israelischen Paar – beide intensiv im Zivilwiderstand gegen die Besatzungspolitik engagiert, beide kultiviert, weise und wunderbar, und doch erzählt mir der Ehemann, daß er einst Mitglied der Irgun war, der faschistischen Terrorgruppe, die 1946 für den Anschlag auf das King David Hotel (91 Tote) verantwortlich ist… Nichts stimmt: das Bild verzerrt sich ständig, wie in einem kaputten Spiegel.

 Wie haben Sie ihre Erlebnisse in „Kidnapping“ verarbeitet?

Ich habe versucht, jeder Geschichte aus einem Lager, eine Geschichte des anderen Lagers gegenüber zu stellen. Ich habe auch mit Clichés gearbeitet, denn sie sind ein fester Teil des Alltags. Außerdem habe versucht, eine private Ebene zwischen den Figuren zu finden, die die politische Lage widerspiegelt und ergänzt.

 Die Vergangenheit spielt in „Kidnapping“ eine große Rolle. Wäre es nicht besser gewesen, sich auf das hier und heute zu konzentrieren?

 Die Vergangenheit ist der Schlüssel zum Verständnis der Situation, sowohl auf der politischen, wie auch der psychologischen Ebene. Sie lebt in der Gegenwart weiter. In Palästina geben die Abkömmlinge der Flüchtlinge von 1948 immer noch irgendwelches Dorf als Heimatort an, das seit über 50 Jahren von der Landkarte verschwunden ist. Auch die Israelis sind von ihrer langen Geschichte gefangen.

 Vor allem die Kriege prägen die Mentalitäten und zwar mit gegensätzlichen Wahrnehmungen: Besonders 1948 (Unabhängigkeit vs. Naqba/Kaktastrophe), 1967 (Rückkehr zum Land der Vorfahren vs. Besatzung), 1973 (Desaster knapp vermieden vs. die Niederlage als Sieg empfunden), ab 1982 der traumatische Libanon Krieg, 1991 der Golfkrieg (Tel Aviv von Raketen getroffen vs. Palästinenser für Saddam Hussein).

 Ich habe das Stück auf diesen verschiedenen Wahrnehmungen gebaut: Im Grunde genommen gibt es zwei Wahrheiten, was für meinen rationalen europäischen Sinn sehr irritierend ist – das ergibt für mich eine dramatische Situation, die theatralisch ist.

 

Was hat die Journalistin Anna dort zu suchen? Was geht uns, die Deutschen, diese Geschichte an?

 Vieles. Deutschland ist, seiner eigenen Geschichte wegen, mit Israel und damit auch mit Palästina emotional und politisch verbunden. Das empfinden auch die Leute vor Ort – Die Palästinenser behaupten ständig, daß Deutschland Schuld an die Gründung des Staates Israel ist. Und für die Israelis ist der Holocaust zum Bestandteil der eigenen Identität geworden. Den Standpunkt der deutschen Journalistin hat die Korrespondentin der „Zeit“ in Israel, Gisela Dachs, in einem Buch beschrieben: „Der Holocaust, ohne den sich Israel nicht verstehen lässt, gehört der eigenen Geschichte an. Anders als die Palästinenser, die sich selbst als Opfer der Opfer begreifen, können sich die Deutschen nicht vom Leid der Juden in der Vergangenheit distanzieren. Dieses schwierige Dreieck macht das Bemühen um eine objektive Berichterstattung zu einer noch größeren Herausforderung – denn per Knopfdruck kann man sich in diesem Umfeld nicht befreien“.[1]

 In seinem Vorwort schreibt Joschka Fischer: „Für uns Deutsche geht es hier um Grundfragen unserer Politik und Ethik. Kein anderes außenpolitisches Thema rührt so tief an unser Selbstverständnis als Nation, ja an unsere Identität, wie dieses. Deutschland hat aufgrund der historischen Verantwortung für den Holocaust eine besondere Verpflichtung für das Existenzrecht und für die Sicherheit des Staates Israel. Diese Verpflichtung steht für uns nicht zur Disposition und kann nicht relativiert werden. Aus der Geschichte folgt für uns aber auch eine generelle Verpflichtung, für die Rechte anderer Völker, auch die der Palästinenser, einzutreten.“

 So sehe ich es auch. Dennoch ist die Journalistin nicht nur Berufsfrau. Der Nahost Konflikt ist für sie auch ein Metapher für viele Themen, die sie sonst beschäftigen. Israel ist Land der Bibel, Land der Überlebenden, Land der Widerständler, Land der Utopie, der gebrochene Träume, der Macht, der Angst, der Rache, der Sehnsucht nach Sicherheit und nach einer Heimat, Land unserer Sünden, Land des ewigen Bruderkrieges zwischen Isaak und

Wie schwierig war es für Sie, Sich in die Realität der Israelis und Palästinensers hineinzusetzen?

 Die israelische Gesellschaft ist absolut westlich orientiert: Selbst wenn sie mediterraneische Züge hat, bleibt sie unserer eigenen Gesellschaft sehr ähnlich. Für mich ist es überhaupt kein Problem dort zu leben: Ich fühle mich, wie zu Hause. Die politische Lage ist zwar sehr schlecht, die Politik sogar abstoßend, aber das Leben selbst verläuft nach bekannten Mustern, womöglich mit mehr Dynamik und Flexibilität. Es ist eine ausgesprochen aktive westliche Zivilgesellschaft.

 Was fremd ist, ist der Krieg selbst. Er ändert die Menschen, die primitiver, aggressiver werden. Außerdem ist Israel, trotz seiner alten Kultur, ein junger Staat mit typischen „Jugend-Zügen“, vor allem dem feurigem Patriotismus von fast allen Bürgern. Bei uns ist das etwas außer Mode geraten.

Gleichzeitig sind die Israelis von Angst geplagt, vor allem dem Angst vor der eigenen Vernichtung, vor der Feindlichkeit der Welt. Ein Freund von mir sagt oft: „Eigentlich sind wir Samsons, die in der Nacht Angst haben, Katzen, die sich vor Mäusen fürchten“. Das kann man gut nachvollziehen, wenn man sich mit der Geschichte der Juden auseinandersetzt. Ein anderer Freund behauptet: „Eigentlich brauchen wir keine Politiker, sondern Psychiater“.

 

Auf der palästinensischen Seite ist es anders. Dort gibt es natürlich jede Menge Leute, besonders in den städtischen Eliten – Intellektuelle, Anwälte, Ärzte, Universitätsprofessoren, Künstler, sogar einige Politiker! – die kaum zu unterscheiden sind von Männern und Frauen in Paris, Berlin oder Tel Aviv. Aber ein Großteil der Bevölkerung lebt in einer Welt, die man sehr schön und anziehend finden kann, wie ich es tue, aber die uns fremd bleibt.

 Es fängt natürlich bei den Frauen an, die in dieser stark patriarchalischen Gesellschaft eine untergeordnete Stellung haben: Zwangsehen, Verhüllung, massenhafte Kinderproduktion, ein isoliertes Leben daheim, ganz zu Dienste der Männer, Mordstrafe auf Ehebruch, etc.

 Es geht weiter mit dem Klansystem. Der Klan ist etwas, wovon wir im Grunde genommen keine Ahnung haben, die aber den Alltag und die Politik in Palästina so sehr prägt, daß eine Demokratie in unserem Sinne kaum vorstellbar ist. Ich finde nicht, daß es uns zusteht, zu entscheiden, ob dieses fremde System gut oder schlecht ist. Das Klansystem hat offensichtliche Vorteile. Es ist bewundernswert, daß in den palästinensischen Städten, trotz des Zusammenbruchs der Wirtschaft, trotz der Auflösung der „Regierung“, trotz der internen Machtkämpfe zwischen verschiedenen Strömungen (um sie nicht „Gangs“ zu nennen), trotz der durch die Besatzung verursachten Armut und der bis 60%igen Arbeitslosigkeit, die eigentliche Ordnung noch nicht zerstört ist. Bei uns würden solche Umstände ein komplettes Chaos verursachen, mit hoher Kriminalität und dem Ende der Moral. Aber in Nablus brauchen die Bewohner nach wie vor, ihre Eingangstür nicht abzuschließen, jeder wird auf irgendeine Weise versorgt und zwar nicht nur durch internationale Hilfe sondern dank dem Klan, der die seinen beschützt. Wollen wir diese bestehende Ordnung im Namen der Demokratie wirklich zerstören?

 Man spricht viel von einer angeblichen Gewaltakzeptanz unter den Palästinensern. Ist das wirklich so prägnant?

 Ja und Nein. Eigentlich empfinde ich die israelische Gesellschaft als grundsätzlich eher „Macho“ und aggressiv als die palästinensische. Das hat mit der Geschichte zu tun, mit dem Konflikt, der Stellung als ständiger Besatzer sowie mit dem Status der Armee. Die Israelis halten viel vom „stark sein“. Man will ja nie wieder „wie die Schafe aufs Schafott gehen“. Und teilweise haben sie recht: Ohne die Erfolge der IDF gäbe es Israel heute nicht.

 Die Palästinenser wirken meist etwas sanfter und müder als ihre Gegner, sehr höflich und unglaublich gastfreundlich. Zu den Machtdemonstrationen mit vielem Schießen in der Luft, feurigen Reden und eingehüllten Köpfen, wie man sie im Fernsehen so gerne zeigt, gehört eine gewisse Theatralik: Das ist das Bedürfnis des Schwächeren, die Zeichen der Macht vorzuzeigen. Trotzdem ist die Gesellschaft stark patriarchalisch und das geltende Gesetz ist das Gesetz des Stärkeren. Man greift schnell zu Einschüchterungsmitteln, die uns barbarisch erscheinen mögen.

 

Ich wollte eigentlich vom Terror reden. Ist es nicht so, daß die Operationen der israelischen Armee in den besetzten Gebieten, mit ihrer Gewalt, Willkürlichkeit und steigendem Vandalismus, den Terror verursachen?

Ein wachsender Teil der palästinensischen Bevölkerung scheint der Meinung zu sein, daß die Anschläge auf Zivilisten in Israel konterproduktiv sind. Sie glauben generell, daß es ein strategischer Irrtum gewesen ist, die aktuelle (sogenannte „zweite“ oder „Al Aqsa“) Intifada zu militarisieren. Die Reaktion der Israelis, die sich verteidigen wollten, war brutal und hat das Leben der Palästinenser fast zum Stillstand gebracht. Die pazifistische israelische Bewegung wurde ohnmächtig gemacht. Die Befürworter des großen Israels und alle Extremisten bekamen freie Hand.

 Ein Großteil des palästinensischen Volkes hat aber keine moralischen Hemmungen in Bezug auf die Selbstmordanschläge. Die Ablehnung ist nur politisch. Die Hauptargumente sind immer: „Sie töten unsere Kinder, wir töten die ihren“ und „wir haben keine Panzer oder Raketen, was bleibt uns denn übrig?

 Ich persönlich sehe keine Entschuldigung für die Attentate auf Zivilisten. Absolut keine. Sie sind für mich grundsätzlich unmoralisch und grausam: Ich lehne sie ab.

 Man darf sich trotzdem Gedanken machen, warum sie zustande kommen. Ich bin durchaus ihrer Meinung, wenn Sie sagen, daß die Aktionen der IDF Hass und Verzweiflung in Palästina erzeugen und daß extremistische Gruppierungen es gut verstehen, diesen Hass und diese Verzweiflung zu instrumentalisieren, um ihren Machtkampf zu unterstützen. Es stimmt, daß unzählige Kinder und sonstige Zivilisten durch Operationen der Israelischen Armee getötet worden sind. Es stimmt auch, daß die israelische Armee, wie jede Besatzungsarmee, wachsende Brutalität und Willkür ausübt. Besatzung korrumpiert. Ich glaube, der Terror wird weiter gehen, solange die Israelis mit allen Siedlern nicht aus den Gebieten ausziehen. Er wird auch den Frieden, falls dieser gelingt, weiter vergiften, aber in kleinerem Maß, weil es lange dauern wird, bis man die fanatischen Elemente der Gesellschaft unter Kontrolle hat.

 

 Die Figuren im Stück sprechen sich gegen die Terroranschläge in israelischen Städten. Sie befürworten aber wohl den bewaffneten Widerstand gegen die israelischen Soldaten. Ist das Ihre eigene Meinung?

 Ich kam nach Israel als „typische“ Pazifistin, eine Idealistin, die alle Gewalt ablehnt und Versöhnung zwischen allen Menschen anstrebt. Das ist so eine angenehme, klare Stellung! In den besetzten Gebieten wurde ich aber Zeugin von Gewalt und Willkür ohne Ende. Während ich dort war, gab es den großen Angriff auf das Raffah Flüchtlingslager. Außerdem wurden fast jeden Tag Menschen in Gaza und in der West Bank getötet, darunter viele Zivilisten. Häuser wurden zerstört, meistens mit ihrem ganzen Inhalt. Einige Male wurden sogar ältere Menschen aus Versehen unter den Trümmern vergraben. Das muss man verstehen, um die Reaktionen der Palästinenser besser nachzuvollziehen. Im Laufe meines Besuchs traf ich einen prominenten Psychiater aus Gaza, Dr. Eyad Sarraj, der die Traumata der Zivilbevölkerung, besonders der Kinder, behandelt. Er sagte mir: „Sie müssen verstehen, daß 99% der Kinder Zeuge von Schießereien und Verhaftungen gewesen sind. Ein Großteil hat zugesehen, wie jemand zu Tode erschossen wurde. Viele waren zu Hause, als die Soldaten mit Planierraupen kamen, um alles zu zerstören. Meistens haben sie knapp 10 Minuten gehabt, um die Sachen zu holen, die sie retten wollten. Manchmal aber ging alles so schnell, daß die Familie eine Wand selbst mit Hämmern zerstörte, um Flucht vor den Planierraupen zu ergreifen. Mehrere ihrer Verwandten, vielleicht ihr eigener Vater oder ein Bruder, sitzen im Gefängnis. In einer solchen Situation leiden die Kinder, aber auch die Erwachsene unter ständiger Angst, wenn nicht Panik. Das ergibt ein Gefühl der absoluten Unsicherheit. Sie werden depressiv, haben Alpträume, Kopfschmerzen und leiden unter schweren psychosomatischen Stress-Syndromen. Der einzige Weg, solche Angst zu überwinden, ist anzugreifen. Wenn ein Junge einen Stein auf einen Panzer wirft, überwindet er seine Angst, er beherrscht wieder seine Gefühle, ja sein ganzes Leben. Dieser Widerstand macht ihn stolz, er kann jetzt in Würde weiterleben. Der bewaffnete Widerstand der Militanten hat denselben Zweck, er unterstützt die psychische Verfassung der Bevölkerung. Auch die Palästinenser wollen nicht „wie die Schafe aufs Schafott gehen“: Zugegeben, es gibt keinen Vergleich zwischen den Umständen des Holocausts und denen, die hier herrschen, aber es gibt psychologische Parallelen. Die Soldaten besetzen illegal unser Land und führen gewalttätige Operationen gegen die ganze Bevölkerung: Wir haben das Recht und auch die Pflicht, uns zu verteidigen. Wie gesagt, das ist auch eine Frage des geistigen Überlebens.“

Inzwischen kann ich diese Auffassung nachvollziehen. In der Tat, warum dürften ausgerechnet die Palästinenser keinen Widerstand leisten? Haben wir nicht Widerständler bei uns und in der ganzen Welt immer wieder unterstützt und bewundert, wenn sie gegen eine illegale Besatzung oder gegen eine Diktatur kämpften? Haben Zivilisten nicht das Recht, sich gegen eine feindliche Armee zu wehren?

 Mir fällt das alles sehr schwer, da die meisten meiner israelischen Freunde Kinder in der Armee haben. Einige (wenige) der Kinder dagegen, sitzen im Knast, weil sie den Dienst verweigern. In Israel ist das eine sehr schwierige, mutige Entscheidung, die gegen den Strom geht. Langsam verbreitet sich aber die Bewegung der sogenannten „Refuzeniks“.

 

Und was ist der Einfluss der Religion?

 Der Islam hat noch keine Aufklärung gehabt. Genau wie das orthodoxe Judentum. Viele einzelne Muslime und orthodoxe Juden mögen selbst aufgeklärt sein, aber nicht die Religionen selbst, die alle Reformen ablehnen und nur zurück zum Ursprung, zu den Grund-Texten wollen. Sie haben den Schritt in die Modernität noch nicht geschafft: Das wird irgendwann in der Zukunft geschehen. Denn es gibt zu viel Unterschied zwischen den Geboten des Korans oder der Bibel und dem Alltag im 21. Jahrhundert. Das machen die Gläubigen irgendwann nicht mehr mit.

 Was den Einfluss der Religion auf die Situation betrifft, ist der berühmte Zitat von Karl Marx immer noch aktuell: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.“ Religion ist in meinen Augen nicht nur das, aber manchmal auch das! Und in Palästina trifft diese Erklärung genau zu.

 Die Ausnutzung des religiösen Glaubens, um politische Macht zu erzielen, ist eine altbekannte Geschichte. Wenn Gott im Spiel ist, gibt es keine Kompromisse. Gott ist absolut. Das ist das Gefährliche an ihn, falls er in die Politik einbezogen wird.

 Noch was: In Europa sind wir auf Dinge wie das Kopftuch absolut fixiert. Ich bin auch kein großer „Fan“ davon, aber in Palästina hatte ich den Eindruck, daß viele Frauen, inklusive gebildete Frauen, Intellektuelle, das Kopftuch tragen und ihre Religion zielstrebig praktizieren, weil es ihre Identität stärkt. „Es ist Krieg, die anderen sind die dekadenten Westler und wir unterscheiden uns von ihnen durch unser Aussehen und unsere Lebensweise“: Das hat mit Identität im Krieg (und im „Kulturkampf“) zu tun. Irgendwie ist das Kopftuch sowohl ein Zeichen der Unterdrückung wie auch der Emanzipation. Das ist ein typischer nahöstlicher Widerspruch!

  

Stimmt es, daß die meisten Dialoge im Stück auf wahren Ereignissen beruhen?

 Ja. Natürlich dramatisiert „Kidnapping“ nur ein winziges Prozent meiner Erlebnisse. Ich musste mich sehr stark bremsen, um kein 10-stündiges Stück zu konzipieren! Darum habe ich auch ein Tagebuch meiner Recherchen geschrieben. Das Buch wird von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz veröffentlicht.

 Aber selbst in den Szenen, wo es in „Kidnapping“ nicht so sehr auf die Politik ankommt, bezieht sich der Text stark auf meine Lebenserfahrungen, besonders Kindheitserinnerungen aus Paris. Die Anekdote, die ich als Ausgangspunkt für das Stück benutzt habe, ist autobiographisch: Die Freundschaft mit einem palästinensischen Kind 1967 in Paris, das wegen des Sechs-Tage-Krieges weggehen muß; dann eine Freundschaft mit einem Israelischen Kind, nach dem Krieg, das das andere sozusagen ersetzt.

 Die Kindheitsebene habe ich als Metapher für die Sehnsucht aller Protagonisten nach einer heilen Welt, vor dem Sündenfall, benutzt. Für die Palästinenser ist das die Welt vor 1948, vor der Staatsgründung Israels; für die Israelis ist es 1967, vor dem Anfang der Besatzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens; für die Deutsche ist es die Zeit vor dem Holocaust. Auf der privaten Ebene der Figuren ist Paris 1967 die Zeit der Unschuld und des Glücks – danach wurden sie vom Paradies rausgeworfen und sie entdeckten ihre Nacktheit.

Oktober 2004

[1] Gisela Dachs, "Deutsche, Israelis und Palästinenser – ein schwieriges Verhältnis". Palmyra Verlag 1999, mit einem Vorwort von Joschka Fischer.

 

 

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