o


Das Palästina Portal

Täglich neu - Nachrichten, Texte aus dem besetzen Palästina die in den deutschen Medien fehlen.

 KurznachrichtenArchiv - ThemenLinksFacebook   -   Samstag, 25. Dezember 2021   -   Sponsern SieAktuelle TermineSuchen

 


Tel Avivs kollektive Bestrafungen, Gefangennahme, Zusammentreiben und Morde …
Geschichten von Zeugen aus Beit Ummar
Louisa Morgantini* ( in ital. Liberazione, 19.2.2008)

 

Am Freitag den 15. Februar: nach drei Tagen Belagerung und Ausgangssperre verließen schließlich die israelischen Panzer den Ort, und die Wasser- und Stromversorgung konnte in Beit Ummar, einem kleinen Dorf  nördlich von  Hebron, wieder hergestellt werden. Ein paar Tausend Palästinenser leben dort.

Israelische Panzer und Shin-Bet-Agenten – nach Augenzeugen  etwa 30 Fahrzeuge und Bulldozer – fuhren am Mittwoch um 1 Uhr morgens ins Dorf. Die Soldaten  führten Hausdurchsuchungen durch, ein Haus nach dem anderen, trieben junge Männer –Zivilisten -  zwischen 18 und 25 zusammen, zerstörten Gebäude, Infrastruktur und Läden, wie auch von CPT-Leuten (Christian Peacemaker Team) bestätigt wurde: „Soldaten umzingelten die Moschee, verhinderten jede Bewegung von Autos und Leuten, aber auch von Medikamenten und Ambulanzen“ sagten sie zu Maanam News.

„Es war nichts anderes als eine kollektive Strafmaßnahme, besonders gegen Jugendliche und Männer, die in einen Schulhof getrieben und dort mehrfach zusammengeschlagen wurden. Fast 85 von ihnen wurden stundenlang draußen bei Kältegraden unter Null festgehalten,“  sagte uns Abu Awwad am Telefon, aus dessen Stimme Verzweiflung und Hilflosigkeit durchklang. Er ist ein 35 jähriger palästinensischer Pazifist und Gandhianhänger, der zusammen mit einem israelischer Bürger Elik el Hanan uns und der Welt sagt, wie dringend sie Frieden und Gerechtigkeit benötigen. Beide trauern um Familienangehörige, die sie während des Konfliktes verloren haben. Ali verlor einen seiner Brüder, der kaltblütig von einem israelischen Soldaten am Chechpoint erschossen wurde; Elik verlor seine Schwester, die bei einem Selbstmordattentat 1997 ums Leben kam . Heute sind beide Aktivisten im Parent Circle, einem Forum,  zu dem inzwischen 500 israelische und palästinensische Familien gehören, obwohl sie nahe Verwandte in diesem Konflikt verloren haben. Dieses Forum besteht seit 12 Jahren und breitet sich aus. Sie haben eine starke Botschaft: „Wenn wir, die wir den höchsten Preis gezahlt haben, weiter über Frieden reden, dann bedeutet das, dass dies eigentlich jeder tun könnte“ sagte Ali am Ende des Dokumentationsfilms „Mütter“ von Barbara Cupistis. Er wurde im letzten September bei den Venediger Filmfestspielen vorgestellt: es sind die Geschichten von 15 israelischen und palästinensischen Müttern, deren Kinder während des Konfliktes getötet wurden.

Ali ist auch ein Mitgründer von „Al-Tarik“ ( „Der Weg“), eine palästinensische Bewegung, die eine Reihe palästinensischer Vereinigungen zusammenbringt, die sich in einem täglichen Kampf um  die Anerkennung eines freien palästinensischen Staates, um das Ende der militärischen Besatzung und gegen jede Art von Gewalt … bemüht.  Wir erfuhren von ihm auch, dass die israelischen Soldaten  Flugblätter in Beit Ummar zurückgelassen hätten, wo sie einige Häuser besetzt hielten und zu Standquartieren gemacht hatten: Ihr seid nicht in der Lage gewesen, euren Kindern beizubringen, keine Steine zu werfen, drum wollen wir uns dieses Problems annehmen!“ stand auf den Flugblättern.

Außerdem wurden während der Invasion Häuser und Läden von der Besatzungsarmee, Wasserleitungen und Abwasserrohre zerstört, Computer, Handys und Dokumente ohne Erklärung  mitgenommen. Zusätzlich wurden 25 Leute gefangen genommen und bis jetzt nicht wieder entlassen. Wir wissen nicht, wo sie festgehalten werden; unter ihnen befindet sich eine Reihe Minderjähriger wie  der 15jährige Muntaser Fakhri Ikhlayel und sein Cousin Adam Hasan Ikhlayel, 16. Beide wurden Mittwoch nacht in Beit Umma verhaftet genau wie Youssef Hassan Abarneh, der ein örtlicher Führer der Fatah und ein Mitbegründer von Al Tarik ist. Diese letzten Verhaftungen  kommen zu den mehr als 11 000 politischen palästinensischen Gefangenen dazu, die zur Zeit in israelischen Gefängnissen  in Israel und in den besetzten Gebieten einsitzen.

Während der letzten Wochen wurden viele Demonstrationen in Beit Ummar von Leuten  gehalten, die gegen die lokale Herrschaft von Hamas demonstrierten. Es kann kein Zufall sein, dass unter den 25 Verhafteten  viele Fatahführer sind, denen der Schlüssel zum Rathaus von der Hamas, als ein Zeichen von Erweiterung (? R.) gegeben wurde.

 

In der Zwischenzeit gehen die Absperrungen, die Überfälle und  Invasionen im Gazastreifen und in der Westbank weiter. Allein am Mittwoch wurden mindestens 60 Leute in der Westbank gefangen genommen. Und am 15. Februar starb eine ältere palästinensische Frau an  einem Herzinfarkt, weil sie das Krankenhaus nicht rechtzeitig erreichen konnte, da ihr Mann Mahmoud Yussef Qab keine Genehmigung erhielt, den Checkpoint zu passieren.

 

Nach Palestine Monitor haben seit der Annapolis-Konferenz am 28. November die israelischen Überfälle um 220% zugenommen, 178 Palästinenser sind getötet worden, einschließlich  3 Kinder und 617 Menschen wurden verletzt. All dies ist geschehen, ohne dass die Internationale Gemeinschaft ein einziges Mal protestiert hat (und aus Beit Ummar ist keine einzige Qassam-Rakete abgefeuert worden).

 

Es erscheint ziemlich deutlich, dass die israelische Regierung unfähig oder unwillig ist, ihre militaristische, koloniale und landraubende Haltung zu beenden, wie es ihre Siedlungsexpansionspolitik innerhalb der palästinensischen Gebiete demonstriert; sie wünscht,  den Nahen Osten anscheinend in einem nie endenden Konflikt  zu halten, wie das auch die Ermordung des Hisbollahführers Imad Mugniyeh in Damaskus  demonstriert. Sie töten und zerstören und sind davon überzeugt, dass sie geliebt und anerkannt werden müssten, aber um geliebt zu werden, müssen sie selbst lieben und andere respektieren. Dies scheint nicht der Fall zu sein weder von Seiten der israelischen Regierung noch von Seiten der israelischen Armee. Aber wir sollten nicht verzweifeln, weil es inzwischen viele Leute in Israel gibt, so wie Elik, die ihr Land Seite an Seite mit den Palästinensern gegen die Mauer in Beilin  oder am Erez-Übergang   zum Gazastreifen verteidigen und  diese Politik der Militärbesatzung und kolonialen Expansion scharf verurteilen, weil dies nur die Extremisten und Fundamentalisten auf beiden Seiten stärkt.

 

*L. Morgantini ist die Vize-Präsidentin des EU-Parlamentes.

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

 

Start | oben

Impressum           Haftungsausschluss            KONTAKT            Datenschutzerklärung            arendt art