Warum erkennt die
Times Israels Existenzrecht an ?
Zuerst veröffentlicht auf der Meinungsseite der Los Angelos Times, 11.3.07
Saree Makdisi, Dozentin für englische und vergleichende Literatur an UCLA,
11.3.07
George Orwell schrieb
einmal: „ Sobald gewisse Themen auftauchen, vermischt sich Konkretes mit
Abstraktem, und jeder scheint nur noch in längst abgedroschenen Redewendungen
zu denken. Die Prosa besteht immer weniger aus Wörtern, die um ihrer Bedeutung
willen ausgewählt werden. Und immer öfter werden Sätze wie vorgefertigte
Teile eines Hühnerstalles an einander gefügt.“ Solch eine Kombination von
Verschwommenheit und reiner Inkompetenz in der Sprache führt zu politischer
Anpassung, warnt Orwell.
Kein Thema illustriert
Orwells Anliegen besser als die Berichterstattung des
israelisch-palästinensischen Konfliktes in den USA. Man schaue sich z.B. nur
das Editorial der Times am 9. Februar an, in dem verlangt wird, dass die
Palästinenser „Israel“ und „das Existenzrecht Israels“ anerkennen sollen Das
ist eine allgemeine Meinung – ja eigentlich ein Klischee. Aber viele Beobachter
( wie kürzlich der Völkerrechtler John Whitbeck ) weisen darauf hin, dass diese
Behauptung von Israels Anwälten eifrig propagiert und ständig unkritisch von
amerikanischen Politikern und Journalisten übernommen wird und - bestenfalls -
äußerst unsinnig sei.
Erstens: in der
formellen diplomatischen Sprache wird das Wort „Anerkennung“ traditionell von
einem Staat aus Respekt vor einem anderen Staat angewendet. Es ist für einen
Nicht-Staat buchstäblich ohne Bedeutung, einen Staat anzuerkennen. Abgesehen
davon wird in der Diplomatie solch eine Anerkennung gegenseitig ausgesprochen.
Um die eigene Anerkennung zu „verdienen“, sollte Israel gleichzeitig den Staat
Palästina anerkennen. Das aber wird standhaft verweigert ( und aus irgend einem
Grund gibt es keine ordentlich gesinnten Zeitungsredakteure, die genau das auch
fordern).
Zweitens: welches Israel
genau sollen die Palästinenser denn „anerkennen“ ? Israel hat sich stur
geweigert, seine Grenzen festzulegen. Also territorial gesprochen, ist Israel
unbegrenzt. Sollen die Palästinenser das Israel anerkennen, das an den vom
UN-Teilungsplan 1947 vorgeschlagenen Linien endet? Oder bei den
Waffenstillstandlinien – der Grünen Linie – von 1949. Oder das Israel, das die
Westbank und Ostjerusalem einschließt, die es in Verletzung des Völkerrechts
vor 40 Jahren besetzte - also so, wie es in den israelischen Schulbüchern als
„Israel“ dargestellt wird?
Was das betrifft, warum
sollten die Palästinenser ein Israel anerkennen, das sich weigert, das
Völkerrecht anzuerkennen, sich den UN-Resolutionen entzieht oder zulässt, dass
die Palästinenser 1948 unrechtmäßig aus ihren Häusern vertrieben wurden und
seitdem sich dagegen sperrt, sie zurückkehren zu lassen.
Wenn auch keine dieser
Fragen leicht zu beantworten it, warum werden dann solche Forderungen an die
Palästinenser gestellt? Warum wird von Israel nichts dafür verlangt.
Orwell hatte Recht. Es
ist viel leichter nichts-sagende Phrasen zu wiederholen als zu fragen – oder gar
schwierige Fragen zu beantworten. Aber dieses Wiederkäuen leerer Phrasen dient
einem Zweck. Das endlose Wiederholen des Mantras, die Palästinenser würden
Israel nicht anerkennen, hilft Israel, sich wieder als unschuldiges Opfer
darzustellen: es bittet höflich um Anerkennung – wird aber von seinen grausamen
Feinden abgewiesen.
Im Grunde bittet Israel
um noch mehr: es wünscht von den Palästinensern, von denen die Hälfte aus ihrer
Heimat vertrieben wurde, damit 1948 genau dort ein jüdischer Staat gegründet
werden konnte, dass sie nicht nur seine Existenz anerkennen – was ja nicht
geleugnet werden kann - sondern dass seine Existenz auch rechtens sei, dass
es also richtig und rechtens war, dass sie enteignet wurden und ihre Häuser,
ihren Besitz und Lebensgrundlage verloren haben, damit auf ihrem Land der
jüdische Staat geschaffen werden konnte. Die Palästinenser sind nicht das erste
Volk auf der Welt, das enteignet wurde, aber sie sind die ersten, von denen man
fordert, das zu legalisieren, was ihnen ( an Unrecht) zugestoßen ist.
Ein gerechter Friede
erfordert, dass Israelis und Palästinenser sich versöhnen und dass jeder die
Rechte des anderen anerkennt. Es ist nicht erforderlich, dass die Palästinenser
ihr moralisches Einverständnis zu der Katastrophe geben, die sie heimgesucht
hat. Bestenfalls ist solch eine Forderung sinnlos, schlimmstenfalls zynisch und
manipuliert und dient nur den Zwecken Israels – aber weder der Times noch ihren
Lesern.
Doch weiterhin übernimmt
die Times Israels Sprache, Redeweise und seine Ansichten. Z.B. wurde vor kurzem
in einem Artikel nicht von der palästinensischen Minderheit in Israel
gesprochen, sondern von einer „arabischen“, Israels offizieller Terminus für
eine Bevölkerung, deren politische Rechte und deren Menschenrechte es sich
weigert, voll anzuerkennen. Die existierende palästinensische Präsenz innerhalb
Israels nicht anzuerkennen ( und die anhaltende Kontinuität mit dem Rest des
palästinensischen Volkes) bedeutet, den Kern des Konfliktes auszulassen und die
Rechtmäßigkeit der palästinensischen Forderungen und Rechte zu leugnen.
Genau das ist es, was
Israel wünscht. Tatsächlich reflektiert seine Forderung der Anerkennung seines
Existenzrechtes seine eigene Angst – nicht um seine Existenz, sondern über den
Misserfolg, die palästinensische Präsenz innerhalb ihrer Heimat nicht völlig
eliminiert zu haben….
Indem die Times Israels
schwer belastete Terminologie übernimmt, geschieht eine verbale Auslöschung, die
dafür bestimmt ist, Palästina auch physisch zu zerstören .
Wenn die Zeitung jedoch
wünschen würde, dass ihre Leser das Wesen des Konfliktes verstehen lernen, dann
sollte sie nicht so tun, als ob nur eine Seite eine Geschichte zu erzählen habe.
(dt. Ellen
Rohlfs) |