Am Käfig rütteln:
Israelis wollen keinen Frieden
Larry
Derfner
Bald nachdem ich vor 25 Jahren in dieses
Land kam, erfuhr ich, dass unter meinen Verwandten eine wirkliche
Araberhasserin war, “Tali”. Sie war die extremste Rechte in der Familie.
„Für Tali war ein guter Araber ein toter Araber, nicht wahr?“ neckte sie
einer meiner Cousins am Freitagabend. „Falsch,“ sagte sie, „ für mich
ist tot noch nicht genug. Er muss auch noch 40 Meter tief begraben
sein.“
Sie übertrieb mit komischen Effekten. Sie
hatte die Araber auf dem Kieker. Eines Tages fragte ich sie, welche
politische Partei sie wählen würde und dachte, sie würde Tehiya oder
eine der kleinen extrem rechten Parteien wählen - bestenfalls Likud.
„Labor“, sagte sie. Ich war erstaunt. Warum
Labor?“ „Sieh, ich will nicht mit den Palästinensern zusammenleben, und
wir können sie nicht los werden. Also gibt es nur eines: das Land zu
teilen. Lass sie in ihrem Land leben, und ich will in meinem leben.“
Erklärte sie.
Ich denke an Tali und diese Bemerkung, wenn
ich das Sprachrohr dieses Landes höre, und wie Israelis , angefangen vom
Ministerpräsidenten, bereit sind, einen palästinensischen Staat zu
akzeptieren. Eine Umfrage nach der anderen zeigt, dass zwei Drittel der
jüdischen Bevölkerung bereit sind, Land für Frieden zu geben.
Die Behauptung dieser Propaganda ist , dass
Israelis so liberal, so „dovish“, so aufgeschlossen gegenüber Arabern
geworden seien. Doch nein, wir sind es nicht. In 25 Jahren habe ich
dieses Land nie so blind herablassend gegenüber jedem Araber und allem
Arabischen erlebt, so sehr auf Konfrontation aus, so unnachgiebig
engstirnig. Die Israelis sind nicht auf die Idee eines palästinensischen
Staates gekommen, weil ihnen klar geworden ist, auch die Palästinenser
haben Rechte , oder weil sie denken, die Besatzung und die Siedlungen
seien etwas Unmoralisches.
Wenn Israelis heute denken, sie könnten das
Problem damit lösen, dass sie die Palästinenser aus der Westbank, dem
Gazastreifen und die israelischen Araber aus Israel vertreiben, dann
würden sie dies heute unterstützen. Aber sie wissen, dass dies nicht
möglich ist. Also wollen sie zwischen sich und den Arabern so viel wie
möglich an Distanz schaffen und so hohe Mauern wie möglich bauen.
Wenn dies die Idee von Frieden ist, dann
stimmt das Klischee: „Alle Israelis wünschen Frieden“.
Man mag sagen, das macht nichts, warum die
Öffentlichkeit den Gedanken eines palästinensischen Staates akzeptiert
hat. Wichtig daran ist, das sie es hat. Aber das ist ein Missverständnis
der israelischen öffentlichen Meinung. Die Leute hier akzeptieren die
Idee eines palästinensischen Staates nur theoretisch, sie sind
gegenüber Arabern so feindselig, so beharrlich misstrauisch gegenüber
allem … sie sind absolut gegen jede Veränderung, die einen
palästinensischen Staat entstehen lassen könnte.
Das Aufheben der Kontrollpunkte in der
Westbank, das sog. Einfrieren des Siedlungsbaus, und kürzlich eine
Lockerung der Belagerung des Gazastreifens – all dies wurde widerwillig
von Ministerpräsident Netanyahu getan und widerwillig von der
Öffentlichkeit akzeptiert und nur weil die Amerikaner uns dazu zwangen.
Wenn es nach uns ginge, würden wir sie schmoren lassen und ihnen eins
über den Kopf geben, wenn sie sich zu sehr beklagen.
Zwei Drittel der Israelis mögen den
Meinungsforschern sagen, dass sie für Land gegen Frieden seien, aber
dieses Land müsste unter großem Protest dahin gezogen werden,
tatsächlich Land aufzugeben, weil nichts auf Erden uns überzeugen kann,
dass die Palästinenser uns wirklich Frieden geben.
Seitdem ich dort lebe, gab es nur eine
Zeit, in der die Einstellung der Israelis anders war, und sie die Araber
nicht als unversöhnliche Tötungsmaschinen ansahen, und dass wir an
diesem Konflikt nicht ganz unschuldig sind und dass wir ihnen eine
Chance geben sollten. Diese Periode begann als Yitzhak Rabin im Juni
1992 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Sie endete im März 1996 als
drei Selbstmordattentate in neun Tagen 60 Israelis töteten.
Von diesem Zeitpunkt an war das Vertrauen
weg. Yasser Arafat konnte nichts Recht machen, obwohl er schließlich bei
der Hamas durchgegriffen und den Terror für Jahre unter Kontrolle
gebracht hatte. Wir sagten gern, Israel bot den Palästinensern in Camp
David einen Staat an und nochmals bei den Annapolis-Gesprächen, aber je
mehr Land von Ehud Barak und Ehud Olmert den Palästinensern angeboten
wurde, um so unbeliebter wurden sie zu Hause. Man stelle sich vor,
Arafat hätte zu Barak ja gesagt oder wenn Mahmouds Abbas zu Olmert ja
gesagt hätte – würde die Knesset und die Öffentlichkeit es denn
unterstützt haben 75 000 oder 100 000 Siedler abzuziehen – zusammen mit
der Teilung Jerusalems? Undenkbar.
Wir haben ihnen Gaza gegeben, sagen wir,
aber es war ein Glücksfall. Der einzige israelische Führer, der das Volk
hinter sich bekommen konnte, war Ariel Sharon. Und noch einmal: diese
Trennung wurde nicht um der Gerechtigkeit und nicht um der Versöhnung
willen getan. Es wurde getan, um die Gott verdammten Araber aus dem
Blickfeld zu bekommen. Begleitet wurde dies von einem populären Angriff
im Sharon-Stil auf den Feind. Seitdem hat sich unsere Rachsucht gegen
die Palästinenser nur vertieft.
Das kommt nicht von nichts. Es kommt von
traumatischen Gewaltrunden und Blutvergießen von Seiten der
Palästinenser, die den jüdischen Staat unter keinen Umständen
akzeptieren. Israelis haben ein Recht, zynisch zu sein.
Bis zu einem gewissen Punkt. Zynismus, der
ihre Einstellung gegenüber Gewalt und Blutvergießen verschließt,
geschweige denn gegenüber kolonialer Tyrannei, mit der wir die
Palästinenser heimgesucht haben. Das ging zu weit …
Und außer in der kurzen Zeit zwischen
Rabins Wahl und den Selbstmordanschlägen von 1996, ist dies die
israelische Mentalität gewesen, so lang ich denken kann. (Ich war bei
Anwars Sadats Besuch und dem Friedensvertrag mit Ägypten nicht hier …)
Die Israelis sind heute sicher oder sicherer als sie je gewesen sind,
die palästinensische Führung in der Westbank ist besser als wir sie uns
je wünschen konnten. Doch kann ich mich an keine Zeit erinnern, die ein
so gestörtes Verhältnis zu den Arabern zeigte und gegenüber jeden, der
kritisiert, wie wir sie behandeln. Die Israelis sagen zwar, sie wollen
Frieden; aber sie widerstehen mit all ihrer Kraft jedem Vorschlag, der
ihn möglich macht, dass es Dinge gibt, die wir tun könnten, die wir aber
nicht tun, um ihn näher zu bringen.
Nein, Israelis sind für einen Wandel nicht
bereit, sie sind nicht bereit, die Palästinenser zu befreien; sie
sind nicht für den Frieden bereit . Es sei denn man glaubt an
Meinungsumfragen.
( dt und geringfügig gekürzt: Ellen Rohlfs)
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