Der moralische
Bankrott der Gründungsidee Israels
*Der kommende Kollaps des Zionismus*
von Kathleen Christison, frühere „CIA Analytikerin“
Ist es nur Beobachtern außerhalb des
konventionellen Mainstream aufgefallen, dass Israel durch seinen
mörderischen Angriff auf den Libanon und zugleich auf den Gazastreifen,
nun auch für die in die Irre geleiteten den kompletten Bankrott seiner
Gründungsidee enthüllt hat?
Kann es sein, dass die Getäuschten immer
noch getäuscht werden? Kann es wirklich sein, dass der Bankrott Israels
nur denen offensichtlich ist, die es schon vorher wussten, diejenigen
die den Zionismus wegen des rassistischen Prinzips, das ihm zugrunde
liegt, als illegitim betrachteten?
Kann es also sein, dass nur die bereits
Konvertierten den ultimativen Kollaps des Zionismus kommen sehen, und
damit der Kollaps Israels selbst als exklusivem Judenstaat?
Rassismus ist schon immer das Herzblut
Israels gewesen. Der Zionismus beruht auf der fundamentalen Überzeugung,
dass Juden höhere nationale, menschliche und natürliche Rechte auf das
Land haben – eine inhärent rassistische Begründung, die jegliche
Möglichkeit echter Demokratie oder Gleichheit der Völker ausschließt.
Das destruktive Wüten im Libanon und Gazastreifen ist nur der natürliche
nächste Evolutionsschritt einer solchen Gründungsideologie. Gerade weil
diese Ideologie die Exklusivität und Überlegenheit der Rechte eines
Volkes voraussetzt, kann sie keine legale oder moralische Schranken für
ihr Handeln und keine territoriale Grenzen akzeptieren, denn sie braucht
eine sich stets ausdehnende Geographie, um diesen uneingeschränkten
Rechten zu entsprechen.
Der Zionismus kann die Einengung oder
auch nur den leisesten Zweifel an seiner totalen Herrschaft über den
eigenen Raum – nicht nur den Raum innerhalb der 1967er Grenzen Israels,
sondern auch den umliegenden Raum, der sich nach außen bis zu
geographischen Grenzen dehnt, die der Zionismus bisher sich selbst zu
setzen nicht bereit war. Totale Vorherrschaft bedeutet keine physische,
auch keine demographische Bedrohung. Juden herrschen, Juden sind
vollkommen sicher, Juden sind immer in der Überzahl, Juden halten
jegliche Militärmacht und kontrollieren alle natürlichen Ressourcen;
alle Nachbarn sind machtlos und vollständig unterwürfig. Das war die
Botschaft, die Israel bei seinem Angriff auf den Libanon zu senden
versuchte: dass weder Hisbollah selbst noch irgendeine andere Basis im
Libanon weiterhin existieren darf, allein aus dem Grund, dass die
Hisbollah die regionale Vorherrschaft Israels herausfordert, und
Israel diese Frechheit nicht ertragen kann.
Der Zionismus kann nicht neben
irgendeiner anderen Ideologie oder Ethnizität existieren, außer in einer
Position der Überlegenheit; denn jede Person und jede Ideologie, die
nicht zionistisch ist, stellt eine potentielle Bedrohung dar.
Im Libanon hat Israel mit rücksichtloser
Gewalt versucht, die Nation zu zerstören und eine Tötungszone daraus zu
machen, in der nur der Zionismus herrscht, in der alle nicht-Juden
sterben, fliehen oder sich unterwerfen müssten , wie sie es während der
fast ein Vierteljahrhundert dauernden letzten Besatzung durch Israel
(1978 - 2000) getan haben. Als der britische Korrespondent Robert Fisk
den Krieg in Beirut nach der ersten Woche des Bombardements beobachtete,
auch den Mord während eines Bombenangriffs an vier libanesischen
Armeetechnikern, die Strom- und Wasserleitungen reparierten, „um Beirut
am Leben zu erhalten“, schrieb er, dass ihm nun klar geworden sei,
Israel ziele dahin, „Beirut sterben zu lassen… Keinem soll es erlaubt
sein, Beirut am Leben zu erhalten.“ Der israelische Oberbefehlshaber Dan
Halutz (der Mann, der vor vier Jahren - damals noch Oberbefehlshaber der
IAF - sagte, er habe nichts Unangenehmes gespürt, als einer seiner F-16
Flugzeuge mitten in der Nacht eine Eintonnenbombe auf ein Wohnhaus in
Gaza abwarf, und dabei 14 Zivilisten, hauptsächlich Kinder, tötete)-
dieser Halutz versprach am Anfang des Libanonangriffs, der Libanon solle
um 20 Jahre zurückversetzt werden. Vor 20 Jahren lebte der Libanon
nicht: das südliche Drittel war von Israel besetzt, der Rest befand sich
in einem schon 10 Jahre währenden, hoffnungslos destruktiven
Bürgerkrieg.
Die „cluster bombs“ (Streubomben) sind
ein sicheres Anzeichen für Israels Vorhaben, den Libanon neu zu
gestalten - jedenfalls den Süden, zu einer von seiner arabischen
Bevölkerung gesäuberten Region zu machen, die nur durch Israels Gnade
funktionieren könnte. Cluster bombs, dessen führender Hersteller und
Israels Lieferant die USA sind, (die sie auch in Jugoslawien und Irak
eingesetzt haben), explodieren im Flug und zerstreuen hunderte kleiner
Bomben über ein Gebiet von einem Hektar. Bis zu einem Viertel dieser
Bomben explodieren nicht beim Aufschlag und bleiben liegen, um von
arglosen, in ihre Heimat zurückkehrenden Zivilisten gefunden zu werden.
UNO-Beauftragte schätzen, dass bis zu 100 000 nicht-explodierte
Minibomben auf 400 Bombenabwurfsorte im Süden Libanons verstreut
wurden. Dutzende von Kindern und Erwachsene sind durch diese
nicht-explodierten Waffen seit dem Waffenstillstand im vergangenen Monat
bereits getötet oder schwer verletzt worden.
Das Legen von Personenminen in dicht
bewohnten Gebieten hat nichts mit „sorgfältig ausgewählten“ Zielen einer
Militärmacht, die nur militärische Objekte anvisiert, zu tun; es ist
ethnische Säuberung. Ganze 90% der clusterbomb-Angriffe fanden, nach
dem humanitären UN-Koordinator’ Jan Egelund, in den letzten 72 Stunden
vor Beginn des Waffenstillstands statt, als bereits abzusehen war, dass
ein Waffenstillstand ausgehandelt wurde. Das kann nur eine weitere
Bemühung gewesen sein – sicher als ‚Gnadentod’ gedacht – um die Gegend
zu entvölkern. Zusammen mit den vorausgegangenen 4 Wochen langen
Bombenangriffen, die bis zu 50 oder in manchen Fällen 80% der Wohnungen
in vielen Dörfern zerstörten, die der gesamten Infrastruktur des Landes
riesige Schäden zufügten, die ein Kraftwerk an der Küste zerstörten, aus
dem weiterhin tonnenweise Öl und Benzol beladene Giftstoffe ausfließen,
und die mehr als 1000 Zivilisten töteten: in Wohnhäusern, beim Transport
in Krankenwagen, auf der Flucht in mit weißen Fahnen drapierten PKWs –
so kann Israels Krieg nur als ein massiver Akt ethnischer Säuberung
angesehen werden, um die Region für die israelische Herrschaft zu
sichern.
Tatsächlich hat Israel solches in der
einen oder anderen Form seinen Nachbarn schon seit seiner Erschaffung
zugefügt. Die Palästinenser sind offensichtlich seine am längsten
leidenden Opfer und hartnäckigsten Gegner. Die Zionisten dachten, sie
hätten ihr allernächstes Problem erledigt, das Kernproblem des
Zionismus, als sie 1948 die Flucht von fast zwei Drittel der
palästinensischen Bevölkerung erzwangen, die der Gründung Israels als
exklusiver Staat mit jüdischer Mehrheit im Weg standen. Man kann keinen
jüdischen Staat haben, wenn der größere Teil der Bevölkerung
nicht-jüdisch ist. Neunzehn Jahre später, als Israel anfing, seine
Gebiete durch die Eroberung der Westbank und des Gazastreifens zu
vergrößern, stellte es sich heraus, dass die von Israel als verschwunden
erachteten Palästinenser doch noch da waren und die jüdische
Vorherrschaft bedrohten.
Während der seither vergangenen fast 40
Jahre wurde die israelische Politik hauptsächlich – mit periodischen
Pausen für Angriffe auf den Libanon
– darauf gerichtet, die Palästinenser
sicher verschwinden zu lassen. Die
Methoden der ethnischen Säuberung sind
vielfältig: Landraub, Zerstörung
von Agrarland und Ressourcen,
wirtschaftliche Strangulierung, lähmende
Einschränkungen des Handels,
Wohnungszerstörung, Rücknahme von
Aufenthaltsgenehmigungen, direkte
Abschiebung, Festnahme, Tötung,
Familientrennung,
Bewegungseinschränkung, Zerstörung von Dokumenten über
Volkszählung und Landbesitz, Diebstahl
von Steuergeldern, verhungern lassen. Israel will das ganze Land
Palästina inklusive der Westbank und Gaza haben, es kann aber keinen
Staat mit jüdischer Mehrheit auf diesem Land geben, solange die
Palästinenser dort sind.
Daher die langsame Strangulierung. Im
Gazastreifen, wo fast anderthalb Millionen Menschen in einem Gebiet
zusammen gedrängt sind, das weniger als ein Zehntel des Staates Rhode
Island ausmacht, macht Israel andauernd das, was es in Libanon einen
Monat lang gemacht hat – die Tötung von Zivilisten, die
Zerstörung der Infrastruktur, das
Unbewohnbarmachen des Gebietes.
Palästinenser im Gazastreifen werden mit
einer Rate von acht pro Tag ermordet.
Die Rate der Verkrüppelten pro Tag ist
höher. Das ist der Wert eines nicht-jüdischen Lebens im allgemeinen
Schema des Zionismus.
Der israelische Wissenschaftler Ilan
Pappe nennt es langsamen Genozid (/Electronicintifada/, 2. September
2006 ). Seit 1948 ist jeder Akt palästinensischen Widerstandes gegen
israelische Unterdrückung ein weiterer Grund für Israel gewesen, eine
Politik der ethnischen Säuberung zu implementieren, ein Phänomen, das in
Israel so unausweichlich und akzeptiert ist, dass Pappe schreibt, „das
tägliche Geschäft der Hinschlachtung von Palästinensern, hauptsächlich
Kinder, wird jetzt nur noch in den inneren Seiten der Ortspresse
berichtet, oft mit winzigen Buchstaben.“ Er sagt voraus, dass die
kontinuierliche Tötung auf diesem Niveau entweder zu einer
Massenaustreibung, oder, wenn die Palästinenser standfest bleiben und
sich weiterhin widersetzen – was weit wahrscheinlicher ist – zu einer
erhöhten Tötungsrate führen wird. Pappe erinnert daran, dass die Welt
Israel von Verantwortung und jeglicher Rechenschaft für seinen Akt
ethnischer Säuberung 1948 freigesprochen und ihm erlaubt habe, diese
Politik zu „einem legitimen Werkzeug seiner nationalen
Sicherheitsagenda“ zu machen. Wenn die Welt als Antwort auf die
gegenwärtige Runde ethnischer Säuberung, wieder schweigt, wird diese
Politik „noch drastischer“ eskalieren.
Und hier die heutige Zuspitzung der
Situation: Wird irgendjemand von diesem Horror Notiz nehmen? Hat Israel,
wie am Anfang vorgeschlagen, wirklich durch seine barbarische
Sommerkampagne der ethnischen Säuberung im Libanon und Gazastreifen den
totalen Bankrott seiner Gründungsidee, die lebenswichtige Illegitimität
des zionistischen Prinzips jüdischer Ausschließlichkeit, bloßgelegt?
Können auch die am meisten in die Irre geleiteten und Getäuschten dies
erkennen, oder werden sie sich weiterhin Illusionen hingeben und wird
die Welt sich weiterhin abwenden und die Gräuel entschuldigen, weil sie
von Israel durchgeführt werden - im Namen der Sicherheit der Region,
Sicherheit allein für Juden?
Seitdem der Wahnsinnslauf durch den
Libanon begann, haben etliche klarblickende Beobachter alternativer –
europäischer sowie arabischer - Medien mit ungewöhnlicher Deutlichkeit
eine neue moralische Blöße Israels und seiner amerikanischen
Unterstützer vermerkt. Immer deutlicher wird auch der wachsende
arabische und muslimische Widerstand gegen die erschütternde
Boshaftigkeit der US-israelischen Aktionen. Der
palästinensisch-britische Wissenschaftler Karma Nabulsi beklagt
(Guardian Anfang August) die „willkürliche Wut eines Feindes, der durch
existentielle Manie getrieben wurde, eine Manie die nur besänftigt,
aber nicht angehalten werden kann.“ Die amerikanische
Wissenschaftlerin
Virginia Tilley bemerkt (Counterpunch
vom 5. August 2006) dass Israeljegliche normale, friedliche Existenz
verhasst ist, denn es „muss seine Nachbarn als existentielle Bedrohung
betrachten und behandeln, um seinen ethnisch/rassistischen Charakter zu
rechtfertigen. Noch vor dem Libanonkrieg, aber nachdem bereits mit dem
Aushungern des Gazastreifens begonnen worden war, hat der politische
Ökonom Edward Herman (Z-Magazine, März 2006) die „lang anhaltende
ethnische Säuberung, den institutionalisierten Rassismus“, sowie die
heuchlerische Akzeptanz und Unterstützung dieser Politik durch den
Westen und die westlichen Medien „als flagrante Verletzung aller
angeblichen Werte der Aufklärung“ verurteilt.
Der Rassismus liegt der
israelisch-US-neokonservativen Achse, die zur Zeit im Nahen Osten Amok
läuft, zugrunde. Der inhärente Rassismus des Zionismus hat einen
natürlichen Verbündeten in der rassistisch imperialistischen Philosophie
gefunden, die die Neokonservativen der Bush-Administration vertreten.
Die letzte Logik des israelisch-amerikanischen globalen Krieges,
schreibt der israelische Aktivist Michel Warschawski vom Alternative
Information Center in Jerusalem (30. Juli 2006), ist die „vollständige
Ethnisierung“ aller Konflikte, „in denen man nicht eine Politik, eine
Regierung oder bestimmte Ziele bekämpft, sondern eine ‚Bedrohung’, die
mit einer bestimmten Gemeinschaft identifiziert wird – oder, im Falle
Israels, mit allen nicht-jüdischen Gemeinschaften.
Die fundamental rassistische Idee eine
„Kampfes der Kulturen“, die sowohl von der Bush-Regierung wie auch von
Israel favorisiert wird, bietet die Begründung für Angriffe gegen
Palästina und den Libanon. Wie Azmi Bishara, ein führendes
palästinensisches Knessetmitglied bemerkt hat (al-Ahram, 10.-20.August
2006), wenn das israelisch-amerikanisches Argument, die Welt sei in zwei
getrennte und unvereinbare Kulturen gespalten, ‚wir gegen die andern’,
stimmt, dann verliert die Vorstellung, ‚wir’ würden einen Doppelstandard
zugrunde legen, jegliche moralische Verwerflichkeit, denn sie wird zur
natürlichen Ordnung. Sie war immer schon die natürliche Ordnung Israels;
in der Welt Israels und seiner US Unterstützer bildet die Idee, die
Juden und die jüdische Kultur seien höherwertig und unvereinbar mit den
umliegenden Völkern, die Basis des Staates.
Im Zuge des Misserfolgs Israels in
Libanon haben Araber und Muslime zum ersten Mal seit der Einpflanzung
Israels mitten im arabischen Nahen Osten vor fast 60 Jahren das Gefühl,
Israel sei in seiner Arroganz um einiges zu weit gegangen, und seine
Macht und seine Reichweite könnten eingegrenzt werden. Die
„Ethnisierung“ des globalen Konflikts, von der Michel Warschawski
spricht – der alte, arrogante, koloniale Ansatz, nun in neuer, durch
F-16 und Kernwaffen gestärkten, hochtechnologischen Aufmachung – liegt
der westlichen und der israelischen Überlegenheit zugrunde. Dieser
Konflikt - eine Art apokalyptischer Zusammenprall zwischen dem
„zivilisierten“ Westen und einem rückständigen, wutentbrannten Osten -
wird nun, wegen des wahnsinnigen israelischen Angriffs gegen den
Libanon, als das erkannt, was er wirklich ist. Es ist nämlich die grob
rassistische Machtbehauptung eines zionistischen Regimes einerseits, das
absolute, unangefochtene regionale Vorherrschaft beansprucht, und
andrerseits eines neokonservativen Regimes in den Vereinigten Staaten,
das die absolute, unangefochtene globale Vorherrschaft beansprucht. Wie
der palästinensische Kommentator Rami Khouri in einem Interview mit
Charlie Rose eine Woche nach Beginn des Libanonkriegs bemerkte, seien
die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Palästina - beide aus früheren
israelischen Herrschaftskriegen entstanden - die politischen Antworten
von Bevölkerungen „die wiederholt durch die Israelis degradiert,
besetzt, bombardiert, getötet und erniedrigt worden sind - oft mit der
direkten oder indirekten Zustimmung, oder - wie wir jetzt sehen - mit
der unmittelbaren Unterstützung der USA.“
Diese unterdrückten Völker schlagen nun
zurück. Wie tief auch immer arabische Führer in Ägypten, Jordanien und
Saudi Arabien vor den USA und Israel sich ducken mögen, nun erkennt das
arabische Volk die fundamentale Schwäche der auf Rasse basierenden
Kultur und politischen Ordnung Israels und hegen ein wachsendes
Vertrauen, dass sie es letztendlich besiegen können. Vor allem die
Palästinenser sind seit 60 Jahren dabei – trotz der besten Absichten
Israels – ohne zu verschwinden, Israel und die Welt ständig an ihre
Existenz zu erinnern. Sie werden jetzt nicht nachgeben, und die
restliche arabische Welt wird von ihrer Durchhaltekraft und der der
Hisbollah gestärkt.
Etwas muss sich am Vorgehen Israels und
an der Unterstützung der USA für dieses Vorgehen ändern. Mehr und mehr
Kommentatoren, innerhalb der arabischen Welt und außerhalb, fangen an,
dies zu bemerken, und eine beeindruckende Anzahl ist kühn genug, ein
Ende des Zionismus in seiner jetzigen rassistischen, exklusiven Form und
Arbeitsweise vorauszusagen. Das bedeutet nicht, alle Juden ins Meer zu
werfen. Israel wird nicht militärisch besiegt werden. Es kann aber
psychisch besiegt werden; das bedeutet, seiner Vorherrschaft Schranken
aufzulegen, seinen räuberischen Vormarsch durch seine Nachbarschaft zu
stoppen, die jüdische rassistisch-religiöse Herrschaft über andere
Völker zu beenden.
Rami Khouri behauptet, dass die viel
größere öffentliche Unterstützung
für Hisbollah und Hamas in der
arabischen Welt eine sowohl für Israel wie auch für die Vereinigten
Staaten eine „Katastrophe“ bedeutet, weil es Widerstand gegen ihre
imperialistischen Absichten erzeugt. Khouri geht in seiner Vorhersage
nicht weiter, aber andere tun es und sehen zumindest den
undeutlichen Umriss einer Zukunft, in
der Israel nicht mehr die Vorherrschaft genießt. Gilad Atzmon, ein
ex-Israeli in Großbritannien, Jazzmusiker und Denker, sieht den Sieg der
Hisbollah im Libanon als ein Zeichen für die Niederlage dessen, was er
den globalen Zionismus nennt, womit er die neokonservative Achse
USA-Israel meint. Es sind die libanesischen, palästinensischen,
irakischen, afghanischen und iranischen Völker, meint er, die „als
Vorhut des Krieges für die Menschheit und für mehr Menschlichkeit“,
stehen, während Israel und die USA Zerstörung und Tod verbreiten. Mehr
und mehr Europäer und Amerikaner, die dies erkennen, fallen von der
zionistisch-neokonservativen Seite ab. Atzmon redet von Israel schon als
„einem im Grunde historischen Ereignis“ und „einer toten Entität“.
Viele andere haben ähnliche Visionen.
Kommentatoren sprechen immer mehr von der Möglichkeit, dass Israel,
dessen Mythos der Unbesiegbarkeit geplatzt ist, eine südafrika-ähnliche
Offenbarung erleben wird, bei der seine Führung irgendwie die
Fehlleitung seiner rassistischen Handlungen erkennt und mit einer
Aufwallung humanitären Gefühls den Ungleichheiten des Zionismus
abschwört und einverstanden ist, dass Juden und Palästinenser in
Gleichheit in einem einheitlichen Staat leben sollten. Der britische MP
George Galloway (/Guardian/, 31. August 2006), sieht die Möglichkeit des
Aufkommens eines „F.W.de Klerk Moments“ für Israel und seine
internationalen Unterstützer, wenn, wie es in Südafrika geschah, eine
„kritische Masse der Opposition“ die Position der bis dahin
unbesiegbaren Minderheit überwältigt und ein Machttransfer auf der Basis
gerechtfertigt werden kann, dass es später - unter Zwang vollzogen -
viel weniger günstig ausfallen wird. Abgesehen von einem solch
friedlichen Übergang, zusammen mit Schritten zur Lösung des
palästinensisch-israelischen Konflikts sieht Galloway mit vielen anderen
nur „Krieg, Krieg und noch mehr Krieg, bis eines Tages Tel Aviv brennt
und die Unnachgiebigkeit der israelischen Führung den ganzen Staat über
ihren Köpfen zusammenbrechen lässt.“
Das scheint immer mehr das Modell der
Zukunft zu sein: entweder können Israel und seine neokonservativen
Unterstützer in den Vereinigten Staaten die krassesten Aspekte des
Zionismus abbauen, indem sie übereinkommen, einen einheitlichen Staat in
Palästina zu errichten, von Palästinensern und Juden, denen das Land
gehört, bewohnt, oder die Welt steht vor einem Brand in unvorstellbarer
Größenordnung.
Genau wie die Hisbollah ein integraler
Teil des Libanons ist, der nicht durch das Zerbomben von Brücken und
Kraftwerken zu zerstören ist, so waren auch die Palästinenser vor ihrer
Vertreibung 1948 Palästina und sind es noch immer. Indem Israel die
Palästinenser dort, wo sie zuhause sind, schlug, sowohl im
buchstäblichen wie im übertragenen Sinn, hat es ihnen nur ein Ziel und
eine Vision gelassen. Diese Vision ist Gerechtigkeit und Entschädigung
in irgendeiner Form. Das kann letztendlich Verschiedenes bedeuten: den
Zionismus zu besiegen und Palästina zurückzunehmen, sich mit Israel
unter der Bedingung zu versöhnen, dass es sich wie ein anständiger
Nachbar und nicht wie ein Eroberer verhält, oder am Ende mit den
israelischen Juden zusammen einen einheitlichen Staat zu bilden, in dem
kein Volk Rechte der Überlegenheit genießt. Im Libanon schien Israel,
wieder darauf versessen zu sein, seinen Willen, seine Herrschaft, Kultur
und Ethnizität einem anderen arabischen Volk aufzuerlegen. Das hat in
Palästina nie funktioniert, es hat auch im Libanon nicht funktioniert,
es wird nirgends in der arabischen Welt funktionieren.
Wir stehen an einer moralischen
Wegkreuzung. Im von Bush und den Neokonservativen definierten „neuen
Nahen Osten“ dürfen nur Israel und die USA herrschen, nur sie dürfen
stark sein, nur sie dürfen sicher sein. Aber in der gerechten Welt, die
auf der anderen Seite der Wegkreuzung liegt, ist dies inakzeptabel. Die
Gerechtigkeit kann sich am Ende durchsetzen.
Die
Autorin Kathleen Christison ist als politische Analytikerin
Mitarbeiterin von CIA gewesen und hat 30 Jahre lang über das
Nahost-Problem gearbeitet. Sie ist Autorin der Bücher: „Perception of
Palestine“ und „The Wound of Dispossession“.
(dt. Angelika
Schneider, Ellen Rohlfs)
www.counterpunch.org/christison09122006.html
vom 12. September 2006