Gottes
Ebenbild verlieren
Shulamit
Aloni, Haaretz, 17.9.04
„ Auch will ich
euer eigen Blut rächen und will es von allem Lebendigen fordern und
will des Menschen Leben fordern von einem jeden Menschen. Wer
Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen
vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde
gemacht.“ (1. Mos. 9, 5-6)
Die sieben Gebote
Noahs sind universell und sind für jede Person und jedes Volk
gültig – erst recht für die Juden, denen besonders geboten wurde:
„Du sollst nicht töten.“ Derjenige, der menschliches Blut vergisst,
vernichtet allmählich auch das Ebenbild Gottes, denn „nach dem Bilde
Gottes schuf ER den Menschen.“
Es stellt sich
heraus, dass Macht die Köpfe der Rabbiner der Yesha( Siedlungen von
Judea, Samaria und Gaza) und die der Rabbiner einiger Hesder
Yeshivas, die Militärdienst mit dem Torastudium verbinden,
verwandelt hat . Die Besatzungsarmee, die Habgier und die
Möglichkeit, sie zu befriedigen, die Leichtigkeit, mit der man
Palästinensern das Land wegnehmen, ihre Städte in Gefängnisse
verwandeln, die Brunnen und Wohnhöhlen der Hirten in den Hebroner
Bergen blockieren und im Wesentlichen die Lebensgrundlage zerstören
kann – all dies hat ihren Hochmut und die Arroganz so weit
getrieben, dass sie ein Manifest herausgaben, das als „halachische
Entscheidung“ (nach dem jüdisch-religiösen Gesetz) erlaubt, im
Laufe eines Racheakts gegen Terroristen oder eines des Terrorismus
Verdächtigen Frauen, Kinder, alte Leute und gewöhnliche Bürger zu
töten, die - seltsam genug - auch Menschen sind, die nach Gottes
Bild geschaffen wurden und die nach jedem Gesetz das Recht zu leben
haben.
Es stimmt, dass
diese Rabbiner nicht die ersten sind, die den Mord an Unschuldigen
erlauben. Der verstorbene Rabbiner Shaul Yisraeli hat in einer
umfangreichen „Dissertation“ nach dem Mord an den arabischen
Bewohnern von Kibiya (1953) philosophiert und das Töten , das die
meisten Israelis beunruhigt hat - und für das sie nicht die
Verantwortung übernehmen wollten - gerechtfertigt. Seiner Meinung
nach wird aus einem kleinen Araber ein großer, und eine Mutter kann
noch viele kleine Araber gebären, die dann groß werden.
Die
Yeshiva-Rabbiner, die emsig dabei sind, neue halachische
Entscheidungen zu treffen, wenn es um das geht, was ihnen nicht
gehört, und die keine Zeit für neue Ideen haben, wenn es um Dinge
geht, die andern zu gute kommen sollen. Z.B. um den Status und das
Recht der Frauen oder um israelische Bürger, die dank des „Rechts
auf Rückkehr“ hierher kommen und von jedem aufgefordert werden, ihre
Religion zu ändern, um die vollen Rechte zu erhalten – obwohl wir
gelernt haben, dass „ eine Familie, die integriert worden ist, als
integriert betrachtet wird und dass alle Familien in Zukunft als „kosher“
betrachtet werden. (Even Haezer) .....
.
Im Namen Gottes
weisen sie auf allen ihnen passend erscheinenden Gebieten sich
selbst und ihren Jüngern Macht zu. Und anstelle der biblischen
Worte, die wachsam die Rechte des Fremden schützt, „weil ihr in
Ägypten Fremde gewesen seid“ mögen sie lieber die Verse annehmen,
die sich auf die sieben Völker Kanaans beziehen: „Du sollst sie
völlig zerstören, Du sollst keinen Bund mit ihnen schließen oder
ihnen gegenüber Gnade zeigen.“ (5.Mos.2) – in andern Worten es nicht
möglich machen, neben einander zu leben. Die Rabbiner haben schon
das Vermieten und Verkaufen von Wohnungen an Araber verboten. Und
einige haben schon im Namen der Halacha behauptet, dass es erlaubt
sei, sie zu vertreiben.
Die neuen
halachischen Regeln geben der Armee beim Bombardieren dicht
bevölkerter Gebiete freie Hand, auch bei der Verwendung tödlicher
Waffen, ohne dass kontrolliert werden muss, ob es dort Kinder oder
alte Leute gibt. Wie wir wissen, wartet die Armee gar nicht erst auf
die Genehmigung der Rabbiner, sie erhält sie von denen, die im Namen
des Gottes Israels reden. Es sollte allerdings auch erwähnt werden,
dass es große Rabbiner gibt, die völlig anders entscheiden als die,
die den Mord an Zivilisten zulassen oder die Baruch Goldstein loben
( er mordete 1994 29 betende Muslime in der Abrahamsmoschee in
Hebron), Yigal Amir ( der Rabin ermordete) und die Siedlerjugend
und all die Zerstörer und Mörder, die überall durch die besetzten
Gebiete laufen und um sich herum nur Zerstörung anrichten – keiner
von ihnen ist bisher strafrechtlich verfolgt worden.
Ich erinnere an den
Essay des verstorbenen Rabbiners Israel Hess, Rabbiner der
Bar-Ilan-Universität, der in der Universitätszeitung schrieb: „Wir
sind alle verpflichtet, einen Völkermord zu begehen“ – da er
herausgefunden hatte, dass die Palästinenser die Nachkommen der
Amalekiter sind, des Volksstammes, den wir nach der Tora zerstören
sollen ( und der für Juden zum Symbol des Bösen geworden ist).
Rabbiner Prof. Emanuel Rackman, damaliger Präsident der Universität,
hat seine Entlassung bewirkt. Es ist kein Zufall, dass in den
Siedlungen die Palästinenser „Amalek“ genannt werden – und jedem ist
klar, warum.
Die neue Verfügung,
die feststellt, dass das Blut der Juden röter ist als das der
anderen, bringt dem jüdischen Volk nicht viel Ehre ein. Es ist eine
Schande, dass zu einer Zeit , in der die Juden die Herrschaft über
ihr eigenes Land haben und ( außerdem) Herrscher über das
mächtigste Land im Nahen Osten sind, „das Ebenbild Gottes“ in den
Augen so vieler so wertlos geworden ist.
(Aus dem Englischen und etwas
gekürzt: Ellen Rohlfs)
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