o

Das Palästina Portal

Täglich neu - Nachrichten aus dem, über das besetzte Palästina - Information statt Propaganda

 Kurznachrichten  -  Archiv  -  Themen  -  Linksammlung -   Facebook  -  Veranstaltungen  - Sponsern Sie  - Suchen


Sarahs andere Hand
B. Michael, Yedioth Ahronot,* 29.4.05

 

Ich stimmte für Lupolianski. Ich dachte mir, dass jemand, der Yad Sarah („Eine Hand von Sarah“) eingerichtet hat, eine  wohltätige, soziale Einrichtung, auch würdig ist, eine Stadt zu regieren, die nur aus Armut, Elend und Bosheit besteht. Warum soll ich es leugnen? Die guten Dinge, die er über interreligiöse Beziehungen und die Taktlosigkeit des umstrittenen Massenbesuches (2000)  auf dem Tempelberg und den Moscheen zu sagen hatte, ließen mich für ihn stimmen.

Es war aber schwierig, ihn während der Passahtage zu finden. Er muss zwischen Birkat Cohenim und Empfängen gewandert oder einfach auf Urlaub gewesen sein. Weise Männer haben darüber debattiert, ob während der Feiertage das Arbeiten zulässig sei. Da er solange als unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist, muss ich vermuten, dass M. Lupolianski nicht wusste, was seine Inspektoren in dieser Woche getan haben.

Nur wenige Stunden nachdem die Freiheitspsalmen aus der Haggadah gesungen worden waren, und man sich an die Ängste der Vorfahren unter ägyptischer Sklaverei erinnert hatte, kamen Lupolianskis Inspektoren zum Qalandia-Kontrollpunkt am Rande der Stadt . Sie  zerschlugen und plünderten, wandalierten und beraubten die sowieso schon von Armut geschlagenen Unglücklichen auch noch ihrer kargen täglichen Einnahmen.

Dem Herrn Bürgermeister sollte der Markt, der sich rund um den Kontrollpunkt entwickelt hat,  bekannt sein. Nachdem alle anderen Einkommensquellen verboten und gesperrt  wurden oder bankrott gingen, ist dies die einzige Möglichkeit für die Bewohner dort, etwas zu verdienen. Es legt in der  Natur eines unterdrückten Volkes, je mehr es unterdrückt wird, um so lebendiger wird es und  je mehr es gequält wird, um so stärker wird es. Einer baut einen Stand mit Backwaren auf, ein anderer röstet Erdnüsse und verkauft sie, ein dritter bringt Produkte aus seinem Garten, ein vierter grillt Kebab, und noch ein anderer verkauft Schnickschnack. Die am Checkpoint wartenden Leute suchen eine Abwechslung und kaufen eine Pitta oder Erdnüsse oder chinesische Schuhe, um sich daran ein wenig zu erfreuen – und die Verkäufer verdienen ein wenig Geld. So sind beide Seiten mit einem Profit oder einer kleinen Freude zufrieden. Es ist eine kleine Unterbrechung ihres täglichen Schicksals, das grausam behandelt wird.

Gelegentlich kommen Lupolianskis Inspektoren hierher und starten ein Pogrom. Einen andern Ausdruck gibt es nicht dafür. Sie werfen die Stände um, zerstören den Vorrat, schlagen, wandalieren, verbreiten Terror und gehen heim. Der offizielle Grund ist immer, dass sie keine Genehmigung hätten – als ob es je eine Chance  gegeben habe, eine zu erhalten. Der wahre Grund findet sich in der Passah Haggadah: sie machen ihnen das Leben bitter, um ihrer  Vermehrung und ihrem Starkwerden  vorzubeugen. Dies ist also nicht unsere Erfindung.

In dieser Woche gingen alle Inspektoren hinaus. Sie haben nicht nur zerbrochen, zertrümmert, umgeworfen und wandaliert – dieses Mal luden sie die Waren in einen Pick-up und verschwanden damit. Sie hinterließen keinen Bericht, keine Quittung oder Notiz über die beschlagnahmten Waren. Sie gingen und ließen die Menschen völlig fassungslos zurück, denen nun  das bisschen  Brot für heute auch genommen worden war.

Herr Bürgermeister, das ist nicht nur eine  normale Misshandlung, das ist reiner Diebstahl.   Das ist ein Raubüberfall, eine Rechtsverletzung des sehr klaren Gesetzes für Geschäftslizenzen, in dem es heißt,  dass im Falle von Beschlagnahmung von Waren eines Verkäufers, dieser eine schriftliche und signierte Mitteilung erhält, auf dem der Rechtsverstoß und eine Beschreibung der beschlagnahmten Dinge aufgelistet ist. Das Gesetz stellt fest, dass diese Dinge unter Aufsicht des Staates – auf Kosten des Besitzers verwahrt werden müssen, bis ein Gericht den weiteren Verlauf der Aktion bestimmt.

Den ganzen Donnerstag über versuchte ich zu erfahren, wo die Waren gelagert sind. Wurden sie verteilt, vergessen oder werden sie irgendwo – dem Gesetz entsprechend – gelagert, bis eine Entscheidung vom Gericht kommt?

Keiner in der Stadtbehörde konnte meine Frage beantworten. Die Abteilung der Gemeindeaufsicht weigerte sich, mir eine Antwort zu geben. Der Sprecher erbat einige Zeit zum Nachfragen und gab schließlich die verrückteste, groteskeste, frechste, scheinheiligste und  formellste Antwort, die man sich vorstellen kann: „Die beschlagnahmten Waren wurden an eine Wohltätigkeitseinrichtung weitergegeben.“ Natürlich an eine Wohltätigkeitseinrichtung. Die Räuber eilten zu einem Armenhaus und verteilten dort, was sie den Armen gestohlen hatten. Der Rest ging in einen Container. Bei  so einer idiotischen Antwort ist jedes weitere Wort überflüssig.  Man kann sich nur über den Charakter von Sprechern wundern, die sich zum Sprachrohr solcher Absurdität machen lassen. Es scheint, dass nur Gott und die Inspektoren wissen, wo die Dinge wirklich geblieben sind.

 

Nun, Herr Lupolinski, jetzt wissen Sie, was Sarahs Hand getan hat. Eine Hand, Ihre Hand, stärkte die Kranken und half ihnen. Die andere Hand, Ihre Hand, raubte die Armen aus und hat die armen Leute am Boden zerstört. Wie ist es möglich, nichts über die schlimmen kriminellen Akte zu sagen, die in Ihrem Namen begangen wurden? Ist das Ihre Interpretation des Gebotes: Du sollst den Fremden nicht misshandeln?  Wenn Moral Ihnen den Schlaf nicht raubt, vielleicht reagieren Sie auf Folgendes effektiver: nach der bizarren Antwort ihres Sprechers scheint es so, als ob ihre Büros, nachdem die Heilige Stadt alle Reste von Sauerteigbrot verbrannt hatte, Almosen an die Armen verteilt haben: etwa Tausend frische Pittas, etwa 500 Bagels ( ringförmiges Hefegebäck)  mit Satar, eine große Menge von Kebab (auf dem der Koscherstempel von Beit Yossef fehlte), ein paar hundert Kilo dicker Bohnen und Kichererbsen ( Gemüse, das Sie kennen) und viele Kilos  von nicht koscherem Fleisch ( nur ein Teil auf der Liste) Das ist es, was ihre Inspektoren in dieser Woche raubten.

Sind Sie jetzt  wahnsinnig?

 

 

6.5. 05. Verschiedene Leser wollten mehr  über den illegal von Inspektoren des Bürgermeisters von Jerusalem eingesammelten Besitz der Händler von Qalandia wissen. Hier die letzten Nachrichten darüber.

Schließlich scheint jemand von der Jerusalemer Stadtbehörde begriffen zu haben, dass die Behauptung, die eingesammelten Waren seien als Almosen verteilt worden, an eine rekordbrechende Idiotie grenzt. Nun ist die offizielle Version näher bestimmt worden. Künftig ( und bis auf weiteres) behauptet die Inspektionsabteilung, da „ die Waren verderblich waren, sind sie zerstört worden“. Natürlich kann man von der Behörde nicht erwarten, dass sie mitten in der Pessachzeit  einen Vorrat von Hunderten frischer Bagels und Pittabrote, Dutzende von Kilos Fleisch, Hummus, Bohnen und Kebab lagert. Also ist alles zerstört worden.

Auch dies ist eine offensichtliche, klare Verletzung des Gesetzes. Wenn man einem Auszug von Artikel 27  des Lizenz- und Geschäftgesetzes  folgt, nach der sich die Behördenabteilung  richten müsste, heißt es:

Im Falle, dass verderbliche Waren beschlagnahmt werden, ist die Behörde verpflichtet, sie bei einer öffentlichen Auktion zu versteigern oder sie zu ermäßigtem Preis beschleunigt zu verkaufen. ....(In anderen Worten: nur das Gericht darf entscheiden, was mit den Waren geschehen soll)

Pech gehabt ! Inspektoren und Sprecher, Sie haben schon wieder etwas falsch gemacht.

Am besten ist es, Sie fangen gleich damit an, an einer neuen Version für die nächste Woche zu arbeiten.

(*Aus dem Hebräischen: Leora Gal; aus dem Englischen : Ellen Rohlfs

 

Der Autor ist ein wohl bekannter israelischer Autor.

Lupolyanskis Anspruch auf Ruhm bevor er zum Bürgermeister von Jerusalem gewählt wurde, hängt mit der sozialen Einrichtung Yad Sarah zusammen, und einer Organisation, die arme Bürger von Jerusalem mit notwendiger medizinischer Versorgung  versieht. Wir hofften alle auf Verbesserungen und mehr Anstand. Nichts hat sich getan, d.h. das Jahr 2004 wurde das schlimmste auf dem Gebiet der Hauszerstörungen von Palästinensern in Ost-Jerusalem; s. Meir Margalits Artikel „152“ in www.kibush.co.il ( Viktoria Buch)

 

 

 

Start | oben

Mail           Impressum           Haftungsausschluss           KONTAKT      Datenschutzerklärung          arendt art