Das
Känguru
Uri
Avnery, 5. März 2016
EIN BAUER
kommt das erste Mal in die Großstadt. Er besucht den Zoo und steht
stundenlang wie versteinert vor dem Känguru-Käfig.
„So ein Tier gibt es
nicht!“ ruft er aus.
Ich muss gestehen,
dass ich dasselbe empfand, als ich Donald Trump im TV das erste Mal
im Fernsehen sah und gesagt wurde, er wäre ein Kandidat als
Präsident der USA .
„Unmöglich“, murmelte
ich vor mich hin. „ das muss ein Scherz sein!“
Die Amerikaner sind
zu vielem fähig. Von Zeit zu Zeit geben sie sich einem Anfall
kollektiver Unvernunft hin. Man denke nur an Joe McCarthy. Aber
nicht dies. Dies ist zu viel.
JETZT SCHEINT
es, dass Donald Trump auf dem besten Weg zum Weißen Haus ist.
Warte ab, wird mir
gesagt. Dies sind nur die Vorwahlen. OK, da ist mit der
republikanischen Partei etwas geschehen. Aber am Wahltag –
konfrontiert mit der richtigen Wahl - wird die große Mehrheit der
Amerikaner zur Vernunft kommen und für seinen Opponenten stimmen,
wer immer das sein mag.
Ich dachte auch so.
Nicht mehr.
Jetzt weiß ich
einfach nicht.
Ich habe ein
komisches Gefühl, dass ich am Morgen nach der Wahl mit Präsident
Trump aufwachen könnte.
Undenkbar? Denke
noch einmal nach.
Wahrscheinlich? Ich
bin mir nicht mehr sicher.
DIE DEMOKRATIE
sei das schlechteste politische System, soll Winston Churchill
gesagt haben – abgesehen von all den anderen.
(Churchill, der viele
Male für verschiedene Parteien gewählt wurde, sagte auch, dass man
von der Demokratie desillusioniert werde, es würde genügen, ein
paar Minuten mit einem durchschnittlichen Wähler zu reden.
Einer der Fehler der
Demokratie ist, dass sie sich auf einen Widerspruch gründet. Die
Kapazität, eine demokratische Wahl zu gewinnen und die Fähigkeit,
ein Land zu führen, sind sehr verschiedene und oft widersprüchliche
Talente.
Es gibt Kandidaten,
die wahre Genies sind, Wahlen zu gewinnen. Sie umwerben die Massen,
betören die reichen Spender. Einmal gewählt, haben sie nicht die
geringste Ahnung, was als nächstes zu tun ist.
Es gibt Kandidaten,
die von Natur aus geborene Staatsmänner oder -Frauen sind,
ausgestattet mit Weisheit und Intuition, haben aber nicht die
geringste Chance, jemals gewählt zu werden. Dem Präsidenten-Kandidat
Adlai Stevenson wurde einmal gesagt, dass alle intelligenten Leute
ihn wählen werden. „Aber ich brauche eine Mehrheit,“ witzelte er.
Und dann gibt es
natürlich die sehr, sehr wenigen, die geborene Führer sind, die
gewählt werden können, und einmal gewählt, führen sie ihr Land mit
sicherer Hand. Noch einmal Churchill.
Trump gehört- so
scheint es mir - zur ersten Art. Diejenigen, die die Gabe haben, für
die Massen attraktiv zu sein, aber deren Fähigkeit, eine Weltmacht
zuführen, sehr zweifelhaft ist. Und mehr als dies - ich fürchte,
dass er eine sehr gefährlich Person ist.
Anfangs sah er wie
ein Clown aus. Die Leute nahmen ihn nicht ernst. Es wurde vermutet,
dass er ein bisschen herumspielen würde und dann verschwinden.
Diejenigen, die das sagten, sind mittlerweile selbst verschwunden.
Dann sah er wie ein
gewissenloser Opportunist aus, wie eine Person, die jeden Moment
ausspricht, was ihr gerade einfällt, selbst wenn es das Gegenteil
von dem ist, was sie am Tag zuvor sagte. Nicht ernsthaft. Ein dummer
Kerl. Unwählbar.
Nicht mehr. Der
Trump, den wir jetzt sehen, ist ein sehr gewandter Wahlredner, ein
Gewinner, ein Kandidat, der ein unheimliches Talent hat, die
Zweifel, die Ressentiments, den Zorn und die Verbitterung der
unteren Klasse der Weißen zu lenken, der Weißen, die das Gefühl
haben, dass ihr Land ihnen von korrupten Politikern, von Schwarzen,
Hispanos und anderem Gesindel genommen wird.
WARTE! WORAN
erinnert mich der letzte Satz?
An eine Person, die
anfangs auch wie ein Clown aussah und sich dann zu einem gewandten
Wahlredner entwickelte, der versprach, sein Land wieder groß zu
machen, der eine Karriere aus dem Ressentiment gegen Minderheiten
(In diesem Fall Juden und Linke , Homosexuelle und Zigeuner,
Ausländer und Behinderte), der all die Dinge sagte, die seine
Rivalen nicht zu äußern wagten – und der seinem Land und der ganzen
Welt unerhörtes Elend brachte
Keine Namen, bitte.
Donald Trump ist
deutschen Ursprungs. Seine Vorfahren wurden Drumpf genannt und
arbeiteten in Weinbergen einer kleinen Stadt im Rheinland. Sein
Großvater Friedrich wanderte 1885 nach Amerika aus. Währen des
Goldrausches an der Westküste eröffnete er eine Reihe von
Restaurants für einsame Goldgräber, denen sowohl Lebensmittel als
auch Sex angeboten wurde. So begann Trumps Vermögen.
Aber als Friedrich
ein Mädchen aus seiner Heimatstadt heiratete, wollte er wieder nach
Deutschland zurückkehren. Aber da gab es ein Problem. Das neue
Deutsche Reich war sehr streng, was militärische Angelegenheiten
betraf. Sie entdeckten, dass Friedrich Deutschland verlassen hatte,
kurz bevor er eingezogen werden sollte und gerade zwei Monate nach
seinem Einberufungsalter zurück kehren wollte. So etwas kann man
nicht machen. Nicht im Deutschland des Kaisers. Sie warfen ihn
hinaus, zurück nach Amerika.
Man mag sich fragen,
was würde geschehen sein, wenn ihm die Rückkehr erlaubt worden
wäre. Würde Donald Drumpf jetzt eine extrem rechte Partei in Berlin
führen?
WÄHREND
der Glanzzeit des italienischen und deutschen Faschismus schrieb der
amerikanische Romanschriftsteller Sinclair Lewis ein Buch mit dem
Titel: „Es kann hier nicht geschehen“. Der Titel war ironisch,
weil das Buch präzise zeigte, das „es“ auch „hier“ geschehen kann:
Faschismus kann auch in den USA siegen. Aber Lewis dachte sich eine
Kopie des Faschismus im europäischen Stil aus, der für Amerika
fremd war. Genau dies tat der italienische Schriftsteller Ignazio
Silone, der auch ein Buch schrieb – „Die Schule für Diktatoren“
über ein zukünftiges faschistisches Amerika.
Es gibt keine klare
Definition von Faschismus. Faschisten haben kein heiliges Buch wie
„Das Kapital“ der Kommunisten. Über Faschisten ist gesagt worden:
„Ich erkenne einen, wenn ich einen sehe“ Aber jedes Land hat seine
eigene Art von Faschismus, und sie können sehr verschieden von
einander sein.
Schau auf Trump. Der
Führer mit totalem Selbstvertrauen. Der Kult von brutaler Macht. Der
zügellose Nationalismus. Die Aufwiegelung gegen Minderheiten. Die
Verachtung eines politischen Establishments (beider Parteien). Kein
lustiger kleiner Schnurrbart, aber komisches oranges Haar.
Da Faschisten ihre
eigene Nation gegenüber allen anderen Nationen rühmen, könnte
vermutet werden, dass die Faschisten verschiedener Nationen einander
feindlich gesonnen sind. Aber praktisch gibt es eine faschistische
Internationale Die Tatsache: der französische faschistische Führer
Jean-Marie La Pen, der aus der Führung seiner Partei von seiner
eigenen Tochter hinausgeworfen wurde, wegen seines ungezügelten
Extremismus‘ (und Antisemitismus‘) gratulierte Trump. So tat es auch
der frühere Führer des amerikanischen, rassistischen Ku-Klux-Klan.
Trump hat keinen der beiden zurück gewiesen.
Als er tatsächlich
dabei ertappt wurde, eine Zeile zu zitieren, die Benito Mussolini
sehr liebte („Es ist besser einen Tag als Löwe zu leben als hundert
Jahre als Schaf“) Trump entschuldigte sich nicht (Mussolini selbst
bettelte um sein Leben, bevor er von italienischen Partisanen
exekutiert wurde)-
In diesem Licht muss
man Trumps Einstellung gegenüber dem israelisch-palästinensischen
Konflikt beurteilen. Auf den ersten Blick sieht es erfrischend aus.
Alle anderen Kandidaten beider Parteien kriechen vor Benjamin
Netanjahu in unterwürfiger Unterwerfung und betteln um Almosen von
den verschiedenen Sheldon Adelsons. Trump braucht das jüdische Geld
nicht. Er spricht also die sensible Sache aus: dass er neutral zu
bleiben wünscht, um als Präsident in der Lage zu sein, als neutraler
Vermittler zu handeln.
Das klingt gut. Aber
es klingt anders, wenn es von einem KKK-Sympathisanten kommt.
ALL DIES
bringt Benjamin Netanjahu in Verlegenheit. Was ist nun zu tun?
Er verabscheut
Hillary Clinton, wie er alle Demokraten verabscheut. Vor vielen
Jahren setzte sich Hillary als First Lady für einen
palästinensischen Staat ein, Seite an Seite mit Israel. Damals
organisierte ich eine Demonstration vor der US-Botschaft in Tel
Aviv, um Hillary zu unterstützen. Die Marine-Soldaten erlaubten uns
aber nicht, uns zu nähern. Aber seitdem ist viel Wasser den Jordan
hinab geflossen; und viel Geld von Chaim Saban und anderen
jüdischen Milliardären. Jetzt kriecht Hillary wie der Rest.
Netanjahu ist ein
überzeugter Republikaner. Er würde sehr glücklich sein mit einem
Präsidenten Rubio oder einem Präsidenten Cruz. Aber ein Präsident
Trump? Ein Antisemit? Ein Araber-Liebhaber. Nun, seltsamere Dinge
sind schon geschehen.
Nach dem
Oxford-Lexikon ist ein Trump nicht nur eine gewinnende Karte
(Trumpf) die einen Rang über anderen einnimmt, sondern auch ein
ohrenbetäubender Klang. „Der letzte Trump“ ist der Trompetenstoß,
der die Toten zum Jüngsten Gericht aufwecken wird.
Hoffen wir, dass die
amerikanischen Wähler vorher aufwachen.
In den
1969er Jahren lief ein Assistent zum damaligen Premierminister Levi
Eshkol. „Levi, eine schreckliche Katastrophe“, rief er aus.
Es wird eine schwere
Dürre geben“
. „Wo? In Texas?“
fragte Eshkol ängstlich.
„Nein, hier in
Israel!“ antwortete der Assistent
„Was kümmert’s uns
denn? Antwortete Eshkol erleichtert.
(Aus dem Englischen:
E. Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
N. B.
Ich habe mich in Sache Trump und Antisemitismus
offensichtlich geirrt. Nach der Veröffentlichung dieser Chronik
schickte mir ein
aufmerksamer Leser die folgende
Korrektur:
"Der Donald ist weder
Antisemit noch
KKK-Sympathisant. Er hat
Duke mehrmals
desavouiert, 19
Mal in den letzten zwei Wochen.
Er ist ein bedeutender
Geber an Israel,
zwei seiner Kinder haben
Juden mit seiner
Zustimmung geheiratet
und einer von ihnen hat
sogar zum strengen
orthodoxen Judentum
konvertiert. "
Dies wurde hier (in
Israel) nicht berichtet.
Ich mag es nicht,
falsche Anschuldigungen des Antisemitismus
rumzuwerfen. Ich
entschuldige mich daher
voll und ganz.
Dies ändert nicht meine
Ansichten über den Mann.
Faschismus braucht keinen
Antisemitismus, vor allem, wenn
er Islamophobie
verwenden kann.
Fakt ist: Es laufen
eine ganze Menge von
jüdischen Faschisten
herum. |