Hört
auf die Kinder!
Dafna
Golan, Haaretz , 14.2.08
Schade, dass die
Außenministerin Zipi Livni nicht blieb, um den
jugendlichen Teilnehmern der Israel-Modell-UN (IMUN)-Konferenz
im letzten Monat zuzuhören und ihre Fragen zu
beantworten.
Sie erklärte, dass
man ein in Sderot verletztes Kind und ein im
Gazastreifen verletztes Kind nicht vergleichen
könne. Hätte sie nur noch ein paar Minuten länger
den 150 Jugendlichen zugehört, dann hätte sie eine
Menge von ihnen lernen können.
Schüler aus 10
Jerusalemer Schulen, Juden und Araber, religiöse und
säkulare, nahmen an dieser Konferenz teil. Aber die
Außenministerin hörte ihnen nicht zu . Sie kam und
sprach über die doppelte Moral der Welt und
enthüllte (– unabsichtlich -) ihre eigene und die
Israels.
IMUN war mit viel
Arbeit, Talenten und gutem Willen vorbereitet
worden, um der Jugend deutlich zu machen, wie die UN
arbeitet, um andere Perspektiven über Politik kennen
und formulieren zu lernen und zu versuchen, wie man
einander höflich und respektvoll zu überzeugen
versucht.
Als Mutter von einem
der Teenagers war ich begeistert und hoch erfreut,
an der Eröffnungszeremonie dieses von der Jugend
ausgeführten Programms im Außenministerium
teilnehmen zu können.
Herr Stephan Dujarric,
ein früherer Sprecher des UN-Generalsekretärs, der
an der Eröffnung teilnahm, sprach von der Spannung
bei den Aufgaben der UN zum einen als eine Bühne und
gleichzeitig als Beteiligte auf dem internationalen
Parkett. Die Teenagers fragten ihn unter anderem, ob
Israel das Recht habe, ein Mitglied des
UN-Menschenrechts-Komitees zu sein und warum die UN
dem Raketenbeschuss Sderots nicht Einhalt gebieten
könne.
Er sprach über die
problematischen Aspekte des
UN-Entscheidungsprozesses und über das Völkerrecht,
das zum einen den Raketenbeschuss auf Sderot und auf
die in der Nähe liegenden Gemeinden verurteilt, aber
auch den Beschuss auf Zivilisten im Gazastreifen.
Offenbar kennt Livni
das Völkerrecht nicht. Sie sagte bei ihrem Vortrag:
“Auf der einen Seite gibt es Terroristen, die auf
Zivilisten und Kinder zielen und sie zu verletzen
versuchen. Auf der andern Seite ist Israel, das –
nach dem Völkerrecht, - die Pflicht und das Recht
hat, seine Bürger zu schützen – und genau das tun
wir.“
Die Außenministerin
hat natürlich recht. Israel hat das Recht und die
Pflicht, seine Bürger zu schützen. Aber Israel
gelingt es nicht nur, seine Bürger nicht zu
schützen, die täglich unter Qassamraketen leiden, es
verletzt im Gazastreifen und in der Westbank das
Völkerrecht. Das Völkerrecht verbietet das
Bombardieren ziviler Gebieter, Gefangene außerhalb
der besetzten Gebiete festzuhalten, den Strom
abzuschalten und weiter den Gazastreifen zu
besetzen, von dem es sich angeblich getrennt habe.
Es verbietet auch das Bauen von Siedlungen ( im
besetzten Gebiet).
Die Fortführung der
Belagerung im Gazastreifen mit seiner etwa 80%
Arbeitslosenrate, die anhaltende Gefangenschaft von
Hundertausenden von Menschen, auch Kinder und
Frauen, deren einziges Verbrechen ist, im belagerten
Gazastreifen zu leben, verletzt nicht nur das
Völkerrecht. Es ist auch boshaft und sinnlos.
Es ist nicht richtig,
ein Kind zu verletzen, egal ob es ein jüdischen oder
ein palästinensisches Kind ist, ob es der Sohn
eines Hamasführers ist oder ein Schüler in Sderot –
ob durch Granaten, Raketen von Flugzeugen oder
größeren oder kleineren Truppen, die den
Gazastreifen überfallen. Wenn die Kinder des
Gazastreifens und von Sderot erwachsen sind, werden
sie - zusammen oder getrennt - ein UN-Modelprogramm
aufstellen, dann muss der Außenminister oder die
Außenministerin verstehen, dass der Schmerz eines
Kindes keine Grenzen kennt und dass es keine
Rechtfertigung für Raketen, fürs Schießen, für
Morde und das Bombardieren von Zivilisten im
Gazastreifen gibt.
Statt über die
Heuchelei der Welt zu reden, warum fangen wir nicht
damit an, auf unsere eigene Heuchelei zu sehen? Um
das Verletzen von Kindern in Sderot zu stoppen,
müssen wir mit der Hamas reden. Der Vorschlag der
Hamas, eine vorläufige Waffenpause einzulegen, ist
vernünftig und machbar. Statt mit den illegalen,
zerstörerischen militärischen Aktionen weiter zu
machen, könnten wir versuchen, mit einander ins
Gespräch zu kommen.
Wir können die Kinder
von Sderot und von Gaza und Gilat Shalit retten. Die
Außenministerin könnte von den Teenagern lernen. Sie
vertreten verschiedene Positionen unserer Region und
haben es fertig gebracht, mit einander zu reden.
Vielleicht gelingt den
Erwachsenen dasselbe.
Die Autorin ist
Mitglied der Juristischen Fakultät an der
hebräischen Universität in Jerusalem.
(dt. Ellen Rohlfs) |