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"Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net
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Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus
den besetzten Gebieten
Brief aus Israel
2.8.05 Liebe
LeserInnen alle, die ihr nicht in Urlaub seid,
erstmal eine einigermaßen erfreuliche Meldung, wenn auch nicht viel:
Haaretz, die "liberalste" (im amerikanischen Sinn) israelische Zeitung,
hat die Überschrift gebracht, "Armee feuert Tränengas auf unbewaffnete
Demonstranten". So eindeutige und laute Kritik am Verhalten der Armee
ist eine große Seltenheit. In dem Artikel wird ferner berichtet, das
drei Israelis bei einer Demo in Bi'lin festgenommen wurden, und dass die
Armee behauptete, die Demonstranten hätten Reifen verbrannt und mit
Steinen geworfen, was aber beides nicht stimme. Ein Knessetmitglied hat
einen Ausschuss verlangt, um die Polizeigewalt gegen Protestierende
gegen den Bau des Zaunes zu untersuchen, und drei Richter haben das
Verhalten der Polizei scharf kritisiert, nachdem sie ein Video gesehen
haben, dass zeigte dass ihre Beschuldigungen falsch waren.
Wie Dorothy dazu bemerkt, wird das am Zaun/Mauerbau und am Landraub
nichts ändern, aber es weist auf eine Veränderung in der israelischen
Öffentlichkeit hin. Die Gewalt geht auch unvermindert weiter - fünf
Demonstranten wurden mit Gummigeschossen verletzt, Soldaten haben
angefangen, DemonstrationsteilnehmerInnen in ihren Häusern zu suchen.
Gleichzeitig haben Demonstranten an mehreren anderen Orten angefangen,
Reifen zu verbrennen, in der Hoffnung, dass das von der Welt als Notruf
verstanden wird.
Auch Washington erhöht allmählich seinen Druck auf die israelische
Regierung, leider bisher aber nicht das einzige wirklich effektive
Druckmittel - die Drohung, Unterstützung einzustellen - eingesetzt. Wie
Dorothy schreibt, müsste Washington eine solche Drohung "nur Sharon ins
Ohr flüstern", um ihn zu bewegen, seine Pläne zu ändern. Er sei ein
Killer, den Worte ohne Taten nicht beeindrucken. Sie schickt aber auch
einen Artikel aus der Internationalen Herald Tribune - die der New York
Times gehört - von Henry Siegman, Experte für den Nahen Osten im Council
on Foreign Relations, das die US Regierung berät, und früherer Leiter
des American Jewish Congress. Er schreibt in aller Deutlichkeit, dass
Israel den Weg zum Frieden blockiere und Terror gegen die Palästinenser
ausübe; dass der Gazaabzug kein Schritt zum Frieden sondern als
Präzadenzfall, der den Frieden unmöglich macht, weil er deutlich zeigen
soll, dass ein Rückzug aus der Westbank nicht durchsetzbar sei. Wie
sein Hauptberater, Dov Weissglas, es bereits voriges Jahr ausgedrückt
hat, der Rückzug soll den Friedensprozess und einen Palästinenserstaat
"in Formaldehyd einlegen".
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Einer schwedischen Aktivistin iranischer Abstammung, die bereits länger
mit der ISM in den besetzten Gebieten gearbeitet hat wurde nun eine
erneute Einreise am Ben-Gurion-Flughafen verwehrt. Sie schreibt, dass
der Beamte, der sie verhört hat, behauptet habe, Kontakt zur
schweidischen Geheimpolizei zu haben, die ihn über ihre Aktivitäten in
Schweden informiert habe. Zwanzig weiteren SchwedInnen sei auch die
Einreise verwehrt worden, obwohl sie durch die Teilnahme an Protesten
gegen die Mauer lediglich die Aufgabe ergreifen, die nach
internationalem Recht allen Staaten obliegen, die den Internationalen
Gerichtshof angehören und somit verpflichtet seien, deren Entscheidung
(dass die Mauer gegen das Völkerrecht verstosse) durchzusetzen.
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Bei einer friedlichen Demo von etwa 200 Menschen in dem Dorf Kief
el-Hares, das in der Nähe der Großsiedlung Ariel liegt, aber bisher vom
mauerbau noch nicht betroffen wurde, wurden zwei DemonstrantInnen durch
Tränengas verletzt. Dorothy hat sich empört bei der Ziviladministration
beschwert und dieses Verhalten verglichen mit dem Verhalten gegenüber
demonstrierenden Siedlern, wo die Polizei und Armee ruhig zuschauen,
egal wieviel Gewalt ausgeübt wird.
Sie berichtet dann weiter über Ereignisse der vorigen Woche, die so eine
Wut in ihr entfacht haben, dass sie erst warten wollte, bis sie sich
etwas beruhigt hatte, um darüber zu schreiben. In der vorigen Woche
wurde sie nachts um 2 Uhr geweckt durch ein Telefonanruf, dass Soldaten
in einigen Häuser in Hares - eine naheliegenden Dorf, in dem es noch
keine Demos gegeben habe, mit Gewalt eindrangen. Ein Anruf an die
Ziviladministration wurde beantwortet, man könne nichts tun, dass sei
normale militärische Aktivität - auch Knallgranaten, mit denen Kinder
und Kranke mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen wurden! Der
Anruf war von Frauen des IWPS (International Women for Peace and
Service, oder so ähnlich, die mutige Frauen dazu ausbilden, monatelang
in palästinensischen Familien zu wohnen) gekommen.
Anschließend berichtet Dorothy über ihre nächsten zwei Tage, in dem sie
ein palästinensisches Mädchen abholte und - mit den üblichen
Schwierigkeiten - zum Flughafen brachte um für 2 Wochen an einem Camp in
USA teilzunehmen. Höhepunkt dieser Fahrt, für das junge Mädchen, dass
sie vor der Grenze nach Israel ihr Kopftuch abnahm, eine Sonnenbrille
und Kopfhörer aufsetzte, und in dem israelischen Auto unerkannt und
unbehelligt durchfahren konnte. Am Flughafen wird Dorothy dann von
einer palästinensischen Frau, bzw. arabischer Israelin, um Hilfe
gebeten, einen Passierschein zu erwirken für den in Palästina lebenden
Bruder ihres schwerverletzten Ehemanns. Das passiere ihr immer wieder,
sie kann aber nur die Telefonnummer eine Menschenrechtsorganisation
weitergeben. Auf die Fahrt hatte sie außerdem eine französische
Aktivistin mitgenommen, um ihr einige palästinensische Dörfer und eine
Siedlung zu zeigen. Sie hatte gerade Zeit, ihr ein von einer 8m hohen
Mauer umbauten Haus zu zeigen, musste dann aber zu dem jungen Mädchen
eilen, weil irgendwas mit ihrem Passierschein nicht in Ordnung war. Am
nächsten Tag hat sie mit ihrem Mann eine junge Frau in Kief El-Hares
besucht, die an Krebs sterbe, und die Dorothy die letzten anderthalb
Jahre begleitet hatte. Sie beschreibt die Gastfreundschaft der Mutter,
die das letzte Essen auf den Tisch stellt und meint, ihre Tochter
lächele nur noch, wenn Dorothy komme. Sie hat ihr versprochen, sie
diese Woche auf einen Besuch zu einer Freundin in einem Nachbardorf zu
bringen. Auf dem Weg nach Hause mussten sie nochmal in das Dorf des
jungen Mädchens, weil sie aus Versehen das Telefon ihrer Mutter
mitgenommen hatte und dies zu spät bemerkt. Auf dem Weg dorthin
erhielten sie einen Anruf, acht zu geben da Soldaten im Dorf seien und
es schon dunkel war. Sie und ihr Mann unterhielten sich laut auf
Hebräisch um - hoffentlich - zu verhindern, dass ein Soldat in der
Dunkelheit schießt bevor er spricht.
Dann fährt sie fort: Meine Lieben, es geht hier nicht um mich. Das
obenstehende handelt darum, was es bedeutet, ein/e PalästinenserIn unter
der brutalen Besatzung zu sein. Ich lebe das nicht. Ich komme nach
hause in ein haus wo keine Soldaten die Tür eintreten können. Ich kann
im Garten spazieren gehen ohne Angst, dass ein Soldat mich abknallt.
Ich brauch keinen Passierschein, um meine Tochter zu besuchen. Ich kann
unter meinen Bäumen sitzen, ohne dass ein Soldat mich hindern kann indem
er das Tor nicht öffnet. Wenn in meiner Familie einer schwer krank
wird, kommen wir rechtzeitig ins Krankenhaus. Unsere Enkel können zu
Schule gehen, ohne Angst mit Tränengas besprüht zu werden oder dass
Soldaten den Unterrricht stören. Und noch viel mehr.
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Und dann kommt noch von New Profile ein Aufruf zu einer Mahnwache, die
einen jungen Israeli zum Einberufungszentrum begleitet, wo er den
Kriegsdienst verweigern will und erwartet, anschließend sofort ins
Gefängnis zu kommen.
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Gottseidank gibt es in Israel auch solche Menschen!
Gruß, Anka
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