Liebe FreundInnen,leider - vom Standpunkt der
PalästinenserInnen aus - gibt es eine lange Latte von Emails, die
sich in den letzten Tagen bei mir angesammelt haben. Ich versuche,
sie möglichst kurz wiederzugeben. Ausführlich sind ja immer die
übersetzten Artikel, hier also in Kürze:
Stimmen zur Wahl, erstmal aus Palästina:
Sam Bahour schreibt in einem einsichtsvollen
Artikel über das Wunder, dass eine wirklich demokratische Wahl (wie
es alle Beobachter bestätigen) in einem besetzten Land stattfinden
konnte. Sich jetzt zu weigern, mit dem dadurch gewählten Parlament -
dem Palestinian Legislative Council - zu verhandeln, ihm bisher
bewilligte Gelder zukommen zu lassen, etc. ist dagegen alles andere
als demokratisch. Die Frage ist, inwieweit Israel es der neuen
Behörde (von einer Regierung ist sie ja noch weit entfernt) erlauben
wird, überhaupt zu funktionieren, da Israel ja nach wie vor jede
Bewegung innerhalb Palästinas kontrolliert und verhindern kann.
In einem weiteren Artikel nennt er drei
"Potentielle Fehler", die Israel nach der Wahl begehen könnten:
1) Den Pragmatismus und die Fähigkeit zur
Veränderung von Hamas zu unterschätzen.
2) Die Fähigkeit der Fatah, sich wieder
zusammenzusetzen nach dem Wahldebakel. "Fatah ist furchtbar
gescheitert - politisch, diplomatisch, organisatorisch, finanziell
und gesellschaftlich... Dies stellt ein Riesen Potential für eine
kurzfristige Katastrophe dar."
3) Die Tatsache zu ignorieren, dass die Quelle
des Konflikts nach wie vor in der 39jährige militärische Besetzung
und der 58jährige Enteignung der PalästinenserInnen liegen.
-------------------
Noah Salameh bedauert die Mehrheit für eine
gewalttätige Organisation (die sich natürlich leicht erklären
lässt), eigentlich eine Stimme gegen Demokratie, und fragt, warum
die Welt weiterhin mit so unterschiedlichem Maß misst - warum UN
Entscheidungen gegen islamische Länder (Irak, Sudan, Libyen,
Bosnien) mit Gewalt durchgesetzt werden, während die dutzenden, die
über die Jahre gegen Israel verfasst wurden, weiterhin ignoriert
werden. Und nun wird wieder von den Palästinensern verlangt, dass
sie sich ändern, wogegen nie diese Forderung an Israel gestellt
wird.
-------------------
Al Jazeera berichtet, dass 84% der
PalästinenserInnen ein Friedensabkommen mit Israel befürworten. Auch
77% der Hamaswähler wollen eine Einigung, fast genauso viele, dass
Hamas ihren Appell für die Zerstörung Israels fallen lässt.
------------------
Und von jüdischer Seite:
Die European Jews for a Just Peace kritisiert die
"aktuelle Kampagne in Deutschland und Österreich gegen legitime
Kritik der israelischen Besetzung Palästinensischer Gebiete...
Israel ist nicht immuner gegen Kritik als irgendein anderes Land,
das Menschenrechte verletzt...
Legitime Kritik an Israel, basierend auf seine
Politik gegen die Palästinensische Bevölkerung, ist nicht als
antisemitisch zu bezeichnen. Solche Kritik ist ein absichtlicher
Missbrauch diesen Ausdrucks, der darauf zielt, Angst vor
Antisemitismus zu wecken, anstatt ihn zum Schweigen zu bringen."
Gila Svirsky von den Frauen in Schwarz erzählt,
dass, "wenn man auf die Reaktionen der Vorübergehenden gegen die
letzte Mahnwache in Jerusalem achtet, man meinen müsste, es wäre
unsere friedliche kleine Gruppe gewesen, die Hamas an die Macht
gebracht hat... In der Tat sind Bibi Netanyaho und Co. hocherfreut
über den Sieg der Hamas, da sie nun eine angst-durchdrungene
Wahlkampagne führen können und Wähler wieder in die Herde zurück
führen, die eine moderatere Haltung angenommen hatten."
Unter der Überschrift "Wenn Terroristen Politiker
werden" erinnert sie sich an ihren Schock als Menahem Begin, früher
Anführer einer jüdischen terroristischen Organisation, die 91
Zivilisten durch eine Bombe auf das King David Hotel getötet hatte,
Premierminister wurde. "Und dann war es Begin, der den Frieden mit
Ägypten ausgehandelt hat." Und Scharon, der "blutgetränkte Episoden"
an verschiedenen Stellen verantwortet hat, der Gaza "zurückgegeben"
hat. [Die letzten Gänsefüßchen signalisieren meine Zweifel an der
Richtigkeit dieser Bezeichnung. A.] "Genau wie die israelische
Rechte leichter Konzessionen machen konnten als Rabin, der ständig
gegen den rechten Flügel kämpfen musste, so kann auch die Hamas mehr
Unterstützung für Konzessionen mobilisieren als die moderatere Fatah
jetzt unternehmen könnte... Das Einfrieren der Finanzhilfe würde nur
die fragile Wirtschaft destabilisieren und Unschuldige (nicht aber
Politiker) schädigen... Oder hat jemand vielleicht Interesse daran,
Chaos in den Palästinensergebieten zu säen?"
Gershon Baskin vom Is/Pal Center for Research and
Information tröstet sich durch die Feststellung, dass dei Hamas
keine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erzielt hat, sondern
gewonnen hat, weil sie in jedem Distrikt eine geschlossen Liste
präsentiert hat, wogegen die anderen Gruppierungen eine Vielfalt von
Kandidaten aufstellten. =============
Weitere Nachrichten:
In einem bemerkenswerten Urteil hat ein Richter
in Großbritannien die Beschuldigung gegen 7 AktivistInnen, die die
israelische Exportfirma Agrexco blockiert hatten, zurückgewiesen.
Die Beweise gegen die Beschuldigten seien zu dürftig um die
Weiterführung des Prozesses zu rechtfertigen.
--------------------
Das israelische Hohe Gericht hat dem Staatsanwalt
drei Wochen Zeit gegeben, um zu erklären, warum Israel nicht bereit
ist, die Trasse des Trennungszaunes zu ändern wo sie über das Land
des Dorfes Bil'in läuft.
Der Anwalt für Bil'in hatte das Gericht
informiert, dass die Route des Zaunes nicht aus
Sicherheitsüberlegungen festgelegt wurde, sondern um eine
Erweiterung der Siedlung Upper Modi'in zu ermöglichen. Illegale
Bauarbeiten sind dort längst im Gange.
--------------------
Dorothy berichtet mit Entsetzen, dass - ohne das
eine einzige Meldung darüber in irgendeinem Nachrichtenmedium
erschienen ist, 8 Ehefrauen aus dem israelischen arabischen Dorf
Jaljulia vor kurzem mitten in der Nacht geweckt und aus ihren
Häusern gezerrt wurden. Sie wurden zunächst zu einer Polizeistation
gebracht und später - vor oder bei Tagesanbruch - am Checkpoint in
Qalqilya ohne einen Pfennig abgesetzt mit dem Befehl, sich über die
Grenze zu begeben. Ihr Verbrechen? Sie waren illegal in Israel, z.T.
seit 5, andere seit 10 Jahren. Alle hatten Kinder, von 6mo bis 5
Jahre, waren legal verheiratet mit Männern, die israelische
Staatsbürger waren, hatten aber keine Erlaubnis erhalten, in Israel
mit ihren Ehemännern zusammen zu leben. "Die Geschichte war wohl
nicht wichtig genug, um davon zu berichten...
Wieviele Israelis sorgen sich schließlich, wenn
palästinensische Ehefrauen rausgeworfen werden... Ich frage mich,
was wir noch alles nicht wissen, wegen Versäumnisse der Medien."
-------------------
Abenteuer der Frauen vom Checkpoint Watch:
Eine Journalistin von einem - offensichtlich -
Internet Nachrichtendienst war mit anderen Mitgliedern von Machsom
Watch am Hawara Checkpoint bei Nablus. Sie erzählt wie sie von einer
Gruppe Taxifahrer erfuhren, dass diese "zur Strafe" festgehalten
wurden, ihre Ausweise einbehalten. Sie sagten den Soldaten, dass sie
nicht befugt waren, Palästinenser zu bestrafen, zeigten sogar ein
offizielles Dokument vor das dies bestätigte. Die Soldaten drohten
schließlich damit, die Polizei zu rufen, wenn wir nicht den
Checkpoint verließen.
Wir beschlossen zu gehen. Unterwegs wurden wir
von einem Polizeijeep angehalten und beschuldigt "einen Beamten
irritiert" zu haben. Wir wurden eine halbe Stunde festgehalten,
während die Polizisten jedes palästinensische Auto anhielten -
nachdem sie mindestens 2 Stunden in Hawara gestanden hatte.
Schließlich beschlossen die Polizisten, uns zur Polizeiwache
mitzunehmen. Dort beschuldigte uns eine Polizistin der Beleidigung
der Soldaten in Hawara. Unnötig zu sagen, dass unsere Frauengruppe
nie "Nazis, Abschaum!" den Soldaten zugerufen hatten, wie die Frau
behauptete.
Zu unserer Überraschung wurden wir sogar
beschuldigt, eine Militärorder gebrochen zu haben, nach dem
israelische Staatsbürger die Westbank nicht betreten durften.
Komisch. Die Unterschrift des IDF Befehlshabers, der die Order
unterschrieben hatte erscheint auch auf dem Dokument, nach dem
Soldaten Palästinenser nicht bestrafen durften, wie auch auf einer
Abmachung zwischen der Armee und Machsom Watch, das unseren
AktivistInnen Zugang zu den Checkpoints sichert. Wir hatten es satt,
mit der Polizei zu streiten und gingen fort mit einem Verbot, die
Westbank 2 Wochen lang zu betreten. "Das nächste Mal, dass ihr 100
wählt (Notrufnummer) und keiner antwortet, könnt ihr sicher sein,
dass unsere Blaugekleidete Männer und Frauen damit beschäftigt sind,
euch von einer Gruppe linker Frauen zu schützen, die versuchen
Informationen zu sammeln, die ihr lieber nicht erfahren möchtet."
------------------
Während die Hamas von allen gedrängt wird,
Bedingungen zu erfüllen bevor die Welt mit ihnen verhandeln kann,
fragen palästinensische BürgerInnen aus Hebron, warum keiner die
israelische Regierung drängt, die eigenen Zusagen umzusetzen und den
Markt und das Stadtzentrum in Hebron den PalästinenserInnen wieder
zugänglich zu machen, dass sie endlich wieder in Frieden und Würde
leben, ihre Kinder unbehelligt in die Schule gehen und dort sicher
sein können, und vonden täglichen Siedlerangriffen geschützt werden.
-----------------
Und zuletzt, eine Meldung aus Washington: Die
Aktivistin Cindy Sheehan, deren Sohn in Irak gefallen ist, wurde
festgenommen, die Hände auf dem Rücken verschränkt und gewaltsam die
Treppe hinaufgestoßen, weil sie sich erdreistet hatte, der "State of
the Union" Ansprache des Präsidenten beizuwohnen in einem T-shirt
mit der Aufschrift "2245 Tote.
Wieviele noch?"
Es lebe die Freiheit und Demokratie, die unser
großer Bruder (mit dem wir laut Bundeskanzlerin ja wieder einig
sind) in aller Welt durchsetzen will!
Gruß, Anka